„Da ruht er“ . Menschen gehen zu den Gräbern ihrer Verstorbenen- eine Kritik
Wer einen Friedhof aufsucht, nicht nur in der Zeit von Allerheiligen und Allerseelen, wird angetan sein davon, wie liebevoll aber oft die Gräber gepflegt werden und auch künstlerisch kreativ gestaltet sind. Daran dürfte es doch nun wirklich nichts zu kritisieren geben.auch wenn notorische Quenkler an allem etwas zu bemäkeln haben.“Hier ruht XY“, und es ist wohl hinzuzugefügt mitzulesen: „hoffentlich in Frieden!“ Nur, ist das denn nun auch wahr? Das Sterben bedeutet die Trennung von der Seele und dem Leib, der Tod ist die vollzogene Trennung. Der von der Seele zum Leib geformte Körper wird begraben, sofern eine Erdbestattung vorgenommen wird. Das evoziert nun die Frage: „Wie lange denn ist der entseelte Leib noch der Leib des Verstorbenen? Wenn der Leichnam sich gänzlich in bloßen Staub verwandelt hat, ist das dann noch der Verstornene XY?
Aus verständlichen Gründen werden heutzutage die Form der Urnenbestattung bevorzugt. Wem das unverständlich ist, der frägt mal bei einem Beerdigungsinstitut nach, wie kostspielig eine Erdbestattung ist. Nun ruht der Verstorbene in einer Urne als verbrannter Leichnam, als bloße Asche. Ist diese Asche noch der Verstorbene XY?
Wo ist nun die Seele des Verstorbenen? Drei mögliche Antworten gibt es auf diese Frage: im Himmel, im Fegefeuer oder in der Hölle, sodaß eines gewiß ist, daß sie nicht mitbeerdigt im Sarg oder der Urne ist. Ist somit das Grab nur der Ort, an welchem wir uns des Verstorbenen erinneren? Diese Auffasung wird wohl unserer Beerdigungskultur nicht gerecht. Man scheint eher zu meinen, daß die Verstorbenen in ihren Gräbern ruhten, woraus ja auch die Benimmregel für ein Verweilen auf einem Friedhof entspringt, nicht die Totenruhe zu stören. Nicht ist damit gemeint, andere Friedhofsbesucher bei ihrem Gedenken an den Verstorbenen zu stören, das wäre eine zu verrationalisierte Auffassung des Gebotes: „Större die Totenruhe nicht!“Es wird damit wirklich gemeint, daß die in den Gräbern Ruhenden wie in ihrem Bette Schlafende durch Lärm gestört werden.
Ein Verstorbener scheint so an zwei verschiedenen Orten zugleich zu sein. Diesen Widerspruch bezeugt uns schon das Alte Testament, daß man einerseits sagt: In seinem Grabe liegt der Verstorbene und zugleich, daß er nun in die Unterwelt abgestiegen ist: Der Ort des Grabes und die Unterwelt, der Hades sind nun eindeutig nicht identische Orte.Ergo: Der Leib des Verstorbenen liegt im Grabe, die Seele ist in der Unterwelt, im Reiche der Toten. Wird der Leib als konstitutiv zum Sein des Versorbenen XY gedacht, ist er tatsächlich an zwei Orten, als Leiche im Grabe und als Seele im Himmel, im Fegefeuer oder in der Hölle.
Aber doch melden sich Bedenken an: Der Leib vergeht und löst sich in Staub auf, wenn er nicht gleich zu Asche verbrannt wird, wohingegen die Seele weiterexistiert.Nur weil sie nach dem Sterben noch ist, gibt es den Tod als mein Todsein, denn wäre der Tod die Nichtung meines Iches, könnte es für mich den Tod als den meinigen ja gar nicht geben, wie Epikur es treffend erfaßt hatte: Wenn Ich bin, ist der Tod nicht, und wenn der Tod ist, bin nicht Ich! Der Mensch ist also eine Seele, die einen Körper hat,in ihn inkarniert ist, den Körper den die Seele sich zu ihrem Leibe formt. So bin Ich als Verstorbener wo Ich als Seele bin!
„Ruht“ denn nun die Seele, nachdem sie von ihrem Leibe getrennt worden ist? Wäre das wahr, könnte keiner der Heiligen, auf deren Fürbitte wir vertrauen, nicht mal die Mutter Gottes für uns fürbitten, da sie ja alle ruhten, das ist: schliefen. Wie sollte gar die Mutter Gottes ihr Amt, das der Himmelskönigin ausüben, schliefe sie! Ein weiteres Argument spricht dagegen: Wenn unsere Seele zu Gott heimgekehrt ist, dann soll sie Daheim nichts besseres zu tuen haben, als sich schlafen zu legen? Man denke sich einen frisch verliebten Mann, der seine Freundin ein paar Monate nicht sehen konnte und die ihn nun endlich heimgkehrt zu sich eingeladen hat: Legte der sich, kaum angekommen zum Schlafen hin, weil er so gerne ruhen mag?So wenig der Verliebte sich da schlafen legen würde, so wenig wollte unsere Seele ruhen, wäre sie endlich Daheim bei Gott.
Die Seelen im Fegefeuer wie in der Hölle schlafen auf keinen Fall, denn sie erleiden da ja, in unterschiedlicher Weise ihre Strafen für ihre Sünden: Wie könnten sie das, wenn sie ruhten?
Ruhen könnte höchstens der tote Leib und von dem ist genaugenommen ein Ruhen nicht recht aussagbar, denn er ist tot. Es ist eben ewas sehr Verschiedenes, ob jemand vom Schlafen aufsteht oder ob ein Toter zu einem neuen Leben erweckt wird! Dabei stehen wir noch vor einem prizipielleren Problem: Kann den der sterbliche Leib ein Leib des ewigen Lebens werden oder muß er nicht erst verwandelt werden in einen zu einem ewigen Leben passenden? Wird aus dem Staub, der nun in einer Urne liegt, ein ewig leben könnender Leib durch Gott erschaffen, in den dann meine Seele sich wieder inkarniert? Die Verwandelung des Urnenstaubes in einen nicht mehr sterben müssenden Leib scheint so fast ein so großes Wunder zu sein wie das der Verwandelung des Brotes in den Leib Christi. Kann hier noch von einer leiblichen Identität gesprochen werden oder ist nicht doch die Seele allein das meine Identität Wahrende?
Der Friedhof und seine Gräber, daß das der Ort ist, wo unsere Toten „ruhen“ ist so gesehen eine sehr fragwürdige Vorstellung! Sie paßt nicht recht zur christlichen Religion. Eine andere Frage ist nun aber die, ob die Verstorbenen als Seele noch wahrnehmen können, ob wir zu ihren Gräbern gehen und was wir da wie tuen.Wenn die Heiligen für uns fürbitten können, also auch unsere Gebete an sie wahrrnehmen können, denn täten sie das nicht, wie könnten sie dann Fürbitte leisten können, dann dürfen wir wohl darauf vertrauen, daß zumindest die Seelen im Fegefeuer wie auch im Himmel uns hier auf Erden lebend wahrnehmen können, denn alle im Himmel wie auch im Fegefeuer können für uns beten. Wir wenden uns ja mit unserer Fürbitte an die Heiligen, weil wir gewiß sind, daß diese im Himmel für uns beten können, was die Verdammten gewiß nicht mehr können.
Wenn wir also zu den Gräbern Verstorbener gehen und sie pflegen, dann ruhen ihre Augen auf uns, sie sehen nämlich, was wir für sie da tuen! Sie ruhen eben nicht!
Zusatz:
Urspünglich hat die Verheißung der Ruhe für Israel die Bedeutung,daß gegen Israel kein Krieg geführt wurde noch daß es Kriege führte, daß also die Abwesenheit vom Kriege die Ermöglichung eines positiven Lebens ist, aber nicht schon selbst etwas Positives ist.In den Zeiten der Dekadenz bekommt die Verheißung der Ruhe erst den Klang von etwas selbst Gutem, dem Sichausruhen vom Leben,denn alles Leben wird als Unruhe negativ empfunden.
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