Diskriminuerung?
Ja bitte!
Eine Unterrichtsstunde im
Fach Rechnen. Die Lehrerin frägt: Was ist 7 plus 5? Ein Schüler:
12, ein anderer 13. 12 ist die richtige Antwort, erklärt die
Lehrerin. „Aber, Frau Lehrerin, das find ich intolerant von ihnen.
Ich fühl mich echt jetzt diskriminiert, weil ich 13 geantwortet
habe.“ Das ist wohl absurdes Theater. In der Mathematik wird klar
zwischen wahr und unwahr unterschieden und es gibt keine Toleranz für
falsche Aussagen, daß 7 plus 5 13 wären. Hier ist es kein Akt der
Diskriminierung, wird die falsche Aussage abgelehnt. Diskriminieren
heißt: einen Unterschied setzen und hier also zwischen wahr und
unwahr unterscheiden.
Wie sieht dies nun im
Religionsunterricht aus? Wird auch hier die wahre von den falschen
Religionen , wahre Aussagen über Jesus Christus von falschen
unterschieden? Schon wird es problematisch. Das Urteil, es gäbe nur
eine wahre Religion, wahre und unwahre Aussagen im Raum der
Religion, das gilt uns heuer als Fundamentalismus. Hier darf es kein
Diskriminieren mehr geben. Ja, als höchste Staatstugend gilt es
heuer, daß der Staat keinen Unterschied in seiner Beziehung zu den
Religionen mache und alle gleich behandele. Keinen Menschen soll der
Staat ob seiner Religion bevorzugen oder benachteiligen. Niemand
darf wegen seiner Religion diskriminiert werden. So müsse auch der
staatliche Religionsunterricht zur Toleranz erziehen. Die
Unterscheidung von wahrer und falscher Religion gehört so dem
finstren Mittelalter an, das ja bekanntlich in der Katholischen
Kirche bis zum 2. Vaticanum währte-so die Mehrheitsmeinung der
deutschsprachigen Universitätstheologie.
Was unterscheidet so den
Rechenunterricht vom Religionsunterricht? Daß im Fach Rechnen
zwischen wahren und unwahren Aussagen unterschieden werden kann und
muß, wohingegen im Fach der Religion diese Unterscheidung nicht
machbar sei, markiert den Unterschied. Religiöse Aussagen gelten so
weder als veri-noch falsifizierbar und somit als nicht als :wahr
oder: nicht wahr . Selbstredend besteht der Religionsunterricht nicht
nur aus religiösen Aussagen. Historische Aussagen des
Religionsunterrichtes , etwa: wann Augustinus gelebt habe?, können
wahr oder unwahr von Schülern beantwortet werden - daß Jesus der
Sohn Gottes ist, gilt dagegen als religiöse Aussage, als
Glaubensaussage und ist somit nur eine Aussage eines subjektiven
Glaubens ohne einen legitimen Anspruch auf objektives Wahrsein.
So könnte gemeint
werden, daß das Verbot jeglicher Diskriminierung sich auf das Meer
von Aussagen bezieht, die nicht als :wahr oder:unwahr erwiesen werden
können. Nur, wo eine wahre von einer unwahren Aussage unterschieden
werden kann, darf und muß weiterhin diskriminiert werden, wie eben
im Rechenunterricht.
Aber beruht nicht alle
Kultur auf der Wahrnehmung von einer Differenz und der Wertung der
Differenz als Diskriminierung? Die theoretische Vernunft lebt von der
Unterscheidung von: wahr und unwahr, die praktische von der von: gut
und böse, die ästhetische von der von: schön und nichtschön,
wobei das Erstere immer den positiven, das Zweitere immer den
negativen Pol benennt. Hier nicht diskriminieren zu wollen,löschte
alle Kultur auf in einen nihilistischen Rausch des: Alles ist
gleichgültig.
Und im Alltagsleben? Was
hielte man von einem Zeitgenossen, der ausriefe, ihm sei Wein und Tee
einerlei, nämlich beides seien Getränke und so trinke er den Wein
aus einer Teetasse und den Tee aus Biergläsern? Was hielten wir von
einem Weinkenner, der keine Unterschiede machte beim Wein, weil ihm
jeder Qualitätssein so gut munde wie der Billigverschnittwein aus
dem Tetrapack? Nein, die Kultur lebt vom Unterscheiden und
Diskriminieren. Ohne ein Diskriminieren gäbe es nichts außer einem
unterschiedslosen und kulturlosem Einerlei!
Wie kann dann dieses neue
Gebot der politischen Korrektheitsideologie: „Du darfst nicht
diskriminieren! so viel Zustimmung finden, ja ungeteilte Zustimmung?
Ja, die Gebote Gottes müssen um dieses neuen Gebotes willen sogar
aufgelöst werden! Der Ehebruch soll nicht mehr diskriminiert werden,
weil es gleichgültig sei, ob der Mann mit seiner Ehefrau verkehrt
oder mit seiner neuen Geliebten, solange der Mann die Frau, mit der
er verkehrt, nur wirklich liebe. Es soll gleichgültig sein, ob ein
Mann eine Frau oder einen Mann liebe und heiraten möchte, wenn er
nur den Partner wirklich liebe. Aber auch das erste und oberste Gebot
soll nicht mehr gelten, weil es nun gleichgültig sein soll, ob man
an Gott glaube oder nicht und welchen Gott oder welche Götter man
verehre. Aber trotz oder sollen wir eher pessimistisch gestimmt
sagen, wegen dieser antichristlichen Ausrichtung erfreut sich dieses
neue Gebot so großer Zustimmung. Und das, obgleich dieser
Toleranznihilismus die Grundlagen jeder Kultur zerstört!
Entsteht nun so vor
unseren Augen das große Reich der Freiheit, in dem alles erlaubt
ist, weil nichts mehr diskriminiert wird? Ist so die Postmoderne der
Auszug aus dem Knechtshaus des christlichen Abendlandes mit seinem
Unterscheiden von wahr und unwahr, gut und böse, schön und
nichtschön?
Seit Nietzsche fallen
diese drei Grundunterscheidungen, die von wahr und unwahr, die von
gut und böse, die von schön und unschön, unter den
Generallverdacht, daß sie nur menschliche Projektionen sind. Sie
glichen den Längen- und Breitengraden der Geologen, um eine
Orientierung auf der Kugeloberfläche der Erde zu ermöglichen. Weil
sie nützlich sind, gelten sie als wahr. Aber wozu sind sie wem
nützlich? Und: wer sagt, daß eine nützliche Vorstellung, nur weil
sie nützlich sei, auch wahr ist? Der Generalverdacht, in unendlich
vielen Variationen vorgetragen, unterspült so diese Grundordnungen.
Alles nur menschlich allzumenschliche Projektionen.
Erinnern wir uns des
Anfanges der Antidiskrimierungskampagne: es ist der Kampf um die
Menschenrechte und sein Triumph in der Französischen Revolution. Nun
gilt es als Tugend des Staates, keinen Bürger mehr wegen seines
Glaubens und seiner Weltanschauung zu diskriminieren. Das war das
Ende der christlichen Staatsidee, denn nun ist die Religion für den
Staat zu einer zu vernachlässigbaren Größe geworden. Die Realität
sah -wie zu erwarten-natürlich anders aus. Eine staatlich
organisierte Katholikenverfolgung setzte ein. Jeder Katholik galt,
weil er im Rufe stand, ein Sympathisant der Monarchie zu sein, als
potentieller Staatsfeind. Das Ideal der Antidiskriminierung fand so
seinen Gehilfen in der Guillotine. Die antichristliche Ausrichtung
dieser Menschenrechtsideologie ist dabei nicht übersehbar: das, was
im göttlichen Endgericht das wichtigste Kriterium sein wird, die
Gretchenfrage, wie hieltest du es mit der wahren Religion?, soll nun
keine Bedeutung mehr haben für das öffentliche Leben. Die Religion
wird so ausgegrenzt aus dem öffentlichen Leben und ins rein Private
zurückgedrängt. Dies setzt selbstredend die Abtrennbarkeit der
öffentlichen Moral von der Religion voraus, sodaß es eine
öffentliche Moral gibt, die ihre Letztbegründung nicht in einer
Religion findet. Das Ideal der autonomen Moral, von der Aufklärung
proklamiert, triumphiert hier so gegen die Religion als Fundament
jeder Moral.Kant kann als der Denker der autonomen Moral angesehen
werden. Nur bemerkte schon Nietzsche in der ihm eigenen
Hellsichtigkeit an, daß, wenn das Zentrum der einstigen Moral, Gott
getötet sei, der restliche Wertehimmel ohne ihr einstiges
Gravitationszentrum kollabieren und im Nihilismus enden würde.
Leben wir nun jetzt in
einem postmodernistischen: Alles ist erlaubt-nichts darf mehr
diskriminiert werden?, so daß wir jetzt mit und gegen Reinhard Mey
singen dürften:unter unserem postmodernen Himmel ist die Freiheit
wohl grenzenlos frei? Nur, wann gab es in Europa je so viel
Diskriminierung wie heuer? Wie bleiernde Luft liegt die Politische
Korrektheitsideologie über dem einst freien Europa und legt fest,
was gedacht und gesagt werden darf und was nicht. Ein aktuelles
Beispiel: in der Stadt Hannover dürfen in staatlichen Restaurationen
keine Zigeuenerschnitzel mehr angeboten werden und auch die
Titulierung des Schnitzels als dem Schnitzel mit dem verbotenen
Namen stößt bei den Herren der Stadt auf Ablehnung-nein, es darf
nicht mal mehr gesagt werden, daß der Name: Zigeunerschnitzel, weil
politisch unkorrekt, nicht mehr benutzt werden darf. Soweit geht
die alltägliche Zensur, die Diskriminierung: was darf ich sagen und
was nicht.
Selbstredend gibt es
relevantere Fälle-aber gerade dieser Fall demonstriert, wie bis in
den Mikrobereich der Speisekarte hinein die politische Zensur
praktiziert und akzeptiert wird.
Welche Auswirkung hat
dies für die christliche Religion? Ein Blick ins Internet hilft da
weiter: ein evangelischer Prediger wird in England verhaftet, weil er
predigte, daß gelebte Homosexualität Sünde sei und ein
christlicher Arzt in England wird entlassen, weil er zu beten
empfahl! Zwei Fälle von vielen, von denen täglich im Internet zu
lesen ist, erstaunlicherweise gehäuft in England. Schauen wir ins
außereuropäische Ausland, in die arabisch-islamische Welt, dann
sehen wir: hier ist die Diskriminierung der christlichen Religion
eine faktische Selbstverständlichkeit geworden. Es sei an die
Hinrichtung des einstigen irakischen Außenministers erinnert, der
als bekennender Christ vom Laizisten Hussein in dies Amt berufen
wurde, und der nun von den neuen Machthabern hingerichtet worden
ist, weil er Christ war.
Für den großen Denker
Cioran ist diese Sache einfach. Fanatiker verabsolutieren ihre rein
subjektive Weltansicht zu der einzig wahren und bekämpfen dann alle
abweichenden Vorstellungen.1
Die Weltgeschichte ist so das Schlachtfeld ideologischer
Auseinandersetzungen, in denen Wahrheitsfanatiker sich gegenseitig
meucheln, weil sie ob im Besitz der absoluten Wahrheit unfähig zur
Toleranz Andersdenkenden gegenüber sind. Und, seit den
innerchristlichen Religionskriegen des 17. Jahrhundertes erfreut
sich diese Vorstellung großer Beliebtheit bis zum allseits bekannten
Friedenslied von John Lennon: Imagine, in dem eine
Welt ohne Religion verheißen wird um des ewigen Friedens willen.
Wenn Religion für Intoleranz stünde, dann könnte tatsächlich nur
eine Welt ohne Religion eine friedfertige sein. Oder, die
Alternative: alle Religionen müßten so domestiziert und pazifiert
werden, daß sie sich alle gegenseitig tolerieren. Die
unterschiedlichen Konzepte bestimmten dann das aufklärerische Denken
nach dem großen innerchristlichen Religionskrieg 1618-1648. In
England dominierte das Konzept des Deismus, daß Gott die vollkommen
von ihm geschaffene Welt sich selbst überließe, sodaß jetzt die
Religion faktisch überflüssig sei, weil wir Menschen in einer Welt
leben,in der faktisch Gott nicht mehr wirkt. In Frankreich das
Konzept des Atheismus bis hin zum Radikalaufklärer Marquise de Sade,
der jede Moral auflösen wollte um des reinen Hedonismus willen und
in Deutschland mit Kant die durch die Vernunft domestizierte
Religion, die sich reduziert auf den Glauben an Gott, die moralische
Freiheit und die unsterbliche Seele. Eines war allen gemeinsam: Die
christliche Religion sei so umzuformen, daß sie kein Grund für
Konflikte mehr in sich tragen dürfte oder aber sie müsse durch eine
neue Religion ersetzt werden, wie es Robespiere versuchte: die
Verehrung der Vernunft als die wahre Religion.
Man
könnte sagen, daß nach dieser aufklärerischen Umformung der
christlichen Religion um des innerweltlichen Friedens willen der
christlichen Religion die Kraft zu einer Diskriminierung entzogen
worden ist. Selbst ein der Religion so kritisch gegenüberstehender
Philosoph wie Lukacs weiß zur Bedeutung des Dogmas in der Religion:
„Die Abnahme der Intoleranz in solchen Fragen weist auf eine
Abschwächung des Glaubens hin, daß das Heil der Seele für den
Glauben nicht mehr unzertrennlich an diese bestimmte
Gegenständlichkeit geknüpft erscheint. Denn solange lebendig und
leidenschaftlich geglaubt wird, kann es in Hinsicht auf das
Geradesosein der religiösen Objekte keine Vereinbarung, keinen
Kompromiß geben.“2
Der gläubige, wenn auch immer recht unorthodoxe Marxist Lukacs weiß
so mehr von der Kraft des Glaubens an die Wahrheit als ein lau
gewordenes Christentum, dem die Toleranz die höchste Tugend geworden
ist, die Meinung nämlich, alle Religion sei Gott gleichgültig. Erst
dann, wenn die Orthodoxie und Orthopraxie der Religion als nicht mehr
heilsnotwendig erachtet wird, kann das Reich der Toleranz innerhalb
einer Religion beginnen. Einfach gesagt: dem lieben Gott im Himmel
ist es gleichgültig, was und wie wir glauben und wie wir die
Religion praktizieren-leben wir nur einigermaßen anständig, dann
reicht das für das ewige Leben. Weil Gott selbst die Religion
gleichgültig ist, darf es im Raume der religiösen Differenzen keine
Art von Diskriminierung mehr geben. Alles sei als gleichgültig zu
akzeptieren-das Basiscredo des sogenannten innerreligiösen Dialoges.
Diese Lauheit des Christentums ist nun nicht einfach vom Himmel
gefallen, noch gehört sie zum Wesen des Christentumes, sondern die
christliche Religion ist durch die Aufklärung nach dem großen
Religionskrieg so umerzogen worden. Das macht heuer die Differenz zum
Islam aus, der nicht domestiziert so vitaler ist, denn jede
Domestikation devitalisiert ja auch die Religion, weil sie nun von
sich sagen soll, daß sie nicht mehr heilsnotwendig ist, weil jede
andere Religion auch das Seelenheil ermöglicht.
Wie
anders war die christliche Religion vor ihrer Domestikation! Eine
Aussage Jesu aus dem Johannesevangelium möge uns dieses
veranschaulichen, eine Aussage, die heuer kein politisch korrekter
Christ mehr ohne Grauen zitieren kann, ohne dann anzufügen, daß
dies kein echtes Jesuwort sei, denn der war immer sehr tolerant und
daß diese Gemeindebildung jetzt vom Konzil als nicht mehr zeitgemäß
und somit als ungültig erklärt worden ist.
Im
5. Kapitel, Vers 19-47 des Johannesevangeliums dominiert die Frage
der Verhältnisbestimmung von Gott zu Jesus. Jesu Zentralthese
lautet: Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht. (V23)
Gibt es etwas die jüdische Religionspraxis Diskriminierenderes als
diese These? In den Synagogen wird nicht Gott, der Vater, der Gott
Mose und Abrahams geehrt und wir Christen verehrten dann zusätzlich
noch den göttlichen Sohn. Dann wäre der synagogale Gottesdienst ein
zwar wahrer, aber doch defizitärer Gottesdienst, weil in ihm nur der
Vater aber nicht der Sohn verehrt würde. Der christliche wäre dann
im Kontrast dazu der bessere, weil in ihm Vater und Sohn geehrt
würden. Aber so ist es nicht, urteilt Jesus. Wo der göttliche Sohn
nicht wie der Vater verehrt wird, da wird auch der göttliche Vater
nicht geehrt! In der jüdischen, wie in der islamischen Religion wird
so Gott überhaupt nicht geehrt, weil in beiden der Sohn nicht wie
der göttliche Sohn geehrt wird. Jesus verurteilt damit alle anderen
Religion als nichtig, weil in ihnen Gott nicht verehrt wird, auch
wenn die Anhänger meinen, Gott zu verehren. Warum das so ist, das
beantwortet die christliche Trinitätslehre. So urteilt Jesus ja
auch: wer Mose glaubt, der glaubt auch an mich, wer aber nicht an
mich glaubt, der glaubt auch nicht Mose. Der christliche Glaube als
Glaube an den göttlichen Sohn ist nicht etwa ein Zusatz zum
Monotheismus, sodaß wir sagen dürften: alle monotheistischen
Religionen glaubten an den einen Gott, nur wir Christen glauben dann
noch zusätzlich an den Sohn und den Heiligen Geist. Nein, nur wo der
trinitarische Glaube ist, da ist der wahre Glaube und somit die wahre
Gottesverehrung. Jesus diskriminiert so alle monotheistischen
Religionen; er toleriert nicht ihre Intention, doch auch den Gott
Abrahams zu ehren und ihm glauben zu wollen. Er sieht auf die
Objektivität ihrer Gottesdienste und beurteilt sie danach. Wo der
Sohn nicht verehrt wird wie Gott, da wird auch der Vater nicht
verehrt.
Jesus
diskriminiert und Gott diskriminiert auch. Gott erwählte Israel zu
seinem Volke und somit alle anderen Völker nicht. Gott schuf sich
ein neues Gottesvolk in der Gestalt der Kirche und so setzte er
wieder eine Unterscheidung: die zwischen Kirche und den
Nichtdazugehörenden. Als Jesus die Feier der Eucharistie einsetzte,
lud er nicht alle seine Jünger und Freunde dazu ein und auch keine
einzige Frau-nicht einmal die Gottesmutter nahm an der Einsetzung
dieses christlichen Mysterienfeier teil, sondern nur die 12 Apostel,
denen er hier die priesterliche Vollmacht zur Darbringung des
Meßopfers vermittelte. Auch hier diskriminiert Jesus, der in seiner
Vollmacht erwählt, wen er erwählen will und nicht erwählt, wen er
nicht erwählen will. Es bedarf gewalttätiger Exegesen, um all diese
Diskriminierungsskandale aus der christlichen Religion zu
eskamotieren und sie umzuwandeln in eine: Gott hat alle lieb
Friede-Freude-Eierkuchen-Religion. So ist es auch kein Zufall, daß
die Grundunterscheidung der christlichen Religion, die von Gott und
Teufel, verschwunden ist mit dem Abschied vom Teufel3.
Aber wie soll dann noch die Reichsgottesverkündigung Jesu verstanden
werden, die eine Kampfansage wider das Reich Satans ist? Mit dem
Gegenpol des Satans verschwindet dann aber auch die Vitalität der
christlichen Religion, weil auch sie, wie alles, aus dem Widerstreit
mit ihrem Gegenpol lebt. Das ist wohl der Sinn des Votums, daß der
Krieg der Vater aller Dinge ist (Heraklit), daß eben alles nur ist
durch seinen Gegensatz. R. Musil sagt dies so: „Schließlich
besteht ja jedes Ding nur durch seine Grenzen und damit durch einen
gewissermaßen feindseligen Akt gegen seine Umgebung.“4
Am Anfang der Domestikation der christlichen Religion zu einer, die
niemanden und nichts mehr sich traut zu diskriminieren, steht die
Entscheidung der Religion, sich um des weltlichen Friedens willen
domestizieren zu lassen und so zur Religion in den Grenzen der
praktischen Vernunft zu werden.Und um dieses Friedens willen werden
alle Gegensätze und Widerstreite zu Standpunkten und persönlichen
Glaubensmeinungen im Meer des unbegrenzten Pluralismus.
Aber wie steht es um eine
Religion, wenn sie nicht mehr die Kraft zum Diskriminieren besitzt?
Sie gleicht einem Rechenunterrichtsstunde, in der der Lehrer erklärt,
daß es gleichgültig sei, ob 5 plus 7 12, 13, 11 oder vielleicht
gar 57 sei- Hauptsache,jeder habe seine ganz persönliche Meinung ,
sprich seinen persönlichen Glauben! Missionieren kann diese Religion
nicht mehr, nur noch bekennen, daß ihre Anhänger das so und so
glauben und daß ihnen das wichtig sei, aber jeder andere könne das
auch ganz anders glauben, denn Gott sei jeder Glaube gleich wahr.
Weil Gott nicht diskriminiere, dürfte das sonst auch niemand anders.
Aber der Gott, der nicht diskriminiert, der ist nicht der Gott Jesu!
Er ist ein Phantasiegebilde der politischen Korrektheitdsideologie,
und die diskriminiert jeden, der nicht gemäß ihren Vorgaben denkt
und spricht.
Was wir erleben und
erleiden ist so gesehen die Auflösung des christlichen Abendlandes
mit seiner spezifischen Wertekultur, die als solche immer auch eine
diskriminierende ist, weil der Begriff des Wertes notwendig den des
Unwertes verlangt. Nicht brechen wir nun auf in eine Epoche, in der
Dostojewskiis Mahnung, wenn Gott nicht ist, ist alles erlaubt, zur
Wirklichkeit wird, kein ewiger Sommer der Anarchie sondern eine neue
Wertekultur etabliert sich, die im Kampf gegen die alte ihr das Recht
zum Diskriminieren abspricht. Dieses Recht zur Diskriminierung
verlangt sie aber für sich selbst als Selbstverständlichkeit; ja,
es gilt ihr geradezu als Tugend, die alten Werte des christlichen
Abendlandes zu diskriminieren. Nicht Nietzsches Prinzipien einer
neuen Wertsetzung triumphieren nun5,
sondern ein viel faderes Gericht: die politische
Korrektheitsideologie.
Wir Christen befinden uns
nun in einer schwierigen Lage: kritisieren wir die
Diskriminierungspraxis dieser neuen Werteordnung mit der Losung, es
dürfe keine Diskriminierung geben, widersprechen wir
notwendigerweise unserer ureigenen Praxis, das Unwahre dm Wahren
gegenüber zu diskriminieren. Billigen wir aber der erkannten
Wahrheit das Recht zu, das Unwahre zu diskriminieren, es gibt kein
Recht zur Unwahrheit, dann wird man uns vorwerfen, daß wir die
jetzigen Diskriminierer nur kritisieren, weil wir selbst im Namen der
offenbaren Wahrheit diskriminieren wollen. Faktisch reagiert die
Kirche auf dieses Dilemma mit der Strategie,jede Art von
Diskriminierung zu verurteilen und darum die eigene christliche
Praxis des Diskriminierens als Fehler und Irrtum der Kirche
abzuqualifizieren. Die ganze vorkonziliare kirchliche Praxis wird
somit nachträglich ins Unrecht gesetzt, um sich so jetzt gegen die
uns treffende Diskriminierungspraxis zu wehren. Einen hohen Preis
zahlt so die Kirche dafür. Denn jetzt sieht sie sich auch genötigt,
zusehens auch in innerchristlichen Kontroversen auf die
Unterscheidung von wahr und falsch zu verzichten, um jede
Diskrimierung auszuschließen. Das faktische Verbot jeder Kritik an
der gelebten Homosexualität ist erst der Anfang der so gearteten
innerkirchlichen Auflösung. Die Dogmengeschichte mit ihren
Entscheidungen und Verurteilungen wird so zu einem einzigen Skandalon
um Macht kämpfender Theologenschulen, die vermeintlich erkannte
Wahrheiten zur Diskriminierung anderer mißbrauchen.
Das Problematische der
Parole: Keine Diskriminierung!, soll nun an einer Äußerung von
C.Belsey in ihrer Arbeit über den Poststrikturalismus abschließend
verdeutlicht werden in Hinsicht auf die Lage der Kirche. „Viele
Menschen sind heute dazu bereit, die Vorstellung aufzugeben, dass es
in allen Fällen eine einzige, maßgebliche Wahrheit zu entdecken und
zu verteidigen gibt. Tatsächlich hat ein Jahrhundert politischer
Gruppierungen, die die Wahrheit, wie sie sie verstanden,nicht nur
verteidigt, sondern verheerende Gewalt gegenüber Menschen ausübten,
die ihre Überzeugungen nicht teilten, bei vielen von uns ernsthafte
Zweifel an der Behauptung von Wahrheitsansprüchen geweckt.“6
Also: eine erkannte Wahrheit führt zur Diskriminierung aller
anderen, die nicht dieser erkannten Wahrheit zustimmen und die daraus
folgende Diskriminierungspraxis findet ihren Endpunkt in der Gewalt
gegen Andersdenkende. Darum ist der Anfang dieser
Diskriminiuerungspraxis, die Behauptung einer erkannten Wahrheit,
selbst zu bekämpfen. Jede erkannte Wahrheit müsse so als
unberechtigter Mach-und Durchsetzungswille diskriminiert werden.
Es dürfe keine erkannte
Wahrheit geben um des weltlichen Friedens willen. Darum muß auch
jede Organisation, die sich im Besitz der Wahrheit behauptet, weil
sie über die Wahrheitserkenntnis verfügt, diskriminiert werden,
damit sie nicht selbst im Namen der erkannten Wahrheit diskriminiere.
Das ist nun der Kerngedanke, warum gerade die Katholische Kirche
unter der Parole:“Keine Diskrimierung!“ so heftig diskriminiert
und angegriffen wird.
1Vgl:
Cioran, Lehre vom Verfall, 1949.
2Lukacs;
G., Die Eigenart des Ästhetischen Bd 1, 1987, S. 115.
3Vgl:
Haag, H., Abschied vom Teufel.
4Musil,
R., Der Mann ohne Eigenschaften, 1978, S.26.
5Vgl:
Nietzsche, F., Der Wille zur Macht, 3.Buch.
6Besley,
C., Poststrukturalismus, 2013, S.105.
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