Samstag, 21. März 2020

Verwirrendes: Aus Liebe sterben wollen? Karfreitag?


In der Kreuzwegandacht nach dem heiligen Alphonsus von Liguori (Ignanz Grandl, Kreuzwegandachten 1962, S.54) steht geschrieben: (Jesus)“Du gehst hin, um aus Liebe zu mir zu sterben, und es ist mein aufrichtiger Wunsch, mein geliebter Erlöser,aus Liebe zu dir zu sterben.“
Diese Aussage muß nun einen aufmerksamen Leser irritieren: Ist nicht die Aussage, daß der Heiland aus Liebe am Kreuze sterben wollte, eine nicht unproblematische Abbreviatur? Christus bringt sich am Kreuze als Sühnopfer dar, die Motivation war die der Liebe zum göttlichen Vater und zu den Menschen, aber das Kreuzopfer ist um der Gerechtigkeit Gottes willen, daß die Sünde göttliche Strafe verlangte. Das Kreuz ist so um der göttlichen Gerechtigkeit willen, daß Jesus Christus aber an unserstatt die göttliche Strafe auf sich nahm, das entspringt der Liebe des Erlösers.
Hier wird aber nur noch von der Liebe als Grund des Kreuzes gesprochen. Der Grund dieser Verkürzung wird aber einsichtig, wenn darauf geschrieben steht, daß nun auch ich, der Kreuzwegandachtsbeter aus Liebe zu Jesus Christus sterben möchte.
Befinden wir uns somit nicht in einem ganz anderen Vorstellungsraum, als dem religiösen des Opfers oder des moralischen, daß jemand sein Leben aufopfert, um anderen das Leben zu retten? Hier scheint Liebe und Tod auf das engste verbunden zu sein, die zwei Größen, die doch sonst als radicale Gegensätze empfunden werden: Wo Liebe ist, da ereignet sich eine Intensivierung des Lebens, wohingegen der Tod als die Nichtung des Lebens angesehen wird.
In einem Liebesroman (Bengt Martin, Die Tournee, Schwedische Liebesgeschichten,o:J. S.28) kann man lesen beim Höhepunkt des Liebesaktes: „Mehr, schrie sie , Mehr,mehr, mehr...bis ich sterbe...so wie jetzt möchte ich sterben...bei euch... mit euch...“ Spontan dürfte das Urteil einhellig ausfallen,daß der Kreuzestod Jesu und dieser eigentünliche Liebestod nichts miteinander zu tuen haben. Ändert sich aber etwas daran, wenn der Keuzestod reduziert wird auf ein Sterben aus Liebe? Was unterscheidet nun den Kreuzwegbeter: aus Liebe will ich sterben von der leidenschaftlich liebenden Frau, die aus Liebe sterben möchte?
Verständlich wäre die Aussage des Sterbenwollens aus Liebe, wenn darunter verstanden wird, daß jemand sein eigenes Leben aufopfert, um das eines Geliebten zu retten, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, das Leben des Geliebten zu retten. Das ist der Extremfall der Liebe, denn in der Regel will die Liebe das gemeinsame Glück der sich wechselseitig Liebenden. Prosaischer formuliert: Eine Frau, zu der ihr sie liebender Mann sagte: Aus Liebe zu Dir möchte ich sterben!, wird sicher dies Ansinnen ablehnen, schließlich möchte sie mit dem sie Liebenden zusammenleben in der Liebe und nicht will sie seinen Tod. Was hätte sie als Liebende auch von dem sie Liebenden, wenn dieser aus Liebe zu ihr gestorben wäre? Liebe will Dauer, Ewigkeit, ja frisch Verliebte nehmen oft an der Formulierung: bis der Tod euch scheidet!!, Anstoß, denn ihre Liebe soll doch eine auch den Tod überdauernde, eine ewige sein!
Ist dann diese Aussage eine sinnwidrige Aussage, würde sie wörtlich ernst genommen, es sei denn sie würde als die Bereitschaftserklärung verstanden, das eigene Leben einzusetzen, wenn nur so das Leben der Geliebten zu retten ist? Aber die Aussage, daß der Beter aus Liebe zu Jesus Christus mit ihm sterben möchte, ist so nicht deutbar.

Könnte hier Georges Bataillle: Der heilige Eros weiterhelfen? Einer der Kerngedanken dieses Essays lautet ja, daß der Mensch als Individuum an einem Sein als von allen anderen Getrennten leidet und daß es nur besondere Augenblicke der Erlösung aus dieser prinzipiellen Abgesondertheit gibt, die der Auflösung und Verschmelzung- einfacher formuliert: wenn zwei sich Liebenden in ihrer Vereinigung eins werden. Nun meint Bataillie wohl, daß der Tod als Ende der individuellen Existenz auch ähnllich als ein Wiedereinswerden empfunden, ersehnt werden könnte, weil gerade die individuelle Existenz notwendigerweise die der Absonderung ist. Ich bin ich, und nur dies Ich bin ich, wohingegen alles andere Nichtich ist und es auch nicht werden kann. Dann wäre der Gehalt des Wunsches, aus Liebe zu jemandem zu sterben, Ausdruck der Sehnsucht, nie wieder von dem Geliebten getrennt zu werden. Die Liebe meint dann nicht ein partnerschaftlches Miteinander verbunden in wechselseitiger Anerkennung des Anderen, sondern ein Sichauflösen von der Differenz von Ich und Du, und daß diese Einheit nicht durch ein Weiterleben sich wieder auflösen müßte, wenn dann aufs neue sich die Differenz wieder einstellte, daß da einem liebenden Ich ein liebendes Du wieder gegenüber steht. Aber ob Bataille ein zuverlässiger Gewährsmann ist?
Nun könnte dieser tiefsinnig philosophische Ansatz vielleicht lebenspraktischer herabgestuft werden zu der Befürchtung, daß jede menschliche Liebe dem Schicksal der Veralltäglichung, der Alltagsroutine unterworfen ist, daß so die Sehnsucht entstünde, nur noch diesen Augenblick der erfüllten Liebe zu erleben und danach nichts mehr erleben zu wollen, weil alles danach doch nur noch das einmal Erlebte zu einem Ereignis im Strom der Zeit herabstufen müßte.
Aber, in Gänze ist so dies: Aus Liebe zu Dir will ich sterben noch nicht erfaßt, es ist doch tiefgründiger. Macht das vielleicht das Ansprechende davon aus, daß es unverstanden verstanden wird, aber der Verstehende das Verstandende nicht artikulieren kann? 

Corollarium 1
Wie transparent ist der Mensch sich selbst? Weiß er wirklich, was er sagt, wenn er sagt,daß er aus Liebe zu...sterben möchte?

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