Dienstag, 24. Dezember 2024

Über die große Paradoxie des Weihnachtsmysteriums – ein Versuch

 

Über die große Paradoxie des Weihnachtsmysteriums – ein Versuch


Zu oft haben wir als regelmäßige Kirchgänger schon dies gehört: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geehen,die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater,voll Gnade und Wahrheit.“(Joh 1.14), als daß uns noch auffiele, was hier das Johannesevanelium zumutet. Warum heißt es hier: „Fleisch“ und nicht wie im großen Glaubensbekenntis: „Et homo factus est“? Wie verhält sich das Imfleischsein des Wortes nun zu dem Gesehenwerden seiner Herrlichkeit? Das menschliche Auge, das konnte und kann in dem Kinde in der Krippe wie in dem Jesus von Nazareth nur einen Menschen sehen, der sich wohl von seinen Mitmenschen irgendwie unterschied, aber Gottes Herrlichkeit war und ist doch eine für uns nicht sehbare!

Noch mehr verdunkelt wird nun die Sehbarkeit der Herrlichkeit durch die Aussage des Imfleischseins, denn das Johannesevanglium, das nun mal die Dualismen liebt. Meint mit dem „Fleisch“das strikte Gegenteil von der Herrlichkeit des Sohnes Gottes.Die Herrlichkeit war verborgen unter dem Fleisch als für unser Wahrnehmumgsvermögen eigentlich Unwahrnehmbares. Die Reaktion auf Jesu in seiner Heimat fiel ja auch dementsprechend aus: Wir kennen ihn als den Sohn von Maria und Joseph, wir kennen auch seine Geschwister und so urteilen wir: Er kann nicht der Messias, der Sohn Gottes sein. Circa 30 Jahre hatte er Daheim gelebt, bevor er öffentlich auftrat und niemand hat ihn wahrgenommen als das, was er wahr, ausgenommen seinen Eltern. Nur, den ganzen Zeitraum hindurch hatten sie ihn doch gesehen! Und doch haben sie alle seine „Herrlichkeit“ die des „einzigen Sohnes vom Vater“ nicht gesehen.

Wie können die Einen in dem Menschen Jesus von Nazareth diese „Herrlichkeit“ sehen,wo die Anderen nur den Sohn von Maria und Joseph sehen, einen Menschen, der ein Mensch ist wie alle anderen und dem man deswegen auch nicht glaubt, der Sohn Gottes zu sein? Diese Frage rückt nun uns in das Zentrum der Problematik der christlichen Religion. Fast schon zu einer selbstverständlich gewordenen Annahme der heutigen Bibelerforschung durch den Triumph der allein selig machenden Methode der historischen Kritik ist die These geworden, daß Jesus nur ein Mensch war, wohl ein besonderer, aber doch nur ein Mensch wie ich und Du, der dann nachösterlich zu dem Sohn Gottes verwandelt worden ist, wobei dann die Lust am Spekulieren ihren Tiefpunkt erreichte, als aus dem Handwerkerburschen Jesus die zweite Person der hl. Dreifaltigkeit wurde.Nicht nur der liberale Adolf von Harnack wollte zurück zum echten unverfälschten Handwerksburschenevangelium, das nur das Vertrauen in den väterlich die Welt regierenden Gott kannte und verkündete.

Jesu Wunder, die habe er in der Kraft des Teufels gewirkt, auferstanden sei er auch nicht von den Toten, seine Schüler hätten nur seinen Leichnahm aus dem Grabe entwendet und Maria sei auch keine Jungfrau gewesen, sondern ihr Fehltritt mit Folgen sei nur durch das Märchen von ihrer Jungfrauengeburt kaschiert worden, wie es der „Talmud“ lehrt.Nichts Eindeutiges läßt sich im Leben Jesu so aufweisen, daß in ihm die „Herrlichkeit“ des eingeborenen Sohnes erkennbar gewesen wäre, aber genau das sagt doch dieser Satz des Johannesevangeliumes aus: Wir sahen seine Herrlichkeit!

Du siehst nur, was Du kennst“, so las ich es mal auf einem Reiseführer gedruckt geschrieben. Die Abzweckung dieses recht philosophischen Satzes war eindeutig: Es wird Dir nichts nüssen, wenn Du auf Deiner Urlaubsreise alles Mögliche Dir anschen wirst, weil Du nichts sehen wirst. Diese schöne Paradxie löst sich nun leicht auf, wenn hier die Differenz von sehen und verstehen eingezeichnet wird: Es gibt ein Sehen, das das Gesehne nicht wahr-nimmt, weil es das Gesehene nicht begreift. Es ist sozusagen ein blindes Sehen. Sehen als ein Begreifen des Gesehenen bedeutet so, etwas Gewußtes im zu Erkennenden zu recognizieren und es so zu begreifen. Wer einen Freund nach langer Zeit wieder trifft und ihn dennoch erkennt, erkennt in dem jetzt ihm Begegnenden den Freund aus alter Zeit wieder.

Wie könnte dann in dem Kinde in der Krippe der Sohn Gottes recogniziert werden? Von den „Söhnen Gottes“ spricht das Alte Testament ab und zu, (1.Mose 6.1) und öfter, aber damit sind stets die Engel Gottes gemeint und Jesus ist kein Engel Gottes, eine Vorstellung, die der Hebräerbrief widerlegt im 1.Kapitel. Grundlegende Fragen evoziert nun so diese Aussage des Johannesevangeliumes: Kann jeder Mensch in Jesus von Nazareth den Sohn Gottes erkennen oder nur die, denen Gott das Erkennenkönnen dieser Wahrheit ermöglicht hat, also den dazu von Gott Erwählten? Waren die, die in ihm nur den Handwerkersohn sahen blind oder konnten sie in ihm nur das sehen, was Normalsichtige nur sehen können, wenn ihre Augen nicht in besonderer Weise von Gott dazu illuminiert worden sind?

Es muß leider gesagt werden, daß bis heute die Theologie auf diese Zentralfrage keine eindeutig klare Antwort gefunden hat, daß aber der heutige Trend unübersehbar geworden ist, diese Frage für gleichgültig zu halten, denn es sei unwichtig ob in Jesus von Nazareth der Sohn Gottes oder nur ein Religionslehrer gesehen würde, die Hauptsache wäre es doch, sich zur zur praktizierenden Humanität aufgerufen zu sehen ob nun durch den Sohn Gottes oder durch Mohammed oder durch sein Gewissen oder...durch was und wen auch immer. Nur das Herzstück der christlichen Religion ist genau diese Aussage, daß das Wort Fleisch geworden ist, unter uns wohnte und wir gläubig in ihm die Herrlichkeit Gottes wahrnehmen, also erkennen, daß er die Wahrheit ist, nämlich der Logos, durch den und auf den hin alles erschaffen und seiend ist. 

Zusatz:

Das inflationäre Gerede von einem "Erleben" und "Erfahren" Gottes in Jesu soll nun dies erkenntnistheoretische Problem eskamotieren, als gäbe es eine unvermittelte spontane "Erkenntnis" Jesu als des Sohnes Gottes.Das alles "Erlebte" und "Erfahrene" selbst nur die Produkte unseres Erkennenprozesses sind und nichts Unmittelbares, so wie es an sich selbst ist, wird dabei ausgeblendet. 

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