Samstag, 21. Januar 2023

Rahner. "Wir müssen erklären, dass Theologiestudium und katholische Kirche zwei verschiedene Dinge sind."

Rahner. "Wir müssen erklären, dass Theologiestudium und katholische Kirche zwei verschiedene Dinge sind." So äußert sich die Dogmatikprofessorin J. Rahner zum Problem der sinkenden Anzahl an Theologiestudenten, aber sie fügt dann resignativ an: „Ob das verstanden wird, das ist die andere Frage.“ (Kath de am 19.Jänner 2023) Oberflächlich gelesen läge hier eine simple Marketingstrategie zugrunde: Da die Katholische Kirche ein Negativimage habe, sagen wir, daß das Studium der katholischen Theologie nichts gemein habe mit dieser so fragwürdigen Institution und so doch etwas Gutes sei. Nur darf wohl der Verdacht gehegt werden, daß diese Aussage ein Symptom für etwas tief Verwurzeltes ist. Meine These: Die universitäre Theologie versteht sich selbst als eine autonome Wissenschaft, deren Hauptaufgabe die Kritik der Kirche inklusive ihrer ganzen Theologie ist. Ihre Kriteriologie ist die reiner Wissenschaftlichkeit. Damit ist das prinzipielle Problem des Verhältnisses von der Wissenschaft und der Wahrheit mitgesetzt. Die Aussagesätze der theologischen Wissenschaft sind nämlich sehr disperat. Wann hat Paulus seinen Römerbrief geschrieben (also wann fand welches Ereignis wo statt) ist eine historische Frage und wird mittels der Anwendung der der Geschichtswissenschaften üblichen Methoden erforscht und wenn möglich präzise oder ungefähr beantwortet. Wenn nun gefragt wird, was Paulus über die Eucharistie gelehrt hat, stößt ein eifriger Bibliotheksbenutzer auf eine Unzahl von verschiedenen Deutungen der paulinischen Eucharistielehre und als Tertiärliteratur Forschungsberichte über die Vielfalt der Deutungen. Alle Deutungen sind wissenschaftlich fundiert und doch fallen sie sehr kontrovers aus. Am Ende gibt es nur 2 Optionen: die Vielfalt der Deutungen zu bejahen, die paulinischen Aussagen seien eben polyinterpretabel oder sich für eine zu entscheiden: Das halte ich aus diesen Gründen für die angemessene Interpretation. Es fällt dann aber leicht, diese Entscheidung als subjektivistisch zu kritisieren. Nun, nachdem so erforscht worden ist, was Jesus, Paulus, , Augustin, Thomas von Aquin und und zur Eucharistie gelehrt haben (die Primärliteratur ist so uferlos, daß selbst der fleißigste Leser keine Chance hat, alles zur Eucharistie Geschriebene an den Primärquellen zu lesen und dann hätte er noch keinen einzigen Kommentar zu den Quellentexten gelesen!) stellt sich noch tiefgründiger die Frage: Was ist denn die Eucharistie wirklich? Hier muß die Wissenschaft dann endgültig kapitulieren: Sie kann nur erforschen, was wer wann über sie gelehrt hat (wobei es faktisch zu jeder Eucharistielehre eines Theologen einige, viele und manchmal scheinbar unendlich viele Deutungen existieren), welchem Kontext die jeweilige Lehre zuzuordnen und von daher zu rekonstruieren ist, um dann sagen zu müssen: Es gibt keine Möglichkeit der wissenschaftlichen Erkenntnis der Eucharistie, es gibt nur theologische Theorien über sie. Mit Nietzsche könnte gesagt werden, daß im Meer der Interpretationen uns der Urtext, was die Eucharistie wahrhaftig ist, abhandengekommen ist. Damit haben wir das Niveau der heutigen theologischen Kirchenkritik erreicht: Die Kirche behauptet, daß ihre Lehre wahr sei. Das ist nicht akzeptabel, weil Niemand erkennen kann, was wahr ist. Die Dekonstruktion aller Wahrheitsansprüche der Kirche ist so ihre wissenschaftliche Kritik. Aber wie kann dann noch etwas eine theologische Aussage „wahr“ beurteilt werden? Da es keine Möglichkeit einer Überprüfung der Sachgemäßheit gibt: Welche Eucharistielehre entspricht der Realität der Eucharistie?, bleibt nur noch übrig, eine Lehre für gültig zu erklären, wenn sie nach unserem heutigen Verständnis demokratisch legitim hervorgebracht wird. Wahr ist, was synodal-demokratisch als wahr beschlossen wird. Nicht die Autorität, der Papst, die Bischöfe oder die Autorität anerkannter Kirchenlehrer sondern die Mehrheit der Jastimmen entscheidet über die Wahrheit. Die Alternative lautet dann aber, daß es jedem freigestellt sein soll, was er für sich als die Wahrheit der Eucharistie ansieht. Die Kirche habe dann nur noch dafür Sorge zu tragen, daß sie allen Eucharistieverständnissen gerecht wird, indem sie alle toleriert. So können dann alle miteinander die Eucharistie feiern, weil jeder doch glauben kann, was er will oder daß Konsense gefunden werden, in der jeder seine Privatwahrheit recognizieren kann. Die Wahrheitsfrage ist eben kein Konzept mehr für das postmoderne Denken. Was gefällt Euch, wie möchtet Ihr es?, diese Frage ist eben viel relevanter. Daß so nun gefragt werden kann, ist die Frucht der Dekonstruktion aller Wahrheitsansprüche theologischer Aussagen. Auch und gerade der Katechismus ist so nur ein Kompendium zeit(geist)geschichtlich bedingter Meinungen über Gott und die Welt – wie auch die Bibel. Erkenntnistheoretisch formuliert: Das theologische Denken erreicht sein Objekt, Gott nie, sondern erwirkt nur ein Produkt, das Auskunft gibt über menschliche Vorstellungen über Gott.

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