Wider
den Kreuzzug wider das Kreuz
Daß Heiden
und Juden das Kreuz Christi eine Torheit und ein Ärgernis ist, daß
wußte schon der Apostelfürst Paulus- aber den Gläubigen war und
sollte es höchste Weisheit Gottes sein. Davon sind wir in heuer weit
entfernt: ein innerkirchlicher Kreuzzug wider das Kreuz Christi in
der Katholischen Kirche wie im Protestantismus ist unübersehbar. So
unterschiedlich die Kritik auch ist, bestimmte Konstanten sind
sozusagen ökumenisch: ein Melange aus der Kritik der traditionellen
christlich-kirchlichen Gottesvorstellung, dem Jesu Gottesbild
antithetisch gegenübergestellt wird, eine Hyperkritik am Neuen
Testament, in dem Jesu ureigenste Verkündigung schon verfälscht
worden sei, so schon Nietzsche und in heutigen Tagen der katholische
Theologe E.Biser und der Protestant Klaus Peter Jörns, eine Kritik
an dem ach so negativen Menschenbild paulinisch-augustinischer
Fasson, dem ganz vom Geiste bürgerlichen Humanismus erfüllt, getreu
dem Naturalisten Rousseau der von Natur aus gute Mensch
gegenübergestellt wird und ein erstaunlicher Phänomen in Zeiten des
Philosemitismus: eine Revitalisierung antijüdischer Klischees vom
Opfer-und Zorn-Gott des Alten Bundes, dem der Nurliebesgott Jesu
entgegengesetzt wird- Liebe statt diese innergöttliche Dialektik von
Zorn und Gnade. Kryptisch wirken hier ureigenste marcionitische und
pelagianistische Intentionen weiter. Und die Liebe zum Feindbild:
Anselm von Canterbury, neben dem hl. Augustin sind die Verfälscher
des Christentumes nebst der institutionellen Kirche.
Viel steht
auf dem Spiel! Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika: „Caritatis
studium“ lehrt: „Das Wesen der Natur und der Religion enthüllt
die Notwendigkeit des Opfers.... Und wenn man die Opfer entfernt,
kann eine Religion weder sein noch gedacht werden. Das Gesetz des
Evangeliums ist nicht geringer als das alte Gesetz; im Gegenteil,
sogar noch viel hervorragender, weil es das überreich vollendet, was
jenes begonnen hatte. Die im Alten Testament gebräuchlichen Opfer
wiesen aber schon auf das am Kreuz vollzogene Opfer voraus, lange
bevor Christus geboren wurde. Nach seinem Aufstieg in den Himmel wird
eben dies Opfer im eucharistischen fortgesetzt.“1
Im Zentrum
der christlichen Religion steht so das Kreuzaltaropfer Jesu Christi
in seiner Vorandeutung im Opferkult des Alten Bundes und in seiner
Nachabbildung im kirchlichen Meßopfer. Das Kreuz Christi ist so als
Sühnopfer das Heilereignis. Gegen das Zentrum des christlichen
Glaubens richtet sich so der Aufstand gegen das Kreuz. Nicht wird
dabei die Historizität des Kreuzes verleugnet sondern es wird eine
eigentümliche Diastase konstruiert, die zwischen dem Ereignis der
Kreuzigung und der Deutung und Interpretation, sodaß nun die
Sühnopfervorstellung zu einem von vielen möglichen Interpretamenten
des historischen Ereignisses wird. Die Deutung des Ereignisses hätten
nun die Theologen und Evangelisten des Neuen Testamentes zu
verantworten und ihre späteren Nachfolger, die traditionelle
Theologie und Kirche. Die in der hl. Schrift selbst gegeben Deutungen
sind so nicht mehr Bestandteil der offenbarten Wahrheit, diese
reduziert sich auf das historische Ereignis Jesus von Nazareth und
alles andere sind theologische Deutungen, die als
menschlich-allzumenschliche auch in Frage gestellt werden können.
So geht der Präses der EKD, Schneider so weit, selbst das
urchristliche Glaubensbekenntnis, Jesus ist der Messias, der Christus
als problematische Interpretation zu dysqualifizieren und um des
christlich-jüdischen Dialoges willen dies Bekenntnis außer Kraft zu
setzen.2
Es sollen
nun exemplarisch veranschaulichend Vertreter diese Art von
Kreuzeskritik vorgestellt und diskutiert werden, nicht nur, um zu
zeigen wie sehr modernistische Theologen in die Irre gehen können,
sondern vielmehr deshalb, weil an ihren Angriffen gegen die
katholische Lehre der Kirche gerade auch Schwächen der Lehre
sichtbar werden, die uns zu einem Weiterarbeiten und Vertiefen der
kirchlichen Lehre verpflichten. Wie erst Luthers radikaler Angriff
auf das Meßopfer der Kirche die kirchliche Theologie zur Klärung
des Verhältnisses vom Kreuzaltaropfer zum Meßopfer zwang, so steckt
auch in jedem Angriff wider die Lehre der Kirche die Chance, durch
solche Fundamentalkritik zu einem Mehr an Klarheit vorzudringen; so
dienen selbst Irrlehrer -unbeabsichtigt- der Wahrheit.
Eugen Biser:
Liebe statt Kreuz
Daß der
Professor der Katholischen Kirche, Eugen Biser unter den
zeitgenössischen Häretikern einen Ehrenplatz einnimmt, ist keine
polemische Überspitzung. Und so soll dieser Kritiker der Lehre der
Kirche hier auch gewürdigt werden. Der protestantische Theologe
Klaus Peter Jörns präsentiert in seinem Festvortrag: „Die
Opferkritik in der Theologie Eugen Bisers“ gehalten in München im
Jahre 2008, ein Kompendium der Kritik Bisers an der kirchlichen Lehre
vom Sühnopfer Christi und seiner Umdeutung.3
Im ersten
Teil der Vorlesung entfaltet Jörn, wie dominierend im Neuen
Testament selbst die Deutung des Kreuzes als Sühnopfer präsent ist.
Damit schließt er selbst die urreformatorische Möglichkeit aus,
eine mißliebige Lehre der Katholischen Kirche zu delegitimieren,
indem behauptet würde, diese sei so nicht in der Bibel enthalten und
somit eine unerlaubte Zufügung und Verfälschung durch die Kirche.
Nein, daß Christus für unsere Sünden am Kreuz gestorben sei, ist
eine biblische Aussage. „dass die Opfer-und Sühnetheologie
allgegenwärtig in der Bibel und-noch jedenfalls-in den Liturgien
christlicher Kirchen ist.“4
Umso mehr
ist Bisers Kühnheit zu bewundern, diese Tradition zu kritisieren und
als mit Jesu wahrer Verkündigung unvereinbare beseitigen zu wollen.
Denn diese allgegenwärtige Gnaden-und Sühnetheologie verdecke die
Verkündigung Jesu von der bedingungslosen Liebe Gottes, ja ist damit
inkompatibel. Vier Argumente bietet Biser gegen die Gnaden-und
Sühnetheologie der Kirche auf. Bemerkenswert ist dabei die
Klarsichtigkeit, daß mit der Kritik der Sühnopfertheologie auch die
gesamte katholische Gnadenlehre ob ihres engsten Zusammenhanges mit
ihr genichtet werden muß.
Eine
Theologie ohne Kreuz und ohne Gnade ist so das Ziel, das mit diesen
vier Argumenten erreicht werden soll.
Das erste
und gewichtigste Argument lautet: Ein Gott der bedingungslosen Liebe
würde durch Opfer nicht versöhnt und er wolle auch gar keine Opfer.
Das Gottesbild Jesu schließe die Vorstellung eines Gottes, der Opfer
wolle, gar Sühnopfer aus. Jesu Gottesbild überwinde die Vorstellung
Gottes als eines Gemisches von Zorn und Gnade zugunsten der des
reinen Liebesgottes.Gott ist nur Liebe und somit könne von ihm weder
Zorn noch Gnade prädiziert werden. Auf den ersten Blick muß diese
biserische Antithese von Liebe statt Zorn und Gnade irritieren,näher
läge doch, allein in der Vorstellung vom Zorn Gottes eine mit dem
Gott der Liebe inkompatible Vorstellung zu vermuten und nicht in der
Gnade. Aber auch die Vorstellung eines gnädigen Gottes widerspräche
dem jesuanischen Gott der Liebe. Wenn der Gegenbegriff zur Gnade
-spätestens seit der großen Kontroverse zwischen Augustin und
Pelagius- der der Natur ist, wird diese biserische Antithetik aber
nachvollziehbar. Es ist die Natur Gottes, zu lieben und so liebt er
von Natur aus alle Menschen und so vergibt er auch, ohne daß er dazu
als Bedingung des Menschen Buße, Reue oder Sühne verlangt und
somit schon gar nicht das Kreuz Christi. Die Vorstellung einer
bedingungslosen göttlichen Liebe schließt so jedes heilsrelevante
Tun des Menschen aus: er ist immer in der Liebe Gottes geborgen. So
wird aus der Gnade, von Gott geliebt zu werden, ein naturalistisches
Verhältnis, so als gliche Gottes Liebe der Sonne, die ihr Licht auf
alles Irdische ausstrahlt. Gottes Liebe emaniert sich, strömt aus
auf alles. Als Gnade wäre Gottes Liebe nur begreifbar, könnte Gott
sich auch anders als liebend zum Menschen verhalten und wäre es
nicht selbstverständlich, daß er nur Liebe ist. Die Vorstellung vom
Zorn Gottes ist so denkerisch die notwendige Bedingung dafür, daß
von Gott geliebt zu werden, als Gnadenakt verstanden wird, sofern und
weil der Mensch ob seines Sünderseins nur den gerechten Zorn Gottes
verdient hätte.Die Ausschließung der Vorstellung vom Zorne Gottes
erzwingt so den Verlust jeder Lehre von der göttlichen Gnade, indem
nun das Verhältnis Gottes zum Menschen naturalistisch vorgestellt
wird.
Jesu
Gottesvorstellung sei die der Gotteskindschaft. Die mache so den
Menschen frei von einem Gottesbild, das ihn „ehemals als zürnend
und rächend vorgestellt worden war:“ Damit kann Biser nur das
Gottesbild des Alten Testamentes meinen, in dem von Gott tatsächlich
ausgesagt wird, daß er zürne und Rache nehme.
Der Gott
Jesu befreit uns so als reiner Gott der Liebe vom Gott des Alten
Testamentes, der Opfer, Sühnopfer gar verlangt, der zürnt und Rache
nimmt. Das ist purer Marcionismus. Stand Marcion noch vor dem
Problem, wie dann die Evangelien Jesu von allem Alttestamentlichen zu
purifizieren seien, damit nur noch der liebe Jesusgott übrigblieb,
so übernimmt diese Aufgabe bei Biser die historisch-kritische
Methode, die alle Aussagen, die nicht mit jesuanischen Gottesbild
kompatibel sind, als spätere Gemeindebildung oder verfehlte
Interpretation eskamotiert.
Die
Vorstellung der bedingungslosen Liebe Gottes schließt es nun für
Biser selbstredend aus, daß die Bitte um Vergebung selbst noch
einmal als Bedingung für die Sündenvergebung zu stehen kommen darf,
sodaß der Auftrag zur Sündenvergebung nur noch meinen kann, daß
dem Sünder zugesagt wird, was ihm schon immer gilt, daß Gott ihm
vergibt, weil er ihn liebt und daß wir so auch allen vergeben
sollen. Der Akt der Sündenvergebung verändert so nicht die
Beziehung Gottes zum Menschen sondern befreit den Menschen nur von
der falschen Gottesvorstellung eines gerechten Gottes, der den Sünder
straft, wenn er nicht reuig umkehrt und Buße tut.
Woher hat
Jesus dieses Gottesbild? Das wäre das Spezifische von Jesu- er
verkündet uns einen neuen Gott, von der die Welt und das jüdische
Volk noch nie gehört hat. Es ist nun ein Leichtes, nachzuweisen,
daß dieses jesuanische Gottesbild nicht das der Verkündigung des
Jesus Christus ist, so wie es die Evangelien und das Neue Testament
verkünden, sondern ein reines Phantasieprodukt dieses Theologen ist.
Mit dieser Phantasie steht er nicht allein: von Nietzsche über A.
Rosenberg bis hin zu Biser ist uns dieser breite Traditionsstrang
bekannt: man destilliert aus dem Meer der Aussagen und Handlungen
Jesu ein paar Worte heraus, aus denen dann das dem Konstrukteur
genehme Jesusbild entsteht, und deklariert alles andere dann als
Verfälschung oder Fehlinterpretation. In der Regel sagen solche
Jesusphantasien mehr über die Wünsche und Sehnsüchte der
Konstrukteure als über Jesus Christus aus.
Theologiegeschichtlich
gesehen ist die Vorstellung von der unbedingten Liebe Gottes wohl ein
Umformungsprozeßprodukt der lutherischen Rechtfertigungslehre: hieß
es ursprünglich, daß der Sünde allein, wenn er darauf vertraut,
daß Jesus für seine Sünden gestorben ist, gerechtfertigt, ein von
Gott Geliebter zu werden und so nur aufhört, unter dem gerechten
Zorn Gottes zu stehen und allein aus Gnade besagt da, daß der
Vertrauensglaube ausreicht und besagt, daß der Glaube nicht selbst
noch mal ein Werk des Menschen ist, sondern, daß er glaubt sei ein
Gnadengeschenk Gottes, so löst sich diese Konzeption auf, insofern
der Vertrauensglaube als menschlicher Glaube nun doch den Eindruck
evoziert, daß das Geliebtwerden von Gott, das Gerechtfertigtsein vor
Gott abhängig sei von einer menschlichen Leistung, dem
Vertrauensglauben und daß Gottes Liebe anhängig sein von dem
Verdienst Christi, daß er uns erst vor Gott die Liebenswürdigkeit
wieder erlangt hätte. Um des Allein aus Gnade Willen werden dann
diese beiden Bedingungen des Gerechtfertigtseins vor Gott
eskamotiert, so daß dann nur noch: allein aus Gnade übrig bleibt.
Dies Allein aus Gnade destruiert sich dann selbst, denn der Begriff
der Gnade setzt den des gerechten Zornes voraus. Wenn aber Gott aus
Gnade jeden liebt, ist dies kein Gnadenakt mehr sondern Gottes
natürliches Verhalten:allein aus der Natur Gottes heraus sind wir
von Gott Geliebte. Das ist der Versuch einer Rekonstruktion der
logischen Umformung der lutherischen Rechtfertigungslehre aus ihrer
inneren Spannung von: aus Glaube und aus Gnade, insofern das allein
aus Gnade dem allein aus Glauben widerstreitet, da damit eine
Bedingung für das Heil gesetzt ist. Es ist nun eine Frucht der
Ökomene,daß solche Zerfallsprodukte lutherischer Theologie
katholischerseits unkritisch rezipiert werden.
Das zweite
Argument ist kein selbstständiges, sondern setzt voraus, daß Jesus
nicht für unsere Sünden gestorben ist und offeriert nun eine andere
Deutung des Kreuzes, die nun die wahre sein soll und somit die
Unwahrheit der katholischen verifiziere. Biser deutet den Tod Jesu
so: „In seinem Tod gibt sich Jesus als Individuum auf, um als
Gegenwärtiger in den Seinen auf-und fortzuleben.“5Gemeint
ist damit, daß Jesus nicht als Person aufersteht und ewig lebt,
sondern als Geist in der Gemeinde. Jesus will sterben, um als Geist
in der Gemeinde zu leben. Daß dies eine mit dem christlichen Glauben
unvereinbare Vorstellung ist, zeigt ein kurzer Blick ins apostolische
Glaubensbekenntnis, in dem Jesus Christus vom Hl. Geist unterschieden
wird und nicht doziert wird, daß Jesus durch seinen Tod zu einem
apersonal gedachten hl. Geist wird, der in den Gläubigen wohnt. Daß
Jesus als „lebendigmachender“ Geist bezeichnet wird,6
bestätigt die Vermutung, daß Jesu Umformung zu einem Geist als
Ersatz für die traditionelle Lehre vom Hl. Geist fungiert.
Das dritte
Argument ist nun wieder nur eine Wiederholung des ersten, daß Gottes
unbedingte Liebe das Kreuz als Sühnopfer ausschlösse.
Das vierte
Argument bringt nun wieder etwas Neues: die Sühnopferlehre
widerspräche nicht nur dem Gottesbild des nur lieben Gottes, sondern
auch Jesu Menschenbild, das zufälligerweise ganz eins ist mit dem
von Rousseau bzw. der politischen Korrektness. Das negative
Menschenbild gehöre zur Sühnopfertheologie dazu. Die paulinische
Anthropologie wird nun attackiert. Paulus schreibt im Römerbrief,
daß die Sterblichkeit und Endlichkeit des Menschen die Folge der
Sünde Adams sei. Dies ist das Zentralargument der Ursündenlehre:
Sterben muß der Mensch, weil er Sünder ist. Jeder Mensch muß von
Geburt an sterben, also muß er von Geburt an Sünder sein und daß
erklärt die Ursündenlehre, warum er von Anfang an Sünder ist und
nicht auf sich allein gestellt aus dieser Ursünde sich befreien
kann.
Bisers
Anliegen ist nun, die Sünde klein zu machen, sodaß es das
Heilmittel des Kreuzes nicht mehr bedarf. Der Tod sei nicht-gegen
Paulus und gegen das Alte Testament-der Sünde Sold sondern ein
Moment der guten Schöpfung Gottes. So wird nun der Tod, das
Sterbenmüssen verklärt: statt den Tod zu diskriminieren als den
„letzten Feind“ so Paulus müsse er als „Wohltat“ angesehen
werden, die den Menschen vor Vergreisung bewahre und verhindere, daß
zu viel Leben entsteht, das sich wechselseitig ersticken würde. Der
Mensch sei also gar nicht von Anfang an von der Sünde bestimmt.
Was ist nun
dabei das Argument wider die Sühnopfertheologie? Erst in der
weiteren Ausführung wird dies deutlich. Biser meint, daß das
Menschenbild des Paulus düster sei, „weil Paulus unterstellt, der
Mensch sei seit Adam und Eva der Sünde verfallen“.7
Dieser Negativanthropologie entspräche dann die Sühnopfertheologie,
während ein positives, lichtes Menschenbild ohne Kreuz auskäme. Der
nur liebe Gott und der an sich gute Mensch bedürfen keiner
Versöhnung durch das Kreuz, weil sie a priori immer schon in einem
guten Verhältnis zueineinander sind. Die Rechtfertigungslehre des
Paulus und somit natürlich auch die augustinische und die
katholische sei ein schwerer Fremdkörper in der Kirche weil
unvereinbar mit Jesu positivem Menschenbild. Kirche. Einfach gesagt:
weder ist Gott gerecht, so daß er um der Gerechtigkeit willen Strafe
für die Sünde fordert noch ist der Mensch so sündig, daß er
wirklich bestraft werden müßte. Alles irgendwie im grünen Bereich.
Augenfällig
ist hier, daß Biser und sein Deuter Jörns eine uns von Nietzsche
schon bekannte Denkfigur reaktiviert: die eigentliche Verkündigung
von Jesus und wie Paulus sie dann verfälscht habe.
Nietzsche
schreibt: „ 168 Die Kirche ist exakt das, wogegen Jesus gepredigt
hat-und wogegen er seine Jünger kämpfen lehrte-169 Kein Gott für
unsere Sünden gestorben, keine Erlösung durch den Glauben,keine
Wiederauferdstehung nach dem Tode-das sind alles Falschmünzereien
des eigentlichen Christrentums, für die man jenen unheilvollen
Querkopf (Paulus) verantwortlich machen muß.“8
A. Rosenberg steht so nicht allein mit seinem Votum, daß nicht
Jesus, sondern Paulus der Erfinder des Christentumes sei mit all
seinen schrecklichen Lehren von Sünde, Gnade und Opfer, während
Jesus das alles abgelehnt hätte. „...daß die Kirchen nicht
christlich, sondern paulinisch sind, da doch Jesus fraglos das
Eins-Sein mit Gott als Erlösung und Ziel pries, nicht die
herablassende Gnadengewährung eines allmächtigen Wesens,dem
gegenüber auch die größte meschliche Seele ein reines Nichts
darstellte.“9
Biser meint nun, dieser Fremdkörper
sei in die paulinische Verkündigung eingedrungen, weil er aus
missionarischen Gründen sich angepaßt hätte, während Jörn
urteilt, nein,Paulus habe das wirklich so geglaubt und das sei eine
Folge davon, daß er nie eine echte Begegnung mit Jesus gehabt hätte.
Er kannte Jesus einfach nicht. Interessant, daß ein evangelischer
Theologe das Zentrum reformatorischer Theologie so als eine Irrlehre
des Paulus dysqualifiziert, um stattdessen die bedingungslose
gnadenlose Liebe Gottes zu predigen.
Das
jesuanische Gottesbild und das positive Menschenbild Jesu
widersprächen so der Sühnopfertheologie. Daß in der Hl. Schrift
diese Theologie und das entsprechende Menschenbild bezeugt wird, ist
für Biser und Jörns nur der Anlaß dafür, nicht nur der Kirche
sondern schon der Bibel den Vorwurf zu machen, daß in ihr Jesu
Verkündigung verfälscht würde.
Hier erleben
wir nun einen der größten Triumphe der historisch-kritischen
Methode. War das ursprüngliche reformatorische Anliegen der
Unterscheidung von Schrift und Tradition und der willkürlichen
These, nur die Schrift sei verbindlich, alle Tradition stünde so
unter dem Generalverdacht der Verfälschung und wird so erfolgreich
delegitimiert, so wendet sich in der historisch-kritischen Methode
dieser Generalverdacht nun gegen die Schrift selbst, indem der
historische Jesus unterschieden wird von dem durch die Schrift
Bezeugtem und das Zeugnis gerät nun selbst unter den Generalverdacht
des Mißvertehens und Verfälschens. Nun wird auch die hl. Schrift
ihrer Autorität beraubt und der Willkür des Exegeten unterworfen,
sich das ihm gefällige Jesusbild aus den Texten heraus zu
konstruieren.Als besonders einfallsreich erweisen sich dabei dies
Autorenteam nicht: es bleibt bei der Mär von dem Gott, der nur lieb
ist und den Menschen, die eigentlich auch nur, auch wenn sie alle
kleine Sünderleins sind, alle in den Himmel kommen, wie das bekannte
Volkslied es schon weiß.
Für uns
Katholiken muß sich angesichts dieses Gebrauches der
historisch-kritischen Methode aber die Frage stellen,ob wir nicht zu
unkritisch dies trojanische Pferd des Protestantismus in die Kirche
und ihre Theologie hineingelassen haben.
Aber wir
stehen vor einem noch bedeutsameren Problem: offenkundig ist bei
Biser die Tendenz, den Gott Jesu gegen den Gott des AT auszuspielen
und gerade so da Paulus und die Bibel zu kritisieren, wo sie Jesu im
Lichte des AT deuten: als Sühnopfer. Das verweist auf ein reales
Problem der katholischen Theologie: wie ist die Einheit Gottes zu
denken, wenn er einerseits den Opferkult des Alten Bundes wollte und
andererseits das Kreuz Christi? Widerspricht Gott etwa mit dem Kreuz
seiner Opferkultordnung des Alten Bundes, so daß eine Differenz in
Gott wäre- der Keim,um dann den Gott Jesu wider den Gott des
Opferkultes auszuspielen, um so im Marcionismus zu enden?
Korrespondiert dem dann etwa ein düsteres Menschenbild, in dem der
Mensch Opfer darzubringen habe, dem Jesu sein positives Menschenbild
gegenübergestellt hätte, daß der Mensch als von Gott Geliebter die
Kraft zum guten Leben in sich trüge und so keines Opferkultes
bedürfte? Kryptimarcuinismus, als Ablehnung eines Gottesbildes, das
Opfer verlangt und ein Krypopelagianusmus, daß der Mensch, weil nur
peripher sündig, nicht der Gnade Gottes bedürfte, gingen hier so
eine unheilige Allianz ein! Und diese alten Ladenhüter sollen dann
moderne Theologie sein!
Die Aufgabe
der Theologie heißt also: wie ist das Verhältnis von den Opfern des
Alten Bundes zu dem Kreuzaltaropfer Jesu und dem kirchlichen Meßopfer
zu denken, damit nicht um eines der Opfer willen die anderen
delegitimiert werden und damit auch der dem jeweiligen Opfer
korrespoindierende Gott. So könnte man jüdisch um der legitimen
Opfer des AT willen Jesu Opfer und seinen Gott verurteilen oder im
Geiste Marcions um des Opfers Jesu willen die Opfer des AT und dessen
Gott oder um des Kreuzes Jesu willen reformatorisch,die kirchlichen
Opfer und damit die Kirche delegitimieren. Erst wenn es gelingt, die
Aussage, daß wir um des einen Opfers willen gerechtfertigt sind, um
des Kreuzes Christi willen zu vereinbaren mit den legitimen vielen
Opfern des Kultes des Alten Bundes und des Neuen, kann auch die
Einheit Gottes gedacht werden, der einer ist als der Herr des Alten
und des Neuen Bundes und der Herr des Kreuzes. Ansonst entsteht die
Gefahr einer Auflösung der Einheit, daß entweder ontisch der Gott
des Alten Bundes vom dem Gott Jesu unterschieden wird oder zumindest
noetisch, als wäre der Gott der Liebe im priesterlichen Kult noch
nicht recht erkannt worden und erst in Jesus wirklich offenbar.
These: Wenn
das Kreuzaltaropfer Christi als das eine heilsgenügsame verstanden
wird, dann muß notwendigerweise das Kultopfer des Alten Bundes wie
das des Neuen Bundes entwertet werden-sie können höchstens noch als
Austeilung der Frucht des eines Opfers verstanden werden, das ist die
lutherische Lösung, oder aber sie werden gleichberechtigt neben das
eine Opfer gestellt, dann entsteht uns eine unendliche Serie von
Opfern, denen wir unser Heil verdanken.
Nur wenn das
eine Opfer, dem wir unser Heil verdanken, selbst als die dialektische
Einheit von den vielen Opfern und dem einen gedacht wird, ist es
möglich, dem Alten wie dem Neuen Bund gerecht zu werden und dabei
das Zentrum im Kreuzopfer Jesu zu verorten. Die Einheit des
Selbstbewußtseins ist, daß das Ich sich setzt als Mich und sich
selbst mit dem gesetzten Ich identifiziert als Eins. Einheit ist die
Setzung der Differenz und ihre Aufhebung. Das Urbild des Opfers, das
Kreuzaltaropfer ist als Urbild noch nicht das eine Opfer, sondern
wird es erst durch die Setzung seiner Abbilder als Vorabbildung und
Nachabbildung des Kreuzaltaropfers, indem die damit gesetzte
Differenz durch die Identifizierung des Urbildes mit seinen Abbildern
zu einem Opfer wird in der dialektischen Einheit von Ur-und Abbild.
Das Opfer Christi ist sozusagen die Substanz der Opfer des Alten und
des Neuen Bundes, die als Opfer nichts Selbstständiges sind, sondern
nur Abbilder des Urbildes. Oder als anderer Vergleich: die Einheit
der Menschheit ist die Einheit der Idee des Menschseins mit den
vielen Indivuduationen des Menschseins. Dieser Gedanke mag vielleicht
zu philosophisch anmuten, aber die Einheit zu denken ist eine
philosophische Aufgabe und ohne eine so geartete Lösung zerfällt
uns die Trias von dem Opferkult des Alten bundes, des Kreuzaltares
und des Meßopfers und dann entsteht die Gefahr der Delegitimuerung
einer dieser von Gott gewollten Ordnungen und im schlimmsten Falle
der Eindruck, daß der Gott des Alten Bundes nicht der des Kreuzes
Jesu ist und daß das kirchliche Meßopfer ein Abfall sei vom Gott
Jesu.
Was hat nun
dieses eine Opfer Christi in seiner dialektischen Einheit mit der
Vorstellung von Gottes Liebe zu tun? Nach Biser und vielen nichts.
Aber was versteht man dann unter Liebe? Der Verdacht drängt sich
auf, daß hier eine Hypostasierung der mütterlichen Liebe zu ihrem
Kleinkind stattfindet, in der die Mutter ganz die Gebende und das
Kleinkind ganz das Empfamgende ist: eine infantile Liebe, wohingegen
die Liebe Jesu zu seiner Kirche als Vorbild der Liebe des Mannes zu
seiner Braut nicht eine infantile ist, sondern eine, die den
Liebenden und den Geliebten zu miteinander Wirkenden macht: die
geliebte Braut empfängt und gibt Liebe wie auch die Kirche. Und
dieser erwachsenden Liebe Gottes zu den Menschen entspricht es, daß
er sie nicht nur als passive Empfänger der Liebe will, sondern als
Mitarbeiter am göttlichen Erlösungswerk. Und dies ereignet sich am
vollkommensten im Opfer, denn hier wirken von Gott eingesetzte
Priester gemäß Gottes Willen Heil. Nicht wollte Gott den Menschen
ohne seine Kooperation erlösen und darum setzt Gott den Kult, damit
hier Menschen Mitarbeiter Gottes sein können und das ist gerade die
göttliche Liebe, die nicht einfach die mütterliche zu einem
Infanten ist, eine infantile sondern der gleicht, die der Bräutigam
seiner Braut entgegenbringt und die sie erwidert. Die Kritiker des
Opferkultes verstehen so sehr einseitig die göttliche Liebe
ausschließlich nach dem Ideal der Mutter zu iihrem Baby. Die
Verabsolutierung der Passivität des Empfangenen verdankt sich bei
dieser Ausdeutung des Verständnisses von der unbedingten göttlichen
Liebe der reformatorischen Heimat dieser Vorstellung, der
Überbetonung der reinen Passivität des Menschen im Zuspruch des
Gerechtfertigtwerdens. Das ist selbstredend auch der antikatholische
Charakter dieser Vorstellung.
So gesehen
widerspricht dies Opferverständnis nicht der Liebe Gottes. Es ist
für die katholische Theologie eine sehr wichtige Aufgabe,
herauszuarbeiten, daß der Gott des Opferkultes im Alten Bund und der
Gott Jesu einer ist und daß er dabei immer auch der der Liebe ist,
damit nicht etwa der Alte Bund Gott als gerechten und auch zornigen
bezeuge und der neue Bund dann Gott nur noch als Liebe. Es geht um
die Einheit der hl. Schrift und somit auch um die Einheit vom Alten
und Neuen Bund in ihrem Zentrum, dem Opfer Christi. Gelingt das nicht
zu denken, wird der Marcionismus in irgendeiner Tarngestalt immer
wieder in der Kirche Fuß fassen können, wie etwa in dem
Kryptomarcioniten E.Biser! Es ist erstaunlich, daß auch Rosenberg
sagen kann, im wohlwollenden Ton: „Die Religion Jesu war zweifellos
die Predigt der Liebe“10,
die dann Paulus u.a. verfälschte-“Die männliche Jesusgestalt“
und „Paulus als Verfälscher des Evangeliums“11
und er dann Marcion 12als
Versuch der Wiederherstellung des Ursprünglichen deutet. Wer den
Glauben der Kirche verläßt, auf was für seltsame Partner man dann
stoßen kann!
Uwe
Christian Lay
1DH,
40.Auflage, 3339.
2Vgl:
Lay, U.C., Die protestantische Aufkündigung des urchristlichen
Bekenntnissses zu Jesus Christus, in: Theologisches 9/10 2011
Sp.509-514.
3Klaus
Peter Jörns, www. Chrismon plus rheinland de.
4Jörns,
S.6.
5Jörn,S.9
6Jörn,
S.9
7Jörns,
S.12.
8Nietzsche,
F., Der Wille zur Macht, 1.Auflage 1992, 168-169 S.133.
9Rosenberg,
A., Der Mythos des 20. Jahrhunderts, 17-20. Auflage 1934, S.235f.
10Rosenberg,
A., Mythos S. 607
11Rosenberg,
A., Mythos S.604f
12Rosenverg,
A., Mythos S. 75f.
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