Donnerstag, 19. Januar 2023

Eine evangelische Utopie – oder wie man die „Kirche“ entsubstantialisiert

Eine evangelische Utopie – oder wie man die „Kirche“ entsubstantialisiert Da die Generallinie der katholischen "Kirchenreformer" lautet: Vom Protestantismus lernen, heißt siegen lernen!, ist zu befürchten, daß auch diese protestantische Zukunftsversion bald eine "katholische" wird, darum muß man sich damit beschäftigen. Eine evangelische Kirche (die evangelische im Rheinland), krisengeschüttelt hat nun sich eine Zukunftsvision gegeben. (E.K.I.R. 2030: Wie gestalten wir evangelisch rheinisch zukunftsfähig?) Diese Protestantenvereinigung hat tatsächlich noch etwas Theologisches zu sagen: „Wir leben als Kirche Jesu Christi glaubhaft aus der Kraft des Heiligen Geistes,im Vertrauen auf Gottes Verheißung und bezeugen seine Gegenwart in der ganzen Schöpfung und allen Menschen (Gemeinschaft der Glaubenden).Wir engagieren uns als Gemeinschaft der Glaubenden für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung und bringen die Gottesfrage und eine transformative Spiritualität in die großen Herausforderungen unserer Zeit ein.“ Aber wenn nun dieser Text genauer gelesen wird, irritiert er doch. Wird die Gegenwart Gottes in der ganzen Schöpfung allen Menschen bezeugt, oder die Gegenwart in allen Menschen? Die Klammer: „Gemeinschaft der Glaubenden“ verunklart diese Aussage noch mehr. Denn weder sind alle Menschen, wenn denn Gott unter ihnen präsent, ist eine Gemeinde der Glaubenden noch sind die, denen diese Gegenwart verkündigt werden soll, eine „Gemeinschaft der Glaubenden“. Oder soll diese Klammer nur das „Wir“ explizieren? Das Engagement ist dann aber klar formuliert: „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“. Was nun aber eine „transformative Spiritualität“ sein soll, ist aus dem Text nicht erschließbar. Streicht man das Pathetische, bleibt wohl nur übrig, daß man bei allen Themen der Welt mitreden möchte. Aber es existieren ja noch Leitsätze, die der EKD: „Geistliche Orientierung: Wichtig ist, uns unserer geistlichen Berufung zu erinnern und das evangelische Selbstverständnis handlungsleitend zu konkretisieren, etwa mit den EKD Leitsätzen: Mitgliederorientierung (Volk Gottes), Weltverantwortung (Salz der Erde),Kooperation (Leib Christi). Umgekehrt gilt es die theologische Überhöhung gewachsener, überholter Strukturen zu kritisieren.“ Mitgliederorientierung, Weltverantwortung und innerverbandliche Kommu-nikation, das sollen die 3 Säulen der Zukunftsorientierung sein. Erweckt das erste Zitat noch den Eindruck, hier ginge es um Christliches, Religiöses, so bleibt davon in der geistlichen Orientierung nicht mehr viel übrig. Das wichtigste Anliegen scheint die „Weltverantwortung“ zu sein, die irgendetwas mit der Präsens Gottes in der Welt zu tuen hat. Ansonst wird wohl als spezifisch evangelisch nur herausgestrichen, daß man antihierarisch gesonnen sei. Trotz aller Probleme (Kirchenaustritte, daß man immer weniger wird) sieht dies Papier doch optimistisch in die Zukunft: „Unsere Aufgabe ist es, das eigene Selbstverständnis unter den veränderten Rahmenbedingungen neu zu entfalten, die großen Potenziale für eine moderne Netzwerk Organisation zu nutzen und die Evangelische Kirche im Rheinland so in grundlegend veränderten Kontexten zukunftsfähig zu gestalten. Dazu triggern wir urprotestantische Gene an: Wagemut– Widerstandskraft – Weltverantwortung.“ Karl Barth, einer der einflußreichsten evangelischen Theologen des 20.Jahrhundertes riet, um die Christlichkeit eines Textes zu prüfen, aus dem Text Gott, Jesus Christus, den Heiligen Geist zu streichen, um zu sehen, ob dadurch die Textaussage sich verändere. Dem liegt der Verdacht zugrunde, daß in kirchlichen Texten diese 3 Größen oft nur noch als Dekoratives fungieren, während man eigentlich rein weltlich denkt. So ist zu fragen: Ist die Funktion der Aussage von Gottes Allgegenwart denn nicht nur die, das Engagement für die Bewahrung der Schöpfung zu motivieren? Meint dann die Spiritualität auch nur noch, kreativ mitzudiskutieren über Gott und die Welt? Von der Substanz des Christlichen ist hier kaum noch etwas lebendig, daß es um ein religiös christliches Leben geht, um gelebte Frömmigkeit und um einen Glauben, der nicht inhaltslos ist! Wie anders sieht das dies Zukunftskonzept: Die Kirche ist für die Zukunft gut aufgestellt, weil sie mit den Leitideen der Gegenwart korrespondiert: Sie „korrespondiert mit Leitideen moderner Netzwerk Organisationen und einer Start up Kultur: flache Hierarchie, Variabilität, Partizipation, Internationalität, postmaterielle Werte.“ So qualifiziert sorgt sich dieser Protestantismus nicht um seine Zukunftsfähigkeit! Die christliche Religion ist so eben für die Zukunftsfähigkeit überflüssig.

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