Montag, 9. Januar 2023

Über die Diktatur des Relativismus: Weil was das gute Leben ist, unerkennbar sei, kann jeder gut leben nihilistisch!

Über die Diktatur des Relativismus: Weil was das gute Leben ist, unerkennbar sei, kann jeder gut leben nihilistisch! Sorgner offeriert in seiner Apologie des Transhumanismus : „Übermensch.Plädoyer für einen Nietzscheanischen Transhumanismus“ allerlei Bedenklichkeiten, in denen er komprimiert aber die Probleme der liberalen Ideologie unfreiwillig enthüllt. Unter der wortgewaltigen Kapitelüberschrift: „Zwischen Renaissance-Genie und der radikalen Pluralität der menschlichen Perfektion“ steht geschrieben (S.47): „In einer Welt der beständigen und allumfassenden Veränderung fehlt die Möglichkeit der Übereinstimmung von Aussagen mit platonischen Ideen und damit auch des einen umfassenden Verständnisses des Guten.“ Das klingt so plausibel, daß es den Verdacht provoziert, daß an dieser Aussage etwas nicht stimmen wird. Wenn etwas, (A) sich verändert (aktiv) oder verändert wird (passiv) oder sich verändern läßt (medium), dann impliziert dies denknotwendig A als sich identisch Bleibendes, an dem sich diese 3 möglichen Veränderungsarten ereignen können. Eine Biographie kann nur geschrieben werden, indem ein Subjekt, das der Biographie als sich Gleichbleibendes präsumiert wird, dem dann alle erzählten Ereignisse als seine, ihn irgendwie betreffende zugeschrieben werden und dadurch wird erst das Erzählte zu einer Biographie dieses Subjektes. Ohne die Präsumption eines solchen Subjektes, des Iches der Biographie ließen sich gar keine Veränderungen am Ich vorstellen und beschreiben. Dies so präsumierte Ich wäre so ein besonderer Fall einer platonischen Idee, wie auch Kants Konstruktion des intelligiblen Iches eine Modifikation der platonischen Ideenlehre ist. Wenn es nun eine Vielzahl, vielleicht gar eine unbegrenzte Vielzahl von Vorstellungen über das Gute gäbe oder geben könnte, und dies den beständigen Wandel der Vorstellung vom Guten ermöglicht, wie kann denn dann von einer solchen Mannigfaltigkeit gesprochen werden, wenn allen Vorstellungen nichts gemein wäre, daß sie eben Meinungen vom guten Leben sind und darin auf etwas von allem Gemeinten Gemeinsames ausgerichtet sind. Was sollte man den von der Meinung halten, daß, weil jeder Mensch sich von jedem anderen unterschiede, es unmöglich sei, zu erfassen, was das Menschsein des Menschen ausmache. Aber hier verbleibt das Nachdenken über das Gute einfach bei der Feststellung des Phänomenes, daß es viele Meinungen über das Gute und das, was so ein gutes Leben ausmache, gäbe. So würde es deutlich, „dass jeder Versuch einer inhaltlichen Beschreibung dessen, worin das gute Leben für uns alle besteht, unplausibel sein muss.“ (S.51) Der Ton liegt dabei auf dem „für uns alle“, denn jeder könne wohl für sich beschreiben, was für ihn ein gutes Leben ausmache, aber eben nur für sich. Impliziete wird nun präsumiert, daß jeder gut leben möchte und da nun jeder seine reine Privatvorstellung von dem Erstrebten habe, und so geschlußfolgert, daß die Gesellschaft die beste sei, in der so jeder seine Privatvorstellung vom guten Leben führen könne. Die liberalistisch geordnete Gesellschaft sei so die notwendige Konsequenz der Nichterkennbarkeit des Guten und dessen, was ein gutes Leben ausmache. Demzufolge kann nicht mehr die Gesellschaft der Ort des guten Lebens sein sondern nur die Sphäre der Privatexistenz. In der Gesellschaft muß das Privatich ja so leben, wie man in der Gesellschaft zu leben hat, eben nach den gesellschaftlichen Normierungen. Aber Sorgner kapriziert sich eben auf den Privatmenschen. Nun gibt es Menschen, die für das eigene Wohlergehen (das soll nun eine Gestalt des guten Lebens sein) es nötig erachten, „andere Menschen zu misshandeln, zu quälen,zu beleidigen, zu erniedrigen, zu vergewaltigen oder gar zu töten“ (S.53). Damit muß die Freiheit jedes Einzelnen in der Freiheit des Anderen seine Grenze haben, damit nicht der Eine den Anderen so mißhandeln darf, weil das seine Vorstellung vom guten Leben sei.Aber hier bleibt dann ungefragt, warum denn jeder Einzelne die Rechte der Anderen, so zu leben, wie es ihm gut vorkommt, zu respektieren habe. Wenn der „Nihilismus als Errungenschaft“ in diesem Buch gefeiert wird (S.91-99) dann kann diese Anerkennung des Rechtes des Anderen nicht mehr theoretisch begründet werden. Ein Blick in die Werke Marquuise de Sade zeigte nämlich, daß der souveräne Mensch die Rechte seiner Mitmenschen nicht zu respektieren bräuchte, weil es solche gar nicht gibt, wenn er nur über genug Macht verfügt, alles machen zu können, was ihm gefalle,weil er keinerlei Sanktionen dafür mehr zu befürchten hat. Diese Erkenntnis des Nihilismus de Sades ausblendend, landet dies Buch in dem Konzept der liberalen Gesellschaft, in der jeder in seiner Privatssphäre leben könne, wie es ihm gefalle, sofern er dabei die Anderen auch so selbstbestimmt leben lasse. Aber damit steht der aufmerksame Leser wieder selbst vor einer Konstruktion einer allgemeinen Vorstellung vom guten Leben: Das gute Leben für alle ist das, wenn jeder in seiner Privatssphäre seine individuelle Vorstellung vom guten Leben realisiert und dabei die Anderen mit ihren eigenen Vorstellungen respektiert. Dies gute Leben wäre dann immer nur gefährdet von denen, die eine materiale Bestimmung des guten Lebens vertreten würden, also die, die man gern als die „Feinde der offenen Gesellschaft“ diffamiert. Gravierender ist aber, daß der Mensch hier zerteilt wird in den Bürger der Gesellschaft, der eben so zu leben habe, wie es die Gesellschaft ihm vorschreibt und den Privatmenschen, der nur privatissimo sein Privatglückleben führen kann, denn für das gesellschaftliche gemeinsame Leben kann es keine gemeinsame Idee vom guten Leben geben.Es können nur private Vorstellungen davon existieren, die auch nur privat gelebt werden können. Das heißt, daß es für das gesellschaftliche Leben, für das Volksleben keine Vorstellung für ein gutes gemeinsames Leben mehr geben kann. So korreliert dieser reinen Verindividualisierung des guten Lebens der Verzicht auf ein gemeinschaftlich gesellschaftliches gutes Leben. Nur wenn Ich mit Mir zusammen bin und dann das Wie frei gestalten kann, kann Ich gut leben.

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