Sonntag, 27. Oktober 2024

Glücklich sein oder moralisch leben- eine sinnwidrige oder reale Antithese?

 

Glücklich sein oder moralisch leben- eine sinnwidrige oder reale Antithese?

Lassen wir einfach mal alle inhaltlichen Kontroversen des Widerstreites zwischen der traditionellen Morallehre der Kirche und den Anhängern einer Notwendigkeit ihrer Modernisierung auf sich beruhen, um zu fragen, was denn das Endziel der Moraltheologie ist, auf das hin alles in ihr Gelehrtes hingeordnet ist oder sein sollte.Denkbar wäre doch die Antwort: das Glück, das summum bonum sei das Glücklichsein und deswegen ist die Moraltheologie wie auch die Moralphilosophie die Lehre vom glücklichen Leben. Glücklichsein, das erstrebe jeder Mensch, nur daß es eben eine unübersehbare Vielzahl an Vorstellungen gäbe, worin nun das Glücklichsein bestünde und wie es erlangbar sei.

Nun wenden wir uns einem scheinbar ganz anderem Gebiete zu, dem Schachspiel oder, wem das zu intellektualistisch ist, dem Fußballspiel. Beide Spiele konstituieren sich durch ein komplexes Regelsystem, wie zu spielen ist, was für Spielzüge erlaubt und welche unerlaubt sind und sie definieren das Spielziel, indem festgelegt wird, wann ein Spiel als gewonnen gilt, wenn einer der Könige schmachmatt gesetzt ist oder wenn eine der Fußballmannschaften beim Abpfiff des Spieles mindestens 1 Tor mehr geschossen hat als der Gegner. Regelkonform Fußball oder Schach zu spielen ist nun das Eine, aber das heißt noch nicht, daß wer regelkonform agiert, auch gut spielt. Wer verliert,hat zwar regelkonform gespielt, aber nicht gut oder weniger gut als der Sieger.

Wie nun, würde diese Differenz auf die Moraltheologie bzw Moralphilosophie übertragen. Die Morallehre der Kirche sagte dann aus, wie der Mensch zu leben hat, aber es hieße nicht, daß wenn er die Gebote Gottes und die der Kirche einhielte,auch gut, glücklich leben würde. Der göttliche Lehrer beantwortet die Frage: „Wie habe ich zu leben, um das ewige Leben zu erreichen?“ Er verteht sich dabei als ein Arzt, der die Kranken zu heilen hat, sagen wir mal von der Krankheit zum Tode hin zum ewigen Leben.Aristoteles führt diese sehr sinnvolle Unterscheidung ein: Das Eine tuen wir um seiner selbst willen, wir essen das Süße, weil es uns schmeckt, das Andere um eines Zweckes außerhalb des Tuens selber, wir nehmen die bittere Medizin ein, nicht weil sie uns schmeckt, sondern weil wir durch sie gesunden. Gleichen nun Jesu Christi Antworten auf die Frage: „Was tun, um das ewige Leben zu erlangen?“ mehr einer Süßspeise, die wir zu uns nehmen, weil sie uns so gut mundet oder mehr einer bitteren Medizin, die wir aber einnehmen müssen, um das ewige Leben zu erreichen? Ein kurzer Blick auf Jesu Nachfolgeanforderung der Kreuzesnachfolge beantwortet diese Frage eindeutig.Das Kreuz ist eine bittere Medizin, und das Blut Christi trinken und sein Fleisch essen, um das ewige Leben zu erlangen, klingt auch nicht nach einem genußvollen Gourmandessen. (Aus Rücksicht auf die Feinfühligeren der heutigen Zeit wird so ja auch in der Eucharistiefeier das Trinken des Blutes und das Essen des Fleisches Christi durch ein Begegnungsgeschehen: „Da begegnet Dir Jesus“ ersetzt.)

Das Endziel ist zwar das glückliche Leben im Jenseits, der Weg dahin gleicht aber eher einer Therapie mit bitteren Medikamenten als einem Ausflug auf ein Volksfest mit vielem süßen Naschwerk. Aber wie nun, wenn eine so ausgerichtete Moraltheologie mit dem moralphilosophischen Anspruch, eine Lehre vom guten, vom glücklichen Leben sein zu sollen, konfrontiert wird? Nietzsche sagte zwar, daß nur die Engländer danach strebten, glücklich zu sein, aber dann müßte eingeräumt werden, daß wir Heutigen alle Engländer geworden sind. Unter Glück wird dabei ein Erdenglück verstanden, das sich nicht mit einer Vertröstung auf ein jenseitiges Glück abfinden will. Einfach könnte man es sich machen, wenn man nun die Kreuzesnachfolge versüßte, um sie selbst als eine Weise der Glücklichlebens auf Erden anzupreisen. Aus dem Buß- und Sühnefasten wird dann ein Verzichten um der Gesundheit willen, ja daß die Genußintensivität sich steigere, nähme man weniger intensiver genießend zu sich. Jesus hätte ja auch gar nicht an ein jenseitiges Leben gedacht sondern zeigte uns Wege zu einem sinnerfüllten Leben auf, wobei dann ein sinnerfültes Leben auch ein glückliches sein solle.

Aber diese Transformation scheitert dann doch kläglich an der Materialität der geforderten Kreuzesnachfolge. Denken wir uns ein verheiratetes Paar und der Ehemann verliebt sich in eine andere Frau, ja er liebt sie wirklich. Glücklich leben könnte er nur mit ihr, aber die Morallehre sagt ihm, daß er seiner Ehefrau treu zu bleiben hat.In der Romantik wird gerade dies Problem der Liebe und der Instittuition der Ehe reflektiert, in Goethes „Wahlverwandschaften“ tiefgründig behandelt, und dann in den großen Eheromanen: Fontanes "Effi Briest" und Flauberts „Madam Bovary“.In der gegenwärtigen Literatur spielt dagegen die Liebe zwar eine große Rolle, die Ehe aber als Ort der Liebe fast keine mehr. Nur noch in romantischen Serien gipfelt das Liebesglück in der Ehe, vgl:“Sturm der Liebe“ mit den jeweiligen Hauptpaaren der Einzelstaffeln.

Die Moraltheologie setzt den Menschen als einen Erkrankten und stets von neuem von Krankheiten zum Tode Bedrohten voraus, die Glücksmoral dagegen glaubt an den Gesunden zum Glück Befähigten. Wenn es dann doch noch Unglückliche gibt, dann ist es die Primäraufgabe der Diakonie und der Entwickelungshilfe und des Sozialstaates, jedem Menschen die Voraussetzungen für ein glückliches Leben zu verschaffen. Für eine bittere Medizin ist da kein Platz mehr vorhanden.

Nun könnte eingewandt werden, daß die Moraltheologie nicht reduzierbar sei auf die Lehre: „Was tuen, um das ewige Leben zu erlangen?“ Dieser Einwand ist wirklich berechtigt, denn zur Morallehre gehört auch das Wissen um Gottes Erhaltungsordnungen des Lebens, die das Leben vor ihrer Tendenz zur Selbstzerstörung bewahren soll: die Ordnung der Familie, des Volkes und des Staates, aber auch ganz elementar die Ordnung der Differenz der Geschlechter. Aber diese Schöpfungsordnungen sind eben nicht um des Glückes des Menschen willen, sondern um des Erhaltes des Lebens willen. Eine Kunst des Lebens, wie auf Erden wir auch schon glücklich sein können, gehörte so nicht in das Fachgebiet der Moraltheologie, aber man könnte urteilen, wie das Schach- und das Fußballregelsystem ein gutes Spielen ermöglichen, aber nicht selbst schon durch ihre Befolgung das gute Spiel hervorbringen, so könnte die Morallehre ein glückliches Leben ermöglichen, wenn auch ein moralisch geführtes Leben nicht schon ein glückliches ist.

Aber so harmonisch ist nun das Verhältnis von dem moralischen Leben und nach dem glücklichen Leben nun doch nicht. Gerade König David, der neben dem König Salomon als einer der frömmsten gilt, ließ einen Ehemann ermorden, damit er mit dessen Frau glücklich werden konnte und Salomon ist das Kind dieser Ehe. Ob der sündigen Neigungen kann das Moralische als ein Verzicht auf das Glück erlitten werden. 



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