Donnerstag, 31. Mai 2018

Das Johanneische Christentum- eine Umwertung aller Werte

"In der Welt, aber nicht von der Welt", das sei die neue Lokalisatinsformel des Menschen in der johaneischen Theologie, die selbst auf eine gnostische Umwertung aller bisherigen Werte aufbaue, urteilt P. Sloterdijk in seinem Essay:"Die wahre Irrlehre:Die Gnosis", in: ders: "Nach Gott, 2017, S.77. Damit stimmt dieser Philosoph der bultmannschen Deutung des Johannesevangeliums zu, daß dies Evangelium nur von der Gnosis her verstehbar sei- eine These, die Bultmann in seinem immer noch sehr lesenswerten Kommentar zum Johannesevanglium überzeugend praktiziert. 
Was ist dann diese Umkehrwende?Es ist die Entheimatung des Menschen aus dem Reich der Natur, des Kosmos, wie es das griechische Denken entfaltete indem der Mensch zur Weltfremdheit sich bekannte, daß er ist, wo er nicht hingehört, weil er zwar in der Welt, aber nicht von der Welt ist. Die menschliche Entfremdung ist seine Verweltlichung, daß er sich als Teil, sicher als besonderer Teil der wohlgeordneten Welt ver-steht ("ver" hier wie bei dem Verb: ver-kochen gebraucht), der aus der Ordnung des Natürlichen erkennt, wie auch er zu leben hat:Das Natürliche ist auch ihm das Normative. Das Eigentliche des Menschen verkennt sich aber so, daß er nicht aus der Welt ist, und daß seine Ursprungheimat das ihm Normative ist. Das ist die Umwertung aller natürlichen Werte durch die Ausrichtung auf das Jenseits der Welt, daß der Mensch sich von "Oben" bestimmen läßt.
Die durch den Sohn Gottes gewirkte Erlösung ist so die Befreiung von der menschlichen Weltverfallenheit durch eine neue Rückerinnerung an seine wahre Heimat. Das "Salve Regina" drückt diesen Kerngedanken der Weltfremdheit des Menschen ja durch den Begriff des Exiles aus: Wir sind die verbannten Kinder Evas, die aus dem Paradies Herausgefallenden. Erlösung ist sozusagen die Repatriierung des Menschen. 
Die Existenz des so Erlösten ist dann sein Sein in der Welt als Menschen, die nicht von der Welt sind. 
Nietzsches Umwertung aller Werte ist somit ein nostalgisches Zurück zu dem griechichen in der Welt Sein, weil das die Heimat des Menschen ist; er renaturalisiert sich unter dem Banner der Treue zur Erde-Nietzsche. Das Revolutionäre ist dagegen das gnostisch-christliche Programm der Entweltlichung der menschlichen Existenz. Das paulinische als ob nicht als die Form des In der Weltseins des Chhristen subsumiert Sloterdijk dann auch unter das gnostisch inspierierte Christentum. Als Gegenpol sieht er dann- sehr protestantisch- die Kirche seit ihrer Verweltlichung durch das Thron- und Altarbündnis seit Kaiser Konstatin und dessen Theologen: Eusebius von Caesarea (S.84).  
Der Mensch versteht sich so in dieser Revolution als: Seele, die der Welt gegenübersteht, sie als seine Umwelt begreift, aus der heraus sie sich aber selbst nicht begreifen kann. Die Welt wird der Seele so zu dieser Welt- die Welt wird zu etwas Negierbarem,weil es für die Seele die wahre Heimat gibt, die nicht diese Welt ist. 
Lange wird man suchen müssen, um in der aktuellen Diskussion um das Spezifische des Johannesevangeliums und der Briefe so Erhellendes zu finden. Leider erschwert der zeitgeistgemäße Philosemitismus mit seinem Dogma, alles Urchristliche sei  etwas rein Jüdisches die Erforschung des Urchristentumes, denn dies Dogma verbietet eben die Vorstellung, daß im Urchristentum es eine kritisch-konstruktive Rezeption gnostischer Grundvorstellungen gegeben haben könnte. Aber so kann der Grundzug der Entweltlichung des Urchristentumes nicht mehr begriffen werden, denn dies Existenzverständnis ist nicht jüdisch. Es hat eher seine Heimat im Zwei-Welten-Dualismus des Platonismus, die als die Heimatphilosophie der christlichen Theologie anzusehen ist. 
Mit Nietzsche und mit Karl Marx setzte dann die Konterrevolution ein: Der Mensch vernaturalisierte sich und verlor dabei als erstes seine Seele, um nur noch ganz weltlich sein zu wollen. Die Katholische Lehre vom Menschen, daß er seinen Körper dem menschlichen Gechlechtsakt, seine Seele aber Gott  verdankt, der die Seele in den menschlichen Körper inkarniert, bringt ja gerade diese Weltfremdheit des Menschen zum Ausdruck, dann aber in Absetzung zur Gnosis den Körper als Medium der Seele zur Gestaltung der Welt zu seiner Exilsheimat, in der er heimisch lebt, ohne je zu vergessen, daß die Welt für ihn nur etwas Vorläufiges ist, eine Ersatzheimat.  
    

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