Mittwoch, 25. März 2020

Kurz und bündig: Blasphemie und religiöse Gefühle

Die religiösen Gefühle des Anderen nicht zu verletzen, das gehört zu den guten Umgangsformen und reguliert so auch das Gespräch über Religiöses im zwischenmenschlichen Bereich und nicht nur den öffentlichen Diskurs. Das private, persönliche Gespräch ist durch das: Was man wie zu sagen und nicht zu sagen hat, mehr als man individuell merkt, reglementiert, der öffentliche sowieso.
Was hat das für eine Konsequenz für den Dialog zwischen Vertretern verschiedener Religionen oder Confessionen einer Religion? Eine der wichtigsten Spielregeln lautet, daß es in dem Raum der Religionen und Confessionen nicht ein Unterscheiden von wahr und unwahr geben darf. Die berühmte Gretchenfrag, wie hältst Du es mit der Religion? (Goethe,Faust) ist also so zu respondieren: Damit kann jeder es halten, wie es ihm beliebt, er muß nur jede andere Religiösität akzeptieren, egal welche er selbst auch präferieren mag. Kann unter dieser Condition überhaupt noch missioniert werden? Die Antwort fällt eindeutig aus:Die notwendige Voraussetzung jeglicher Art von Mission ist, daß es eine wahre oder zumindest wahrere gibt, zu der Missioniernde den Anders- oder Nichtgläubigen bekehren möchte. Weiterhin muß präsumiert werden, daß es für den Menschen wichtig ist, daß er die wahre Religion praktiziert und daß es gerade Gott selbst nicht gleichgültig ist, wie er geglaubt und verehrt wird.
Aus diesem Vorstellungskomplex ergibt sich erst das Urteil der Verwerflichkeit der Blasphemie, daß so unwahr von Gott gedacht wird, er so unwahr verehrt wird, daß dies a) den Zorn Gottes provoziert und b) auch dem Menschen und der Gesellschaft schadet. Das Gemeinwohl ist eben gerade von der rechten Gottesverehrung abhängig, denn alle guten Gaben kommen von Gott und ein erzürnter Gott könnte so seine guten Gaben verwehren.
Von dieser Vorstellung hat nun die modern aufgeklärte Gesellschaft sich verabschiedet. Das Gemeinwohl einer Gesellschaft ist etwas, daß wir Menschen allein durch uns zu realisieren haben, wobei dann religiös Motivierte auch einen nützlichen Beitrag dazu liefern können. Aber was hier das Gute ist, das ist etwas, was die politische Vernunft ohne jede Religion erkennen kann. Auch ist es für den einzelnen Bürger gleichgültig, wie er es mit der Religion hält und darum darf er jede beliebige, aber auch gar keine praktizieren. Und deshalb darf auch niemals ein Anhänger einer Religion Andersgläubigen gegenüber den Vorwurf der Blasphemie erheben. Denn, selbst wenn es einen Gott gibt, und sehr viele glauben noch an einen Gott, muß dieser Gott als einer sich allen Religionen gegenüber gleichgültig verhaltenden gedacht werden. Das ist nun selbst keine Gotteserkenntnis, daß Gott sich so realiter verhalte, sondern nur eine Spielregel für jede religiöse Kommunikation, die der pluralistisch strukturierten Gesellschaft kompatibel ist. Darum kann und darf es in modernen/postmodernen Gesellschaften das Urteil, das ist blasphemisch, nicht mehr geben- es kann nur noch das Gebot geben: Respektiere jede Religion, halte alle für gleichgültig, egal welche du nun auch rein privat präferierst. Das ist das endgültige Ende des christlichen Abendlandes, aber auch jeder religiös fundierten Gesellschaft.
Nur eines bleibt dabei ungeklärt: Verhält der wirkliche Gott sich so, wie es ihm dieser Diskurs vorschreibt, daß ihm alle Religionen und auch der praktizierte Atheismus gleichgültig ist.

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