In
der Kreuzwegandacht nach dem heiligen Alphonsus von Liguori (Ignanz
Grandl, Kreuzwegandachten 1962, S.54) steht geschrieben: (Jesus)“Du
gehst hin, um aus Liebe zu mir zu sterben, und es ist mein
aufrichtiger Wunsch, mein geliebter Erlöser,aus Liebe zu dir zu
sterben.“
Diese Aussage muß nun
einen aufmerksamen Leser irritieren: Ist nicht die Aussage, daß der
Heiland aus Liebe am Kreuze sterben wollte, eine nicht
unproblematische Abbreviatur? Christus bringt sich am Kreuze als
Sühnopfer dar, die Motivation war die der Liebe zum göttlichen
Vater und zu den Menschen, aber das Kreuzopfer ist um der
Gerechtigkeit Gottes willen, daß die Sünde göttliche Strafe
verlangte. Das Kreuz ist so um der göttlichen Gerechtigkeit willen,
daß Jesus Christus aber an unserstatt die göttliche Strafe auf sich
nahm, das entspringt der Liebe des Erlösers.
Hier
wird aber nur noch von der Liebe als Grund des Kreuzes gesprochen.
Der Grund dieser Verkürzung wird aber einsichtig, wenn darauf
geschrieben steht, daß nun auch ich, der Kreuzwegandachtsbeter aus
Liebe zu Jesus
Christus sterben möchte.
Befinden wir uns somit
nicht in einem ganz anderen Vorstellungsraum, als dem religiösen des
Opfers oder des moralischen, daß jemand sein Leben aufopfert, um
anderen das Leben zu retten? Hier scheint Liebe und Tod auf das
engste verbunden zu sein, die zwei Größen, die doch sonst als
radicale Gegensätze empfunden werden: Wo Liebe ist, da ereignet
sich eine Intensivierung des Lebens, wohingegen der Tod als die
Nichtung des Lebens angesehen wird.
In
einem Liebesroman (Bengt Martin, Die Tournee, Schwedische
Liebesgeschichten,o:J. S.28) kann man lesen beim Höhepunkt des
Liebesaktes: „Mehr, schrie sie , Mehr,mehr,
mehr...bis ich sterbe...so wie jetzt möchte ich sterben...bei
euch... mit euch...“ Spontan
dürfte das Urteil einhellig ausfallen,daß der Kreuzestod Jesu und
dieser eigentünliche Liebestod nichts miteinander zu tuen haben.
Ändert sich aber etwas daran, wenn der Keuzestod reduziert wird auf
ein Sterben aus Liebe? Was unterscheidet nun den Kreuzwegbeter:
aus Liebe will ich sterben von
der leidenschaftlich liebenden Frau, die aus Liebe sterben möchte?
Verständlich
wäre die Aussage des Sterbenwollens aus Liebe, wenn darunter
verstanden wird, daß jemand sein eigenes Leben aufopfert, um das
eines Geliebten zu retten, wenn es keine andere Möglichkeit gibt,
das Leben des Geliebten zu retten. Das ist der Extremfall der Liebe,
denn in der Regel will die Liebe das gemeinsame Glück der sich
wechselseitig Liebenden. Prosaischer formuliert: Eine Frau, zu der
ihr sie liebender Mann sagte: Aus Liebe zu Dir möchte ich sterben!,
wird sicher dies Ansinnen ablehnen, schließlich möchte sie mit dem
sie Liebenden zusammenleben in der Liebe und nicht will sie seinen
Tod. Was hätte sie als Liebende auch von dem sie Liebenden, wenn
dieser aus Liebe zu ihr gestorben wäre? Liebe will Dauer, Ewigkeit,
ja frisch Verliebte nehmen oft an der Formulierung: bis
der Tod euch scheidet!!,
Anstoß, denn ihre Liebe soll doch eine auch den Tod überdauernde,
eine ewige sein!
Ist
dann diese Aussage eine sinnwidrige Aussage, würde sie wörtlich
ernst genommen, es sei denn sie würde als die Bereitschaftserklärung
verstanden, das eigene Leben einzusetzen, wenn nur so das Leben der
Geliebten zu retten ist? Aber die Aussage, daß der Beter aus Liebe
zu Jesus Christus mit ihm sterben möchte, ist so nicht deutbar.
Könnte hier Georges
Bataillle: Der heilige Eros weiterhelfen? Einer der Kerngedanken
dieses Essays lautet ja, daß der Mensch als Individuum an einem Sein
als von allen anderen Getrennten leidet und daß es nur besondere
Augenblicke der Erlösung aus dieser prinzipiellen Abgesondertheit
gibt, die der Auflösung und Verschmelzung- einfacher formuliert:
wenn zwei sich Liebenden in ihrer Vereinigung eins werden. Nun meint
Bataillie wohl, daß der Tod als Ende der individuellen Existenz auch
ähnllich als ein Wiedereinswerden empfunden, ersehnt werden könnte,
weil gerade die individuelle Existenz notwendigerweise die der
Absonderung ist. Ich bin ich, und nur dies Ich bin ich, wohingegen
alles andere Nichtich ist und es auch nicht werden kann. Dann wäre
der Gehalt des Wunsches, aus Liebe zu jemandem zu sterben, Ausdruck
der Sehnsucht, nie wieder von dem Geliebten getrennt zu werden. Die
Liebe meint dann nicht ein partnerschaftlches Miteinander verbunden
in wechselseitiger Anerkennung des Anderen, sondern ein Sichauflösen
von der Differenz von Ich und Du, und daß diese Einheit nicht durch
ein Weiterleben sich wieder auflösen müßte, wenn dann aufs neue
sich die Differenz wieder einstellte, daß da einem liebenden Ich ein
liebendes Du wieder gegenüber steht. Aber ob Bataille ein
zuverlässiger Gewährsmann ist?
Nun könnte dieser
tiefsinnig philosophische Ansatz vielleicht lebenspraktischer
herabgestuft werden zu der Befürchtung, daß jede menschliche Liebe
dem Schicksal der Veralltäglichung, der Alltagsroutine unterworfen
ist, daß so die Sehnsucht entstünde, nur noch diesen Augenblick der
erfüllten Liebe zu erleben und danach nichts mehr erleben zu wollen,
weil alles danach doch nur noch das einmal Erlebte zu einem Ereignis
im Strom der Zeit herabstufen müßte.
Aber, in Gänze ist so
dies: Aus Liebe zu Dir will ich sterben noch nicht
erfaßt, es ist doch tiefgründiger. Macht das vielleicht das
Ansprechende davon aus, daß es unverstanden verstanden wird, aber
der Verstehende das Verstandende nicht artikulieren kann?
Corollarium 1
Wie transparent ist der Mensch sich selbst? Weiß er wirklich, was er sagt, wenn er sagt,daß er aus Liebe zu...sterben möchte?
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