Samstag, 26. Oktober 2024

Hat der Bürger auch Pflichten der Allgemeinheit gegenüber? Zur aktuellen Debatte zur Organspende und zu einem möglichen sozialen Pflichtjahr

Hat der Bürger auch Pflichten der Allgemeinheit gegenüber? Zur aktuellen Debatte zur Organspende und zu einem möglichen sozialen Pflichtjahr


Es sei hier vorab auf den lesenswerten „Communio“ Artikel:“Wann sind wir tot?:Zur aktuellen Debatte um die Organspende in Deutschland. Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten will bei der Organspende den Wechsel von der Zustimmungslösung zur Widerspruchslösung.“ vom 23.10.2024 verwiesen. Hier soll das Problem aber prinzipieller erörtert werden. Ernst von Salomon diskutiert in seinem Roman: „Der Fragebogen“ die Frage, was es bedeutet, seine Staatsanghörigkeit anzugeben. Er gibt darauf eine für heutige Leser mehr als irritierende Antwort, daß eine Staatszugehörigkeit die Pflicht impliziert, im Ernstfalle, dem Kriege also für den Staat zu töten und sich töten zu lassen. Der Stat steht dabei für das Allgemeinwohl, wohingegen der Bürger in seiner zweifachen Position dem Staate gegenüber zu bedenken ist: Als Privatbürger ist ihm die bürgerliche Gesellschaft der Raum der Realisierung seiner Individualinteressen, sodaß ihm der Staat als ein Gegenüber erscheint, daß seiner Verwirklichung seiner Partikularinteressen gegenübersteht und als Staatsbürger ist er eins mit dem Allgemeinwohl, denn das Allgemeinwohl inkludiert stets sein Privatwohl.

Aber das Verhältnis zum Staate ist somit auch ein in sich widersprüchliches, denn als ein Staatsbürger ist er sowohl ein Individuum wie auch ein Allgemeines, ein Teil des Ganzen. So kann er sich um seiner Privatinteressen willen gegen das Allgemeininteresse stellen und stellt sich somit gegen sich selbst.Er spaltet sich auf in den Bourgeois und den Citoyen, wobei er als privater Bourgeois wider den Staatsbürger, den Citoyen in sich selbst streitet. Als Staatsbürger bejaht er den Anspruch des Staates, im Ernstfall in den Krieg zu ziehen, als ein Privatmensch kann er dazu aber sein Nein sagen ob seiner Privatmoral. Der deutsche Staat tolerierte nun, solange die generelle Wehrpflicht bestand, das Recht, aus privatmoralischen Gründen den Kriegsdienst zu verweigern, sodaß dann ein Ersatzdienst, der Zivildienst abzuleisten war. Das muß man gerade auch aus christlicher Sicht als eine gute Regelung bejahen, daß der Staat an der allgemeinen Wehrpflicht festhaltend doch der Privatmoral seinen Respekt erwies.

Eingedenk dieser guten Regelung liegt es nahe, in der Causa der Organspende genauso zu verfahren: Wenn der Gehirntod eindeutig festgestellt wurde und noch Organe transplantierbar sind damit anderen Menschen dadurch das Leben gerettet werden kann, dann ist es auch als eine Pflicht eines jeden Staatsbürgers, zu so einer Organspende bereit zu sein. Theologisch geurteilt ist gerade dies eine gute Möglichkeit, die Nächstenliebe zu praktizieren. Wenn nun ein Staatsbürger ob seiner Privatmoral dazu nicht bereit ist, sollte der Staat das tolerieren, wie er auch das Recht auf eine Kriegsdienstverweigerung anerkannte. Dafür mußte aber der Wehrpflichtige einen Antrag zur Befreiung von dieser Bürgerpflicht stellen. Dem entspräche bestens die Widerspruchslösung, daß ein Bürger sein Nichteinwilligung zu dieser Organspende unter der Bedingung der Feststellung seines Gehirntodes erklären kann. Dagegen widerspricht die jetzige Regelung der Zustimmungslösung, daß Organe nur transplantiert werden dürfen, wenn der Organspender vorher dem freiwillig zugestimmt hat, dem Pflichtcharakter zur Organspende, wie ein freiwilliger Bundeswehrdienst dem Pflichtcharakter des Wehrdienstes widerstreitet.

Problematisch ist es aber, wenn Bürger nur noch auf ihre Freiheitsrechte dem Staate gegenüber pochen, gern als die Abwehrrechts dem Staate gegenüber bezeichnet, aber von den staatsbürgerlichen Pflichten nichts oder kaum noch etwas wissen will. Das kann man nun sehr anschaulich an den Stellungnahmen des BDKJ und der KJG, (der Katholischen Jungen Gemeinde) zur Idee eines für alle verbindlichen sozialen Pflichtjahres wahrnehmen: Gegen ein freiwilliges Jahr habe man nichts einzuwenden, begrüße es gar, aber von einer Pflichterfüllung wolle man nichts wissen. Aber indem so der Privatbürger wider den Anspruch des Staates auf die staatsbürgerlichen Pflichten streitet, streitet er selbst gegen sich selbst. Denn er selbst ist ja ein Staasbürger, der hier nun als ein Bourgeois wider sich als ein Citoyen streitet.

Diese Paradoxie kann an einem simplen Beispiel verdeutlicht werden: Wer lügt, der lügt unter der Voraussetzung, daß es eine allgemeine Pflicht zur Wahrheit gibt, gegen die er nur verstoßen kann, weil er davon ausgeht, daß alle diese Pflicht bejahen, damit seine Lüge als eine Wahrheit angenommen wird. So verneint individuell er das, was er allgemein als eine Pflicht anerkennt. Die Allgemeinheit ist auf die Pflichterfüllung aller angewiesen und dann kann die Allgemeinheit, der Staat auch individuelle Bürgerrechte anerkennen. Aber wo die Staatspflichten im Namen der Privatfreiheit negiert werden, da wird die Allgemeinheit angegriffen, die die Voraussetzung auch für das Privatleben ist. Die Idee der Pflicht überwindet eben den unreflektierten Egoismus des nur nach einer unmittelbaren Interessenbefriedigung Strebens, indem verkannt wird, daß jedes Dienen dem Allgemeinen gegenüber gerade auch ein Sichselberdienen ist, vermittels der Allgemeinheit.

Die Widerspruchslösung ist so als die angemessene anzusehen wie auch ein soziales Pflichtjahr dem Verhältnis des Bürgers zum Staate gerecht wird. In einer Sozialgemeinschaft kann der Einzelne nicht nur als ein Privatiere leben. 

1.Zusatz:

"Kirche und Leben", 6.August 2018: "

"BDKJ-Chef Andonie: Rekrutierung nicht notwendig. Katholische Jugend gegen Dienstpflicht und neue Wehrpflicht"
 
2.Zusatz:
Jesus Christus lehrt uns: "Es gibt keine größere Liebe,als wenn einer sein Leben für seine Freunde dahingibt." (Joh 15,13)  

 


 

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