Freitag, 27. September 2024

Die Welt neu interpretieren, heißt das, sie zu verändern? Oder ein Versuch über die Kirche und die Politik in der Postmoderne,über die Lust am Uminterpretieren

 

Die Welt neu interpretieren, heißt das, sie zu verändern? Oder ein Versuch über die Kirche und die Politik in der Postmoderne



Karl Marx 11. These über Feuerbach lautete: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert,es kommt darauf an, sie zu verändern.Das inkludiert die Vorstellung, daß die Welt etwas unabhängig von dem philosophischen Interpretationen sei, und daß es nun gälte, diese unabhängigkeit von unserem Denken existierende Welt zu verändern. Dem Philosophen Marx ging es dabei selbstredend nicht um irgendeine Veränderung sondern um eine Verbesserung der Welt. Die Welt sei prinzipiell optimierbar,aber es existieren halt divergierende Konzepte darüber wie sie zu optimieren sei. Die marxistische Konzeption ist dann eben eine von vielen, die sich selbst aber als die einzig wahre verstand.

Wie nun, wenn diese Vorstellung als Ganze dekonstruiert werden würde mit der These, daß das, was hier ganz naiv „die Welt“ genannt wird, selbst erst das Produkt einer Interpretation ist, daß uns „die Welt“, wie sie an sich ist, gar nicht erkennbar sei. Wo dieser Verdacht ernst genommen wird, da beginnt das postmoderne Denken. Wenn „die Welt“ nur das Produkt einer Interpretation ist, dann verändere jede Neuinterpretation die Welt. Unter dem Stichwort „Konstruktivismus“ kann mann dazu sehr Informatives finden, sodaß ich hier auf eine nähere Erklärung dessen verzichten kann: Die Wirklichkeit, die Welt sei eben ein soziales Konstrukt, das Produkt einer Interpretation.

Ein gravierender Interpretationswechsel ist nun aber seit dem Ende des real existerenden Sozialismus erkennbar: Die Welt hat sich deswegen geändert. Man könnte das bis dahin vorherrschende Interpretationsparadigma das soziologische nennen, wobei die marxistische Begrifflichkeit dominierte, zumindest an den Universitäten in einer Konkurrenz aber zur „bürgerlichen“, etwa Max Webers. Begriffe wie Kapitalismus, Imperialismus, Entfremdung, Kapital und Ware gehörten zu der Sprache der Soziologie, mit deren Hilfe man die gesellschaftliche Realität begreifen konnte in der Perspektive der Veränderbarkeit, der Revolutionierbarkeit der bürgerlichen Gesellschaft.

Aber der Begriffsapparat hat sich seit 1989 signifikant verändert, von dem Paradigma des soziologischen hin zum Paradigma des biologischen Denkens. Der Feind ist nun nicht mehr der Bourgeois, dem der revolutionäre Arbeiter sein wohlverdientes Ende bereiten wird, der Kapitalismus, der durch den Sozialismus überwunden werden wird, sondern der“Weiße Mann“ „Weiß“ wird hier als ein Rassenbegriff verwendet. Nicht mehr die Zugehörigkeit zu einer Klasse sondern zu der einer Rasse bestimme nun das Sein und Bewußtsein. Der antagonistische Gegensatz von Kapital und Arbeit wird sunbstituiert durch den der Weißen Rasse gegen die anderen Rassen. Die soziologische Analyse des Bourgeois wird ersetzt durch eine feministische Analyse des Geschlechtes, des Mann und des Frauseins. Das sind nun biologische Bestimmungen, die nun als die Grundlagen der Kritik der soziologischen Rollenkonstrukte des Frau- und Mannseins dienen. Der Hitlerfaschismus wird nicht mehr aus der Analyse der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus erklärt, sondern aus dem Volkscharakter von uns Deutschen. Die Ex“bischöfin“ Käßmann erklärte gar die rechte braune Gesinnung von uns Deutschen als etwas Vererbtes, in unseren Genen Steckendes. Der „Füchtling“, der „Migrant“ avancieren so zu besseren Menschen uns negativen Deutschen gegenüber. Wenn Georg Lukacs von der Möglichkeit des Klassenverrates für den Intellektuellen schrieb als der Möglichkeit seiner Rettung, er solle sich so dem Proletariat anschließen, seine Bürgerlichkeit hinter sich lassend, so muß der jetzige „Weiße Mann“ aus seiner Rasse heraustreten, um, indem er sich vehement mit den Rassenanliegen aller Nichtweißen solidarisiere, so allein sich retten zu können.

Selbst die Heterosexualität soll nur noch ein soziales Konstrukt sein, daß die wahre natürliche Diversität unterdrücke, daß es in der Natur so viele verschiedene Geschlechter wie Kalendertage gäbe und daß die gelebte Sexualität deshalb auch so divers sei von ihrer Natur her, wenn nicht die Sozialordnung all dies unterdrückte. Es existiere also die gute Natur und das Negativsoziale. Aber die Natur ist nun doch nicht in sich gut, da existieren nun die Rassen- und die Geschlechtsdifferenzen, Polaritäten, wo sich das Gute dem Negativen gegenüberstünde. „Der Weiße Mann“ ist nun zu dem Hort alles Bösen avanciert und tritt so an die Stelle des kaputalistischen Bourgeois.

Wir leben nun in einer anderen Welt, da sie nun neu interpretiert wird. Das einst vorherschende linke Deutungsinstrumentarium ist faktisch verschwunden und durch ein biologistisches ersetzt. Diesem biologitischen korrespondiert nun in eigentümlicher Weise die liberale Ideologie, indem sie das Soziale als eine Entfremdung vom eigentlich Natürlichen interpretiert, daß stattdessen jeder nach seiner individuellen Natürlichkeit leben möge.

In der Theologie und Kirche wird die Welt nun auch völlig neu interpretiert: Aus dem erlösungsbedürftigen Menschen, der auf das Heilsvermittelungsinstitut der Kirche Verwiesenen wird der unmittelbar von Gott bejahte, der so sich und jeden anderen ebenso zu bejahen habe. So, wie wir sind, so affirmiert Gott uns. Es existierten nun aber gesellschaftliche Verhältnisse und Moralvorstellungen, die dem nicht gerecht würden, etwa alle Konventionen , die Homosexuelle, Lesben und Nichtweiße diskriminierten. Die Menschenwürde aller sei zu verkünden in Tat und Wort. Die erlösungsbedürftige Welt und somit auch der Erlöser ist damit der Kirche abhanden gekommen, sie ist zum großen Jasager der so konstruierten Welt geworden. Damit hat auch die Kirche die Postmoderne in sich hineingeholt.

Augenfällig ist nun, daß auch das neue Feindbild: „Der Weiße Mann“ in ihr positiv rezipiert wird: Im Kampfe gegen die Männerherrschaft in der Kirche manifestiert sich das Nein zum „Mann“.Die Kirche sollte eigentlich aber auch der Dominanz des „Weißen Mannes“ enthoben werden, aber die nichtweißen Katholiken erwiesen sich leider oft als conervativ denkend. Man denke nur an das vehemente Nein zur Segnung homosexueller Paare aus Afrika. Aber in der unbedingten Bejahung der Politik der offenen Grenzen stimmt die Kirche ein in das neue biologistische Paradigma mit ihrem Feindbild des „Weißen Mannes“, dessen Vorherrschaft nun durch die Masseneinwanderung Nichtweißer in Europa und Amerika ein Ende bereitet werden soll.Eine Tendenz zur Selbstnegation ist da nicht übersehbar.























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