Freitag, 25. Mai 2018

"Amerikaniserung der Religion"

Mit diesem Begriff verblüfft P. Sloterdijk sicher manchen seiner Leser [einer Essay-sammlung: "Nach Gott", 2017. Der Essay: "Der mystische Imperativ" gibt über das damit Gemeinte Aufschlüsse. Dabei wird Bezug genommen auf den amerikanischen Philosophen William James ("Neuigkeiten über den Willen zum Glauben", in: "Nach Gott", der das Grundrecht auf Religion verteidigte, daß jeder glauben dürfe, was er wolle, daß ein Sprung aus dem Reich des Wissens und Erkennens in das: "Das glaub ich", erlaubt sei. Das sei seine "liberale Antwort auf den[damals] dominanten Intellektualismus, der es für unmoralisch erklärt hatte, irgendwelche Glaubenssätze auf der Basis unzulänglicher Evidenz anzunehmen." ("Neuigkeiten", in: "Nach Gott", S.308.)
Einfacher gesagt: Die Religion wird irrationalisiert und so jeder vernünftigen Begründung entzogen. Damit sei ein Paradigmenwechsel verbunden. Statt zu fragen, ist denn diese Religion oder ein bestimmtes Dogma wahr, lautet nun die Frage: Nützt mir das für mein Leben? Der "Primat der Erkenntnis" wird durch den des Primates der "Vitalinteressen" ad acta gelegt. (S.309).
Dem korrespondiere nun, daß die Kirchen  sich "auf die Rolle von Dienst-leistungsunternehmen reduziert" sehen "die mit hren besonderen Mitteln vage Bedürfnisse ihrer Klientel betreuen- vor allem bei der Sinngebung von Grenzsituationen." ("Der mystische Imperativ", S.285). 
Amerikanisierung meint so eigentlich die Vermarktwirtschaftung der Kirche. Anscheinend war und ist in den USA für diese Umformung der Religion der Boden besonders günstig, jetzt wird diese Umformung zum Anliegen gerade auch der Katholischen Kirche in Europa. "Religion wird metaphysisches Vitamin, mentale Diät, Antidepressivum und Herztonikum, Faktor einer umfassenden Selbstmedikation und Selbstmission." (S.286f). 
Das erinnert ein wenig an den bekannten Placeboeffekt: Ein Arzt verschreibt ein völlig wirkungsloses Medikament, aber gläubig eingenommen heilt es den Kranken. Weil es nützt, ist es dann auch für den gläubigen Konsumenten wahr und das reicht. 
Wichtig ist dabei, daß allein die Konsumentenwünsche zählen. Verklärt wird dies mit dem Gerede von der Laienkompetenz, vom mündigen Christen, der sich der klerikalen Bevormundung entzöge. Einher geht damit der tendenzielle Fall des theologischen Niveaus gen Null. Wenn eben viele wollen, daß Geschieden-Wiederverheiratete zur Kommunion zuzulassen sind, dann muß die Kirchenleitung dazu Ja sagen, denn daß viele das so wünschen ist ein hinreichendes Argument. Das gilt ebenso für die gewünschte Auflösung des Zölibates und für alles andere, was dem Konsumentengeschmack nicht entspricht. 
Dies setzt die Aufklärung voraus, die nach Sloterdijk "eine progressive Aufräumung des Jenseits" sei. (Der mystische  Imperativ, S.291). Weil das Jenseitige nicht mehr die Norm für das Leben auf Erden ist, weil es nur noch die Welt gibt, orientiert sich auch der Mensch nur noch irdisch, an seinen Vitalinteressen- nur wenn eine Religion als hilfreich für das Leben erfahren wird, kann sie so noch auf Konsumenten hoffen. 
So kann man ab und zu Erfolgsnachrichten wie diese selbst auf sonst conservativeren Internetseiten lesen: Untersuchungen in Amerika ergaben, daß Gläubige seltener krank sind als Nichtgläubige, sie seltener Herzinfarkten erliegen, ihre Ehen besser gedeihen und im 19. Jahrhundert konnte man sogar mal lesen, daß die wirtschaftliche Vormachtstellung Englands auf ihrer Religion beruhe! Das ist dann eben der angloamerikanische Pragmatismus, daß die Wahrheit von etwas in seiner Nützlichkeit sich erweise. 
Wer den heutigen Diskurs über: Wie ist Gott zu denken? im interreligiösen Diskurs bedenkt, kommt unweigerlich zu der Einsicht, daß die Maxime der Nützlichkeit allein diesen Diskurs bestimmt : Wie ist Gott und das Verhältnis aller Religionen zu Gott zu denken, damit dieser Gott der Globalisierung nicht dysfunktional gegenübersteht? 

Zusatz:
Wenn nun die Caritas und die Diozöse Berlin aufrufen, gegen die Kundgebung der AfD in Berlin zu demonstrieren, dann rufen sie dazu gerade im Namen dieses Globalisierungsgottes  auf.  Der Globalisierungsgott ist die Gottesvorstellung, die herauskommt, wenn das Gottesbild nach den "Vitalinteressen" der Globalsierungsbefürwortern umgeformt wird. (Vgl dazu:freie welt am 24.5. 2018 zu dieser Causa und mein Buch: Der zensierte Gott). Die Caritas und die Diozöse Berlin bekunden so eben nicht nur ihre Untertänigkeit der Staatsregierung gegenüber, "eure Feinde sind auch unsere-  sie demonstriert damit auch für ihren Gott, den der Affirmation der Globalisierung, der Nein sagt zu allen natürlichen von Gott gesetzten Ordnungen zugunsten der Kunstwelt der Globalisierungsideologie!   

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