Dienstag, 10. März 2020

Irritierendes: Sind wir ohne die Erkenntnis der Wahrheit unfrei?

und die Wahrheit wird euch frei machen“, so sagt es Jesus Christus zu den Juden. (Joh 8, 32). Die so Angesprochenen erwiderten spontan, daß sie doch frei seien als Kinder Abrahams: wozu bedürften sie da noch einer Befreiung?Sie hätten aber auch politisch respondieren können,daß sie ein von den Römern unterdrücktes Volk seien und ob so Jesus sie von dieser Fremdherrschaft befreien wolle. Nur, wie sollte die Erkenntnis der Wahrheit sie politisch befreien?
Was für eine Freiheit ist denn hier überhaupt gemeint? Die Willensfreiheit, daß ich zu jeder Ichaussage, ich wollte A, auch die konjunktivische Aussage bilden könnte, daß ich auch nicht A hätte wollen können? Die Handlungsfreiheit, daß ich gestern A tat, A aber auch nicht hätte tuen können? Nur, wie sollten diese beiden zu unterscheidenden Freiheiten etwas mit der Erkenntnis der Wahrheit zu tuen haben? Die Unterscheidung hat zwar etwas zu tuen mit der Erkenntnis, daß ich zwar frei wollen kann, A oder auch Nicht-A zu wollen, aber daß meine Handlungsfreiheit immer eine limitierte ist, denn nicht alles, was ich frei wollen kann, kann ich auch realisieren. Es bedarf auch der Macht, das Gewollte umsetzen zu können.So ist Gott als Allmächtiger frei, weil alles, was er freiwillig will, er könnte es auch nicht wollen, auch realisieren kann, während der Mensch nur das ihm auch Mögliche realisieren kann.Ein Blindgeborener kann wohl sehen wollen, er kann es aber nicht sehen, auch wenn er es will.
Die Willensfreiheit ist so doch dem Menschen in seinem freien Willen gegeben und diese Freiheit ist doch nun eine, die mit der Erkenntnis der Wahrheit nichts zu tuen hat. Ja, das postmoderne Denken erwiderte gar, daß die Erkenntnis der Wahrheit den Menschen unfrei mache. Denn könnte die wahre Religion, die wahre Philosophie erkannt werden, wie könnte sich da noch ein Mensch gegen die wahre Religion, die wahre Philosophie entscheiden; müßte er sich aber ob der Erkenntnis für die wahre Religion oder wahre Philosophie entscheiden, dann wäre das ja geradezu ein Verlust an Freiheit, der Wahlfreiheit nämlich, das oder dies zu wollen.
Sind wir also von Natur aus so frei, (unsere Willensfreiheit), daß wir einer Befreiung zur Freiheit gar nicht bedürfen? Oder sollten wir uns hier von Jesus Christus sagen lassen müssen, daß wir uns als frei wähnende, gar nicht frei sind?
Jesus respondiert: Wer die Sünde tut, ist Sklave der Sünde. (8,34). Aber das konfundiert diese Sache doch noch mehr: Denn wenn ich ein Sklave der Sünde wäre, wäre ich ja gar nicht mehr für mein Sündigen verantwortlich, weil ich es ja als Sklave der Sünde sündigte, aber nur eine Sünde, die ich freiwillig wollte, mir als meine Sünde zugerechnet werden kann. Könnte ich nicht anders als zu sündigen, wie könnte mir dann Gott mein erzwungenes Sündigen als mein Sündigen anrechnen.
Oder sollten wir die Aussage so deuten: Dadurch, daß ich gesündigt habe, wurde ich zum Sklaven meiner Sünde, sodaß ich nun nach dieser Sünde zum Sünder geworden bin, der sklavisch sündigt.
Eines will doch Jesus Christus hier ausschließen, daß der zum Sklaven der Sünde Gewordende die Möglichkeit hätte, jederzeit mit dem Sündigen aufzuhören. Seine Befreiung zur Freiheit bestünde dann in der Befreiung zum Nicht-mehr-sündigen- Müssen! Und diese Freiheit kann nur durch die Erkenntnis der Wahrheit erlangt werden. Also, durch mein Sündigen bestimme ich mich zum Sünder, der so ein Sklave der Sünde ist. Aus dieser Selbstbestimmung als einer Selbstdetermination könne sich dann der Mensch nicht mehr selbst befreien. Als Sünder findet er sich so verstanden immer schon als zum Sündigen Bestimmter vor. Aber diese Determination müßte dann eine freie Selbstbestimmung sein, denn wäre sie einfach nur etwas schicksalhaft über mich Verhängtes, dann wäre diese Determination nicht eine mir als Sünde zurechenbare Schuld.
Es müßte dann eine Tat, die meiner Sünde geben, die mich erst zum Sklaven der Sünde machte, die selbst freiwillig vollzogen wurde, die mich dann aber bestimmt, sodaß ich dieser Selbstdetermination nicht mehr entkommen kann. Das kann keine Tat in meinem Leben in dieser Welt sein,denn eine solche könnte mich nicht so determinieren. Damit streifen wir das Thema der Erbsündenlehre: die eine Tat, die alle zu Sklaven der Sünde machte, die Sünde Adams. Nur, dann muß diese Adamstat auch die jedes Menschen sein, weil ja von jedem gilt,daß er als Sündigender ein Sklave der Sünde ist. Das ist die Wahrheit der Aussage, daß wir alle in Adam gesündigt haben. Denn es steht ja geschrieben:
Deshalb,gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist, und durch die Sünde der Tod, und so auf alle Menschen der Tod übergegangen ist, weil alle in ihm gesündigt haben.(Röm 5,12) Das in ihm, das ist das Problem, vor dem uns die Erbsündenlehre stellt. Wie ist es zu denken, daß das Menschsein in dem einen Menschen so präsent war, daß er durch seine freie Tat der Sünde das Menschsein und damit jedes individuierte Menschsein bestimmen konnte zu einem Sklavensein der Sünde. Denken wir uns den ersten Menschen als die Idee des Menschen, als sein Urbild, das Gott zur Selbstbestimmung bestimmte, dann bestimmte die Tat des Urbildes das, was das Menschsein nach dieser Tat ist, das der Sünde unterworfene aber zur Erlösung berufene Menschsein. (Vgl Uwe C. Lay, Der zensierte Gott) 

1.Zusatz: Es gibt gute Gründe, den Schöpfungsbericht 1.Mose als Schaffung der ideellen Welt zu verstehen, aus der heraus sich dann die wirkliche generierte und zwar so, wie sie geworden ist durch die Urtat des ideelen Menschen, dem Urbild des Menschen. 

2.Zusatz: Für das postmoderne Denken gilt, daß nur die Unerkennbarkeit der Wahrheit ein Garant der  Freiheit ist, denn jede erkannte Wahrheit diskriminiert das durch die Wahrheit als das Unwahre Abqualifizierte. Totalitäre Staaten zeichneten sich so gerade durch den Besitz erkannter Wahrheiten aus, in deren Namen sie alles andere dann unterdrückten.Jede Religion dürfe sich so nur nach als eine Suchbewegung nach der Wahrheit verstehen, die aber so gerade nicht im Besitze der Wahrheit sei.

 

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