Faktisch
wird wohl in dem Kulturkreis des sogenannten „freien Westens“ als
Nachfolgekonzept des christlichen Abendlandes, in einstiger
Konfrontation mit den Ostblockstaaten des real existierenden
Sozialismus, die bürgerliche Moral als eins mit der christlichen
empfunden, auch wenn diese aus Gründen der politischen Korrektheit
willen nun jüdisch-christlich zu titulieren ist. Aber ist dem auch
so. Zweifel überkommen einen, wenn man etwa in Julius Evolas: „Den
Tiger reiten“ dargelegt bekommt, daß die bürgerliche
Gesellschaft selbst schon ein Zerfallsprodukt der traditionellen
Gesellschaft ist, daß die bürgerliche Kultur sich durch den
Transzendenszverlust auszeichnet, daß sie nur noch weltlich sein
will. Zudem ist zu fragen, ob wir nicht schon die bürgerliche Epoche
hinter uns haben, daß sie sich schon aufgelöst hat. Thomas Manns
Buddenbrooks erzählt ja nicht einfach das kontingente Schicksal des
Niederganges einer Familie, sondern darin das Schicksal des
Niederganges des Bürgertumes. Ernst Jüngers: „Der Arbeiter“,
Ernst Niekisch: „Die 3. imperiale Figur“, vor allem aber Oswald
Spenglers „Untergang des Abendlandes“, signalisieren, bei allen
grundlegenden Differenzen doch eine Gemeinsamkeit, das Gefühl, daß
die bürgerliche Kultur zu Grunde geht, sodaß gefragt wird,
was danach kommt. Hieße das dann nicht auch, daß wenn die
bürgerliche Moral als wesentlicher Bestandteil der bürgerlichen
Kultur sich auflöst, das nicht identisch ist mit dem Ende der
christlichen Moral, weil die bürgerliche eventuell schon selbst ein
Auflösungspodukt der christlichen ist.
Der
Zentralbegriff der christlichen Moral ist der des Opfers- gerade weil
im Zentrum der christlichen Religion das Kreuz Christi steht. Das
setzt die Differenz zu allen anderen Moralvorstellungen.
Selbstverständlich weist nun die christliche Moral viele
Gemeinsamkeiten mit anderen religiösen und auch rein philosophischen
Morallehren auf, einfach, weil sie alle Morallehren sind (so wie alle
Bäume, weil sie Bäume sind, bei aller Diffferenzierung doch
Gemeinsamkeiten aufweisen, sonst wären sie ja alle nicht Bäume).
Aber das sie Spezifizierende ist so der Opferbegriff. So sagt Jesus
Christus: „Es
gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine
Freunde hingibt.“ (Joh
15,13). Die bürgerliche Moral lebt aus einem ganz anderen
Kerngedanken, den des vernünftig gelebten Egoismus: Betrüge Du
keinen, damit Dich keiner betrügt! Oder noch pragmatischer: Lüge,
betrüge nicht, denn sonst wird Dir einmal Niemand mehr glauben
oder Geschäfte mit Dir machen. Der persönliche Vorteil ist das
Movens, aber ein vernünftig gelebter Egoismus, der darauf
verzichtet, so viel Nutzen und Gewinn wie möglich zu erzielen,
wenn dadurch der Bürger sich längerfristig selber schadet. Selbst
die Nächstenliebe wird dann nur noch praktiziert, um wenn selbst in
eine Not geraten man dann auch Hilfe erwarten kann. Was völlig
fehlt, ist das Grundlegende der christlichen Moralehre, ihre
Ausrichtung auf das Jenseits: Was muß ich tuen, um das ewige Leben
zu erlangen. Die bürgerliche Moral frägt allein nach einem
innerweltlichen Nutzen, daß es mir gut geht, und daß für mein
Wohlergehen es wichtig ist, den Wunsch des Anderen, daß es auch ihm
gut gehen will, zu respektieren. Das Geschäft zu wechselseitigem
Nutzen ist so das Ideal der bürgerlichen Moral. Der Liberalismus ist
so die Ideologie und die Moral der bürgerlichen Gesellschaft. Daß
sie, um sich hervorzubringen einst revolutionär bürgerlich war im
Kampfe gegen die traditionelle Ordnung, siehe die Französische
Revolution) vergißt sie dabei gern als etablierte Macht. Alle
Menschenrechte sind so die Rechte, die sich die Bürger
wechselseitig zusprechen, um so gute Geschäfte machen zu können. So
brachte es Karl Marx zutreffend auf den Punkt und somit ist das
wichtigste das des Rechtes auf das Privateigentum. Wo dein Schatz
ist, da ist dein Herz, gilt hier auf jeden Fall.
Die
christliche Morallehre lebt dagegen von der Frage nach dem Gott
Wohlgefälligen, nach der Frage, was muß ich tuen, um das ewige
Leben zu erlangen. Daraus folgt die Kreuzesnachfolge, auch das
Bußfasten in der vorösterlichen Passionszeit. Ist die zentrale
Frage jeder religiösen Morallehre, wie erkenne ich die wahre
Religion, und wie habe ich dann gemäß ihr zu leben, so frägt die
bürgerliche Moral nur danach, wie sind die Religionen wahrzunehmen,
wie ist ihr Verhältnis zueinander zu gestalten, damit Konflikte
vermieden und der innerweltliche Friede gefördert wird. Darum
gehört zur bürgerlichen Moral immer auch eine gewisse Skepsis, daß
die wahre Religion wirklich erkennbar sei, sodaß jede zu tolerieren
sei um des bürgerlichen Friedens willen. Ein Sohn Gottes, der sich
da als die einzige Wahrheit und Weg zum Vater offenbart, paßt so
nicht in die bürgerliche Moral, nur ein tugendhaft vorbildlich
gelebt habender Mensch Jesus.
Wenn nun diese bürgerliche Kultur am Sichauflösen befindet, was bedeutet das für die christliche Moral? Zudem. wird nicht maches der bürgerlichen Moral in der Postmoderne bewahrt? Ist die Postmoderne nicht auch eine Radicalisirung der Tendenz zum Atomismus in der bürgerlichen Gesellschaft, des verünftig ausgelebten Egoismus? Was ist nun aber mit der traditionellén Moral, um mit Julius Evola zu fragen?
Wenn nun diese bürgerliche Kultur am Sichauflösen befindet, was bedeutet das für die christliche Moral? Zudem. wird nicht maches der bürgerlichen Moral in der Postmoderne bewahrt? Ist die Postmoderne nicht auch eine Radicalisirung der Tendenz zum Atomismus in der bürgerlichen Gesellschaft, des verünftig ausgelebten Egoismus? Was ist nun aber mit der traditionellén Moral, um mit Julius Evola zu fragen?
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