Sonntag, 1. März 2020

Bürgerliche und christliche Moral

Faktisch wird wohl in dem Kulturkreis des sogenannten „freien Westens“ als Nachfolgekonzept des christlichen Abendlandes, in einstiger Konfrontation mit den Ostblockstaaten des real existierenden Sozialismus, die bürgerliche Moral als eins mit der christlichen empfunden, auch wenn diese aus Gründen der politischen Korrektheit willen nun jüdisch-christlich zu titulieren ist. Aber ist dem auch so. Zweifel überkommen einen, wenn man etwa in Julius Evolas: „Den Tiger reiten“ dargelegt bekommt, daß die bürgerliche Gesellschaft selbst schon ein Zerfallsprodukt der traditionellen Gesellschaft ist, daß die bürgerliche Kultur sich durch den Transzendenszverlust auszeichnet, daß sie nur noch weltlich sein will. Zudem ist zu fragen, ob wir nicht schon die bürgerliche Epoche hinter uns haben, daß sie sich schon aufgelöst hat. Thomas Manns Buddenbrooks erzählt ja nicht einfach das kontingente Schicksal des Niederganges einer Familie, sondern darin das Schicksal des Niederganges des Bürgertumes. Ernst Jüngers: „Der Arbeiter“, Ernst Niekisch: „Die 3. imperiale Figur“, vor allem aber Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“, signalisieren, bei allen grundlegenden Differenzen doch eine Gemeinsamkeit, das Gefühl, daß die bürgerliche Kultur zu Grunde geht, sodaß gefragt wird, was danach kommt. Hieße das dann nicht auch, daß wenn die bürgerliche Moral als wesentlicher Bestandteil der bürgerlichen Kultur sich auflöst, das nicht identisch ist mit dem Ende der christlichen Moral, weil die bürgerliche eventuell schon selbst ein Auflösungspodukt der christlichen ist.
Der Zentralbegriff der christlichen Moral ist der des Opfers- gerade weil im Zentrum der christlichen Religion das Kreuz Christi steht. Das setzt die Differenz zu allen anderen Moralvorstellungen. Selbstverständlich weist nun die christliche Moral viele Gemeinsamkeiten mit anderen religiösen und auch rein philosophischen Morallehren auf, einfach, weil sie alle Morallehren sind (so wie alle Bäume, weil sie Bäume sind, bei aller Diffferenzierung doch Gemeinsamkeiten aufweisen, sonst wären sie ja alle nicht Bäume). Aber das sie Spezifizierende ist so der Opferbegriff. So sagt Jesus Christus: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13). Die bürgerliche Moral lebt aus einem ganz anderen Kerngedanken, den des vernünftig gelebten Egoismus: Betrüge Du keinen, damit Dich keiner betrügt! Oder noch pragmatischer: Lüge, betrüge nicht, denn sonst wird Dir einmal Niemand mehr glauben oder Geschäfte mit Dir machen. Der persönliche Vorteil ist das Movens, aber ein vernünftig gelebter Egoismus, der darauf verzichtet, so viel Nutzen und Gewinn wie möglich zu erzielen, wenn dadurch der Bürger sich längerfristig selber schadet. Selbst die Nächstenliebe wird dann nur noch praktiziert, um wenn selbst in eine Not geraten man dann auch Hilfe erwarten kann. Was völlig fehlt, ist das Grundlegende der christlichen Moralehre, ihre Ausrichtung auf das Jenseits: Was muß ich tuen, um das ewige Leben zu erlangen. Die bürgerliche Moral frägt allein nach einem innerweltlichen Nutzen, daß es mir gut geht, und daß für mein Wohlergehen es wichtig ist, den Wunsch des Anderen, daß es auch ihm gut gehen will, zu respektieren. Das Geschäft zu wechselseitigem Nutzen ist so das Ideal der bürgerlichen Moral. Der Liberalismus ist so die Ideologie und die Moral der bürgerlichen Gesellschaft. Daß sie, um sich hervorzubringen einst revolutionär bürgerlich war im Kampfe gegen die traditionelle Ordnung, siehe die Französische Revolution) vergißt sie dabei gern als etablierte Macht. Alle Menschenrechte sind so die Rechte, die sich die Bürger wechselseitig zusprechen, um so gute Geschäfte machen zu können. So brachte es Karl Marx zutreffend auf den Punkt und somit ist das wichtigste das des Rechtes auf das Privateigentum. Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz, gilt hier auf jeden Fall.
Die christliche Morallehre lebt dagegen von der Frage nach dem Gott Wohlgefälligen, nach der Frage, was muß ich tuen, um das ewige Leben zu erlangen. Daraus folgt die Kreuzesnachfolge, auch das Bußfasten in der vorösterlichen Passionszeit. Ist die zentrale Frage jeder religiösen Morallehre, wie erkenne ich die wahre Religion, und wie habe ich dann gemäß ihr zu leben, so frägt die bürgerliche Moral nur danach, wie sind die Religionen wahrzunehmen, wie ist ihr Verhältnis zueinander zu gestalten, damit Konflikte vermieden und der innerweltliche Friede gefördert wird. Darum gehört zur bürgerlichen Moral immer auch eine gewisse Skepsis, daß die wahre Religion wirklich erkennbar sei, sodaß jede zu tolerieren sei um des bürgerlichen Friedens willen. Ein Sohn Gottes, der sich da als die einzige Wahrheit und Weg zum Vater offenbart, paßt so nicht in die bürgerliche Moral, nur ein tugendhaft vorbildlich gelebt habender Mensch Jesus. 
Wenn nun diese bürgerliche Kultur am Sichauflösen befindet, was bedeutet das für die christliche Moral? Zudem. wird nicht maches der bürgerlichen Moral in der Postmoderne bewahrt? Ist die Postmoderne nicht auch eine  Radicalisirung der Tendenz zum Atomismus in der bürgerlichen Gesellschaft, des verünftig ausgelebten Egoismus?  Was ist nun aber mit der traditionellén Moral, um mit Julius Evola zu fragen? 

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