Für die überwältigende Mehrheit der Laienfunktionäre der Katholischen Kirche und für so manchen Bischof ist eines gewiß: Wenn erst das Frauenpriestertum, die Segnung homosexueller Ehen und die Verdemokratisierung der Kirche durchgesetzt sein wird, dann wird die Kirche wieder gute Zeiten erleben. Ach ja, fast hätte ich noch die Reformforderung: Sex für jeden wie es ihm gefällt!, vergessen.
Nur wenn das so wahr wäre, warum blüht dann der Protestantismus in Deutschland nicht und noch irrtierender: Wo er noch lebendig ist, da tritt er evangelikal, fundamentalistisch und charismatisch auf: alles geradezu Ausgeburten eines puren Irrationalismus aus Sicht des Reformkatholizismus.
Meine These lautet nun: Nicht der Atheismus, der wohl in der Kulturgeschichte der Menschheit noch nie so verbreitet war wie heute, ist das Grundproblem der christlichen Religion, sondern die Meinung, daß es Gott, wie immer er auch näher bestimmt geglaubt wird, sich indifferent zu uns Menschen verhielte.
Kurze Erläuterungen: Konstitutiv für das Gottesverständnis des Alten wie des Neuen Testamentes ist der Glaube, daß Gott sich kontingent zum Verhalten der Menschen verhalten kann, daß er in der Regel aber auf der kollektiven Ebene, der des Volkes der Garant dafür ist, daß, wenn das Volk Gottes gemäß Gottes offenbartem Willen lebt, gut geht, aber schlecht, wenn es wider Gott sündigt. Die gesamte Geschichte der Beziehung Gottes zu seinem Volke Israel ist eine große Erzählung über dieses so geartete Verhältnis. Auf der individuellen Ebene gilt dies ebenso: Gerade die Weisheitsbücher der Bibel exemplifizieren diesen religiösen Grundsatz. Modifiziert wird er durch die Erzählungen von Gottes Bereitschaft, dem gesündigt habenden Volke wie dem Einzelnen gnädig sein zu wollen, wird das Sündigen bereut. Zentrale Bedeutung für die Wiederherstellung eines guten Verhältnisses Gottes zu seinem Volke wie zu dem Einzelnen hat dabei der Opferkult des Jerusalemer Tempels im Alten Bund und im Neuen das Meßopfer der Kirche.
Diese Grunderzählung ist aber immer auch eine angefochtene: Geht es den Unfrommen oft nicht besser als den Weisen, die nach Gottes Geboten leben? Nicht nur der Prediger Salomon, auch das bekanntere Hiobbuch frägt so und erruiert theologische Antworten.
Die christliche Antwort, aber eine, die nicht grundverschieden von den Antworten anderer Hochkulturreligion abweicht, ist die Vereschatologisierung: Erst in dem jenseitigen Leben wird es zur Wahrheit, daß Gott die einen, die gemäß ihm gelebt haben, mit dem ewigen Leben belohnt, die anderen aber bestraft mit dem ewigen Tod. Diese Verjenseitigungskonzeption als Lösung für das Problem, daß es den Frommen oft im Leben nicht gut, den Unfrommen (daß regelmäßig mit gottlos übersetzt wird, etwa Jesus Sirach 11,11 erachte ich als Fehlübersetzung: Atheisten dürfte es zu der Zeit kaum gegeben haben, aber Menschen, die glauben, daß Gott ist und doch zu leben, als gäbe es ihn nicht als relevant für ihr persönliches Leben) aber gut geht, bzw daß das Lebensglück scheinbar unabhängig von der Frage ist, wie der Einzelne oder ein Volk es mit Gott hält, evoziert nun aber auch Folgeprobleme: Ist denn der Gott nur für das Jenseitige zuständig, sodaß wir in unserem Erdenleben faktisch ohne Gott zu leben hätten?
Eine Modifikation der Vorstellung eines sich zum weltlichen Leben indifferent verhaltenden Gott ist die, daß Gott alle Menschen gleich liebe, daß er zu allen sich so gleich gut verhielte. Wenn Gott vereschatologisiert wird, hat das Wie des Lebenss zwar innerweltlich keine Konsequenzen für das Verhalten Gottes zu dem Menschen, aber das Wie des Gelebthabens hat sehr wohl für sein jenseitiges Leben Konsequenzen. Wird Gott aber als indifferente Liebe zu allen gedacht, dann hat das Wie der Lebensführung auch keine Konsequenzen mehr für den Einzelnen wie für kollektive Subjekte wie das eines Volkes.
Die Probe aufs Exempel: Keine Krankheit, kein Unglück wie die jetzige Coronaseuche oder erlittene Kriege deutet die heutige Theologie als eine Strafe Gottes, denn der hat mit so Negativen rein gar nichts zu tuen. Wenn Gott mit den negativen Seiten des Lebens nichts mehr zu tuen hat (so irrte eben die hl. Schrift, als sie uns die Sintflut als Gericht Gottes über die sündige Welt vor Augen führt, ebenso wie wenn der Kreuztod Jesu als Gericht Gottes über die Sünde expliziert wird), hat er dann auch nichts mehr mit den guten Seiten des Lebens zu tuen.(Frau Wozniaks Buch: „Hilft mir Gott? Wunderbare Gebetserhörungen in der Corona-Krise“ widerstreitet dem energisch gut fundiert, aber auf wie viel Glauben werden diese Berichte noch stoßen?) Ja, das Vorurteil, daß alles in der Welt sich Ereignende etwas rein weltimmanent Erklärbares sei, löscht so das Fundament der christlichen Religion auf: Gott ist faktisch bedeutungslos für das praktische Leben.
Er kann wohl an den eigenen Selbstwert zweifelnde Menschen zu einem Jasagen zu sich selbst verhelfen: Weil Gott mich bejaht, kann auch ich mich bejahen und die anderen, die Gott auch wie mich bejaht!, aber dann ändert das faktisch wenig im Realleben, denn Gott verhielte sich zu den Gläubigen genauso wie zu den Ungläubigen. Er limitiert sich eben darauf, jedermann zu bejahen.
Aus dem Gott, der sich verschieden zu den Gläubigen und den Ungläubigen verhält, der auch sich zu ganzen Völkern unterschiedlich verhält, je nachdem wie sie öffentlich es mit der Religion halten, ist ein Gott geworden, der eigentlich nur noch ein Zuschau- und Mitdabeiseingott ist. Er regiert nicht mehr, er wirkt nicht mehr in das Leben hinein. Er fungiert in der zeitgenössischen liberalen Theologie eigentlich nur noch als ein Motivationsverstärker für eine humanistische Lebensführung. Aber wie dann zu leben sei, dazu bedarf es der christlichen Religion schon nicht mehr: Der gesunde Menschenverstand reiche da völlig aus, bzw besser die ethischen Vorgaben der Politischen-Korrektheitsideologie.
So überflüssig geworden stirbt Gott in der Kirche und so können dann auch für die jetzige Krise Therapiekonzepte zu Hauff produziert werden, die ganz ohne Gott auskommen. Die Kirche stirbt ohne ihn und hofft auch, ohne ihn leben zu können.
Zusatz:
Jesus Christus ohne Gott mutiert dann konsequenterweise zu einem
bloßen Vorbild praktizierter Humanität, zu einer Persönlichkeit,
die wertzuschätzen sei.
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