Ist die Kirche vergleichbar mit einem Bekleidungsgeschäft,
das saisonbedingt die Winterkleidung auslagert für den Frühling, nur daß Conservative dann Wintermäntel im Hochsommer verkaufen wollen als ewige Wahrheit? Wer den gegenwärtigen theologischen Diskurs, nicht nur den moraltheologischen sich vor Augen hält, kann sich dieses Eindruckes kaum erwehren. Die Zeiten ändern sich halt und wie es unsinnig ist, Wintermäntel im Hochsommer verkaufen zu wollen, so unsinnig sei es, Gestriges heute noch als die Wahrheit anpreisen zu wollen, denn die Zeiten änderten sich und die Kirche müsse sich permanent den Veränderungen der Zeit einpassen. Das sei ja auch das Wesentliche der Kirchengeschichte, das Vermögen der Kirche, stets sich den sich verändernden Umwelten neu einordnen zu können.
So lernte ich schon im gymnasialen Religionsunterricht, daß die Juden eine Vorliebe für eine adoptionistische Christologie hegten, daß Gott Jesus adoptiert hätte und er so der Sohn Gottes wurde, daß dann aber das griechische Denken an Einfluß gewonnen hätte, und denen läge das juristisch- adoptionistische Denken nicht, sie dächten lieber metaphysisch- biologistisch und so wurde Jesus zu Gottes Sohn im (Un)Geiste der Trinitätslehre, aber uns Aufgeklärten wäre beides fremd, sodaß uns Jesus zum vorbildichen Menschen wird, der eben Gott gemäß gelebt hätte. Was ist wahr: Alle drei Konstruktionen, denn alle seien doch gelungene Einpassungen in die jeweilige Denkungsart, der jüdischen, der griechischen und der heutigen.
Aber was wäre denn dann die Substanz, die immer zeitgemäß zu formen wäre, in die Sprache der Zeit zu übersetzen wäre? Existiert da einfach ein Kern, der dann analog zu der Vorstellung eines unmittelbaren sprachlosen Denkens existierte,um dann immer aufs neue in bestimmte Sprachen übersetzt wurde und zu übersetzen sei, sodaß aber jedes so sprachlich Ausformulierte eigentlich nie die Wahrheit des Glaubens wäre sondern nur eine davon entfremdende Versprachlichung?
Grundlegend ist dabei die Meinung, die Glaubensinhalte seien etwas Statisches, das nur deshalb sich entwickele, weil es stets für die sich ändernden Kontexte neu auszuformulieren sei, vom jüdischen zum griechischen und nun zum (post)modernen. Ausgeschlossen wird damit die Vorstellung einer Selbstbewegung und Selbstentwickelung der Glaubensinhalte. Das theologische Denken stand und steht z.B vor der Aufgabe, die Aussage daß Gottes Sohn am Kreuze gestorben ist wie Menschen sterben in einen Einklang zu bringen mit dem Glauben, daß Gott und somit auch der Sohn Gottes unsterblich ist, nicht sterben kann. Nicht der kulturelle Kontext nötigte das theologische Denken, darauf Antworten zu finden, sondern der Widerspruch zwischen dem Glauben, daß Jesus wahrer Gott ist und daß er wirklich am Kreuze gestorben ist. Dieser Widerspruch treibt das theologische Denken voran, läßt Antworten entstehen, die selbst wieder ein über sie Hinausgehen hervorrufen.Die Möglichkeiten von Fehlentwickelungen ist dabei stets gegeben, daß entweder die Realität des Gestorbenseins und Todseins zum Verschwinden gebracht wird oder daß um der Behauptung der Realität willen das Gottsein Jesu Christi zum Verschwinden gebracht wird. Nun evoziert jede dieser zwei Reduzierungen Jesu entweder auf ein bloßes Gottsein oder auf ein bloßes Menschsein die Betonung des so Eskamotierten.
Ja, die Realität des Kreuzestodes kann sogar revolutionär uns von einem sterben könnenden Gott und dem als Seele unsterblichen Menschen zu denken verpflichten.Dieser innere Widerspruch zwischen zwei sich widerstreitenden Aussagen über Jesus, daß er als der Sohn Gottes unsterblich ist und daß er als der Sohn Gottes am Kreuze wirklich gestorben ist, macht dann das innere Leben des theologischen Diskurses aus, der immer wieder Antworten auf diese Frage hervorbringt, die immer wieder nach einem mehr an Klarheit verlangen.
Dann begründete sich die Lebendigkeit der Theologie nicht darin, daß sie ihre Ergebnisse beständig in andere Sprachen, in andere Kontexte neu zu übersetzen, zu versprachlichen hätten, sondern aus der dialektischen Selbstentwickelung dieses anfänglich gesetzten inneren Widerspruches dieser Zentralaussage der christlichen Religion.
Corollarium
Statt in der Theologie die Autoren theologischer Werke in den Vordergrund zu stellen und gar noch ihre thologischen Positionen aus ihrer Biographie her zu rekonstruieren. müßte der theologische Diskurs mit seinem Regelwerk und seiner inneren Entwickelung rekonstruiert werden.
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