Samstag, 30. Juli 2022

Auch Kardinal Müller kann mal irren: Über den Nihilismus, der schuld sein soll an Allem

"Nietzsche verkündete den Übermenschen. Was kam, war der Unmensch des 20. Jahrhunderts, der über die zertrümmerte christliche Moral und gewaltige Leichenberge zum selbstgemachten Paradies aufsteigen wollte. Wenn der Mensch nicht mehr das Geschöpf sein darf nach dem Bild und Gleichnis des dreieinigen Gottes, dann versinkt er im Malstrom des anthropologischen Nihilismus, der zwangsläufig aus der Leugnung der Existenz Gottes und seines unbedingten Heilswillens folgt.“

Auch wenn diese Äußerung von Kardinal Müller stammt (Tagespost, 29.7.2022, 21:00 Uhr) , erstaunt und irritiert dieser vulgäre Grobianismus. Irgendwie ist es en vogue, Nietzsche als den Wegbereiter des Nihilismus zu vermaledeien, aber seine Philosophie wollte den heraufkommenden Nihilismus überwinden, indem gerade der Übermensch durch seine Kreativität einen neuen Wertehimmel erschaffen sollte, nachdem die alten sich entwertet haben werden. Der hier zitierte Nihilismus hat nun aber mit den „Leichenbergen“ der Versuche der Errichtung eines Paradieses auf Erden überhaupt nichts gemein, denn die Haupttäter, von den Französischen Revolutionären über die bolschewistischen bis hin zu Stalin und Mao waren in keinster Weise Nihilisten sondern gläubige Kommunisten. Ihre Moral war eher eine jesuitische als daß sie Nihilisten waren: Der Zweck heiligt die Mittel, also dürften um der großen Ziele, das der Weltbeglückung Menschen geopfert werden. (In dem Theaterstück: „Die Maßnahme“ expliziert B. Brecht dies Moralverständnis auch zur Rechtfertigung des stalinistischen Terrors.)

Nein, hier sehen postmoderne Philosophen genauer mit ihrer These, daß der Besitz der Wahrheit erst solche Leichenberge ermöglichte: Im Namen solcher Wahrheiten wurden ja die Feinde der Wahrheit getötet. Wer nun gar das Wagnis auf sich nimmt, die Johannesoffenbarung ernst nehmend zu lesen, kann nicht umhin, daß gerade hier für die Feinde Gottes es nur eine Perspektive gibt, die des Todes und der ewigen Verdammnis.

Eine kleine Anmerkung noch zu Hitler: Dieser war weder ein Nihilist, (gegen Rauschning) noch ein ein Paradies auf Erden errichten Wollender. Oder könnte ein wirklicher Nihilist so sprechen: " Das Höchste aber, was mir Gott auf dieser Welt gegeben ist, ist mein Volk! In ihm ruht mein Glaube, ihm diene ich mit meinemWillen, und ihm gebe ich mein Leben." Adolf Hitler, zitiert nach: Wofür kämpfen wir?, 1944.  Die nationalsozialistische Diktatur ist so weder von Nietzsche, vom Nihilismus noch von der Vorstellung, ein Paradies auf Erden errichten zu wollen, erklärbar.

Aber in einem hat doch der Kardinal recht, daß all dies Unglück nur möglich gewesen war in Folge der Zertrümmerung der christlichen Moral. Das stimmte aber nur, wenn die den Jesuiten zugeschriebene Parole: „Der Zweck heiligt die Mittel“ nicht auch eine mögliche Moral in der Kirche sein könnte. Es spricht nun einiges dafür, daß faktisch die Kirche nicht immer diese Moral verworfen hat. So ließ König Salomon auf das Anraten König Davids alle eventuell Oppositionellen töten, um sein Königtum vor Bürgerkriegen Oppositoneller zu bewahren. (1.Könige 2)

Auch ist der Begriff des „unbedingten Heilswillens“ Gottes sehr zweifelhaft, lehrt Jesus Christus doch selbst (Mk 16,16): Wer glaubt und getauft wird, wird gerettet, wer nicht glaubt, wird verdammt. Die Verheißung, in das ewige Leben eingehen zu werden,knüpft so Gott an Bedingungen: Wie muß ich gelebt haben, um in das Reich Gottes eingehen zu dürfen? So diskriminiert das göttliche Endgericht, daß die einen eingehen werden und die anderen nicht. Wie kann dann da von einem unbedingtem Heilswillen“ Gottes die Rede sein?

Prinzipieller formuliert: Es gibt nicht nur die christliche Moral sondern auch andere, die so nicht nihilistisch sind. Der Islam ist überhaupt nicht nihilistisch, aber in seinem Namen werden jetzt so viel Christen wie noch nie in der Geschichte vor dem um ihres Glaubens willen getötet. Und in Nordkorea werden die Christen auch nicht von einem Nihilisten verfolgt, sondern von einem gläubigen Kommunisten. In China wird die sog Untergrundkirche verfolgt, weil sie die chinesische Regierung als antipatriotisch einschätzt, wohingegen die Patriotische Kirche toleriert wird.

Es ist einfach eine versimplifizierende Schwarz-Weiß-Malerei, alles Nichtchristliche als nihilistisch zu dysqualifizieren und dann für alle Übel der Welt verantwortlich zu machen.



 

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