Dienstag, 10. November 2020

"Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen"

Wunder gibt es immer wieder

Der Skeptizismus wird darauf antworten, daß es wohl Wundererzählungen, Wunderberichte gibt, aber keine realen Wunder. In der Welt gibt es die unendlich viele mögliche Ereignisse, aber Wunder seien unmögliche Ereignisse, die so nicht stattfinden können. Es gibt also in der Welt ein Regelsystem, das das Eintreten von unmöglichen Ereignissen verhindert.Positiver formuliert: Alles, was sich in der Welt ereignen kann, muß ein weltimmanent erklärbares Geschehen sein. Unter einem Wunder wird nun aber gerade ein nicht weltimmanent erklärbares Ereignis verstanden, also kann es sich nicht ereignen, denn Realität kann nur etwas Mögliches werden.

Dieser Immantismus hat nun für die christliche Religion gefährliche Folgen: Das Leben und Sterben Jesu muß auf ein menschenmögliches Leben reduziert werden, alles Wunderhafte dann als Produkt der nachösterlichen Phantasietätigkeit der urchristlichen Gemeinden zurückgeführt werden.Daraus entsteht dann die Diastase vom historischen Jesus und dem nachösterlich verkündigten Jesus Christus, der eben auch Wunder gewirkt hätte. So wird auch mit den sogenannten Heiligenlegenden umgegangen: Es wird versucht, einen historischen Kern zu eruieren, um dann alle Wunderberichte als spätere phantastische Ausmalungen zu diskreditieren.

In Anlehnung an Carl Schmitt, daß alle wesentlichen Begriffe des politischen Diskurses säkularisierte Begriffe der Theologie sind, soll zu diesem Problem der Möglichkeit von Wundern ein paar Überlegungen angestellt werden. In den Zeiten der Coronaseuche kann der Staat um des Gemeinwohl willens bürgerliche Grundrechte einschränken; der extremste Fall ist der Notstand, wo die ganze Verfassung, nach Schmitt außer Geltung gesetzt werden kann. Der Staat als Souverän kann die Verfassung, zumindest wesentliche Grundrechte außer Kraft setzen um des höher wertigen Gesamtwohles willen. Diese staatsphilosophische Vorstellung rekurriert auf die Vorstellung von der Souveränität Gottes, daß er seiner Schöpfung eine Ordnung eingeschrieben hat, durch die mögliche von unmöglichen Ereignissen distinguiert werden. Gott kann aber, wie der Staat die von ihm selbst gesetzte Ordnung wie in einem Notstand außer Kraft setzen und so Ereignisse ermöglichen, die nicht innerhalb der von ihm selbst gesetzten Ordnung möglich sind.

Anders formuliert: Gott setzt zwar seiner Schöpfung einer Ordnung, aber Gott selbst unterwirft sich dieser nun nicht so, daß er sie nicht mehr punktuell außer Kraft setzen kann, so wie der Staat in Notzeiten eben auch bürgerliche Grundrechte außer Kraft setzen kann. Wenn Gott das nicht mehr könnte, dann dächte man Gott wie einen Monarchen, dem eine Verfassung vorschreibt, wie er zu regieren kann und wie nicht. Gott hätte sich selbst seiner Freiheit entledigt, nicht mehr er regierte souverän sondern die Verfassung, die Ordnung der Welt regierte die Welt. Die Möglichkeit der Wunder muß also bejaht werden um der Gottheit Gottes willen, weil sonst Gott als sich selbst abgesetzter Souverän vorgestellt würde.

Es kann nun gemutmaßt werden, daß die liberale Ideologie mit ihrem hyperkritischem Verhältnis zum Staat, den sie immer als Bedrohung der bürgerlichen Freiheiten ansieht, und die so den Notstand als Außerkraftsetzung der Verfassung durch den Staat ablehnt, auch die Vorstellung von Wundern durch Gott ablehnt, weil das ein illiberaler Gott wäre.



 

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