Vom Pazifismus zur Kriegsbegeisterung – Irritierendes!
Spontan könnte man sich das doch so vorstellen: 2 Extrempositionen und die Mittelposition, allem Extremen ablehnend gegenüberstehend. Für die politische Ordnung heißt das, daß in der Mitte die demokratischen Parteien zu verorten sind und die extremen Außenpositionen dann von den Stalinisten und Nationalsozialisten besetzt werden. In der moralischen Ordnung sieht das dann anders aus: Die Mitte stünde für weder böse noch gut und es ist nun die Lebensaufgabe, sich von diesem Nullpunkt immer mehr stetig zum Positiven zu entwickeln und ein Abfallen in das Negative zu vermeiden. Dem absolut Gutem, Gott, stünde der absolut Negative gegenüber, wie plus Unendlichkeit dem negativen Unendlichen. Je mehr ein Mensch sich zu einem der Liebe entwickelte, desto mehr entfernt er sich vom Negativen, dem Haß. Wer nun von dem einen Extrempunkt zu dem anderen sich hinbewegen möchte, der muß den langen Marsch bis zum Nullpunkt auf sich nehmen, um dann erst in den anderen Bereich überwechseln zu können. Nichts ist so weit vom liebenden Menschen entfernt als der hassende.
So plausibel diese Modellvorstellung auch auf den ersten Blick erscheinen mag, widerstreitet ihr doch eine dem diamentral entgegengesetzte, die Vorstellung von dem Hufeisen, daß die jeweiligen Extrempunkte so dicht wieder beiander sind, daß ganz leicht von dem einen zu dem anderen hinübergesprungen werden. Im politischen Diskurs wird dies als die Kernvorstellung der Totalitarismustheorie veranschaulicht durch die These der formalen Gleichheit der nationalsozialistischen Diktatur mit der stalinistischen. Hitler und Stalin seinen doch Kinder eines (Un)Geistes totälitärer Ideologien. Die einzig legitime Haltung sei dagegen die liberale Mitte. Man könne leicht als Nazi Stalinist und als Stalinist Nazi werden, aber ein Liberaler können beide nie werden, denn zu weit sind sie davon entfernt.
Appliziert man diese 2 Extremisvorstellungen auf die Pole des Pazifismus und der Kriegsbegeisterung ergäben sich 2 Vorstellungsmöglichkeiten: Dem Extrem des Pazifismus steht das Extrem des Bellizismus gegenüber und in der Mitte der Verantwortungsethiker, für den der Krieg nur die ultima ratio ist als ein Mittel der Politik, wenn ein politishes Problem nicht anders gelöst werden kann. Wird das Hufeisenmodell zu grundegelegt, ergibt sich daraus ein ganz anderes Bild: Die zwei Extreme des Pazifismus und des Bellizismus liegen dicht beianander, und die Mitte des verantwortungsethischen Umganges mit dem Mittel des Krieges ist von beiden Extremen weit entfernt positioniert. Aus Kriegsenthusiasten können plötzlich Pazifisten und aus Pazifisten Kriegsenthusiasten werden. Denn beiden Extrempositionen ist eines gemeinsam: Sie haben kein politisches Verhältnis zum Mittel des Krieges sondern glorifizieren oder daimonisieren dies Mittel der Politik. Als die „Grünen“ sich in die damalige Friedensbewegung einheimaten wollten, nahmen sie radical pazifistische Positionen ein, auch und gerade um sich von den traditionell linken Organisationen, die das Rückrat dieser Bewegung bildeten, abzusetzen. Die Friedensbewegung ist tot und das in einer Zeit, wo wir so nahe wie lange schon nicht mehr an dem Rande eines 3.Weltkrieges stehen. Die einstige Bewegungspartei der „Grünen“ hat sich nun vollständig verparlamentarisiert und denkt an ihre Jugendsünden nur noch mit Grauen.
Jetzt positioniert sie sich radicaler als alle anderen Parteien als eine Anti-Rußlandkriegspartei.Nicht will sie mehr mit den linken Aufrüstungsgegnern und Entspannungspolitikern in einem Boote sitzen, nein sie liebt jetzt die Nähe zu den „Kalten Kriegern“, denen die sozialdemokratische Entspannungspolitik stets ein Greuel war: Mit Diktatoren verhandelt man nicht, sie bekämpft man. In der „Jungen Freiheit“ liest sich das am 2.12.2024 in dem Artikel zum Ukrainekrieg so:“Der Bild am Sonntag antwortete die im November neu gewählte Parteichefin und enge Vertraute von Spitzenkandidat Robert Habeck auf die Frage, was Merz besser könne als Scholz: „Frieden, Freiheit in Europa und klar an der Seite der Ukrainer stehen.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion und Merz-Vertraute, Thorsten Frei, sieht in der „Außen- und Sicherheitspolitik“ ebenfalls große Schnittmengen mit den Grünen, wie er am Sonntagabend in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ als Reaktion auf Brantners Aussagen hervorhob.“
„Frieden und Freiheit“ waren und sind nun mal die Kriegsparolen der „Kalten Krieger“: Frieden könne es erst geben, wenn die östlichen Diktaturen beseitigt und durch westliche Demokratien ersetzt seien. Deshalb sei ein Krieg gegen den Osten der Kampf für den Frieden in Europa. Nur kann ein solcher Krieg wirklich gewonnen werden, wenn sowohl Rußland wie auch die NATO über die Atombombe verfügen? Der Wille, den politischen Feind unbedingt zu besiegen, nimmt das Risiko eines totalen Krieges auf sich, ja der Vernichtungswille verselbstständigt sich zu einem Selbstzweck. Politisch irrational ist der Pazifismus, verkennt er völlig, daß es politische Probleme geben kann, die nicht ohne das Mittel des Krieges gelöst werden können, wie etwa der Staat Israel nicht auf dies Mittel in seinem Überlebenskampf verzichten kann und somit die pazifistische Optiom ein Selbstmordprogramm ist, aber genauso irrational ist die Glorifizierung des Krieges als einziges Mittel, den Ukrainekonflikt zu lösen, statt diplomatische Lösungen zu favorisieren, wie es die Sarah Wagenknechtpartei und die AfD vorschlagen.
Die „Grünen“ sprangen so von dem einen Extrem in das andere, vom Pazifismus zum Glauben an das Schlachtfeld als dem einzigen Ort der Entscheidungsfindung. Das Gemeinsame dabei ist die Verkennung des instrumentellen Charakters des Krieges, er wurde erst daimonisiert und jetzt als etwas Besseres als die Politik gefeiert: Wozu Diplomatie, wenn die Waffen eine viel effektivere und klarere Sprache sprechen!
Vgl dazu: „Man kann mit Diktatoren nicht verhandeln, weil sie sich nicht saturieren lassen“ "Welt am 15.7.2022. Deshalb müsse der Westen gegen Rußland Krieg führen.
Zusatz:
Ein Blick in unsere Geschichte lehrt eins: Es hat uns Deutsche immer geschadet, sich gegen Rußland zu stellen. Was wäre uns Deutschen alles erspart geblieben, hätte unsere Regierung das Stalinangebot 1952, daß wir unter der Condition der Neutralität uns wiedervereinen könnten, angenommen hätten.
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