Dienstag, 23. September 2014

Entweltlichung

Die Verweltlichung der Kirche-das Gebot der Stunde

Der Hl. Vater Benedikt XVI. irritierte mit seinem Begriff der Entweltlichung der Kirche nicht nur die deutsche Universitätstheologie. Kirchenoberen soll die Vorstellung eines Endes der staatlichen Kirchenfinanzierung schlaflose Nächte bereitet haben. Ist es doch keine überzogene Polemik, wenn man sagt, daß die Katholische Kirche Deutschlands mehr aus der Kraft des Geld als aus der des Hl. Geistes lebt. Und nun erst der Nachfolger! Nach dem Hl. Franziskus nennt er sich und prolongiert so schon Benedikts Anliegen einer Entweltlichung der Kirche. Die Forderung nach einer Entweltlichung der Kirche setzt aber eine verweltlichte Kirche voraus. Und wo Umkehr gefordert wird, da stößt diese Predigt, wie zu erwarten war, auf ein beharrliches: Wir wollen so weiter machen wie bisher! Es soll nun eine Apologetik der verweltlichten Kirche vorgeführt werden.

Die Apologetik des: Weiter so wie bisher! hätte es sich leicht machen können, indem sie dem theologischen und somit weltfremden Ansatz der Weltentfremdung die Maxime entgegengestellt hätte: um Menschen zu erreichen, müsse man sie dort abholen, wo sie stünden und das verlange ein Nochmehr an Weltzuwendung und keine Zurückwendung zu dogmatischen Wahrheiten. Seit dem 2. Vaticanum sei der Mensch der Maßstab der Theologie und das hieße: zu hören auf seine jetzigen Fragen und Bedürfnisse, um darauf einzugehen. Das dogmatische Programm des Papstes Benedikt könnte dann als zwar wahres aber eben als nicht mehr vermittelbares abgetan werden. Aber so schmalbrüstig kommt die Apologetik der verweltlichten Kirche nicht daher, gerade weil sie der Autorität des Hl. Vaters sich entgegenstellen will und das erheischt ein Mehr an theologischer Reflexionshöhe.

Es soll nun zuerst E. Beinert mit seiner Entgegnung wider den Hl. Vater dargestellt werden in seinem Plädoyer für eine verweltlichte Kirche. Die katholische Moraltheologie als Lehre vom rechten Handeln ist die Disziplin, in der am deutlichsten die Spannung von Ver- und Entweltlichung zum Ausdruck kommt in der Frage nach einem spezifisch christlichen Lebensstil. Gibt es eine spezifisch christliche Ethik oder geht sie darin auf, einfach die vorhandene zu bejahen? Der Würzburger Moraltheologe Professor Ernst wird so als Musterbeispiel des Konzeptes der Verweltlichung der Moraltheologie vorgestellt. Denn erst im Kontrast zu den Konzepten der Verweltlichung kann die Idee der Entweltlichung begriffen werden.

Professor Beinert, der interessanterweise zum Schülerkreis Kardinal Ratzingers gezählt , ja gelegentlich auch als sein Freund bezeichnet wird, eröffnete den Kampf wider den Papst medienwirksam, im Internet präsent!1 Er begnügt sich nicht mit einer oberflächlichen pragmatisch daherkommenden Kritik. Er kritisiert die Vorstellung einer Entweltlichung der Kirche theologisch und somit prinzipiell ab ovo. Gerade ob dieses prinzipiellen Charakters ist diese Fundamentalkritik nun wirklich beachtenswert, auch wenn am Ende doch wieder nur die sattsam bekannte Litanei der Zeitgeistanpassung dabei herauskommt. Nur, die Begründung für diese Weltanpassungsstrategie ist bedenkenswert.

Beinert präludiert seine Kritik an der Vorstellung der Entweltlichung der Kirche mit autobiographischen Anekdoten. Er erzählt, daß ihm beim Eintritt in das Priesterseminar der Besitz eines Rasierapparates zum Vorwurf gemacht wurde als ein zu weltlicher Lebensstil und daß gar ein Kandidat, weil er mit einem Auto vorfuhr und so offenkundig zu weltlich lebe, nicht zum Priesterseminar zugelassen wurde. Eine Phobie gegen alles Neue bestimme das Verhalten der Kirche zur Welt seit der Reformation. Die Kirche verstünde sich dagegen als Ort der Tradition, die so Rasierapparate, elektrisches Licht und die Eisenbahn ablehne. Geschickt vermengelt Beinert hier die kirchliche Kritik an der Moderne als Säkularusationsprojekt mit technikkritischen Äußerungen von Kirchenvertretern, um so den Eindruck zu erwecken, daß die Kirche aus Angst vor allem Neuen alles Fortschrittliche, technische wie kulturelle ablehne und dabei selbst von den Fortschritten der Vergangenheit lebe.

Entweltlichung meine dann das Nein zu allem Fortschritt in der Welt von der Kirche, die längst schon die weltlichen Fortschritte der Vergangenheit in sich aufgenommen hat. Die Kirche versuche durch die Setzung einer Differenz zur Welt ihre Identität zu bewahren und diese Angst um die eigene Identität verhindere ein Sichöffnen für die Welt. Das gelang erst dem 2. Vaticanum. Aber dieser Mut zum Dialog mit der Welt hielt nicht lange an. Papst Benedikt XVI. verkörpere wieder die vorkonziliare Tradition der Abgrenzung zur Welt aus Angst vor ihr.

Nach diesem Präludium kommt das theologische Hauptargument: Gott wurde in Jesus Christus Welt. Die Weltwerdung Gottes stehe im Zentrum der christlichen Religion. Eine Kirche, die sich entweltlichen wollte, verleugnete so die Weltwerdung Gottes. Der Welt wohne nun ein immanenter Fortschrittsprozeß inne. Der Schöpfungsbericht erzählt nicht, was einst war, sondern eschatologisch, was sein wird. Darauf ist der Weltlauf ausgerichtet. In der Welt gäbe es wohl Ambivalenzen: nicht alles in ihr ist gut, aber sie entwickelt sich zum Guten und die Kirche dürfe da unter der falschen Parole einer Weltfremdheit nicht abseits stehen. Schöpfung im Werden nennt Beinert dies. Einfacher gesagt: aus Christus, dem Haupt der Kirche wird Christus, das Haupt der Welt, die sich nun kraft der göttlichen Inkarnation zum Guten hin bewegt und die Kirche dürfe sich nun von diesem Weltfortschritt nicht distanzieren, denn so wandte sie sich von Gott ab. Als Musterbeispiel werden dann die Menschenrechtsideologie genannt, der sich die Kirche leider erst spät angeschlossen habe.

Fordern oberflächliche Gemüter einfach die Anpassung an die Welt, um besser bei den heutigen Menschen anzukommen, so fundiert dieser inkarnatorische Ansatz dies Anpassungsprogramm, indem er die theologische Aussage, daß Gott in einem Menschen zur Welt kam und daß dieser nun das Haupt der Kirche, seines Leibes sei, umwandelt zu der Aussage der Weltwerdung Gottes. Nun ist nicht mehr die Kirche das Licht der Welt, schon gar nicht als socitas perfecta, sondern der Weltfortschritt ist nun für die Kirche das Orientierungslicht. Je weltlicher die Kirche wird, je mehr sie selbst fortschrittlich ist,desto mehr lebt sie gemäß Gottes Willen. Der weltimmanente Fortschritt, sozusagen das Sein und Werden Gottes in der Welt, verlangt so die Verweltlichung der Kirche. Und was hat die Kirche der Welt noch zu sagen? Eigentlich nur dies, daß sie, indem sie fortschreitet,fortschrittlich ist, Gottes Willen erfüllt. Denn die göttliche Schöpfung ist im Werden. Nicht die Kirche hat diesen Fortschritt zu leiten, sondern die Welt entwickelt sich ob der Inkarnation Gottes in sie zum Guten. So ist für dies Votum für die Verweltlichung der Kirche, daß nicht sie das Licht für die Welt ist sondern die Welt das Licht für die Kirche, die Umdeutung der Inkarnation. Gott wurde nicht in einem Menschen Mensch sondern wird Welt, so daß nun die Welt der Wachstumsprozeß zum Reich Gottes ist, dem leider oft die Kirche bremsend gegenübersteht, wie gerade jetzt in der Person des Hl. Vaters Benedikt und aller konservativen Theologen.


Wir wenden uns nun der Moraltheologie zu, dem Konzept von Professor Ernst. Die begriffliche Polarität von Ent-und Verweltlichung findet sich in seiner im Internet präsentierten Moraltheologievorlesung nicht, aber offenkundig verbirgt sich in der Antithese von autonomer zu theonomer Moral genau das, was die Fundamentaltheologie mit dem Begriffspaar: Ver- und Entweltlichung meint.2

Das Grundanliegen der Autonomie der Morallehre kann in einem Satz zusammengefaßt werden: Das Ziel ist eine Moral ohne Gott. Dies atheistische Anliegen in die Katholische Theologie als legitim zu implantieren, ist so das Hauptanliegen des Moraltheologen Ernst. Für die traditionelle Moraltheologie ist die Ausrichtung auf den Willen Gottes, Gottes Gesetz und Gebote das selbstverständliche Zentrum und unter Gewissen wird dann verstanden der innermenschliche Ort des Wissens um Gottes Gesetz als ius naturae, als Stimme Gottes. Die kirchliche Tradition und das Lehramt als authentische Auslegung des Gesetzeswillens Gottes runden dann die traditionelle Morallehre ab. Also, um zur autonomen Vernunftmoral vorzustoßen, gilt es, viel Theonomes zu eskamotieren und zu deligitimieren.

Die Moraltheologievorlesung setzt also mit der Deligitimierung der traditionellen Instanzen der Moral ein. „Wie sich ethisch gutes und schlechtes Handeln erkennen läßt“, lautet das 1.Kapitel.3 Kann die Orientierung am Willen Gottes das Kriterium des Unterscheidens sein? Die Hl.Schrift und die traditionelle Moral sehen das zu, muß dann konstatiert werden. „Im NT wird mehrfach der Wille Gottes als Maß menschlichen Handelns genannt“4 und auch moraltheologische Handbücher sähen das so. Aber, und hier erblicken wir gleich ein Spezifikum dieser Art von Moraltheologie, nachdem die vermeintlichen Autoritäten, die Schrift und die Tradition zitiert wurden, tritt das allein vernünftig begründete: Nein! dagegen. „Zugleich ist die Berufung auf den Willen Gottes als Begründung ethischer Entscheidungen höchst problematisch“.5 Ein Meer von Vernunftargumenten wird nun gegen die theonome Konzeption erhoben. Die Orientierung an den Willen Gottes setze den Glauben an Gott voraus und der wäre nicht gesamtgesellschaftlich konsensfähig. Setze die traditionelle Moraltheologie die natürliche Gotteserkenntnis als Möglichkeit jedes vernünftigen Denkens voraus und somit auch die Möglichkeit einer Orientierung an Gottes Willen, soweit dieser der Vernunft erkennbar sei, so ist hier selbstverständlich der Glaube, daß Gott ist und daß sein Wollen erkennbar ist, keine Möglichkeit der Vernunft mehr. Daß Gott ist, ist nicht mehr konsensfähig und so kann Gott nicht mehr Element einer allgemeingültigen Moral sein. Aber das reicht noch nicht zur Deligitimierung der Instanz Gottes für die Moraltheologie.

Die Begründung ethischer Normen mit dem Willen Gottes bedeutet einen Zirkelschluss. Sie setzt voraus, dass Gottes Wille tatsächlich ethisch gut ist. Um dies zu beurteilen, muss man aber schon wissen, was ethisch gut ist.“6 Gottes Wille und was ethisch gut ist, werden hier als zwei verschiedene Größen gesetzt, um dann ontisch zu sagen, daß nur, wenn Gottes Wille kompatibel ist mit dem ethisch Guten, Gottes Wille gut ist, und um dann explizit noetisch auszusagen, daß die Erkenntnis des ethisch Guten die Voraussetzung dafür ist, den Willen Gottes als ethisch gut zu erkennen. Damit wird Gott überflüssig für den Diskurs: was ist das ethisch Gute?, weil dies unabhängig von Gott ist, ontisch und noetisch unabhängig von Gott erkennbar ist. Wäre das ethisch Gute nicht ontisch unabhängig von Gott, könnte es nicht unabhängig von Gott erkannt werden. Selbstredend ist die Vorstellung des Seins des Guten unabhängig von Gott theologisch eine Absurdität, denn die Unterscheidung von Gut und Böse, um es traditionell auszudrücken, ist nicht unabhängig von Gott sondern nur durch Gott, indem er souverän diese Differenz setzt durch seinen Willen. Gäbe es das Gute unabhängig von Gott, wäre Gott dem Guten subordiniert und somit entgöttlicht.

Daß Gott kein Element der katholischen Morallehre sein dürfe, will nun die Moraltheologievorlesung auch noch theologisch begründen! Das erste theologische Argument lautet, daß Gott unbegreiflich und unaussprechlich sei. Gott falle so „aus dem Gesamtzusammenhang all dessen heraus, was wir mit unserer Erfahrung und Vernunft erkennen können.“7 Hier wird die Frage der Erkenn-und Begreifbarkeit Gottes konfundiert mit der Frage nach der Erkennbarkeit von Gottes Geboten und Gesetzen. Zur Veranschaulichung: befiehlt eine legitime Autorität: tue dies und tue das nicht!, so ist das Angeordnete für den Adressaten erkennbar, auch wenn er das Subjekt der Anordnung nicht in seinem Wesen begreift. Er erkennt aber, was er als Autorität anordnet und nicht notwendigerweise damit die Autorität in ihrem Ansichsein, sondern nur in ihrem Fürihnsein als Gesetzesgeber.
Aber es wird noch tiefgründiger: Gottes Wille, moraltheologisch traditionell verstanden als erkennbar in den Geboten und Gesetzen Gottes, wird nun schöpfungstheologisch verzeichnet als die Vorstellung, daß die Welt nur ist, insofern sie von Gott geschaffen und erhalten wird, daß Gott der Welt gegenüber immer die causa prima bleibt. „Das bedeutet, Alles, was in der Welt existiert und geschieht-auch das Schlechte-,ist unterschiedslos auf den Willen Gottes zurückzuführen“8 und somit ist dieser Wille Gottes selbst moralisch indifferent und erlaubt so keine ethische Orientierung an ihm. Jetzt erst wird der Gedanke eines besonderen Heilswillen Gottes eingezeichnet als den der Selbstoffenbarung Gottes als Liebe. „Der allein im Glauben zugängliche Heilswille Gottes enthält keinen Sollensanspruch noch verschärft sie ihn, sondern antwortet auf die Frage, wie wir den bereits bestehenden ethischen Anspruch erfüllen können.“9 Die Offenbarung Gottes wird so reduziert auf die Aussage des Menschen liebenden Gottes, wohingegen alle ethischen Aussagen Produkte der praktischen Vernunft sind, die als solche unabhängig von Gott, der Religion und dem Glauben für jedermann erkennbar sein müssen, sonst wären sie keine legitimen ethische Ansprüche. Es kann und darf so keine christliche Ethik geben, sondern nur Menschen, die im Vertrauen auf Gottes Liebe versuchen, ethisch zu handeln und das Was des ethischen Handelns ist allein aus dem Vernunftgebrauch her zu entwickeln. Das ist die Substanz der autonomen praktischen Vernunft dieser Moralthologie, die als Hilfe akzidentiell noch den Glauben an den Menschen liebenden Gott bei sich hat.

Offenbarung besteht nicht darin, einzelne ethische Normen mitzuteilen. Sie zu erkennen ist vielmehr Sache der Vernunft und Erfahrung.“10 Nun enthält aber die Bibel offenkundig ethische Gebote und Satzungen. Was nun? „Ethische Weisungen (Gesetz) sind-auch wenn sie in der Hl.Schrift enthalten sind- nicht direkte Offenbarung Gottes, sondern bereits im Voraus und unabhängig zur Offenbarung erkennbar und begründet.“11 Denn der einzige Offenbarungsinhalt ist,daß Gott die Liebe ist, alles andere der Bibel ist nicht Offenbarung! Und aus dieser Liebe Gottes ergeben sich keine Gebote oder ethische Weisungen! Die Liebe Gottes ist unbedingt und darum ohne eine Forderung: weil Gott dich liebt, hast du oder sollst du nicht.

Diese Vorstellung der unbedingten Liebe Gottes wird hervorgebracht durch eine simple Verwechslung. Jesu verkündet das Kommen des Reich Gottes als eines unabhängig von unsrem menschlichen Tun oder Unterlassen, um dann die Eingangsbedingungen zu lehren: wie muß der Mensch sein, damit er eingehen darf in das Reich Gottes. Die jesuaniusche Lehre von den Eingangsbedingungen unterschlägt diese Moraltheologie nun einfach, indem sie sagt, daß genauso unbedingt, wie das Reich Gottes käme, auch jeder Mensch unbedingt von Gott geliebt sei und so eingehen werde ins ewige Leben. Damit fällt die gesamte christliche Ethik als Lehre von dem: Wie habe ich zu leben,um in das Reich Gottes einzugehen?, aus und wird ersetzt durch wie hedonistische Frage nach einem innerweltlich guten Leben. Das ist dann die vollkommene Verweltlichung der christlichen Moral als ihre Abschaffung.

Nun sind wir schon weit vorgeschrieben in der Enttheologisierung der Moraltheologie. Jeder mögliche Inhalt der Morallehre darf allein aus dem Brunnen der Vernunft geschöpft werden und der Glaube an Gott fügt dem nichts hinzu, außer dem Vertrauen auf Gottes Liebe als Hilfe zum Praktizieren der reinen Vernunftmoral. „Der allein im Glauben zugängliche Heilswille Gottes enthält keinen Sollensanspruch noch verschärft sie ihn, sondern antwortet auf die Frage, wie wir den bereits bestehenden ethischen Anspruch erfüllen können.“12 Denn: „Offenbarung besteht nicht darin, einzelne ethische Normen mitzuteilen.Sie zu erkennen ist vielmehr Sache der Vernunft und Erfahrung.“13

Besondere Aufmerksamkeit wendet nun die Vorlesung der traditionellen Lehre vom Naturrecht und dem Gewissen zu. Beide Quellen der Moraltheologie werden nun entwertet. Mit Hume wird das Naturrecht widerlegt. Aus dem was ist, darf nicht auf das geschlossen werden, was sein soll. Das Naturrecht sei so das Produkt des naturalistischen Fehlschlusses.14 Das Gewissen sei nicht der Ort des Wissens um das Gesetz Gottes sondern ein rein innerweltliches Phänomen, das uns dazu befähigt, zu erwägen, wie ich vernünftig zu handeln habe. Gewissen ist meine eigene Einsicht.15

Somit ist die katholische Morallehre vollständig enttheologisiert. Es bleibt nur noch das Brünnlein der Vernunft übrig, da die Bibel, die Tradition, das Lehramt und das Gewissen (als Wissen vom Gesetz Gottes) und das Naturrecht deligitimiert sind. Die autonome Moral, die so konzipiert werden soll, erweist sich dann aber, schaut man in den materialen Teil der Moralvorlesung, weitestgehend als Wiederholung des heutigen Zeitgeistes in seinem Meinungen!

Wenn nun der Leser meint, das könne doch nicht stimmen. Es gäbe da doch z.B. die Bergpredigt Jesu und da stünde etwas anderes als bloß: lebe vernünftig, so belehrt den Professor Ernst uns über die Bergpredigt: „ Sie fördere das eigene Nachdenken und die Wahrnehmung der Realität. Sie motivieren die Vernunft zum eigenständigen ethischen Urteilen.“16 Und die Inhalte? Nur Beispiele, die uns zur Eigenständigkeit anregen sollen. Hauptsache, daß autonom vernünftig gelebt wird.

Ein paar Kostproben dazu: Zum Thema Abtreibung. Man könne nicht eindeutig sagen, ab wann das menschliche Leben begönne, hier gäbe es differente Ansichten. So könnte eine Abtreibung legitim sein Es ginge um die Spannung zwischen dem Lebensrecht der Mutter und des Kindes und auch hier könne eine Entscheidung zu Gunsten des Lebensrechtes der Frau legitim sei. Zumindest aber hätte die Kirche nicht aus der staatlich anerkannten Schwangerschaftsberatung aussteigen brauchen und sollen, weil ihre Mithilfe an dem Schwangerschaftsabbruch nur eine materiale Mithilfe war und das wäre akzeptabel. Auch ist die Unterscheidung von Verhütung durch künstliche Mittel und auf natürlichem Wege nicht nachvollziehbar. Verantwortungsvoll gelebte Homosexualität soll nicht diskriminiert werden, Sterbebegleitung könne auch eine Mithilfe zum Freitod beinhalten usw...Alles, was dem Zeitgeist gefällt, wird hier nun, vorsichtig umschrieben, mit ein paar Eventuells und Vielleichts umkränzt, abgesegnet.17

Wo stehen wir nun? Christus lehrte uns, daß die Kirche das Licht der Welt sei, daß die Kirche der Ort des Offenbarseins der Wahrheit ist und daß nach ihr die Welt ausgerichtet werden soll. Professor Beinert als Fundamentalthologen und Professor Ernst als Moraltheologe ist das ein unzumutbarer Skandalon. Die Welt braucht die Kirche und die Offenbarung nicht, denn sie ist, ob der Weltwerdung Gottes oder der Vernunft des Menschen immer schon, zumindest von der Potenz her auf dem rechten Weg. Nur die Kirche habe sich lange Zeit der Wahrheit der Welt verschlossen, indem sie als Socitas perfecta, als Besitzerin einer göttlichen Moral der Welt gegenüber trat, statt auf sie zu hören! Und darum müsse die Kirche sich verweltlichen und auch ihre Moral der Weltmoral angleichen, denn die Welt ist das Licht für die Kirche! Papst Benedikts Aufruf zur Entwetlichung, dem sich sein Nachfolger anzuschließen scheint, ist so der Irrweg schlechthin. Die Kirche muß sich verweltlichen und die kirchliche Moral sich säkularisieren.

Eine Frage drängt sich zum Schluß auf: woher so viel Liebe zur Welt und so viel Abneigung gegen die Kirche? Theologisch fällt dabei die verklärte Sicht der Welt auf: eine Welt ohne Teufel und Sünde, höchstens akzidentiell ein paar Eintrübungen und auf der anderen Seite die Perhorreszierung der Kirche: hier ist fast nur Dunkelheit.So widerlegt für Professor Beinert die Mißbrauchsfälle in der Kirche die Lehre von der Socitas perfecta, während die Welt, trotz aller Mißstände unaufhaltsam zur perfekten und vollkommenen Welt sich entwickelt. Für die Moraltheologie hat eigentlich die Menschenrechtsideologie die Morallehre der Kirche obsolet gemacht und so bedarf weder die Kirche noch die Welt einer christlichen Moral. Die Weltmoral ist eben der kirchlichen weit überlegen, weil die weltliche die allein vernünftige ist!

Uwe Christian Lay

1Vgl: YouTube, Beinert, Entweltlichung.
2Vgl: Universität Würzburg. Lehrstuhl für Moraltheologie. Vorlesung: Moraltheologie.
3Universität Würzburg. Lehrstuhl für Moraltheologie. Vorlesung WS 2012/13, Theologische Fundamentalethik S.3
4a.a.O. S.3
5a.a.0.S.3
6a.a.=.S.3.
7a.a.0.S.3.
8a.a.0.S.4.
9a.a.0.S.4.
10a.a.0. S.2.
11a.a.0.S.8.
12a.a.0. S.4.
13a.a.0..S.2.
14Vgl: a.a.O. S.12.
15Vgl: a.a.0. S.10.
16a.a.0. S. 8.

17Vgl: Ethische Grundlagen der Medizin 2012/13, Grundlagen christlicher Sexualethik SS2012.

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