Samstag, 29. Februar 2020

Zum Selbstbestimmungsrecht und seinen Grenzen

Für den Regensburger Bischof Voderholzer ist das  Urteil des Bundesverfassungsgerichts über „selbstbestimmtes Sterben“ - eine Gefahr, "dass das gesellschaftlich weit verbreitete Pochen auf „Selbstbestimmung“ umschlage in eine totalitäre Fremdbestimmung". Kat net 27.2.2020. Dies Argument ist so sinnvoll wie die Behauptung, daß seit dem es das allgemeine Wahlrecht gäbe, in der Demokratie die Wahlen unfrei verliefen, weil doch die Staatsbürger faktisch alle manipuliert ihre Stimme abgäben, ja daß die Freiheit grundsätzlich von uns Menschen nur zum Sündigen mißbraucht würde, sodaß es am besten wäre, wenn alle Freiheitsrechte abgeschafft werden würden. 
Der Begriff des selbstbestimmten Sterbens setzt nun voraus, daß jeder Mensch, auch über sein eigenes Lebensende frei entscheiden dürfe und notwendigerweise mit der Einschränkung, dabei nicht andere schädigen zu dürfen- zur Veranschaulichung: Ein Flugzeugpilot darf nicht seinem Leben ein Ende setzen, wenn er um dieses Zieles willen ein Flugzeug mit Passagieren zum Absturz bringt. 
Seitdem der Freitod nicht mehr Bestandteil des Strafgesetzbuches ist, so daß gescheiterte Suizidversuche bestraft wurden, ist faktisch der Freitod eine staatlich erlaubte Handlung. 
Nun können Vertreter der christlichen Religion oder aber auch andere diese faktische Erlaubnis zum Freitod als moralisch verwerflich verurteilen, aber das ändert nichts daran, daß der Freitod staatlich erlaubt ist und daß daraus nun das Bundesverfassungsgericht die Konsequenz zieht, daß so auch eine Beihilfe zum Freitod nicht als unerlaubt qualifiziert werden kann, auch nicht von gewerblichen Anbietern. Sie bieten ja nur eine Hilfe an zu einer an sich von staatswegen erlaubten Handlung. 
Das Bundesverfassungsgericht stellt somit nur klar, daß der, der freiwillig seinen Tod wünscht, dafür auch Hilfen von anderen anfordern und annehmen darf, um so dies sein Recht zu realisieren und daß damit es auch nicht verboten werden kann, solch eine Hilfe anzubieten, auch gewerblich. 
Nun könnte und muß nun auch der Einwand erhoben werden, ob hier dies Gericht den Staatsbürgern ein Recht zubilligt, das ihm nicht zukommt. Ein Beispiel für so eine Grenzüberschreitung, daß der Staat faktisch etwas erlaubt, was nicht erlaubbar sein darf, ist die faktische staatliche Erlaubnis zur Kindertötung im Mutterleibe, auch wenn offiziell weiterhin die Unerlaubtheit bekundet wird, aber durch den Verzicht einer Bestrafung der Kindestötung im Mutterleibe faktisch dies Töten erlaubt wird. Hier ist der Bereich des legitimen Selbstbestimmungsrechtes unzulässig ausgedehnt worden, weil nun die Mutter über das Leben eines anderen Menschen, ob er weiterleben darf oder nicht, entscheidet, wenn es noch in ihrem Mutterleibe ist. Damit wird dem Kinde im Mutterleibe sein elementarstes Menschenrecht, das zu leben, abgesprochen, indem dies Recht der Willkür  der Mutter unterworfen wird.  
Das Selbstbestimmungsrecht kann sich nur auf das je eigene Leben beziehen. und kann auf keinen Fall das Recht inkludieren, anderen ihr Lebensrecht abzusprechen. (Daß in bestimmten Fällen das Töten anderer erlaubt ist, auch moraltheologisch, kann nicht mit dem Recht auf Selbstbestimmung legitimiert werden, sondern wird etwa durch den Sonderfall des Krieges oder vom Begriff der gerechten Strafe her begründet.)Aber das Selbstbestimmungsrecht wird nicht überschritten durch das Erlauben des Freitodes als Bestandteil dieses Selbstbestimmungsrechtes. In diesem Falle kann staatlicherseits weder der Freitod noch eine Beihilfe zum Freitod als unerlaubt qualifziert werden, der Freitod kann dann nur von Vertretern beliebiger Moral, auch der christlichen als unmoralisch verurteilt werden. Aber diese Qualifizierung kann der Rechtsstaat, der seinen Bürgern das Selbstbestimmungsrecht zubilligt als Menschenrecht, nicht als staatliches Gesetz übernehmen.
Die Behauptung, daß ein Recht auch mißbräuchlich praktiziert wird, ist ein äußerst fragwürdiges Argument gegen dies Recht, denn dann könnte aus politisch korrekter Sicht ja auch jedem AfD-Wähler das Wahlrecht entzogen werden, weil er es ja offensichtlich mißbraucht, zumal er ja genauso offensichtlich nur durch die rechte Propganda und Demagogie zu dieser Fehlwahl verleitet worden ist. In allen Fällen, wo Menschen eine freie Wahl treffen,kann nämlich der Vorwurf erhoben werden, daß sie nicht wirklich frei sich entschieden hätten, sondern manipuliert, sodaß es am besten wäre, alle Freiheitsrechte abzuschaffen, um die Staatsbürger vor einem Mißbrauch ihrer  Rechte zu schützen.

Es ist aber nicht zu übersehen, daß gelegentlich in der Katholischen Kirche eine solche Position vertreten wird, wenn von der Mutter Gottes ausgesagt wird, daß sie ob der Fülle der Gnaden nicht sündigen konnte. Damit werden ihre faktisch nicht nur alle Verdienste abgsprochen, denn wenn sie nicht anders konnte als immer das Gute zu tuen, dann ist das kein verdienstliches Wirken Mariä sondern somit wird von ihr ausgesagt, daß sie keinen freien Willen hatte, also daß sie unfrei war; sie funktionierte dann wie ein gut programmierter Roboter, aber sie kann dann nicht mehr als die gehorsame Magd des Herren angesehen werden, die sie nur sein kann, wenn sie auch frei zum Ungehorsam war.  Aber gerade aus christlicher Sicht kann das Ideal des Menschen nicht der der durch Gott unfrei gemachte  Mensch sein. Davon zu unterscheiden ist, daß Handlungen, die der Staat nicht bestraft, etwa den Ehebruch, die Kirche sehr wohl als Sünde qualifizieren kann, er wird aber nicht darauf insistieren, den Ehebruch als zu bestrafénde Handlung seitens des Staates zu qualifizieren.
 

1 Kommentar:

  1. ich möchte diesen artikel auf meiner hompage veröffentlichen mit samt dem dazugehörigen link wenn das ok ist
    meine seite heißt www.bibelkreis-muenchen.de

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