Samstag, 19. Mai 2018

Irritierendes- Früher war das doch alles irgendwie anders


"Der Kern der Lehre des heiligen Athansasius kann wie folgt formuliert werden: Christus, das Göttliche Wort (Logos) „wurde Mensch damit wir vergöttlicht werden; er offenbarte sich im Leibe, damit wir zur Erkenntnis des unsichbaren Vaters gelangen„
 (www.kathnews.de/christus-wurde-mensch-damit-wir-vergoettlicht-werden)

P.Sloterdijk schreibt: "Erst in der heutigen Zeit,in der eine postmetapysische Umformung des Christentums eingesetzt hat, will man eine rein menschliche Form von Christlichkeit hervorbringen, folglich möchte man die Gläubigen aus der vertikalen Spannungen entlassen, die vormals seine Würde begründeten."Sloterdijk, Menschenverbesserung, in: derselbe: Nach Gott, 2017, S.228.Was meint hier der Begriff der vertikalen Spannung, der das Spezifische eines metaphysisch verstandenen Christentumes  ausmache. Sloterdijk exemplifiziert dies an der Anthropologie von Pico della Mrandola anhand dessen "Rede über die Würde des Menschen". (221f) Gott habe den Menschen als einzigen ohne bestimmte Eigenschaften erschaffen. Das mache seine Sonderstellung aus. "Aus diesem Mangel macht nun Gott einen Vorzug, indem er zu Adam sagt: Du wirst unter allen Geschöpfen dasjenige sein,das sich selbst erschafft. Dir gebe ich die Würde als dein eigener Erfinder." (S.221)."Du wirst  die Ursache dafür sein, wenn du dich zum Göttlichen erhebst, doch wenn du dich zur Stufe des Tierischen herunter-bildest, bist du ebenfalls hierfür die Ursache." (S.222).
Unsere spontane Reaktion dürfte einhellig ablehnend ausfallen: 1. Gott schuf den Menschen als Menschen und das sollen wir auch sein und bleiben wollen, 2. ist es hybrisch, daß hier der Mensch sich als Hervorbringer seiner selbst hochstilisiert und 3. klingt das doch wie eine Vorwegnahme des Nietzsches Votums: "Der Mensch ist ein Seil,geknüpft zwischen Thier und Übermensch-ein Seil über den Abgrund. Ein gefährliches Hinüber, ein gefährliches Auf-dem Wege, ein gefährliches Zurückblicken, ein gefährliches Schaudern und Stehenbleiben." (aus der Vorrede aus: Also sprach Zarathustra, 4)
Die vertikale Spannung meint so, daß der Mensch auf einer Höhenachse eingezeichnet sich nach oben hoch entwickeln kann, oder daß er herabstürzen kann in ein Untermenschsein. In diesem Sinne ist der Mensch nichts Fixiertes, sondern er ist sich von Gott als Aufgabe gegeben, etwas aus sich zu machen. Moralisch ausgedrückt: Er kann zum Heiligen werden, er kann aber auch sich zum Tier entmenschlichen, daß er nur noch wie ein Tier leben will, dem sein Bauch sein Gott ist, um es biblisch auszudrücken. Die katholische Theologie betont nun selbstverständlich, daß ohne Gottes Gnade als Wirkkraft  der Mensch sich nicht zum Höheren fortentwickeln kann. Sloterdijks bedenkenswerte These lautet nun aber, daß das zeitgenössische Christentum (damit ist selbstredend das nachkonziliare gemeint) von diesem Höher-Hinaus nicht mehr wissen will. Der Mensch ist, wie er ist und so soll er auch bleiben, denn Gott sagt zu ihm so Ja!, wie er ist. Die göttliche Gnade verändert den Menschen nicht mehr (so der Tendenz nach schon Luther), sondern bejaht ihn nur und das genau ist die Wirkkraft der Gnade Gottes- eben keine Wirkkraft zu sein. Sie affirmiert nur noch den Menschen, so wie er ist. Er wird zu einem Fixierten ohne eine Möglichkeit zum Aufstieg noch steht er in der Gefahr des Abfalles, des Sturzes. Sein Leben ist so ungefährlich geworden. 
Nur, ist das wirklich christlich? Wenn Gott Abraham etwas verheißt, dann nicht, daß er so bleibt, wie er ist, und daß er so von Gott bejaht wird, sondern er verheißt Abraham, aus ihm ein so großes Volk zu machen, das es nicht mehr zählbar ist. Gottes Gnade läßt den Menschen nicht so sein, wie er ist, sondern macht ihn groß. Für das völkische Denken des Alten Bundes heißt das, daß verheißen wird, daß das erwählte Volk ein großes Volk werden wird und  für den neuen Bund mit seiner Zentrierung auf das jenseitige Leben, daß der Mensch anteilig wird am ewigen göttlichen Leben. Immer ist dabei mitgesetzt die Möglichkeit der Verfehlung, daß das jüdische Volk aufhören kann, Gottes Volk zu sein, daß der Mensch statt ins ewige Leben ewig verdammt wird. Das ist die Vertikalspannung in der christlichen Religion, die so auch Pico della Mirandola treffend zum Ausdruck bringt, gerade indem er den Menschen als von Gott zur Freiheit Bestimmten denkt. Die christliche Religion ruft den Menschen zur Freiheit auf, zwischen der Möglichkeit, Diener des Teufels oder Diener Gottes zu werden, oder anders gesagt, sich als Mensch zu überwinden durch seine Heiligung oder sich zu entmenschlichen, indem er sich vertiert. Nur eines scheint ihm unmöglich, einfach nur Mensch bleiben zu wollen. 
Verharren wir im Bilde Nitzsches: Einem Seiltänzer gleicht der Mensch, zwischen dem Hintersich, dem Untermenschlichen und dem Vorsich, dem Übermenschlichen, dessen Leben Bewegung ist, entweder nach "unten" oder nach "oben". 
Aber nachdem all die großen Projekte der "Menschenverbesserung" sich in der Moderne eher als Katastrophen denn als heilsame Aufwärtsbewegungen erwiesen hatten, gilt nun im Postmodernen wie in der nachmetaphysischen Theologie, daß der Mensch ist, wie er ist und so auch bleiben soll, denn Gott selbst sagt jetzt zu Abraham: Bleibe in deinem Lande, bleibe, was und wie du bist, aus der wird nichts außer dem, was du nun mal bist. 
Vergöttlichung des menschlichen Lebens, Anteilhabe am Göttlichen, Überwindung des rein Menschlichen? Nein danke! Selbst auf die Verheißung des jenseitigen ewigen  Lebens kann der postmoderne Christ verzichten, überdrüssig schon des endlichen Lebens.               

 




1 Kommentar:

  1. Christlicher Reaktionär20. Mai 2018 um 12:57

    Ja, natürlich ist man des irdischen Lebens überdrüssig, ist dies doch eine gefallene Welt. Siehe auch den letzten Tagebuch-Eintrag Kierkegaards (THIS LIFE'S DESTINY IN CHRISTIAN EYES), oder auch Wilhelm Stapels ehrliches Buch "Über das Christentum", indem er den Leid-Charakter unterstreicht. Er selbst schrieb an Mohler (siehe die Studie von Sebastian Maaß): Wohl dem, der nicht mehr leben muß!

    Und in seiner Verteidigung gegen die Besatzer schrieb er: Niveau muß in dieser ohnehin scheußlichen Welt gewahrt werden.

    Wir lesen das aber auch in der Heiligen Schrift selbst: Gal. 1:4, 1 Joh. 5:19, Psalm 84:6 etc.

    Wäre dies ein Paradies, wofür dann noch erlösung durch Christus?

    Nein, den Sinn hat der große Däne brillant erfasst: zum höchsten Grade des Lebensüberdrusses geführt werden und dabei daran desthalten können, daß Gott es ist, der dies tut -- aus Liebe.

    Zuletzt einige Aphorismen des großen Kolumbianers:

    When he repudiates rites, man reduces himself to an animal that copulates and eats. - Nicolás Gómez Dávila
    Humanity is what is elaborated in man’s animality by reserve and modesty. - Nicolás Gómez Dávila


    Man is an animal that can be educated, provided he does not fall into the hands of progressive pedagogues. - Nicolás Gómez Dávila

    It is impossible to convince the fool that there are pleasures superior to those we share with the rest of the animals. - Nicolás Gómez Dávila

    Man ends up being motivated by the motives which they say he has. A beast if they say that his soul dies with the souls of beasts; an animal with shame, at least, if they say that he has an immortal soul. - Nicolás Gómez Dávila

    An excess of etiquette paralyzes; a lack of etiquette animalizes. - Nicolás Gómez Dáv

    Let us respect the two poles of man: concrete ind
    ividual, human spirit. But not the middle zone of an animal with opinions. - Nicolás Gómez Dávila

    Between animal and man there is no barrier but a palisade of taboos. - Nicolás Gómez Dávila

    Those who remove man’s chains free only an animal. - Nicolás Gómez Dávila

    Man is an animal that imagines it is a man. - Nicolás Gómez Dávila


    Und zuletzt:

    Only because He commanded us to love men do the modern clergy resign themselves to believing in the divinity of Jesus; whereas, in truth, it is only because we believe in the divinity of Jesus that we resign ourselves to loving men. - Nicolás Gómez Dávila

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