Der
gesellschaftliche Umgang mit der Coronaepidemie offenbart uns auch
dies, daß wir in einer Welt ohne Gott leben. Das meint, daß
unabhängig von der Privat-frömmigeit im öffentlichen Diskurs Gott
nicht mehr präsent ist. Es ist keine Banalität, daß das In-der-
Welt-Sein unser Leben bestimmt. Wir leben nämlich immer schon in
einer in bestimmter Weise ausgelegten und gedeuteten Welt.
Zizek
faßt das Anliegen Cassirers so zusammen: „Durch ihre
symbolischen Handlungen konstruiert die Menschheit nach und nach das
Universum der Werte und Bedeutungen, das nicht auf den Bereich der
Fakten und ihrer Bezüglichkeiten reduziert (oder durch eine Referenz
auf solche erklärt)werden kann.“ Kritisch
wird dann hinzugefügt: „Dieses Universum der Werte und
Bedeutungen, das durch die menschliche symbolische Aktivität
hervorgebracht wird, ist die moderne Version von Platons Reich der
ewigen Ideen.“ Slavoj Zizek,
Die Tücke des Subjekts, 2001, S.41.
Was
ist damit nun gewonnen?Die Einsicht, daß der Mensch a) in einer
symbolischen Welt lebte und nicht nur in der der Tatsachen. (Ob es
wirklich eine reine Tatsachenwelt gibt,die der Mensch realistisch
wahrnimmt, das kann wohl bezweifelt werden, denn das, was als
Tatsache im Gegensatz zu einer weltanschaulichen Auslegung der Welt
bestimmt ist, ist doch selbst wiederum ein Produkt der symbolischen
Weltauslegung. Wenn der Stadt Juda seine Vernichtung 586 v.Christus
als eine militärische Niederlage gedeutet hätte statt als ein
Strafgericht Gottes über diesen Staat, dann wäre das nur die
Ersetzung einer Deutung durch eine andere.Das gilt auch für die
Sintflut: Sie kann religiös oder naturwissenschaftlich gedeutet
werden, aber das heißt nun doch nicht, daß einmal faktenlos
„symbolisch“ gedeutet wird und das andere mal nur man den Fakten
gerecht wird. )
und
daß b) diese symbolische Welt, in der wir leben, einem Wandel
unterworfen ist. Aus der platonisch gedeuteten Welt wird in der
Moderne eine, die die Weltausdeutung als kreative Leistung des
Menschen versteht, der so der Welt der Fakten erst eine Bedeutung
zukommen läßt, die sie objektiv gar nicht hat. Der Mensch
produziert eine sinnvolle Welt, die ihm dann als Kulturelt auch als
etwas ihm Objektives gegenübertritt.
Der
gesellschaftlich- öffentliche Diskurs der Coronaepidemie zeigt so,
in welcher wie gedeuteten Welt wir leben und in welcher somit
nicht.Für jede religiös fundierte Kultur wäre es eine
Selbstverständlichkeit, zwischen dieser Panepidemie und Gott einen
Zusammenhang zu sehen. Die Ausdeutung des Zusammenhanges wäre die
Aufgabe der Priester und die hätten dann auch gewußt, was nun zu
tuen ist ob ihres priesterlichen Wissens. Das schließt nicht aus,
daß andere Subsysteme der Gesellschaft ergänzende Maßnahmen
vorschlagen- so war es für die Frömmigkeit Israels kein
Widerspruch, einerseits auf Gott zu vertrauen, man brachte ihm auch
dafür Opfer und gleichzeitig militärisch gerüstet gegen den Feind
in einen Krieg zu ziehen.Denn man wußte, daß ohne göttlichen
Beistand das Volk keinen Krieg gewinnen kann. In einer religiös
fundierten Gesellschaft wäre also an die Priesterschaft appelliert
worden, nun das Ihrige zu tuen, damit die Seuche abgewehrt wird.
In
unserer Zeit wird dagegen jede gottesdienstliche Aktivität nur noch
als ein Risikofaktor wahrgenommen: Alle Gottesdienste seien zu
unterlassen.Und die Kirche gehorcht! Ja, man könnte sich das ja so
imaginieren, daß einer gottlos gewordenen Welt die gottgläubige
Kirche als organisierte Religion gegenüber stünde und daß es so
Kommunikationsprobleme zwischen der Welt und der Kirche geben
müsse.Nein, die gibt es in der aktuellen Krise nicht, denn die
Kirche spricht jetzt so verweltlicht, daß sie nichts anderes mehr
sagt und unternimmt, was nicht auch jeder rein weltlicher Verein in
dieser Lage auch unternimmt: das Vereinsleben so weit wie irgendwie
möglich herunterzufahren.
„Eleganti
hatte sich zuletzt mehrfach zur Corona-Krise zu Wort gemeldet. In
einem Video-Beitrag des österreichischen Portals "kath.net"
nannte er die Pandemie eine "Strafe Gottes". Gebet, Buße
und Umkehr sowie Gottesvertrauen wirkten sich auf die Befindlichkeit
von Nationen und wie auch von einzelnen Menschen aus. "Es gibt
da ganz klar einen Zusammenhang, den wir nicht übersehen dürfen",
so der Weihbischof.“(Katholisch
de 18.3.2020). Die für ihn zustänige Kirchenleitung ergriff da
Sofortmaßnahmen: Der Weihbischof darf sich nicht mehr in Medien zu
dieser Causa äußern, wenn er nicht vorher eine Erlaubnis dafür
sich eingeholt hat. Diese Praxis ist die der Vorzensur!
Aber
was wird hier nun zensiert: daß es einen Zusammenhang zwischen
dieser Epidemie und Gott gäbe. In der Kirche darf kein Ereignis in
der Welt mehr als „Strafe
Gottes“ beurteilt
werden. Auch die Kirche hat sich so der heutigen Weise der
Weltauslegung zu unterwerfen, sie so zu praktizieren. Eines der
Dogmen der modernen Weltauslegung ist die Ansicht, daß alles in der
Welt sich Ereignende rein weltimmanent zu erklären sei, daß also
Gott niemals als ein Subjekt in einer Deutung eines Ereignisses
auftreten darf, er darf nur als geglaubter Gott ein Motivator zu
bestimmten Handlungen auftreten. Damit ist de facto die Irrelevanz
Gottes für das Leben behauptet, er kann nur noch als geglaubter Gott
Menschen zu postiven Handeln motivieren. Damit ist der Kern der
modern-säkularisierten Gesllschaft erfaßt. Nur noch in der
Privatfrömmigkeit kann dann an ein Wirken Gottes in der Welt
zugunsten von Menschen geglaubt werden.
Die
Welt ohne Gott, das ist nun nicht eine reine Faktenwelt, zu der der
Aufgeklärte vorgestoßen ist, nachdem er sich aus der symbolischen
Welt emanzipiert hat. Nein, die Welt des „homo
faber“ (Max
Frisch) ist selbst nur eine anders ausgelegte Welt- eine Weltdeutung
ersetzt eine andere aber nie lebt eine bestimmte Gesellschaft ohne
eine bestimmte.So spricht Zizek sehr treffend von „unserem
Zeitalter des globalen Kapitalismus und seines ideologischen
Supplements, des liberal-demokratischen Multikulturalismus“.
(Zizek, S.11)
Es
darf aber nicht übersehen werden, daß diese symbolische Auslegung
der Welt, gerade die liberal-demokratische selbst in dieser Epidemie
in eine Krise geraten ist. Denn ganz im Widerspruch zu dieser
Weltauslegung setzen jetzt alle Staaten und eben nicht nur die
autoritäre Regierung Chinas auf illiberale Konzepte weitestgehender
Einschränkung der Bürgerrechte, um das Volk vor der Seuche zu
schützen. Auch der dem „homo
faber“
eigene Gläubigkeit, daß alle Weltprobleme technisch zu lösen sind,
gerät ins Wanken. Ob diese Weltanschauung unbeschadet diese Krise
überstehen wird, ist so noch nicht ausgemacht. Aber eines ist
unverkennbar gerade an dem Engagement der Kirche in dieser Krise: Sie
selbst ist schon soweit säkularisiert, daß ihr ein spezifisch
religiöses Reagieren als inakzeptabel gilt. In dem öffentlichen
Diskurs gibt und kann es Gott nicht mehr geben. An diese Spielregel
des jetzigen Diskurses hält sich auch der Diskursteilnehmer Kirche,
weil auch er mitdiskutieren darf.
Es
muß aber auch betont werden, daß Anhänger einer religiös
fundierten Kultur, es sei an Dostojewskijs Votum: Wenn
es Gott nicht mehr gibt, ist alles erlaubt!sich
geirrt haben in ihrer Prognose, daß eine nichtreligiöse Kultur
notwendigerweise eine nihilistische sein müsse. Hier siegte
Nietzsche, der zwar den Nihilismus kommen sah aber auf die
Kreativität vertraute, daß eine neue Weltanschauung möglich sein
kann, wenn sie vielleicht auch nur dem zukünftigen Übermenschen
möglich sei. Die neue Weltanschauung ist nun da und sie hat nun die
Epoche des Christentumes als der öffentlichen Religion der
konstantinischen Zeit (von Kaiser Konstantin bis zum Ende des
1.Weltkrieges) abgelöst als Sieger der Zeit der ideologischen
Weltanschauungkämpfe zwischen Sozialismus/Kommunismus und
Faschismus /Nationalsozialismus und dem Liberalismus. (Vgl:
Alexander Dugin, die vierte politische Theorie)
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