Sonntag, 22. März 2020

Eine Welt, in der Gott tot ist- Die Welt in der Coronaepidemie

Der gesellschaftliche Umgang mit der Coronaepidemie offenbart uns auch dies, daß wir in einer Welt ohne Gott leben. Das meint, daß unabhängig von der Privat-frömmigeit im öffentlichen Diskurs Gott nicht mehr präsent ist. Es ist keine Banalität, daß das In-der- Welt-Sein unser Leben bestimmt. Wir leben nämlich immer schon in einer in bestimmter Weise ausgelegten und gedeuteten Welt.
Zizek faßt das Anliegen Cassirers so zusammen: „Durch ihre symbolischen Handlungen konstruiert die Menschheit nach und nach das Universum der Werte und Bedeutungen, das nicht auf den Bereich der Fakten und ihrer Bezüglichkeiten reduziert (oder durch eine Referenz auf solche erklärt)werden kann.“ Kritisch wird dann hinzugefügt: „Dieses Universum der Werte und Bedeutungen, das durch die menschliche symbolische Aktivität hervorgebracht wird, ist die moderne Version von Platons Reich der ewigen Ideen.“ Slavoj Zizek, Die Tücke des Subjekts, 2001, S.41.
Was ist damit nun gewonnen?Die Einsicht, daß der Mensch a) in einer symbolischen Welt lebte und nicht nur in der der Tatsachen. (Ob es wirklich eine reine Tatsachenwelt gibt,die der Mensch realistisch wahrnimmt, das kann wohl bezweifelt werden, denn das, was als Tatsache im Gegensatz zu einer weltanschaulichen Auslegung der Welt bestimmt ist, ist doch selbst wiederum ein Produkt der symbolischen Weltauslegung. Wenn der Stadt Juda seine Vernichtung 586 v.Christus als eine militärische Niederlage gedeutet hätte statt als ein Strafgericht Gottes über diesen Staat, dann wäre das nur die Ersetzung einer Deutung durch eine andere.Das gilt auch für die Sintflut: Sie kann religiös oder naturwissenschaftlich gedeutet werden, aber das heißt nun doch nicht, daß einmal faktenlos „symbolisch“ gedeutet wird und das andere mal nur man den Fakten gerecht wird. )
und daß b) diese symbolische Welt, in der wir leben, einem Wandel unterworfen ist. Aus der platonisch gedeuteten Welt wird in der Moderne eine, die die Weltausdeutung als kreative Leistung des Menschen versteht, der so der Welt der Fakten erst eine Bedeutung zukommen läßt, die sie objektiv gar nicht hat. Der Mensch produziert eine sinnvolle Welt, die ihm dann als Kulturelt auch als etwas ihm Objektives gegenübertritt.
Der gesellschaftlich- öffentliche Diskurs der Coronaepidemie zeigt so, in welcher wie gedeuteten Welt wir leben und in welcher somit nicht.Für jede religiös fundierte Kultur wäre es eine Selbstverständlichkeit, zwischen dieser Panepidemie und Gott einen Zusammenhang zu sehen. Die Ausdeutung des Zusammenhanges wäre die Aufgabe der Priester und die hätten dann auch gewußt, was nun zu tuen ist ob ihres priesterlichen Wissens. Das schließt nicht aus, daß andere Subsysteme der Gesellschaft ergänzende Maßnahmen vorschlagen- so war es für die Frömmigkeit Israels kein Widerspruch, einerseits auf Gott zu vertrauen, man brachte ihm auch dafür Opfer und gleichzeitig militärisch gerüstet gegen den Feind in einen Krieg zu ziehen.Denn man wußte, daß ohne göttlichen Beistand das Volk keinen Krieg gewinnen kann. In einer religiös fundierten Gesellschaft wäre also an die Priesterschaft appelliert worden, nun das Ihrige zu tuen, damit die Seuche abgewehrt wird.
In unserer Zeit wird dagegen jede gottesdienstliche Aktivität nur noch als ein Risikofaktor wahrgenommen: Alle Gottesdienste seien zu unterlassen.Und die Kirche gehorcht! Ja, man könnte sich das ja so imaginieren, daß einer gottlos gewordenen Welt die gottgläubige Kirche als organisierte Religion gegenüber stünde und daß es so Kommunikationsprobleme zwischen der Welt und der Kirche geben müsse.Nein, die gibt es in der aktuellen Krise nicht, denn die Kirche spricht jetzt so verweltlicht, daß sie nichts anderes mehr sagt und unternimmt, was nicht auch jeder rein weltlicher Verein in dieser Lage auch unternimmt: das Vereinsleben so weit wie irgendwie möglich herunterzufahren.
Eleganti hatte sich zuletzt mehrfach zur Corona-Krise zu Wort gemeldet. In einem Video-Beitrag des österreichischen Portals "kath.net" nannte er die Pandemie eine "Strafe Gottes". Gebet, Buße und Umkehr sowie Gottesvertrauen wirkten sich auf die Befindlichkeit von Nationen und wie auch von einzelnen Menschen aus. "Es gibt da ganz klar einen Zusammenhang, den wir nicht übersehen dürfen", so der Weihbischof.“(Katholisch de 18.3.2020). Die für ihn zustänige Kirchenleitung ergriff da Sofortmaßnahmen: Der Weihbischof darf sich nicht mehr in Medien zu dieser Causa äußern, wenn er nicht vorher eine Erlaubnis dafür sich eingeholt hat. Diese Praxis ist die der Vorzensur!
Aber was wird hier nun zensiert: daß es einen Zusammenhang zwischen dieser Epidemie und Gott gäbe. In der Kirche darf kein Ereignis in der Welt mehr als „Strafe Gottes“ beurteilt werden. Auch die Kirche hat sich so der heutigen Weise der Weltauslegung zu unterwerfen, sie so zu praktizieren. Eines der Dogmen der modernen Weltauslegung ist die Ansicht, daß alles in der Welt sich Ereignende rein weltimmanent zu erklären sei, daß also Gott niemals als ein Subjekt in einer Deutung eines Ereignisses auftreten darf, er darf nur als geglaubter Gott ein Motivator zu bestimmten Handlungen auftreten. Damit ist de facto die Irrelevanz Gottes für das Leben behauptet, er kann nur noch als geglaubter Gott Menschen zu postiven Handeln motivieren. Damit ist der Kern der modern-säkularisierten Gesllschaft erfaßt. Nur noch in der Privatfrömmigkeit kann dann an ein Wirken Gottes in der Welt zugunsten von Menschen geglaubt werden.
Die Welt ohne Gott, das ist nun nicht eine reine Faktenwelt, zu der der Aufgeklärte vorgestoßen ist, nachdem er sich aus der symbolischen Welt emanzipiert hat. Nein, die Welt des „homo faber“ (Max Frisch) ist selbst nur eine anders ausgelegte Welt- eine Weltdeutung ersetzt eine andere aber nie lebt eine bestimmte Gesellschaft ohne eine bestimmte.So spricht Zizek sehr treffend von „unserem Zeitalter des globalen Kapitalismus und seines ideologischen Supplements, des liberal-demokratischen Multikulturalismus“. (Zizek, S.11)
Es darf aber nicht übersehen werden, daß diese symbolische Auslegung der Welt, gerade die liberal-demokratische selbst in dieser Epidemie in eine Krise geraten ist. Denn ganz im Widerspruch zu dieser Weltauslegung setzen jetzt alle Staaten und eben nicht nur die autoritäre Regierung Chinas auf illiberale Konzepte weitestgehender Einschränkung der Bürgerrechte, um das Volk vor der Seuche zu schützen. Auch der dem „homo faber“ eigene Gläubigkeit, daß alle Weltprobleme technisch zu lösen sind, gerät ins Wanken. Ob diese Weltanschauung unbeschadet diese Krise überstehen wird, ist so noch nicht ausgemacht. Aber eines ist unverkennbar gerade an dem Engagement der Kirche in dieser Krise: Sie selbst ist schon soweit säkularisiert, daß ihr ein spezifisch religiöses Reagieren als inakzeptabel gilt. In dem öffentlichen Diskurs gibt und kann es Gott nicht mehr geben. An diese Spielregel des jetzigen Diskurses hält sich auch der Diskursteilnehmer Kirche, weil auch er mitdiskutieren darf.
Es muß aber auch betont werden, daß Anhänger einer religiös fundierten Kultur, es sei an Dostojewskijs Votum: Wenn es Gott nicht mehr gibt, ist alles erlaubt!sich geirrt haben in ihrer Prognose, daß eine nichtreligiöse Kultur notwendigerweise eine nihilistische sein müsse. Hier siegte Nietzsche, der zwar den Nihilismus kommen sah aber auf die Kreativität vertraute, daß eine neue Weltanschauung möglich sein kann, wenn sie vielleicht auch nur dem zukünftigen Übermenschen möglich sei. Die neue Weltanschauung ist nun da und sie hat nun die Epoche des Christentumes als der öffentlichen Religion der konstantinischen Zeit (von Kaiser Konstantin bis zum Ende des 1.Weltkrieges) abgelöst als Sieger der Zeit der ideologischen Weltanschauungkämpfe zwischen Sozialismus/Kommunismus und Faschismus /Nationalsozialismus und dem Liberalismus. (Vgl: Alexander Dugin, die vierte politische Theorie)

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