Montag, 30. August 2021

Irritationen: Gehört zum Menschen sein Sterbenmüssen als Moment seiner Endlichkeit?

(Irrwege einer falschen Versöhnung mit etwas Widernatürlichem)



Neuere Theologen, so steht es in dem „Grundriss der Dogmatik“ von Ludwig Ott, 11. Auflage, 2005, lehren, „daß der schuldlose Mensch bei längerer Dauer des Urzustandes zwar gestorben wäre, daß er aber den Tod nicht so schmerzlich erfahren hätte, wie der schuldig gewordene Mensch.“ (S. 165)Nun steht auf der selben Seite aber auch: „Die Hl. Schrift berichtet, daß Gott den Tod als Strafe für die Übertretung seines Prüfungsgebotes angedrohte und verhängte.“

So müßte es zweierlei Arten des Todes geben: A) den natürlichen, den auch Adam und Eva gestorben wären, hätten sie nicht gesündigt und B) den Tod als das Gericht Gottes über den Sünder, daß wir alle in Adam gesündigt haben und so dem Todesschicksal unterworfen sind, wie es die Erbsündenlehre expliziert. Als Argument führten die neueren Theologen an, daß die Sünde die Natur des Menschen nicht verändere, sodaß wenn der Mensch von Natur aus unsterblich wäre, er durch die Sünde nicht zu einem Sterbenmüssenden verwandelt werden könne. Da es aber zur Natur des Menschen gehört, sterben zu können, aber nicht sterben zu müssen, ist dieses Argument leicht widerlegbar. Gehörte nämlich das Sterbenmüssen zur Natur des Menschen, könnte er nie ewig leben, weil das dann seiner Natur widerspräche. Da der Mensch ein Zusammengesetztes aus einer Seele und einem Körper ist (den die Seele dann zu seinen Leib formt), ist die Trennbarkeit von Seele und Leib als Möglichkeit mitgesetzt, aber warum sollte daraus eine Notwendigkeit einer solchen Trennung zu konsekutieren sein?

Zudem gibt es Menschen, die ohne gestorben zu sein, in das ewige Leben eingegangen sind, Henoch und Elischa und wird es Menschen geben, die ohne zu sterben, in das ewige Leben eingehen werden, die, die am Tage der Wiederkunft Jesu Christi, zu richten die Lebenden und die Toten, leben werden und von dem göttlichen Richter mit dem ewigen Leben belohnt werden.

Problematisch wird die Lehre der Kirche, daß es keinen natürlichen Tod gibt, daß so auch Adam und Eva nicht gestorben wären, hätten sie nicht gesündigt nur durch die Vorstellung, daß im Tierreich schon der Tod herrschte, bevor der Mensch sich aus diesem Tierreich evolutionär herausentwickelt hätte, er aber so von Anfang an dem Schicksal des Sterbenmüssens unterworfen gewesen sei, da es zur Natur alles Lebenden gehöre, sterben zu müssen.

Diese Vorstellung verkennt aber, daß dem naturwissenschaftlichem Denken die Natur, so wie sie in Folge des Sündenfalles geworden ist, nur bekannt sein kann, nicht aber die prälapsarische. Der in der Evolution der Natur auftretende Mensch ist ja nur der in die postlapsarische Welt hineingefallene, der exilierte Mensch, wie es so wunderbar treffend das „Salve Maria“ zum Ausdruck bringt. Daß die Geschichte des Sündenfalles wie der Engelfall in der Form eines Mythos erzählt wird, verdeutlicht ja signifikant, daß das hier Erzählte nicht ein Ereignis in der Geschichte ist, sondern eines vor der Geschichte, durch das erst die Geschichte, so wie sie für die Geschichtswissenschaft zugänglich ist, konstituiert wurde.

Was hat aber diese Konstruktion eines natürlichen Todes für die Theologie und die christliche Religion für Folgen? Wenn es zur Natur des Menschen gehört, als endliches Wesen zu sterben und dann tot zu sein, wie kann dann noch sinnvoll die Vorstellung eines ewigen Lebens (in der Gemeinschaft mit Gott) als etwas für uns Menschen Angemessenes gedacht werden, erschiene ein ewiges Leben nicht dann folgerichtig als etwas Widernatürliches, zu uns Menschen nicht recht Passendes? Die Vorstellung der Natürlichkeit des Todes versöhnte so den Menschen mit seinem Todesschicksal, da der Tod ihm so zu etwas als zu seinem Leben natürlich, also selbstverständlich Dazugehörigem wird. Wozu bedürfte er da dann noch eine Erlösung vom Tod, wenn der Tod konstitutiv zum menschlichen Leben dazugehört?

Der Tod wird aber auch deshalb so vernaturalisiert, weil er nicht mehr als Gottes Strafe über die Sünde expliziert werden kann, wenn Gott einfach nur noch als die Liebe vorgestellt wird, daß Gott eben nur lieb sei und so niemals den Menschen als Strafender gedacht werden dürfe. So wird nicht nur das Todesschicksal des Menschen verharmlost sondern auch Gott verniedlicht zu einem bloß immer Liebenden, einem der nicht anders kann, als immer nur zu beteuern: Ich hab euch alle lieb!



 

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