Samstag, 26. Mai 2018

Irritierendes: "Lies dies nicht" als Warnung in der Bibel!

Es gibt Bibeltexte, vor dessen Lesen der Leser gewarnt wird. In der hl. Schrift, der Vulgata, herausgegeben von A. Arndt SJ, 1903 liest sich das in einer Fußnote so:"Lies dies nicht,junger Leser;denn hier trifft es zu, daß der Buchstabe tödtet-ohne den Geist, den du wohl an dieser Stelle noch nicht fassest." Es gibt also im Alten Testament zumindest einen Text, der, wenn er wörtlich verstanden wird, für den Leser tödlich sein kann, sofern er ihn nicht mit dem Geist also geistlich aufnimmt.
Die nächste Fußnote läßt schlimmstes erahnen: "Diese blutschänderische That ist von keiner Seite ganz zu entschuldigen." Wo sind wir hier nur gelanden- doch nicht etwa bei Marquise de Sade? Nein, wir stehen im 19.Kapitel des 1.Mose: Lot und seine 2 Töchter. Die Geschichte ist kurz nacherzählbar. Lot war mit seinen Töchtern geflohen; Gott rettete sie vor seinem Strafgericht über Sodom und Gomorrha. Nun lebten sie in einer Einöde zurückgezogen. Für die beiden Töchter gab es keinen Mann, von  dem sie Kinder bekommen könnten; die Erzählung erweckt den Eindruck, daß es an diesem Orte wohl auch keine Hoffnung für die Töchter gab, da zu einem Manne zu kommen.
Da machten sie ihren Vater mit Wein betrunken, legten sich zu ihm, der betrunkene merkte das nicht und sie wurden schwanger.Über die beiden so gezeugten Söhne weiß dann die Geschichte zu erzählen, daß er der Vater desVolkes  Ammon wurde, der andere der Stammvater der Ammoniter.Etwas salopp geredet: Aus Beiden wurde was! Ja, im altestamentlichen Denken kann von einer Frau eigentlich nichts Größeres ausgesagt werden, als daß aus ihrem Sohn ein ganzes Volk wurde. 
Es handelt sich einwandfrei um praktizierten Inzest.Dem Vater könnte aber exculpierend zugestanden werden, daß er vom Weine so trunken war, daß er nicht wußte, was er tat, als er mit seinen Töchtern verkehrte. Aber der Kommentar meint dann wohl, daß die selbstverschuldete Volltrunkenheit dem Vater als Mitschuld anzulasten ist.
Was taten die Töchter?Die Vulgata formuliert: ut salvemus semen de patro nostro= damit wir retten den Samen von unserem Vater. Moderne Leser hätten hier doch erwartet, daß diese jungen Frauen ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen beabsichtigen.Diese Fomulierung versetzt uns aber in eine ganz andere Welt. Es ist ein Weltverständnis, in dem in den Nachkommen der Vater weiterlebt, eine, in der die Mütter als Mütter eines Volkes ihr größtes Erdenglück finden, in der Kinderlosigkeit das größte Unglück ist.  
Es könnte von einem völkischen Denken die Rede sein, daß sich die Identität des Vaters wie die der Mutter in der leiblichen Nachkommenschaft erhält. Die Töchter bewahren ihrem Vater das Leben über dessen Tod hinaus in ihren Kindern, die sie mit ihrem Vater zeugten.
Gibt es nun in der Erzählung, 19,20-38 einen Hinweis auf Gottes Zorn über diese Tat? Hatte Gott nicht kurz vor dem andemonstriert, wie sehr er  ein Sünde strafender Gott ist in seinem Zornesgricht über Sodom und Gomorrha. Sünden im Bereich der Sexualität, dafüt steht ja traditionell Sodom.Die Geschichte der zwei Engel, die Lot bei sich beherbegte und von denen die vor Lots Haus sich zusammengerotteten Einwohner Sodoms die Herausgabe forderten, damit sie sich sexuell an ihnen  vergnüge, spricht hier eine deutliche Sprache. Der Kommentar nennt das: "widernatürliche Wollust." (Zu Vers 19,5)
Das könnte das Tödliche dieser Erzählung sein, daß Gott hier nicht strafend eingreift, ja daß die so gezeugten Söhne gar  zu Stammvätern ganzer Völker reüssieren. Daß aus einem Samen ein ganzes Volk wird, das kann sich nur mit Gottes Hilfe ereignen. Zum Kontrast: Den im Ehebruch gezeugten Sohn Davids läßt Gott zur Strafe Davids sterben! 
Wie aber,wenn nicht wörtlich kann diese Geschichte verstanden werden? Der Text selbst gibt dafür keinerlei Hinweis: Er ist buchstäblich gemeint. Er erzählt vom Inzest des Vaters Lot mit seinen Töchtern. Und er erzählt es unerwartet- es fehlt die Moral von der Geschichte: Wehe dem, der solches tut! 
Der Kommentar empfiehlt so, zumindest jungen Lesern, diesen Text nicht zu lesen. Eigentlich hätte er nicht in der Bibel stehen dürfen! Nur, er steht in der hl.Schrift! "Was nun?" 
Es könnte sein, daß wir Heutigen diesen Text nicht mehr verstehen können, weil wir eben unbefragt selbstverständlich mit den Augen des Liberalismus diesen Text lesen, daß der Anfang und das Ende von Allem das Individuum ist, daß uns das Verständnis für kollektive Existenzen fehlt.Da der Erhalt des "Samens" Lots nicht möglich war dadurch, daß seine Töchter heirateten und so  ihrem Vater Enkelkinder gebaren, wählten sie  den Inzest.Damit der Vater an diesem  Inzest unschuldig sei, machten sie ihn mit dem Wein trunken, sodaß nun alle Verantwortung für diese Tat bei ihnen lag.Und sie taten es, damit ihr Vater in seinen so gezeugten Kindern weiterlebe und nicht mit dem Tode seiner Töchter auch endgültig verstürbe. 
Es ist schwer vorstellbar, daß zwei junge Frauen so mit ihrem leiblichen Vater umgehen, ohne dies als Schuld zu empfinden und als Untat zu erkennen. Aber  es ist vorstellbar, daß sie es doch so taten, weil nur so das Weiterleben des Vaters in seinen Nachkommen ermöglichbar war. Ihre Untat war dann ja auch erfolgreich: 2 Völker entstanden aus dieser Untat.
Die Moraltheologie möchte gerne, daß der Inzest immer eine schwere Sünde ist! Nur, was taten denn dann die Kinder Evas und Adams?  Sie konnten nur sich mit leiblichen Brüdern und Schwestern fortpflanzen. Das ist Inzest. Hätten sie das, weil es eine schwere Sünde ist, unterlassen, wäre die Menschheit, kaum auf Erden erschienen, mit dem Absterben der Kinder Evas und Adams schon ausgestorben. 
So radical lebensbejahend ist die Bibel, daß sie in Extremsituationen gar den Inzest billigt, wenn anderen Falles das Verlöschen des Lebens droht.

Zusatz:
Das völkische Denken ist uns durch den Liberalismus sehr fremd geworden, auch und gerade auch die Vorstellung eines Weiterlebens in den eigenen Nachkommen.Die Musikgruppe:"Stahlgewitter" präsentiert mit ihrem Lied über die  "Das hohe Lied der  Herkunft" vielleicht eine Möglichkeit des Verstehens dieser Lebensauffassung:

Es fließt ein Strom in tiefem Rot,
entsprungen vor endlosen Tagen.
Pulsierend, lebendig, besiegt er den Tod -
in sich Ahn und Enkel tragend,
denn nur das Blut bleibt, wenn man geht -
in seinen Kindern und Erben
pflanz' dich hinauf, ein ewiger Weg -
und du wirst niemals sterben.

Halte es immer rein, denn es ist nicht nur dein.
Es kommt von so weit her,
und es muss noch fließen so weit hin.
Es ist von tausend Ahnen schwer
und alle Zukunft strömt darin.
Darum: Halte es rein, halte es rein,
das Kleid deiner Unsterblichkeit, Unsterblichkeit!*

Das Band der Geschlechter lebt in dir fort
und so wird es auch ewig noch brennen,
denn reines Blut ist ein sicherer Hort,
darin kann man Gott erkennen.
Schau in dein Antlitz, dort wirst du sie sehn,
all jene, die vor dir gewesen.
In dir das verwahrte Buch zu verstehn
nur deine Art kann darin lesen.

Du bist nicht nur heute hier, sei dir gewiss,
dass du schon 1000 Jahre vor und noch 1000 nach dir bist.
Solange die Ahnenkette hält
ist dein Blut noch nicht verronnen,
und solange unsere Art noch lebt,
haben sie noch nicht gewonnen.

Element des Lebens, ein Träger durch die Zeit.
Du bist das Tor zur Zukunft, die Brücke zur Vergangenheit.
Vernimm
Verdanis Stimme und schreite durch das Licht.
Was wichtig war an dir wird bleiben, es überdauert dich.

Leb nicht nur heute, sondern lebe für immer!
Setz dir ein Denkmal zwischen all diese Trümmer!
Lebe für ewig - lebe für immer!
Fleisch und Blut sind dein magischer Schimmer.
     

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