Ist der „moderne Mensch“ eine Norm für die Katholische Kirche ?
Einer Anregung des Soziologieprofessors Eßbach folgend könnte die Postmoderne als eine spezifische Perspektive der Betrachtung der Moderne angesehen werden, so als ob sie schon zugrunde gegangen wäre. Rückblickend könnte so gefragt werden, ob der „moderne“ Mensch für die Theologie und Kirche faktisch eine normative Bedeutung gespielt hatte, obschon eine solche Bedeutung offiziell ihm wohl kaum zugeschrieben worden ist, zumindest ist mir eine solche Funktionszuweisung ex pressis verbis nicht bekannt.
Naheliegend ist der Verdacht, daß der „moderne Mensch“ nur eine Projektionsfigur ist, mit der begründet wird, daß das, was jemandem aus welchen Gründen auch immer mißfällt, nicht mehr sein dürfe, da es dem „modernen Menschen“ unzumutbar sei. So wäre diese Vokabel in ihrer Vernutzung vergleichbar mit dem Gebrauch der Vokabel der „schweigenden Mehrheit“ oder „der Basis“, denn stets sagen die so Titulierten das aus, was der Verwender selbst zu einer Causa meint.
Heiterkeit ruft heuzutge etwa diese exegetische Spitzenleistung hervora: Daß ein so frommer Mann wie Hosea von Gott dazu aufgefordert worden sein soll, eine Prostituierte zu ehelichen, die dann ihren Beruf weiterhin ausübte, könne nicht sein. Der Bibeltext Hos 1,1-9 ist eindeutig, aber für einige einstige Exegeten unzumutbar und darum wurde dies Ärgernis wegexegetisiert. Daß damit diese Zeichenhandlung des Propheten zu nichte gemacht wurde: So untreu meine Ehefrau ist, so untreu ist das jüdische Volk seinem Gott gegenüber, überlas man, weil das einfach zu unsittlich war, daß ein sittlich Anständiger eine Hure hätte heiraten können, die ihre Arbeit nicht aufgibt. Hier triumphierte der Zeitgeist. Aber man lache nicht zu sehr über diese Exegeten denn was unterscheidet die von den heutigen Exegeten, die sagen, daß die Sünde Sodoms und Gomorrahs nichts mit der praktizierten Homosexualität zu tuen habe? Auch hier wird die heutige liberale Sexualmoral in den Text der Bibel hineinprojiziert und das wider die kirchliche Tradition, so die Sünde Sodoms zu verstehen.
Die Kirche dürfe nur noch etwas lehren und tuen, was für den „modernen Menschen“ akzepatabel sei.Nur wer legt denn nun fest, was für den „modernen Menschen“ akzeptabel sei? Hier drängt sich nun eine Vermutung auf: In Georg Lukacs bedeutendsten Werk: „Geschichte und Klassenbewußtsein“ unterscheidet er, wie empirisch vorfindlich sich das Klassenbewußtsein der Arbeiterklasse darstellt und wie es wäre, wenn diese Klasse ihre Lage im Kapitalismus adäquat begreifen würde, ihr objektives Klassenbewußtsein. Der „moderne Mensch“ scheint eine ähnliche Kontrucktion zu sein: der „moderne Mensch“ meint idealtyisch den Menschen, so wie er sich verstünde, lebte er ganz im Geiste der Aufklärung.
Wenn nun etwa in der Bevölkerung Engel geliebt werden und fast kein Grab ohne Engel auf einem Friedhof auffindbar ist, oder wenn gar junge Menschen die „Tridentinische Messe“ attraktiver finden als die moderniserte heutige Messe, dann sind das zwar alles in der Moderne Lebende, aber es sind keine „modernen Menschen“! Als ein „moderner Mensch“ kann nur der Christ angesehen werden, der die Reformagenda des Synodalen Irrweges bejaht. Den nicht modern sich verstehenden Christen als Adressaten kirchlichen Handelns ernst zu nehmen, das wäre ein Akt schlimmsten Popularismuses, denn die Kirche habe sich allein auf den modern sich selbst verstehenden Menschen auszurichten, den, der so denkt und lebt, als wenn er ganz auf der Höhe der Aufklärung sich befände. Die Volksfrömmigkeit ist dagegen etwas Krähwinkelhaftes (August von Kotzebue), das die Kirche um ihrer Modernitätsfähigkeit halber von sich abzustoßen habe.
Für die Theologie avancierte dies Konstrukt des „modernen Menschen“ zu der höchsten Instanz der Hermeneutik: Als wahr könne in der Kirche nur noch gelten, was diesem „modernen Menschen“ gemäß ist. Faktisch bedeutet das eine Reduktion der christlichen Religion auf einen Appell zur Humanität und zur gelebten Menschenliebe, daß Gott, den Menschen bejahend uns Christen zur Humanität verpflichte. Nur als so interpretiertes Christentum sei es dem „modernen Menschen“ noch zumutbar. Kants Schrift: „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ hat dies Christentumsverständnis präfiguriert, das uns nun, mit allerlei dekorativen Ausschmückungen als das zeitgemäße angepriesen wird, nicht nur durch den „Theologen“ Markus Striet.
Daß die Epoche der Romantik der Aufklärung folgte als eine Selbstkritik der Aufklärung und daß die Postmodernr diese Kritik radicalisiert, wird dabei völlig verdrängt.
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