Diese
Parole stößt überall auf Zustimmung, sodaß auch gern
unbureaukratische Hilfe gefordert wird.Weniger Bureaukratie- mehr
Leben? Bertold Brecht schrieb (dagegen) einmal, daß schlechte
Zeitungen kein Grund für die Forderung ihrer Abschaffung seien,
sondern Anlaß geben, bessere zu fordern. Es soll nun versucht
werden, diesem Phänomen sich schrittweise anzunähern. In
Wohnhäusern, in denen mehr als eine Partei wohnt, gibt es in der
Regel schon eine kleine Hausordnung, was wer darf und nicht darf. Im
Hintergrund steht dann noch ein komplexes Gebilde von Gesetzen und
Vorschriften, das Mietrecht und maches andere.
Was
hieße hier nun- um der Veranschaulichung willen- ein
Bureaukratieabbau? Sollen die Bestimmungen, wie lange und wie laut in
Wohnungen etwa Musik gespielt oder gehört werden darf, aufgelöst
werden, daß dann jeder nach seinem Belieben in dieser Causa
verfahren dürfte? Die einen möchten des Nachts schlafen, die
anderen feiern, sodaß ernsthafte Konflikte zu erwarten sind. Oder
soll dann immer wieder aufs Neue ein Kompromiß ausgehandelt werden,
wie in einem Wohnhause beide Interessen zu ihrem Recht kommen?Die kommunikative Kompetenz der Konfliktparteien wäre damit wohl überfordert (gegen Habermas). Dann
ist wohl eine generelle Lösung permanenten Neuverhandlungen
vorzuziehen. Und welche Rechte hat dabei der Mieter und welche der
Vermieter?
Ohne
ein Regelwerk dürfte es kaum ein friedliches Miteinander in einem
Wohnhaus geben können.
Bleiben
wir in diesem Gebiet: In Zeiten akuten Wohnungsmangels könnte
ein Vermieter durch Wuchermieten schnell sich bereichern. Aber
bureaukrtische Gesetze regeln, wie und um wie viel höchstens
in welchen Fällen der Vermieter die Miete erhöhen darf. Es ist nun
leicht verständlich, daß aus der Perspektive des Vermieters diese
Regeln als Einschränkung seiner unternehmerischen Freiheit empfunden
werden und ein Bureaukratieabbau gefordert wird.Aber was hier die
Freiheit des Einen limitiert, schützt den Anderen vor willkürlichen
Mieterhöhungen.
Gesetze
und Regeln, heranwachsend zu einer Bureaukratisierung des Lebens,
erfüllen so eine wichtige Aufgabe, in diesem Falle, durch das
Mietrecht ein allgemeinwohlorientiertes Zusammenleben von Vermietern
und Mietern zu ermöglichen. Gäbe es ein solches Gesamtgesetzeswerk
nicht, würde eben nur die individuelle Freiheit einiger zu Lasten
von vielen gestärkt. Nun können Einzelgesetze verbesserungswürdig
sein, aber wer hier das Mietrecht in Gänze abschaffen wollte im
Namen der individuellen Freiheit, der verstieße so gröblichst gegen
das Allgemeinwohl.
Vor
einiger Zeit hatte in Münchner Zeitungen ein Fall im Bereich des
Mietrechtes für Aufsehen gesorgt: Einer Frau war eine Wohnung zur
Miete angeboten, aber unter der Condition,daß sie auch regelmäßig
zum Sex mit dem Vermieter bereit wäre. Sie unterschrieb diesen
Mitvertrag, bekam die Wohnung und klagte dann gegen diesen Vertrag.
Er wurde gerichtlich als sittenwidrig ungültig erklärt und die Frau
konnte die Wohnung ohne Sex behalten. Liberale hätten nun doch auf
die Freiwilligkeit der Unterschrift rekuriernd diesen Vertrag als
gültig geschlossen beurteilen können. Es gibt nun aber einem den
besonderen Einzelverträgen übergeordnetes Gesetz zur Bestimmung von
sittenwidrigen Verträgen, das eben solche Verträge als ungültig
qualifiziert. Das könnte als bureaukratische Einschränkung der
Vertragsfreiheit gedeutet werden, aber es ist ad hoc einsichtig,
warum solche Schutzbestimmungen nötig sind, um Menschen vor der
Willkür ihrer Mitmenschen zu schützen.
Wo
es gar keine Gesetze und somit auch keine Bureaukratie gäbe, da
herrschte die ungeregelte Willkür der Stärkeren wider die
Schwächeren. Wären alle Menschen erfüllt vom Geiste der
Nächstenliebe, es bräuchte solcher ausufernden Gesetzesopera nicht,
aber so sind die Menschen nicht. Die Komplexität der zu
regulierenden Fälle läßt dann aber leider auch die Gesetze
zu komplexen Gesetzeswerken anschwellen mit der dazugehörigen
Bureaukratie, die aber nur so der Mannigfaltigkeit und Komplexität
des Zuregulierenden gerecht werden können.
Merksatz: Es ist ein grundlegender Denkfehler des Liberalismus, den Staat als Gefährdung und nicht als den Grund bürgerlicher Freiheiten mißzuverstehen.Der Staat, indem er seine Bürger vor der Willkür des Mitmenschen schützt, schafft erst die bürgerlichen Freiheiten.
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