Sonntag, 15. Januar 2023

Leben wir in apokalyptischen Zeiten? Irritierendes

Leben wir in apokalyptischen Zeiten? Irritierendes Es muß doch irritieren, wenn diese Frage auch von einem marxistischen Philosophen miterörtert wird: „Die bösen Geister des himmlischen Bereichs.Der linke Kampf um das 21.Jahrhundert“, 2013. Zu unterscheiden sei das traditionell zirkuläre Zeit- verständnis, daß die Zeit „nach kosmischen Prinzipien geordnet und geregelt ist und die Ordnung der Natur und des Himmels widerspiegelt“(S.305) von dem „modernen linearen“ der Zeit, daß sie die Zeit des „allmählichen Fortschritts und der schrittweisen Entwicklung“ sei. (S.305) Diese beiden Charakterisierungen lassen schon das Interesse am Apokalyptischen erahnen, daß diese beiden Geschichtsvorstellungen es ausschließen, daß sich unter der Sonne etwas radical Neues, nicht aus der Gegenwart Erwartbares und Unableitbares ereignen könne. „Die apokalyptische Zeit ist die des Endes der Zeiten, die Zeit des Notstands, des Ausnahmefalls“. (S.30) Nun existierten jetzt vier Versionen der Deutung der Gegenwart als ein apokalyptisches Zeitalter: die christliche fundamentalistische, die New Age, die digital posthumanistische und die säkular-ökologische. All diesen ist gemein die Vorstellung von einem radicalen Bruch mit der vergehenden Vergangenheit. Genau das machen diese vier apokalyptischen Modelle für Zizek interessant. Kant diskutiert in seiner Schrift: „Der Streit der Fakultäten“ die Frage, ob es in der Geschichte einen wirklichen sittlichen Fortschritt gäbe und urteilt, daß die Französische Revolution ein Zeichen dieses sittlichen Fortschrittes gewesen sei: „Das bis dahin Unmögliche geschah, ein ganzes Volk beanspruchte furchtlos seine Freiheit und Gleichheit. Noch wichtiger als die -oft blutige – Realität der Vorgänge in den Straßen von Paris war für Kant der Enthusiasmus“.(S.309) Daß hier sich Unmögliches ereignete, also etwas aus der damaligen Gegenwart nicht Erklärbares und Unableitbares ermöglicht so, dies als eine Art eines apokalyptischen Ereignisses zu deuten. Zizek schreibt dann gar von der „ewigen Idee“ einer gerechten und freien Gesellschaft, die in solchem Enthusiasmus sich inkarniere. Die christliche und die esoterische Deutung des Apokalyptischen reprobiert er nun. Vor 4 Problemen stünden wir jetzt aber, die nicht in der kapitalistischen Ordnung lösbar seien und so die Apokalypse dieses Systemes möglich machten: die ökologische Katastrophe, die „Unangemessenheit der Idee des Privateigentums“, die Folgen der „technologisch-wissenschaftlichen Entwicklungen“,isb der „Bio-genetik“ und der neuen Formen der Apartheit. (S.300) Die posthumanistische Apokalypse setze so auf die Überwindung des Menschen durch die Biogenetik, daß Kunstmenschen, Cyborgs die Zukunft gehöre während die ökologische Apokalyptik den Tod der Menschheit voraussagt und somit eine Welt ohne Menschen. Da für Zizek die Geschichte ein offener Prozeß ist, kann nicht, wie noch im orthodoxen Marxismus die Zukunft prognostiziert werden, aber es gäbe Augenblicke, in denen das bis dahin Unmögliche doch sich ereignen könne, die Revolution des Enthusiasmus. Die bisherigen, von der Französischen über die russische bis zur Kulturrevolution in China enttäuschten dann zwar die enthusiastischen Erwartungen, aber es könne und müsse eben noch mal versucht werden. Wir lebten also in einer Zeit des möglichen Endes in Folge der Klimakrise oder des Endes des Menschen durch seine Ersetzung durch künstliche Menschen, aber es könnte auch die ewige Idee der gerechten und friedlichen Welt zu einem neuen Revolutionsenthusiasmus führen. Nur steht dem die Erfahrung entgegen, daß nach einem Augenblick exstatischer Freiheit die Revolutionen neue Ordnungen etablierten,von denen man nicht sagen kann, daß nun es besser geworden wäre. , , Bei so viel Zustimmung zum Apokalyptischen fällt eines auf: Für Zizek und nicht nur für ihn ist die eigentliche Apokalyptik die Vorstellung, daß alles wie bisher immer so weitergeht. Der Glaube an den Fortschritt ist verlorengegangen,ebenso an die ewige gute Ordnung der Natur, der zyklischen Zeitvorstellung – als wenn die Gegenwart zu einem ewig Erstarrtem sich verkristallisiert hätte, das keine Bewegung mehr zuläßt, daß die Postmoderne eine Welt ohne Ereignisse geworden wäre. Hieraus sucht dieser Philosoph einen Ausweg, das Hoffen auf einen neuen alle beflügelnden Enthusiasmus. Nebenbei: Im heutigen Christentum findet sich dazu eine Parallele im Phänomen der charismatischen Bewegungen. Ob wir ihn apokalyptischen Zeiten leben, oder ob wir noch zigtausende Jahre Leben auf der Erde, so wie wir es kennen, vor uns haben, das allein entscheidet Gott und so weiß er allein auch, wie es um unsere Zeit steht, aber unverkennbar lebt auch in der Gegenwart eine Sehnsucht nach einem apokalyptischen Ende, daß es so nicht mehr weitergehen soll. Aber die Kirche hat sich so sehr in die jetzige Welt hineingeheimatet, daß sie von einem solchen Ende nichts mehr wissen will. Ihr Engagement gilt so dem Erhalt der Welt und ihrer Verbesserung durch allerlei Reformen, damit sie bleiben kann, wie sie ist! Corollarium : apokalyptische Zeiten Zizek: "Vielleicht liegt die Lösung ja in einer eschatologischen Apokalyptik, die ohne die Phantasie des symbolischen Jüngsten Gerichts auskommt,vor dem alle vergangenen Rechnungen beglichen werden. Die Aufgabe besteht,um eine weitere Benjamin`sche Metapher zu bmühen, nur darin, den Zug der Geschichte ufzuhalten,der sonst ungebremst in den Abgrund führt." (S.325) Der "Abgrund" ist dann die eine "Apokalypse",vor der nur noch ein eschatologisch apokalyptisches Handeln retten könnte. Das soll dann die "Revolution" sein.

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