Der eine Priester und die
vielen
oder:warum
gibt es neben dem einen Priester Jesus Christus noch die vielen
anderen?
Fangen wir
ab ovo an. Befrügen die deutschen Bischöfe das Kirchenvolk, wozu es
Priester bräuchte,ob Gott das Priestertum wolle und die Menschen es
bräuchten?, wir brauchen keine Propheten zu sein, um das Ergebnis
voauszusagen: Pfarrer und Gemeindeleiter ja, aber Priester, das sei
wohl was zutiefst Mittelalterliches. Es sei denn,man verwechselt den
Priester mit dem vom Priester ausgeübten Beruf Beruf des Pfarrers.
Den könne man wohl noch was Sinnvolles abgewinnen.
1.
Priester-Nein Danke: Gottes Liebe und das Priesterum schließen sich
aus!
Vulgärtheologische
Vorstellungen fundieren diese Meinung: Gott sei die Liebe, er liebe
alle Menschen und wolle, daß die Menschen sich untereinander
lieben.Etwas Frömmere ergänzen dann noch: und daß wir Gott lieben
sollen.Psychologisch Visiertere fügen dann noch hinzu, daß die
Liebe Gottes uns zur Selbstannahme befähige, Gottes großes Ja zu
mir, das mich befähigt, auch zu mir Ja zu sagen. So, unendlich
variiert, kann man es in Religionsunterrichtsstunden und
Gottesdienstpredigten hören.In dies Gottesbild paßt das Bild eines
Priesters nicht hinein! Wie ein Fremdkörper wird es ausgestoßen als
inkompatibel mit dem Glauben an Gott als die Liebe. Der theoretischen
Verneinung des Priestertumes folgt dann die praktische auf den Fuß:
immer weniger Männer wollen Priester werden. Denn das Priestertum
als solches ist etwas Gottwidriges, wenn Gott wirklich die Liebe ist.
Nicht aus Mangel an Glauben und Frömmigkeit, sondern gespeist aus
diesem Gottesbild folgt das: „Nein!“ zur priesterlichen Berufung!
Nietzsches
Wort über Jesu: „Die Kirche ist exakt das, wogegen Jesus gepredigt
hat-und wogegen er seine Jünger kämpfen ließ.“1
ist bekannt. Wenn schon alle Religionen ein Priestertum kennen, dann
wäre das Besondere Jesu, genau jedes Priestertum und damit die
Kirche abzulehnen. Aber der Apostelfürst Paulus ist für Nietzsche
ja der eigentliche Konstrukteur des Christentums. Jesu „Attentat
auf Priester und Theologen mündete, Dank dem Paulus,in eine neue
Priesterschaft und Theologie-einen herrschenden Stand, auch eine
Kirche.“2
Die Vorstellung eines prinzipiell kirchen-und priestertumsfeindlichen
Jesu, dem dann das kirchliche Christentum mit Priestern und Opfern
gegenübergestellt wird, gehört spätestens seit Nietzsche zum
Inventar des liberalen Protestantismus und des liberalen
Katholizismus. Jesus wollte weder Priester noch Kirche.So tönt
J.Blank: „Nach dem Hebr ist Jesus Christus deshalb das Ende von
Opferwesen und Priestertum,weil er selbst sowohl die vollkommene
Opfergabe als auch der vollkommene Hohepriester ist,und zwar beides
in einem, in seiner eigenen Person.“3
Nur einer unglücklichen Einpassung an die heidnische Umwelt verdanke
es, daß aus Jesu Jüngern eine hierachisch-priesterliche Kirche
werden konnte. Nietzsche sieht schon in Paulus den Anpasser an „das
große Bedürfnis der heidnischen Welt“4,
andere verorten den Abfall später. Gemein ist ihnen aber die
Zustimmung zur Parole: Jesus verkündete das Reich Gottes, es kam
aber die Kirche. Und mit ihr kamen die von Jesus abgeschafften
Priester wieder.Wenn Jesus kein Priester war, sein Kreuzestod kein
Sühnopfer, dann hieße die Parole: weil er keiner war, darf es im
Christentum auch keine Priester neben ihm geben.
2.Weil Jesus
der wahre Priester ist, darf es kein Priestertum mehr geben.
Luther war
hier gemäßigter: weil Jesus der wahre Priester ist, darf es neben
ihm keine anderen Priester mehr geben. Konsequenterweise schaffte
Luther so das Amtspriestertum ab und ersetzte es durch Pfarrer, die
keine Priester mehr waren.Deshalb verwarf er auch das Zölibat, denn
es gibt keinen Grund dafür, daß der Pfarrer als Gemeindeleiter
zölibatär zu leben habe, wenn er kein Priester mehr ist. Aus dem
priesterlichen Gemeindevorsteher wurde so ein bürgerlicher Beruf,
den erst nur Männer, dann aber auch Frauen ergreifen durften, weil
er nun ein bürgerlicher Beruf wurde.
Unter dem
Wandel zum bürgerlichen Beruf sei verstanden, daß aus einem
heiligen Stand, der dem Weltlichen entzogen ist,dem Priestertum, ein
weltlich Ding wurde, ein Beruf in der Spannung zum Privatleben in der
Familie und dem Staatsbürgerleben. Der Bürger existiert nur als
Bürger,indem er in verschiedenen Räumen lebt, dem des Berufes in
der Gesellschaft, in der Familie als Privatperson und als
Staatsbürger im Raume des Staatslebens. Der Priester existiert
dagegen nur im Raum des Heiligen. Er lebt sozusagen außerbürgerlich,
damit der Bürger bürgerlich leben kann, vergleichbar dem
Nachtwächter, der wacht, damit alle anderen des Nachts ruhig
schlafen können.
- Ein Priestertum ist antichristlich ?
Also, wir
stehen vor der Auswahl, daß entweder das Priestertum als solches
schon ein Irrtum sei, weil Gott die Liebe sei, oder das Jesu
besondere Anliegen die der Abschaffung des Priestertumes sei,oder daß
Jesus, indem er der wahre Priester war und ist, jedem Priestertum
neben ihm verwirft. Wer Jesu als Priester nachzufolgen
versucht,verfehlte so hundertprozentig Jesu eigenstes Anliegen. Eine
Konsequenz hat das: Das Alte Testament mit seinem dort als von Gott
gewolltem und eingesetztem Priestertum wäre ein einziger Irrtum
gewesen. Nur ein paar kultkritische Aussagen blieben da vom Alten
Testament übrig. Wir müßten also doch zu klamheimlichen
Marcionanhängern werden, der ja das ganze Alte Testament als mit
Jesu Verkündigung unvereinbar eliminieren wollte. Und der Ablehnung
jeden Priestertumes gegenüber wohnt wirklich ein Schuß Marcionismus
inne. Jesu wird als das ganz Andere begriffen, der Nein sagt zur
natürlichen Ordnung der Welt, zu der eben auch das Priestertum
gehört, insofern es ein Produkt der natürlichen Gotteserkenntnis
ist. Dies Auseinanderreißen von der natürlichen Ordnung und der
jesuanischen Gnadenordnung, daß um der Gnade willen die Naturordnung
perhorresziert, ist etwas Marcionitisches.
4.Opfer und
Priestertum
War Jesu ein
Priester und war sein Kreuzestod ein Sühnopfer? Vor dieser Frage
stehen wir jetzt. Und können wir diese nicht beantworten, erübrigt
sich die Frage, ob es neben Jesu im Christentum noch ein legitimes
Priestertum geben könnte. Es könnte nämlich nur eines geben, gäbe
Jesus Menschen Anteil an seinem Priestertum. Aber um diese Frage
respondieren zu können, müssen wir zuerst wissen, was das
Priestertum von seinem Wesen her ist,um dann erst zu fragen,ob Jesu
Priester war und sein Kreuzestod ein kultisches Opfer. Ein verfehlter
Christozentrismus, ausgehend von der sogenannten „dialektischen
Theologie“ hat hier viel Schaden angerichtet, indem man nun meinte,
erst in Jesus Christus wäre erkennbar, was das Priestertum und das
Opfer sei.Nicht könne und dürfe ein vorchristlicher Begriff des
Priestertums konstruiert werden, um dann zu eruieren,ob und inwieweit
Jesus ein Priester war. Diese Position vertreten unter vielen auch
Hilberath und Schneider in ihrem Lexikonartikel: Opfer.5
Das ist aber erkenntnistheoretisch ein Irrweg: ich muß über den
Begriff des Priesters verfügen,um urteilen zu können, ob Jesus ein
Fall des Priestertums ist. Paulus sagt, daß das Gesetz der Pädagoge
auf Christus hin ist. Ausgeschlossen ist damit die Vorstellung einer
unmittelbaren Erkenntnis Jesu. Das Alte Testament bzw die natürliche
Gotteserkenntnis präpariert uns Menschen pädagogisch zur
Christuserkenntnis. Somit gilt: das Wissen um Opfer und Priestertum,
gegründet in der natürlichen Gotteserkenntnis und der besonderen im
Alten Bund bildet den Elementarunterricht, auf dem Jesu Lehre und
Wirken aufbaut.
Das ist
nebenbei gesagt das heute noch zu würdigende Anliegen der
Uroffenbarungskonzeption P. Althaus gegen die dialektische Theologie
und isb, gegen Karl Barth.
- Opfer und Priester im Alten Bund
Dieses
Programm kann hier nicht eingelöst werden. Deshalb werden hier
Vorüberlegungen präsentiert. An drei Erzählungen aus dem Alten
Testament soll erörtert werden, was das Opfer ist und damit die
Frage: wozu gibt es Priester?
Wir dürfen
davon ausgehen, daß die allseits bekannte Sintflutgeschichte auch
eine Kultätiologie enthält. Die Erzählung beantwortet die Frage:
Warum bringen wir Gott Opfer dar? Der Sitz im Leben dieser Geschichte
ist also die Infragestellung ser Selbstverständlichkeit des
Opferkultes.Das spricht exegetisch ob dieses Reflexionsniveaus für
eine nachexilische Entstehungszeit, zumal die Erfahrung eines
opferkultlosen Gottesdienstlebens im Exil, weil nur in Jerusalem Gott
wohlgefällige Opfer dargebracht werden würden, die
Selbstverständlichkeit des Opfers in Frage gestellt haben dürfte.
Noah bringt Gott das Opfer dar. Gott bereitet dies Opfer ein so
großes Wohlgefallen, daß er beschließt, die Welt, obwohl die
Menschen weiterhin bösen Herzens sind,nicht mehr zu vernichten. Gott
vernichtet die Welt nicht, damit ihm weiterhin die ihm wohlgefälligen
Opfer dargebracht werden. Es ist bezeichnend, daß in der
Nacherzählung dieser Geschichte in den „Nachtwachen des
Bonaventura“ der romantische Schriftsteller genau dies Opfer
wegläßt.6
Dem nachaufklärerischem Verfasser ist das zu viel unaufgeklärtes
Mittelalter. Daß Gott um des Kultopfers willen die Erde
weiterbestehen läßt, das ist die Aussage dieses Textes.
Selbstverständlich meint dies nicht ein einmaliges Ereignis. Nein,
die Kultpraxis der nachexiklischen Zeit reflektiert hier auf ihren
Ursprung: warum wird Gott geopfert. Die sogenannte priesterliche
Theologie verblüfft den aufmerksamen Leser ja immer wieder damit,
daß der Ausführlichkeit liturgischer Bestimmungen über das Opfer
gegenüber eine fundamentaltheologische Reflexion über das Wozu des
Opfers fehlt. Das leistet gerade dieser Text in seiner eigentümlichen
Spannung zwischen einem pessimistisch-realistischen Menschenbild und
der These, daß der Mensch trotzdem Gott wohlgefällige Opfer
darbringen kann. Noah, der einzig Gerechte bringt das Opfer dar.
Damit ist schon präfiguriert, daß nur von der Allgemeinheit
ausgesonderte Menschen, Priester Gott wohlgefällige Opfer darbringen
können. Darum gibt es ja im Alten Bund besondere Heiligkeitsgesetze
ausschließlich für den Stand der Priester. Sie müssen sich
besonders vor jeder Verunreinigung bewahren, um Gott wohlgefällige
Opfer darzubringen.
Ein
Szenenwechsel
Wir befinden
uns im Jahre 520 v. Chr. Das israelische Volk, heimgekehrt, beginnt
mit dem Wiederaufbau.Erst Wohnungen für sich bauen, mit der
Landwirtschaft wieder anfangen und wenn das Lebensnotwendige
geschafft ist, dann soll auch der Tempel des Herrn wieder erbaut
werden.
Der Prophet
Haggai verkündet nun, auf die Trümmer des alten Tempels verweisend:
„Ist etwa die Zeit gekommen, daß ihr in euren getäfelten Häusern
wohnt, während dieses Haus in Trümmern liegt?“ (Hag1,4). Weil es
keinen Tempel und keinen Opferkult gibt, darum leide das Volk an
Mangel an allem, Mißernten, zu wenig Wein, keine wärmenden Kleider,
ja selbst der Geldmangel, ein Zuwenig an Kaufkraft-all dies ist die
Folge davon, daß Israel den Tempel vernachlässigte, und ohne
Gottes Segen
ernten und wirtschaften wollte.
Der Tempel
Gottes mit seinem Opferkult ist so für das Elementarste des Lebens
notwendig. Der Kult gehört nicht in den Freizeitbereich als
Verschönerung, als Verklärung des Lebens, er bildet das Fundament
für das Leben, daß des Menschen Arbeiten Frucht bringt, weil Gott
es segnet. Der Gott Israels war und ist immer auch der Gott der
Fruchtbarkeit, der Ernte und des Kindersegens. Das fromme Israel
wußte aber auch immer, daß Gott gebeten werden will, damit er gibt.
Nur wenn die Beziehung des Volkes zu Gott in Ordnung war, gab Gott,
war sie gestört, durch Sünden des Volkes, mußte sie wieder in
Ordnung gebracht werden durch Sühnopfer und Bittopfer. Abstrakter
formuliert: jede Religion setzt voraus, daß Gott oder die Götter
sich kontingent zum Verhalten der Menschen verhalten. Religion würde
sich zur Magie, wenn der Gott durch eine kultische Praxis so
beherrscht werden könnte, daß der Magier sagen kann: immer, wenn
ich es recht praktiziere, wird der Gott uns das geben, was wir von
ihm wollen. Religion setzt Gott als Souverän voraus, der aber bereit
ist, ein Opfer zu erhören und so die Bitten seines Volkes zu
erhören. Es weiß, daß Gottes Erhören ein Akt der Gnade Gottes
ist. Gott will aber erhören, wenn die Menschen gemäß Gottes
Ordnung ihm die Opfer darbringen. Die Kultkritik im Alten Bund ist so
die Kritik der Priester und des Volkes, nicht gemäß Gottes Willen
den Opferkult zu praktizieren. Nicht wird der Kult verneint.
Die primär
kultische Religion wird erst ethisch durch die Einsicht, daß nur
reine Hände-im moralischen Sinne- Gott wohlgefällige Opfer
darbringen können. Weil so viel Blut an König Davids Händen
klebte,durfte er ja den Tempel nicht erbauen, sondern erst König
Salomon.
Eine Szene aus den jüdischen Befreiungskriegen
Jüdische
Soldaten waren in einer Schlacht gefallen, Sie sollten nun beerdigt
werden.Da entdeckte man an ihnen Amulette der Götter von Jamnia.
(Vgl: 2. Makkabäer 12, 32-45) Sie hatten das Beisichtragen von
Götzenamuletten vor dem Tode im Kampf zu schützen. Deswegen war
der Zorn Gottes über sie gekommen, sodaß sie in der Schlacht
fielen. Eingedenk der Verheißung der Auferstehung von den Toten
entühnte man die so Gefallenen, damit auch sie ins ewige Leben
eingehen könnten.Es wurde ein Sühnopfer für die Gefallenen
dargebracht. (Es ist kein Zufall,daß Martin Luther diesen Text als
den Schriftbeleg für das Meßopfer zugunsten Verstorbener aus dem
Bibelkanon streichen ließ!) Diese Sünde, sein Leben unter den
Schutz eines Götzenamulettes zu stellen, war keine lässige Sünde.
Gott bestrafte sie mit dem vorzeitigen Tode und dem Ausschluß von
der Auferstehung der Toten zum ewigen Leben dafür. Aber der selbe
Gott des gerechten Strafens hat auch den Kult der Entsühnung
eingesetzt: daß die Gemeinde für ihre Verstorbenen Meßopfer
darbringen kann, umso sie zu entsühnen und den Weg frei zu machen
für das ewige Leben.
Ein Resümee:
Das Opfer
und die Priester, die die Opfer darbringen, sind für das Leben von
elementarster Bedeutung: der Zorn Gottes, der gerechte, wollte die
Erde, Gottes eigenes Schöpfungswerk vertilgen, weil es sich ganz der
Sünde hingegeben hatte. Aber um des Opferkultes willen, von Noah
initiiert, verschont Gott seine Schöpfung vor dem sie vernichtenden
Gericht. Selbst das Elementarste des Lebens, Nahrung, Kleider und den
Wein zur Lebensfreude ist abhängig vom Opferkult.Nur wenn der
Tempelkult existiert, gewährt Gott das Lebensnotwendige. Aber das
Leben ist nicht endlich. Gott verheißt ewiges Leben.Damit wir
Menschen eingehen können in das ewige Leben hat Gott die besondere
Praxis des Sühnopfers für Verstorbene eingesetzt. Die Priester,
Gottes besondere Diener sind für das Opfer zuständig, denn ohne
Priester kein gültiges Opfer. Damit haben wir eine vorläufige, das
ganze Wesen des kultischen Opfers sicher noch nicht erfassendes
Vorverständnis vom Opfer uns erarbeitet, um zu fragen: wie verhält
sich Jesu Kreuzestod zu diesen Opfern.
6.Ist Jesu
Kreuzestod ein Opfer?
Um für die
schwierige Frage, war Jesu Kreuzestod ein Opfer, ein Sühnopfer, soll
jetzt aber ein Experiment gewagt werden. Selbstredend ist der
spekulativen Begründung, warum ist der Kreuzestod Jesu ein Opfer?,
wie sie mustergültig Ott in seiner Dogmatik entfaltet, zuzustimmen.
„Spekulativ
läßt sich der Opfercharakter des Kreuzestodes Christi daraus
begründen, daß alle Erfordernisse des Kultopfers erfüllt waren.“
„Die Opferhandlung bestand darin, daß Christus in der Gesinnung
vollkommenster Selbsthingabe an Gott freiwillig sein Leben hingab,
indem er die gewaltsame Tötung zuließ, obwohl er die Macht hatte,
sie zu verhindern. Vgl Jo 10,18.“7
Als Ergänzung dieser spekulativen Entfaltung soll aber nun dieser
Gedanke hinzugefügt werden: Wenn es die vornehmste Aufgabe des
Priesters ist, Gott Opfer für das Leben darzubringen, was tat dann
der Hohepriester Kaiphas, als er -verantwortungsethisch reflektiert
beschloß, einen zu opfern, um vielen das Leben zu retten? Die
Aufgabe des Hohenpriesters ist es, das Sühnopfer darzubringen; in
ihm kumuliert das Priestertumes zu seiner vollsten Entfaltung. Fragen
wir: woran ist Jesu Kreuzestod als Sühnopfer erkennbar, dann können
wir antworten: gerade daran, daß der Hohepriester Kaiphas Jesus
opfert, um die Vielen zu retten. Gott selbst gab ihm dies ein! Das
ist deine Berufung, sagt Gott zum Hohepriester: den einen zu opfern,
um die vielen zu retten.Auch hier gilt, wie in den drei Fällen aus
dem alten Bund: das Opfer soll den Zorn Gottes wieder von Menschen
abwenden und damit die Voraussetzung dafür legen, daß der gerechte
Gott wieder gnädig zu den Seinen ist.
Hätte Jesus
sein Opfer nicht ohne das Mitwirken des Hohepriesters darbringen
können? Sicher, aber Gott wollte es nicht. Gott selbst hat das
Priestertum des alten Bundes installiert, damit es Gott nun in der
Gestalt des Hohepriesters Kaiphas das Sühnopfer darbringt. Jesu
Sühnopfer soll so nicht die reine Negation des alten Bundes sein,
sondern ihre Vollendung. Und darum wirkt das gewichtigste Amt des
alten Bundes, der Hohepriester bei diesem Sühnopfer mit! Gott bejaht
das Amt und seinen Amtsträger als Kooperator Gottes. Und das ist die
tiefste Wahrheit des priesterlichen Amtes!
- Das eine und die vielen Opfer
Wie verhalten
sich nun die vielen Opfer des alten Bundes zu dem einen Opfer Jesu
Christi? Das eine Opfer und die vielen Opfer. Es gibt verschiedene
Möglichkeiten: es sind verschiedene Opfer, wobei dem Opfer Jesu dann
eine besondere Bedeutung zukäme oder es gibt ein Opfer, das des
Kreuzes und die anderen sind keine Opfer oder es gibt nur ein Opfer,
das die Substanz aller Opfer wäre, so wie es ein Menschsein gibt,
das sich in vielen Menschen individuiert. Wäre es eine Serie von
Opfern, dann ergäben sich beachtliche Folgeprobleme: wenn das
Sühnopfer für die gefallenen Soldaten, wie im Makkabäerbuch
geschildert, zur Entsühnung Verstorbener hinreichend wirksam ist,
wozu starb dann Jesus noch am Kreuze? Und wenn das von Noah initierte
Kultopfer ausreicht, um Gottes Zorn von seiner gefallenen Schöpfung
abzuhalten, wozu bedurfte es dann noch des Opfers Jesu? Nimmt man die
Opfer und den Opferkult des alten Bundes ernst, daß so die von Gott
gewollten Opfer dargebrcht wurden von den dazu bestimmten Priestern,
dann erscheint Jesu Opfer als überflüssig. Soll aber Jesu Opfer
das wahre, Gott wohlgefällige Opfer sein, dann entwertet das die
Opfer des alten Bundes. Ott bezeichnet in seiner Dogmatik die Opfer
des alten Bundes als „Vorbilder des Kreuzesopfers Christi“.8
Aber so schriftgemäß das auch ist, vgl Hebr 8-10, so läßt auch
dieser Begriff uns im Unklaren: ist das Vorbild ein selbstständiges
Bild, also ein vom Kreuz Christi verschiedenes Opfer, das dieses nur
vorabbildet,oder ist es bildtheoretisch gemeint, daß das Bild von
etwas nicht das Etwas selbst ist, sodaß es gar kein wirkliches Opfer
wäre. Wie könnte aber ein nichtwirkliches Opfer so viel Kraft
haben, Gottes Zorn von seiner Schöpfung abzuwenden?
Dies Problem
reproduziert sich in Hinsicht auf die Praxis der Meßopfer des neuen
Bundes. Wozu bringen Priester der Kirche das Meßopfer dar, wenn das
eine Opfer Jesu am Kreuze schon das wahre alleingenügsame ist? Und
wenn es nur Bilder des wahren Opfers wären, wären es dann keine
wirklichen Opfer mehr? Aber das Konzil von Trient lehrt eindeutig
über das kirchliche Meßopfer:
„Und weil in
diesem göttlichen Opfer, das in der Messe vollzogen wird, jener
selbe Christus enthalten ist und unblutig geopfert wird, der auf dem
Altar des Kreuzes ein für allemal sich selbst blutig opferte (vgl:
Hevr 9,14 27):so lehrt das heilige Konzil,daß dieses Opfer wahrhaft
ein Sühnopfer ist.“9
Gott wird durch das Meßopfer versöhnt. „Durch die Darbringung
versöhnt“10
Gott wird durch das Kreuzopfer versöhnt und durch das Meßopfer und
auch das Sühnopfer für die gefallenen Soldaten der Makkabäer
versöhnte Gott. Das „und“ wird uns nun zum bedrängenden
Problem. Denn, wenn nur das Kreuzopfer Christi Gott versöhnte, dann
könnten die Opfer desalten und des neuen Bundes keine wirklichen
Opfer sein und dann wären die Priester des alten wie des neuen
Bundes keine Priester. Wenn es aber eine Serie von Opfern wäre, dann
wäre das Kreuzopfer Jesu nicht das eine Opfer, ja es könnte auch
fehlen, weil die anderen schon so wirksam sind!
Solange wir
fragen: wenn es das eine Opfer Jesu am Kreuze gab, warum gibt es dann
noch die vielen anderen?, können wir darauf keine Antwort finden.
Das eine Kreuzaltaropfer verunmöglicht es, weitere Opfer neben
diesem einem Opfer zu denken. Hiermit hat Luther recht. Gäbe es
neben dem einen noch viele, würde dadurch das eine entwertet zu
einem von vielen. Eine Serie von Opfern entwertete notwendig die
Einmaligkeit des einen Opfers. Wenn das eine Opfer Jesu das wirkt,
was die Kirche von ihm lehrt, dann nichtet dies eine jede Legitimität
weiterer Opfer. Ich sehe aus diesem Dilemma, entweder alle Opfer
außer dem einen Opfer Jesu für nichtig zu erklären, oder um der
vielen Opfer willen das eine herabzustufen zu einem unter vielen,
ohne daß dann die Notwendigkeit dieses einen Kreiuzesopfers noch
begriffen werden könnte, nur einen Ausweg. Dieser mag etwas
spekulativ anmuten, aber ist besser, als vor dem ungelösten Problem
zu kapitulieren.
Die These
lautet: das eine Opfer, dem wir unsere Entsühnung und unser Heil zu
verdanken haben, ist selbst die dialektische Einheit des Urbildes des
Opfers,Jesu Christi Opfer und den vielen Abbildern dieses einen
Urbildopfers. Ein Vergleich mag dies erhellen: das mendschliche
Selbstbewußtsein ist die Setzung der Differenz von Ich und dem
gewußten Ich und die Aufhebung dieser Differenz in der Einssetzung
des gewußten Iches mit dem wissenden Ich. Die dialektische Einheit
ist gerade diese komplexe Prozeß der Setzung von Differenz und der
Aufhebung der gesetzten Differenz. Das Kreuzaltaropfer ist somit
nicht einfach das eine Opfer, dem dann noch viele andere folgen,
sondern gleicht eher der Idee des Menschen, wie Gott ihn in sich
dachte und dann dies Urbild in der Mannigfaltigkeit der
Individuierungen der Idee des Menschseins hervorbringt.So sind alle
Menschen eins in der Idee des Menschseins und die Idee des
Mendschseins ist wieder die Substanz jedes Menschseins. Das eine
Opfer Christi ereignete sich als
das Urbild
aller Opfer, damit sie durch die Substanz des einen existieren
können.
Die Opfer
des alten Bundes sind so Vorabbildungen, die des neuen Bundes
Nachabbildungen des Urbildeds des Opfers Jesu am Kreuze. Sie bilden
eine dialektische Einheit: es ist ein Opfer mit einer Substanz,
Jesus, der sich in ihnen Gott als Opfer darbringt.Paulus deutet ja
an,im 1.Korimter 10. 1-5, daß die Sakramente der Taufe und der
Eucharistie schon-verborgen zwar-enthalten war. Einfach gesagt: wenn
Priester ein Sühnopfer für gefallene Soldaten darbringen, die in
schwerster Sünde gestorben sind, dann kann die Wirkkraft dieses
Sühnopfers nur Jesus Christus selbst sein. Welches andere Sühnopfer
hätte sonst so eine Entsühnungskraft in sich haben können?
- Der Priester neben dem Priester Jesus Christus
All diesen
Opfern ist nun eines gemeinsam: neben dem eigentlichen Priester Jesus
Christus handelt immer auch andere Priester:die Priester des alten
Bundes und die Priester des neuen Bundes. Warum? Weil im Urbild des
Opfers auch neben dem Priester Jesu der Hohepriester Kaiphas gewirkt
hat!
Weil Gott
das Opfer Jesu nicht ohne das Mitwirken des Hohepriesters Kaiphas
wollte, darum wirken auch in allen Abbildern dieses Urbildes Priester
neben dem Priester Jesu mit am Opferkiult.
Wenn Jesus
Christus ohne den Hohepriester Kaiphas sein Sühnopfer dargebracht
hätte, dann müßte rechtens kritisch gefragt werden: warum agieren
denn nun plötzlich wieder Priester.Denn Jesus Christus ist ja auch
und gerade in der Darbringung des Meßopfers der eigentlich
Agierende.Er bringt das Opfer dar auch im Kult des neuen Bundes. Die
Antwort, Christus lasse sich repräsentieren durch den Priester der
Meßfeier, klingt zwar gut, aber läßt die Frage weiterhin offen,
warum dann in der Meßfeier es den wahren Priester und einen ihn
Repräsentierenden geben soll,wenn das Kreuzopfer Jesu selbst allein
ohne einen Amtspriester vollzogen hätte?
Aber so
gefragt, wird gerade das Mitwirken des Hohepriesters übersehen. Es
ist kein Zufall, daß Kaiphas im Evangelium , im 11.Kapitel des
Johannesevangeliums so hervorgehoben wird. Von ihm wird das gesagt,
was von jedem wahren Priester zu sagen ist: er handelte in
Willensübereinstimmung mit Gott! Er tat, was Gott wollte. Auch wenn
er rein subjektiv die Bedeutung seines Tuns nicht in Gänze begriff,
tat er doch in der Kraft seines Amtes, wozu er von Gott her bestimmt
war.
9.Resümierend:
Im Zentrum
des Heilshandelns Gottes steht das Kreuzaltaropfer Christi.Gott will
das Heil der Menschen wirken durch dies Opfer. Er will das Heil der
Menschen aber nicht wirken ohne ein Mitwirken der Menschen. Im alten
Bund installierte Gott so einen Opferkult mit Priestern, damit das
Opfer Christi nicht ohne ein Mitwirken von rein menschlichen
Priestern vollbracht würde. Dies eine Heilsopfer besteht nicht aus
einem einmaligen Ereignis in der Geschichte, dem Kreuz Jesu, dem
dann, warum auch immer, weitere Wiederholungen oder Vorläufer zur
Seite gestellt werden, sondern Gott hat ein Opfer von Ewigkeit her
gewollt als die Einheit von dem Urbild des wahren Opfers, dem
Kreuzopfer Jesu und den Abbildern dieses Urbildes, den Opfern des
alten und neuen Bundes. Das menschliche Priestertum ist nicht nur um
der Abbilder willen, sondern erhält seine Legitimität von daher,
daß ein rein menschlicher Priester schon im Urbild des wahren Opfers
mitgewirkt hat und nach Gottes Willen auch mitwirken sollte! Darum
gehört das Kreuz Christi und Christi Einsetzung des Meßopfers am
Gründonnerstag zusammen. Er setzte die Einheit von Kreuzopfer und
Meßopfer. Darum berief er seine 12 Apostel im Abendmahlsaal zu
Priestern, befähigte sie zur Darbringung des Meßopfers-nicht als
eine zusätzliche Ergänzung, sondern weil nur so das eine Opfer
konstituiert wurde als die dialektische Einheit von dem einen und den
vielen Opfern.
Es wäre ein
großer Gewinn für die Frage nach der Einheit vom Alten Testament,
Neuem und der darauf folgenden Kirchengeschichte, wenn diese Einheit
in der Idee des Opfers und des Priesters gesehen wird. Fatal wäre
es, entstünde das Bild einer jüdisch-alttestamentlichen Frömmigkeit
mit Priestern und Opfern, die mit dem, was Jesus lebte und lehrte
nichts zu tun hätte, weil Jesus, wie es im Geiste Nietzsches heute
viele meinen, eine opferlose Religion stiften wollte oder dahin das
Judentum reformieren wollte.Jesu hielte „das kultische Sühneritual
für überflüssig“ kann man dann bei J. Blank lesen.11.
Zudem müßte dann gefolgert werden, daß die Kirche dann, ganz wider
Jesu Intention das Priestertum wieder eingeführt hätte und es so
etwas eigentlich Illegitimes wäre. Damit müßte dann auch das
Zentrum des alten Bundes, der Kult mit seinem Tempel, seinen
Priestern und Opfern als Irrtum abqualifiziert werden. Gott hätte so
was nie gewollt. Aber daß das Priestertum von Gott gewollt ist, das
zeigt ja gerade der Hohepriester Kaiphas. Gott beruft ihn dazu, das
zu tun, was er von Amtswegen zu tun hat: er bringt wahrhaftig das
Sühnopfer dar,Jesus Christus und Jesus Christus läßt sich von ihm
opfern. Und das ist gerade die Substanz jedes von der Kirche
dargebrachten Meßopferes: Die Kirche bringt durch ihre Priester das
Opfer dar. Nur ein überspannter Christozentrismus läßt hier
Christus zum Alleinhandler werden und degradiert den Menschen zum
bloßen Empfänger sakramental vermittelter Gnaden. Aber in der
Heilsökonomie Gottes soll der Mensch nicht nur ein Gnadenempfänger
sein sondern auch ein Kooperator Gottes. Diese besondere
Würdestellung des Menschen in der Heilsökonomie manifestiert sich
am eindrücklichsten im Amte des Priesters wieder. Daß Gott rein
menschliche Priester für das zu erbringende Heilswerk wollte und
nicht nur den Gottmenschen Jesus, das zeigt das Mitwirken des
Priesters Kaiphas, der so der Ort ist, an den alle anderen
menschlich-allzumenschlichen Priester nach und auch vor ihm , im
neuen und im alten Bund traten. Daß Kaiphas gerade nicht ,nicht nur
für uns heutigen Leser den Eindruck moralischer Vollkommenheit
macht, ja er wohl auch als Privatperson nicht uneigennütztig hier
den Tod Jesu forderte, zeigt ein weiteres: das Amt des Priesters ist
eine wirkliche Möglichkeit für den Menschen! Könnten nur so wie
Christus Vollkommene Priester sein, es könnte keine rein
menschlichen Priester geben. Gerade daß der Hohepriester Kaiphas
eben uns auch menschlich schwach und eigennützlich handelnd
vorkommt, er wollte auch seinen Berufsstand bewahren, der bei einem
Aufstand gegen Rom wirklich gefährdet war, sagt uns, daß auch wir
in unserer Schwachheit und Unwahrhaftigkeit doch wahre Priester sein
können, weil es gerade dieser Kaiphas auch sein konnte!
Würde
dagegen einseitig nur betont, der Priester sei ein anderer Christus,
der Christusrepräsentant,würde gerade die wichtige Botschaft des
Kreuzes, Gott will den Menschen als Kooperator des Heilswerkes zu
kurz kommen. Es könnte der mißliche Eindruck entstehen, als handle
in der Messe eigentlich nur der Heiland selbst und der Priester
verkörpere nur sinnlich wahrnehmbar den eigentlich einzig da
Handelnden, Jesus Christus! Aber die Gestalt des Hohepriesters
Kaiphas schließt das aus. Er ist hier auch und gerade in seiner
relativen Selbstständigkeit wahrzunehmen und in dieser repräsentiert
er das gottgewollte Priestertum !
Uwe C.Lay
1Nietzsche,
F. Der Wille zur Macht, 168.
2Nietzsche,
F., Der Wille zur Macht, 167.
3Blank,
J.Priester/Bischof, in: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe,
Bd.3, 1985,Hrsgb. Eicher, S. 425.
4Nietzsche,
F, Der Wille zur Macht,167.
5Hilberath,
B.J./Schneiter, Th., Opfer, in: Neues Handbuch theologischer
Grundbegriffe Bd.3. Hrsgb: Eicher,P., 1985. S.293.
6Vgl:
Klingemann, A., Die Nachtwachen des Bonaventura, 9.Nachtwache.
7Ott,
L., Grundriß der Dogmatik, 11.Auflage, 2005, S.273.
8Ott,
L. Grundriß der Dogmatik, 11.Auflage, 2005, S.272.
9DH,40.Auflage,
2005, 1743.
10DH,40.Auflage
2005, 1743.
11Blank,
J.,Priester/Bischof, in: Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe,
Bd.3.,1985, Hersgb.Eicher, S.416.
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