Freitag, 27. Januar 2023

Redet die Kirche zuviel von Gott und weiß nichts Gewisses von ihm?

Wissen wir etwas Verläßliches von Gott – oder die Krise der Kirche „Für den Erzbischof von München und Freising ist die Krise der katholischen Kirche auch darin begründet, dass sie behauptet, „ziemlich viel von Gott zu wissen und seinen Willen autoritativ allen Menschen übermitteln zu können.“ Tagespost am 12.10.2022. Die Kirche rede zu viel von Gott, dabei wüsse sie kaum etwas über ihn, denn irgendwie sei Gott ja ein oder das Mysterium, das sich unserem Erkennenwollen verschlösse. Diese Aussage könnte nun den Verdacht evozieren, daß dieser Kardinal ob des Eindruckes: Wer möchte heut denn noch was von Gott hören!, der Kirche empfehlen möchte, das Reden von Gott einzustellen oder zumindest weniger von Gott zu sprechen. Wäre die Kirche ein Unterhaltungsunternehmen im Bereich der Religion, leuchtete das ein: Ein Produkt, das nicht mehr nachgefragt wird, nimmt man eben raus aus dem Sortiment. Aber der Bischof sagt hier doch noch etwas Prinzipielleres aus:Die Predigt von Gott, aber auch die kirchliche Lehre von Gott sei nicht gedeckt durch das Wissen der Kirche von Gott. Im Geschichtsunterricht wird jede andere Antwort als „1618“ auf die Lehrerfrage: „Wann begann der 30 Jährige Krieg?“ autoritativ verworfen. Hier weiß man eben, daß dieser Krieg 1618 anfing. Im Raum der Religion wüsse man eben nicht so klar über Gott Bescheid, da existieren wohl nur Meinungen und keine klaren Erkenntnisse. Deshalb solle ein Pluralismus von Meinungen über Gott zugelassen werden, die Kirche solle sich dann zurückhalten mit der Beurteilung von solchen Meinungen und die ihrige nicht als die wahre behaupten. Nebenbei: Das ist die Prämisse des interreligiösen Dialogisierens, der die einstige Mission jetzt ersetzt. Aber: Warum wissen wir nichts Gewisses über Gott? Anthropozentrisch wird die Frage so gestellt: Kann der Mensch Gott erkennen, wie er wirklich ist? Mit welchem Recht kann eine menschliche Vorstellung von Gott mit dem Gott an sich identifiziert werden? Kann es angesichts dieser Fragestellung wirklich verwundern, daß alle menschlichen Erkenntnisse von Gott in Frage gestellt werden? Theologisch wäre doch ganz anders zu fragen: Kann Gott sich uns Menschen bekannt machen? Ob das Objekt, das wir Gott nennen, existiert, ist umstritten zwischen Theisten und Atheisten. Aber Beide verfügen über eine Vorstellung von dem, was mit Gott bezeichnet wird, daß er als allmächtig und als sich selbst erkennend zu denken sei. Bezeichnete irgendwer etwas als Gott, das nicht allmächtig und sich selbst erkennend ist, dann wäre das so Bezeichnete nicht Gott. Wenn Gott als sich selbst erkennend zu denken ist, dann muß geschlußfolgert werden, daß Gott eine objektive Erkenntnis von sich selbst gegeben ist. Eine objektive Gotteserkenntnis wäre so möglich, wenn Gott Menschen einen Anteil an dieser ihm eigenen Gotteserkenntnis vermittelt. Da Gott als allmächtig zu denken ist,muß von ihm auch ausgesagt werden können, daß er seine Selbsterkenntnis Menschen vermitteln kann. Gott wäre so als das Subjekt der Hervorbringung seiner Erkenntnis im Menschen für den Menschen zu denken. Das wäre spekulativ fundiert das mögliche Ereignis seiner Selbstoffenbarung. Es bliebe dann nur noch die Frage: Hat dies Ereignis, das möglich ist, wenn es wirklich Gott gibt, real stattgefunden? Die christliche Antwort lautet: Ja, in Jesus Christus. Jetzt soll aber das Augenmerk aber auf grundsätzlichere weitere Probleme fokussiert werden. Was bedeutet der Begriff der Selbsterkenntnis, wenn er auf Gott als Subjekt appliziert wird? Der menschlichen Selbsterkenntnis ist es eigen, daß seinem Sicherkennen er sich selbst vorausgeht als das, was und wie er ist. Zu dieser Objektivität kann er sich nun kontingent verhalten. Sein Menschsein als ein bestimmtes geht seinem Erkennen voraus. Seine Natur ist als eine von ihm nicht geschaffene das, was er erkennen will und zu dem er sich dann kontingent verhalten kann ob seines freien Willens: Er kann sich bejahen oder auch verneinen. Er muß sich dann auch zu einem bestimmten Menschsein entwerfen: So möchte ich im Rahmen der menschlichen Möglichkeiten, der menschlichen Natur mein Leben führen. Der göttlichen Selbsterkenntnis kann nun nicht wie beim Menschen eine ihm vorgegebene göttliche Natur präsumiert werden, die er dann objektiv erkennt. Denn diese göttliche Natur müßte ja als eine bestimmte gedacht werden, sonst wäre sie ja gar keine, denn jede Bestimmung inkludiert notwendig eine Negation.Wenn Gott göttlich ist, ist er nicht menschlich und schließt so das Menschliche aus.In jeder von Gott geschaffenen Kreatur gilt, daß Gott jedem seine bestimmte Natur gibt, zu der sich dann der Mensch zu verhalten hat. In Gott kann es dagegen nur eine göttliche Natur geben, insofern er sie sich selbst sie gab. Gott ist also als die reine Selbstbestimmung zu denken: Er ist so, wie er sein will und schließt damit aus, was er nicht sein will. Dadurch verobjektiviert sich Gott zu einem bestimmten Gott, der so auch erkennbar ist. Daß Gott unerkennbar sei, ist so eine wahre Aussage, wenn Gott als reine Selbstbestimmung expliziert wird. Denn Gott als die vollkommene Unbestimmtheit ist die denknotwendige Voraussetzung der Selbstbestimmung, durch die diese vollkommene Unbestimmtheit aufgehoben wird. Gott bringt sich selbst so als Gott hervor. Wenn Gott von uns Menschen erkannt werden will, dann ist zu fragen: Wie will Gott erkannt werden? Folgende These kann nun aufgestellt werden: Wenn das Verhältnis des Menschen zu Gott ein religiöses sein soll, und wenn das religiöse Verhalten das des Glaubens und des Vertrauens ist, muß die vermittelte Gotteserkenntnis ein solches Verhalten ermöglichen. Ein triviales Anschauungsbeispiel: Ich kann nicht urteilen: „Ich glaube, es schneit“, wenn ich aus dem Fenster schauend den Schneefall sehe. Ich kann aber sagen: „Ich glaube, daß es morgen auch schneien wird.“ Der Glaubenkönnen wie auch das Vertrauenkönnen setzt so ein Defizit an Erkenntnis voraus. Ein Kommissar, der den Mörder überführt hat, der eindeutig seine Täterschaft beweisen kann, kann nicht mehr sagen: „Ich glaub, daß der es war! Die sich ereignende Selbstoffenbarung Gottes muß also Glauben ermöglichen, damit der Mensch religiös zu Gott sich verhalten kann. Das heißt, daß diese Offenbarung nicht so sein darf, daß sie einen Zweifel an ihr ausschließt. Könnte sie unbezweifelbar erkannt werden,könnte sie ja nicht mehr geglaubt werden. Kant formulierte das so, daß der Glaube eine subjektiv hinreichende aber objektiv nicht hinreichende Erkenntnis ist. Das heißt, daß das Wie der Selbstoffenbarung selbst der Grund der Defizitärität der durch sie ermöglichten Gotteserkenntnis ist. Zur Veranschaulichung: Man möge sich einmal vorstellen, Jesus wäre nach seiner Auferstehung nicht in den Himmel aufgestiegen sondern weilte seit dem bis jetzt noch in Jerusalem und lehrte und heilte da: Wer könnte dann nicht an ihn glauben? Aber man darf den Verdacht hegen, daß um des friedlichen Miteinanders der Religionen man gar nichts Gewisses über Gott wissen will, weil dann ja die wahre Gotteserkenntnis von den nichtrichtigen unterscheidbar wäre. Wie "1718" als eine falsche Antwort auf den Beginn des 30 Jährigen Krieges wären dann ja die falschen Gottesvorstellungen zu diskriminieren.

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