Mittwoch, 14. Mai 2025

Ein Dilemmaproblem: Wenn: „Sündige nicht!“ nicht geht - ein verdrängtes Problem der Moraltheologie

 

Ein Dilemmaproblem: Wenn: „Sündige nicht!“ nicht geht


Eigentlich müßte es doch so sein, daß es für einen Christen immer eine Handlungsoption gibt, in der er nicht sündigt und daß er sich deswegen für diese zu entscheiden hätte oder hätte sich entscheiden müssen. Ein „gebildetes Gewissen“, wie es gern im moraltheologischen Diskurs formuliert wird, sollte dann auch dazu befähigt sein, diese angemessene Handlungsoption zu erkennen.

Kann es dann tragische Situationen geben, in der es für einen Christen keine Möglichkeit gibt, nicht zu sündigen? Man könnte nun meinen, daß es eine der Aufgaben der kirchlichen Moraltheologie sei, auch für scheinbar auswegslose Situationen, in denen, egal welche Handlungsoption gewählt wird, gesündigt wird, zumindest eine Lösung zu präsentieren, die dem: „Sündige nicht!“ gerecht wird. Lebten wir in einer Welt, in der niemand sündigte, dann könnte ein Christ gar nicht in eine solche Dilemmasituation geraten, daß, für was er sich auch entscheiden möge, er stets sündigen wird.

Das diesbezüglich meist diskutierte Problem ist das des Abrahams, als Gott ihm befiehlt, seinen einzigen Sohn zu opfern: Opfert er, verstößt er elementar nicht einfach nur gegen das Tötungsverbot sondern dies in besonders drastischer Art, denn er tötete dann seinen eigenen Sohn. Opferte er aber seinen Sohn nicht, sündigte er wider Gott, der ihm diese Opferung ja befohlen hat. Es ist dann darüber hinaus noch zu fragen, ob den Gott selbst Abraham diesen Befehl hat geben dürfen, denn er forderte ja so eine Tat, die Gott selbst in seinen Geboten als eine schwere Sünde qualifiziert. Dies Dilemma läßt sich nun aber und so praktiziert es die hl. Schrift selbst, so lösen: „Wer das tut, was Gott von ihm verlangt, sündigt nicht, auch wenn das Gebotene an sich betrachtet eine Sünde ist.“Das darf dann aber nur für die höchste Autorität, Gott gelten, nicht für jede Autorität: Verlangte etwa ein staatliches Gesetz, daß Ärzte Kindestötungen im Mutterleibe zu vollziehen hätten, bleibt diese Tötung eine Sünde, auch wenn ein staatliches Gesetz ein solches Töten verlangt.

Kann es aber dann überhaupt Dilemmasituationen geben, oder existiert für jede Dilemmasituation zumindest eine Handlungsoption, die dem: „Sündige nicht!“ gerecht wird? Ich behaupte nun, daß es solche Situationen gibt und daß es sich dabei auch gar nicht nur um extreme Ausnahmefälle handelt. Gesetz den Fall: Der Ehemann sagt zu seiner jungen Ehefrau: „Ich lasse mich von Dir scheiden und werde eine andere Frau heiraten. Denn ich hatte eine Affaire mit ihr und nun ist sie von mir schwanger. Wir bekommen ein gemeinsames Kind!“

Betrachten wir diesen Fall nun aus der Perspektive des Ehemannes: Er hat gesündigt, weil er mit einer anderen Frau, reden wir Klartext, geschlafen hat. Aber nun ist diese Frau von ihm schwanger. Er hat nun, obgleich er mit ihr gesündigt hatte, indem er mit ihr schlief, Pflichten ihr gegenüber, da sie die Mutter seines Kindes ist. Als Vater hat er auch Pflichten seinem Kinde gegenüber. Daß er als Verheirateter Pflichten seiner Ehefrau gegenüber hat, ist nun eine Selbstverständlichkeit. Existiert nun für diesen Ehemann eine Handlungsoption, in der diesen drei Verpflichtungen gerecht werden kann, Gäbe es eine solche, dann wäre die die zu wählende, denn in dieser sündigte er dann nicht. Man kann nun diesen Fall durchdenken, so lange man will, es findet sich keine Handlungsoption, in der der Ehemann all seinen Pflichten gerecht werden kann. Er kann nicht der Vater dieses Kindes sein, ohne gegen seine Pflichten seiner Ehefrau nicht gerecht zu werden. Wollte er mit seiner Ehefrau zusammen diesem Kinde die Eltern sein, würde er seinen Pflichten der Mutter des Kindes nicht gerecht, er nähme ihr ja so ihr Kind. Will er nun mit der Mutter des Kindes zusammen dem Kinde seine Eltern sein, so verstößt er gegen seine Pflichten seiner Ehefrau gegenüber.

Das simpelste Antwort, im Protestantismus favorisiert heißt, daß dann das Gewissen des Ehemannes die Entscheidung zu treffen habe. Aber auch das größte Gewissenspathos kann dann die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß egal wie die Gewissensentscheidung ausfällt, der Ehemann sündigt.

Wie immer nun auch die Moraltheologie hier gut oder weniger gut begründet erklärt, für welche Handlungsoption sich der Ehemann entscheiden soll, sie darf nicht die Wahrheit eskamotieren, daß er immer dabei sündigen wird. Auch im Leben eines Christen gibt es die Möglichkeit des Tragischen, daß er weiß, nicht sündigen zu sollen, aber daß es Situationen gibt, aus denen er nicht ohne schmutzige Hände, ohne zu sündigen, herauskommt. Die Anerkenntnis der Möglichkeit des Tragischen verhindert es nun aber, daß die Moraltheologie optimistisch oberflächlich wird, als ob es für jede Lage gute Lösungen gäbe, sodaß man immer es vermeiden könne, zu sündigen. 

Merke: Eine Theologie ohne den Begriff des Tragischen und des Schicksales wird seicht, neigt sich zur Trivialliteratur  hin.  


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