Ein Härtetest für die Moraltheologie- da sie beansprucht, wahr zu sein
Wer prüfen will, ob die Bremsen seines Autos noch gut funktionieren, sollte nicht auf 20km beschleunigen, um dann zu bremsen und den Bremsweg kontrollieren, denn bei so einer niedrigen Fahrtgschwindigkeit wird wohl auch eine nicht mehr gut funktionierende Bremse noch ihren Dienst tuen.
So soll nun auch die Leistungsfähigkeit der katholischen Moraltheologie an einem Extremfall überprüft werden. Die Problemexposition: Ein Raumschiff havariert. 10 Stunden Fahrtzeit bis zur nächst gelegenen Raumstation. 2 Kosmonauten, aber der Sauerstoffvorrat reicht für beide nur für 5 Stunden.
Was tuen? Beide können nicht überleben. Wenn einer von den Beiden sich das Leben nimmt, würde der Andere überleben können.Wenn einer der Beiden den Anderen töten würde, würde auch der Täter überleben. Ansonst sterben beide nach 5 Stunden.
Nach der katholischen Morallehre ist ein Freitod auf jeden Fall eine in sich schlechte Tat, die durch noch so einen guten Zweck nicht gerechtfertigt werden kann. Nun soll die Situation der zwei Kosmonauten diesbezüglich analysiert werden. Einer der Raumfahrer denkt nun: Wenn ich mich selbst nicht töte, einen Freitod begehe, werde ich und der Andere in 5 Stunden tot sein. Wenn ich mein Leben für das meines Kollegen opfere, werde ich gleich tot sein, er wird aber überleben.
Ist in diesem Falle der Freitod erlaubbar? Er verstieße nicht gegen das Gebot der Nächstenliebe, da er ja um des Überlebens des Nächsten vollzogen werden würde. Verstieß er gegen das Gebot der Selbstliebe? Es geht in diesem Falle um die Differenz, ob er jetzt oder in 5 Stunden sterben wird. Verlangt das Gebot der Nächstenliebe, daß man dann unbedingt die 5 Stunden weiter zu leben zu wählen hat, auch wenn diese Wahl dann zur Folge hat, daß der Mitkosmonaut dann statt zu überleben auch in 5 Stunden sterben wird? Ich würde dazu tendieren, daß hier der Freitod ein geringerer Verstoß gegen die Gebote Gottes ist, als wenn ein Kosmonaut, um 5 Stunden länger zu leben, den Tod des Nächsten in Kauf nimmt. Es bleibt nur noch das Zentralargument, daß der Mensch nicht sich selbst gehöre, sondern Gott, sodaß er nicht über sein Leben bestimmen dürfe. Aber damit würde der Mensch den Status eines Sklaven, eines Unfreien einnehmen.Ist das mit Gottes Liebe zum Menschen und der Rede von der Freiheit des Menschen kompatibel? M.E nicht.
Die zweite Option: Einer tötet den anderen Kosmonauten. Wäre das ein Mord, wenn der Täter doch zu seiner Rechtfertigung sagen könnte: Wenn ich ihn nicht getötet hätte, wären wir beide nach 5 Stunden gestorben.Überleben konnte nur ich, wenn ich den Anderen tötete. Darf man auch dann nicht jemanden töten, wenn man selbst nur so überleben kann? Angesichts dieser schrecklichen Horrorvorstellung wäre die Option des Freitodes gewiß die moralisch legitimere.
Aber könnten dann diese 2 Kosmonauten untereinander aushandeln, wer dann den Freitod wählt, damit wenigstens einer von ihnen überlebt. Aitmatov schildert in seinem genialen Roman: „Der Junge und das Meer (anderer Titel: Scheckiger Hund, der am Meer entlangläuft)“ eine vergleichbare Situation: Hier tötet sich dann einer nach dem Anderen, um schlußendlich das Überleben des einen Jungen zu ermöglichen. Wie diesem russischen Autor die Schilderung gelingt, macht diesen Roman zu einem der besten des 20.Jahrhundertes.
Wenn nun aber doch einer der Kosmonauten den Anderen töten würde, wäre er dann ein Mörder und so zu bestrafen? Ob diese Tat ein Mord wäre, das traute ich mir nicht zu, zu beurteilen aber doch die Tötung als eine Sünde qualifizieren – aber welcher Schwere?
Daß aber die kirchliche Morallehre auch in diesem Falle den Freitod als völlig inakzeptable Option beurteilt, das ist sicher nicht moraltheologisch akzeptabel.
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