Donnerstag, 21. Juli 2022

Nachtgedanken: Ist die vernünftige Welt nur das Produkt unseres Denkens und könnte das auch für den Gott der Theologen gelten?

Nachtgedanken: Ist die vernünftige Welt nur das Produkt unseres Denkens und könnte das auch für den Gott der Theologen gelten?


Als Leser kann man immer wieder in guten, aber nur in guten Büchern auf irritierende, einem aus dem Gewohnten herausreißende Gedanken stoßen, die man zwar spontan als abstrus verwerfen könnte, die aber doch hängen bleiben mit der Anfrage, ob nicht doch etwas Wahres auch an ihnen sein könnte. Ein so wirksamer Text ist: „Der heilige Eros“ von George Bataille.

Ein Textwechsel: Es steht geschrieben: Jesus sagt zu den Juden: „Murrt nicht! Niemand kann zu mir kommen,wenn nicht der Vater,der mich gesandt hat, ihn zu mir führt, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tage.“ (Joh, 6,43) Mit dem Zumirkommen ist der Glaube an Jesus Christus gemeint, der einmal im Johannesevangelium als das ewige Leben bezeichnet werden kann, wer glaubt, hat das ewige Leben oder als die Bedingung dafür, daß jemand am Letzten Tage zum ewigen Leben auferweckt werden wird.

Vier Möglichkeiten gibt es nun:


Die erste Möglichkeit: Gott zieht und der Gezogene kommt zum Glauben.

Die zweite Möglichkeit: Gott zieht und der Gezogene kommt nicht zum Glauben.

Die dritte Möglichkeit: Gott zieht nicht und der Nichtgezogene kommt zum Glauben.

Die vierte Möglichkeit: Gott zieht nicht und der Nichtgezogene kommt nicht zum Glauben.


Die 3.Möglichkeit ist keine reale, die 1.und 4. sind reale und die 2.Möglichkeit muß diskutiert werden.


Zu den Juden, die hier gegen Jesus murren, weil er sie gelehrt hat, daß wer an ihn glaubt, der hat das ewige Leben. Sie kennen doch seine Eltern, wie könne dann der Glaube an ihn das ewige Leben geben? Zu diesen sagt Jesus Christus selbst: Ihr könnt nicht zum Glauben kommen, weil Gott euch nicht zum Glauben führt. Hier ist nicht gemeint, daß Gott sie zwar zum Glauben führen wolle, sie sich aber verhärtend nicht ziehen lassen. Da aber das Ziehen Gottes nicht den freien Willen des Menschen beseitigt, könnte ein so von Gott Gezogenwerdender sich dem widersetzen und im Unglauben verharren.

Wie kann aber das mit dem Gott vereinbar gedacht werden, der das Heil aller will, wenn er so die, die er nicht zieht, vom Heile selbst ausschließt? Jetzt wird zu dem angekündigten Text Batailles gegriffen. Der Mensch erschüfe sich durch seine Arbeit und die Vernunft seine Lebenswelt, die aber so eine andere Welt ausschlösse, ja sie erst durch eine Ausgrenzung erwirke. Es entstünde so die profane Welt und davon ausgeschlossen eine „heilige“, eine „irrationale“. Diese sei eine Welt der Gewalt, der Leidenschaft und des Irrationalen, all das, was aus der Arbeitswelt ausgeschlossen werden müsse. Verständlicher wird dieser Dualismus wohl, wenn man sich auf den Dualismus von der rationalen und der irrationalen Welt kapriziert. Da es nun die Aufgabe des theologischen Denkens ist, Gott vernünftig und übervernünftig zu denken in der Spannung von der natürlichen und der übernatürlich offenbarten Gotteserkenntnis, dann schließt dies alles „Irrationale“ aus. Die durch die Arbeit der Vernunft konstituierte Welt, unsere Lebenswelt, in in der wir immer schon sind als unser „In der Welt Sein“, existiert nur durch diesen Ausschluß. Bataille versucht nun in diesem Buch, Pfade in diese ausgeschlossene Welt zu bahnen.

Könnte es einen Sinn machen, das Problem dieser 4 Möglichkeiten mit einer solchen dualistischen Konzeption zu erklären? Wie kann die Aussage als wahr gelten, daß Gott das Heil aller wollend Menschen davon ausschließt, indem er sie nicht zum heilsnotwendigen Glauben führt.

Verkomplifiziert wird dies Problem nun noch dazu, daß Jesus selbst den Unglauben als ihre Schuld den Nichtgläubigen vorwirft, wenn er gar prophezeit: „Dem Gebiet von Sodom und Gomorra wird es am Tage des Gerichtes nicht so schlimm ergehen wie dieser Stadt“ (Mt 10,15), die nicht zum Glauben an ihn kommt.Für jedes vernünftige Denken ist es doch geradezu irrational, zuerst Hörer der Verkündigung Jesu Christi nicht zum Glauben zu ziehen, obgleich nur so Gezogene das Verkündigte glaubend aufnehmen können und dann ihren Nichtglauben als ihre Schuld zu qualifizieren. Rational aufgelöst werden könnte diese Pardoxie nur durch die These, daß Gott zwar alle Hörer zum Glauben zöge, daß aber es Städte gäbe, in denen sich alle dann nicht zum Glauben ziehen lassen würden.

So könnte Gott wieder ganz zu einem Element unserer vernünftig konstruierten Welt werden. Theologisch spricht viel für diese Konzeption. Aber eines spricht nun doch dagegen, daß Jesus hier zu Menschen sagt, daß sie nicht zum Glauben kommen konnten, weil Gott sie nicht dahin zog.

Könnte es sein, daß der Gott, wie ihn das vernünftige Denken denkt, nicht der „ganze“ Gott ist, sondern ein auf das Vernünftige Reduzierter?

Bataille bezeichnet den Begriff des „Heiligen“ als ein Wort der „irrationalen Sprache“. (Der heilige Eros, 1974, Übersetzer M.Hölzer, S.41)und verwirrt den Leser noch mehr, denn was soll eine irrationale Sprache sein? Ist denn nicht jede Sprache rational? Aber kaum ist diese Frage niedergeschrieben, kommt schon die Antwort: Ja es gibt eine solche Sprache, denn wir finden sie in den Werken H.P. Lovecrafts.

Es könnte sein, daß die Kirche und auch der einzelne Christ nur mit dem vernünftig gedachten Gott leben kann, daß Gott aber selbst die Einheit vom der Rationalität und der Irrationalität ist, die sich aber unserem Denken entzieht, das ihn notwendigerweise dann verrationalisiert.

Da reute es Gott, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben und es tat seinem Herzen weh.“ (1.Mose 6,6) An dieser Aussage der hl. Schrift scheitern schon so viele Bibelleser und Theologen, die sich nicht besser zu helfen wissen, als diese klare Aussage wegzurationieren, weil man sie nicht vernünftig nichtirrational erklären kann: Dem vernünftig gedachten Gott kann nichts reuen und darf auch nichts reuen.








 

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