Sympathie for the devil
Immer noch singen die
Rolling Stones ihr: „Sympathie for the devil“, aber in der Kirche
hört man von diesem Antigott kaum noch etwas. Er ist in der
Hochkultur außer Mode gekommen und spukt höchstens noch in der
Schwermetallmusik oder in Horrorromanen. Die Welt ist nicht besser
geworden, seit dem der „Abschied vom Teufel“ vollzogen worden
ist, aber feindlos. Der letzte Grund des Bösen ist verschwunden,
aber das Böse bleibt.
Uns ist die
Versuchungsgeschichte Jesu bekannt, ja vielleicht schon zu bekannt,
als daß wir hier noch rechtens erschreckt werden. Da spricht der
Teufel zu Jesus Christus, nachdem er ihm alle Reiche der Welt gezeigt
hatte: „Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir
niederwirfst und mich anbetest.“ (Matthäus 1, 9). Eine Frage
drängt sich sofort auf: Warum antwortet Jesus nicht mit dem
Glaubensbekenntnis, daß Gott, sein Vater allein der Herr auch dieser
Welt ist, sodaß er und nicht der Teufel die Mächte der Welt
vergeben kann. „Teufel, du versprichst mir etwas, was du nicht
einhalten kannst!“ Und damit wäre diese Versuchung als plumpe
Täuschung entlarvt und für Jesus überhaupt keine Versuchung. Aber
Jesus geht in diesem Augenblick der Versuchung davon aus, daß der
Teufel das, was er hier verspricht, auch wirklich einhalten kann. Nur
so ist ihm dieser Teufelspakt eine Versuchung, der er dann
widersteht. Christus ist hier der Antitypus zu Adam, der in der
Versuchung des Teufels fiel; es war sozusagen Jesu Meisterprüfung,
um dann öffentlich wirken zu dürfen.
Goethe läßt seinen .
Faust noch durch den Teufel verführen, Thomas Mann präsentiert in
seinem Roman: Dr. Faustus tiefsinnig über Genialität und
Teufelspakt, aber so sehr die Vorstellung vom Teufel einst auch
Bestandteil unserer Hochkultur gewesen ist, man denke nur an „Des
Teufels Elixiere“ von E: T. A. Hoffmann, so radikal ist diese
Vorstellung nun verschwunden-aber, eingedenk der Binsenweisheit, wo
man den Glauben zur Türe hinauswirft, da schleicht der Aberglaube
durchs Fenster hinein: unsere Medienwelt ist erfüllt von
Ersatzteufeln. Menschen werden verteufelt, um als Ersatz für den
wahren Antigott zu fungieren. Aber dem Menschen ist es nicht gegeben,
so gut zu sein wie Gott, Jesus sagt: was nennst du mich gut, gut ist
allein Gott und nicht so böse zu sein wie der Antigott, der Teufel.
Nur, wer so redet, mag er
noch so viele Zitate aus der Hl. Schrift und von anerkannten
Kirchenlehrern anführen, evoziert den Vorwurf, daß er halt nicht
nur hoffnungslos fundamemtalistisch sei, sondern ohne Verstand und
Vernunftgebrauch glaube.
Ist die Vorstellung eines
Antigottes zu widervernünftig, daß jede Bibelexegese und jede
ernstgenommen werden wollende Theologie diese Spukgestalt zu
eliminieren hat?
Wie anders urteilt aber
der Judasbrief über die Irrlehrer in der Kirche, die den Teufel
lästern und die überirdischen Mächte verachten! Selbst der
Erzengel Michael, als er wider den Teufel stritt, wagte nicht, diesen
zu lästern. Und zu dem, der ist, zu sagen, er sei nicht, heißt, ihn
zu lästern. Aber auch dieser Brief steht so unter dem
Generalverdacht, mythologische Absurditäten zu erzählen, die für
den modernen Christen unzumutbar sind, wie schon der Heilige aller
zeitgenössischen Exegeten, Bulltmann urteilte.
Gehört die Satanologie,
wenn sie überhaupt ein Lehrstück innerhalb der Kirchenlehre ist, in
den Bereich der übernatürlichen Offenbarungswahrheiten oder gehört
sie wenigstens teilweise auch in den Bereich der natürlichen
Gotteserkenntnis? Es ist wohl kein überzogender Kulturpessimismus,
daß, wenn man nach den letzten Gründen für diese Welt, so wie sie
jetzt ist, frägt, angesichts des Guten in der Welt auf ein gutes,
angesichts des Bösen und Negativen in der Welt auf ein böses
Ursprungsprinzip stößt- auf einen Dualismus zweier sich
wechselseitig ausschließender Grundprinzipien. Jedem Monotheismus,
jeder monistischen Lehre dagegen fällt es schwer, die reale Dualität
in der Welt, Gut und Böse, Wahrheit und Lüge, Licht und Finsternis
auf einen Grund zurückzuführen und dann diese Realpugnanz zwischen
Gut und Böse auf den einen Ursprung zurückzuführen und aus ihm zu
deduzieren. Das Böse als nichtseiend, als Mangel an Sein zu
vertehen, ist unserem Jahrhundert angesichts der Vitalität des Bösen
nicht mehr möglich- es wäre doch eine indiskutable Verharmlosung
der Grauen unserer Zeit. Das nicht nur das Christentum in seiner
Glaubwürdigkeit bedrängende Theodizeeproblem existiert ja nur ob
der Voraussetzung, daß alles, was ist, sich einem guten Urprinzip
verdankt.
Und hier deutet sich der
erste Anknüpfungspunkt für eine Rekonstruktion der traditionellen
Satanologie an: daß die Welt, so wie sie ist, so wie sie von uns
erfahren wird, adäquater mit der Zusatzthese eines zweiten
(subordinierten) Prinzipes, das dem guten entgegengesetzt ist,
begriffen werden kann, als wenn die Gesamtwirklichkeit auf nur das
gute Prinzip zurückzuführen wäre.Die Alternative hieße, das
Negative allein auf das Vermögen des Menschen als freier Wille, das
Böse zu erwählen,zurückzuführen. Aber das birgt in sich im
Vorstellungsraum theologischen Denkens eine Inkonsequenz: warum führt
die Theologie nicht alles Gute auf das Vermögen des freien Willens
des Menschen zurück, wenn sie alles Böse auf genau diesen einen
Grund zurückführt? Ist die Verneinung eines Grundes des Bösen als
vom Menschen verschiedener nicht der erste Schritt dahin, auch Gott
als dem Grund alles Guten zu verneinen und so den Menschen zu
verabsolutieren zu der einzigen Quelle von allem Guten und allem
Bösen?
Zudem: wenn alles, was
ist, weder als vollkommen gut noch als vollkommen böse
erscheint,liegt es dann nicht nahe, das vollkommen Gute und das
vollkommen Böse als jenseitige Prinzipien zu verstehen, auf die in
unserer Lebenswirklichkeit nur defizitäre Abbilder verweisen,ohne
daß sie je vollkommen sich im Diesseitigen realisieren. Aber wir
können das Urteil, das ist gut, das ist böse, nur fällen, indem
wir das so Beurteilte als individuierte Realisation des Guten und des
Bösen begreifen. Wenn ich urteile, das sei ein Baum, dann kann
dieses Urteil nur wahr sein, wenn das so Begriffene wirklich eine
Individuation des Begriffes des Baumes ist und ich im Begriff des
Baumes so das Wesen des so begriffenen Einzeletwasses erfasse. Anders
gesagt: das Urbild des Baumes realisiert sich in endlich vielen
Einzelindividuationen, in denen das Abstraktum Baum zu einem
bestimmten Baum wird mit bestimmten Einzeleigenschaften, während das
Urbild alle möglichen Eigenschaften des Baumseins in sich trägt.
Wenn wir etwas als böse beurteilen, setzten wir so in diesem Urteil
die Idee des Bösen voraus und subsumieren das als Böses Beurteilte
unter diese Idee. Erst im theoretischen Reflektieren nach dem
Urteilen entschwindet uns wieder der im Urteilen applizierte Begriff
des Bösen, wenn wir die Vorstellung vom Bösen als metaphysische
Überspanntheit ablehnen.
Im Vorstellungsraum der
Moral kann nur etwas als gut gelten, was kraft des freien Willens
gewollt worden ist. Nur eine freiwillige Tat kann so eine Bestandteil
der Morallehre sein. Wenn dann ein Seiendes als Gutseiendes begriffen
wird, impliziert dies, daß es sich selbst durch einen
Selbstbestimmungsakt als Gutes hervorgebracht hat, sonst wäre es nur
ein gut Gemachtes und so gut Funktionierendes. Wenn es eine
Möglichkeit zur Beantwortung der Theodizeeproblematik gibt, dann
eine der Lehre vom freien Willen, wie es A. Kreiner in seinem Buch,
Gott im Leid, beeindruckend entfaltet: daß der Mensch um seiner
Bestimmung zur Sittlichkeit willen Gott den freien Willen gab, damit
er freiwillig das Gute wähle und das könne er nur, wenn der freie
Wille auch das Vermögen in sich trägt, das Nichtgute zu wählen.
Das radikal Böse als Wahlmöglichkeit ermöglicht so erst die Wahl
des Guten als freie Wahl und darum ließe Gott das Böse zu, damit
das Gute sein kann. So könnte spekulativ die Möglichkeit des Bösen
um des Guten willen ergründet werden. Das Christentum kennt nur
einen relativen Dualismus; ein absoluter wäre mit dem Glauben an
Gott als Allmächtigen unvereinbar. Das bedeutet, daß das derivierte
negative Prinzip, das Böse nur ist, weil Gott es als Allmächtiger
zugelassen hat. Gott läßt aber als Gott der Liebe nur etwas zu, das
trotz seines offenkundig negativen Charakters trotzdem in irgendeiner
Weise dem Guten dient und somit kompatibel ist mit der Liebe Gottes.
Damit das Böse nun wirklich im moralischen Sinne böse ist, muß es
als ein Etwas gedacht werden, das sich selbst dazu bestimme, das Böse
zu sein, denn wäre es einfach als das Böse geschaffen, wäre das
Bösesein seine Natur, für die es nicht verantwortlich wäre. Der
Mythos vom Engelfall wird genau dieser spekulativen Entfaltung
gerecht, indem der Mythos erzählt, wie das Böse wurde als
freiwilliger Abfall von Gott dem Guten und daß der sich so zum Bösen
selbstbestimmt habende Engel nun das personal Böse ist. Das Böse
apersonal denken, hieße nämlich, es nicht als durch sich selbst als
Böses Gesetztes zu denken und so sein Bösesein auf ein
Sogeschaffensein zu reduzieren, es also nicht als ein moralisch
qualifiziert Böses zu denken.
So manchem wird dieser
Gedanke zu spekulativ erscheinen. Nur, es muß konstatiert werden,
daß ein bloßes Insistieren darauf, daß die Hl. Schrift und die
kirchliche Lehre es so bezeugen den modernen Menschen nur dazu
bringen, daß er sagt: umso schlimmer für die Glaubwürdigkeit von
Bibel und kirchlicher Tradition. Der christliche Glaube darf im Jahr
des Glaubens nicht einfach als je meiniger Glaube bezeugt werden, ich
glaube das halt so, sondern er muß auch als allgemeine, also als
katholische Wahrheit begründet dargelegt werden und das geht nicht
ohne spekulatives Denken, das, was die Kirche lehrt, als auch in sich
vernünftig, zu begreifen und zu ergründen. Denn, das, was dem
vernünftigen Denken widerspricht, kann nicht ein Element des
Glaubens, der Wahrheit sein und kann auch nicht auf Dauer geglaubt
werden, wenn das Zuglaubende der eigenen Vernunft widerspricht.
Nicht soll nun die
Kirche den Rolling Stones zustimmen in ihrer Sympathierklärung für
den Teufel, aber sie muß selbst die Existenz des Satans in Einklang
bringen mit dem Glauben an Gott als den der Liebe und der allmächtig
ist und sie darf um der Radikalität des Widergöttlichen willen nun
das Böse nicht reduzieren auf das von Menschen nicht gut Gewollte.
Sind dies nun aber nur
müßig spekulative Gedanken, oder besitzen sie auch eine Relevanz
für unser Glaubensleben? Eine simple Gegenfrage: kann es für mich
gleichgültig sein, ob ich Feinde habe oder nicht? Niemand wird das
bejahen. Es ist eine Überlebensfrage, ob ich wirklich Feinde habe
oder nicht. Es ist von lebenswichtiger Relevanz, ob man davon
ausgehen kann, daß alle am innerkirchlichen Dialogprozeß
Beteiligten nur das Beste für die Kirche und die Menschen wollen,
nur über das Was und Wie des Besten uneins sind, oder ob selbst in
diesem Dialog mit Feinden zu rechnen ist, mit Wölfen in Schafspelzen
gehüllt. Und hier ist für die Kirche und unser Glaubensleben die
Antwort eindeutig:seit es die Kirche gibt,kämpft ihr Feind gegen
sie. Wie ich ein Schachspiel nur verstehen kann, wenn ich neben den
Zügen der weißen Spielfiguren die der schwarzen beachte und sie als
gegeneinander wahrnehme, so kann auch die gesamte Kirchengeschichte
und ihre jetzige Situation nur begriffen werden, wenn sie als Produkt
des Widereinanders von Gott und Teufel begriffen wird. Papst Paul VI
war es, der ausrief: ich sah den Geruch Satans mitten in der Kirche
aufsteigen. Das ist keine Überspanntheit mittelalterlichen
Köhlerglaubens sondern die bittere Einsicht des hl. Vaters, wie
schlimm es um die Kirche jetzt steht. Der, dessen Abschied
modernistische Theologen schon längst gefeiert haben, erfolgreich
kämpft er selbst im Innersten der Kirche! Ein Glaube, der ein
christlicher sein will, darf so vor der bitteren Wahrheit des Feindes
nicht die Augen schließen. Zum Jahr des Glaubens muß so die
Einsicht in die Wahrhaftigkeit des Feindes des christlichen Glaubens
dazugehören. Und wir müssen mit Menschen rechnen, die sich in den
Dienst des Antigöttlichen stellen als Feinde Gottes und Feinde der
Menschen. Und das sind sicher andere als so harmlose
Unterhaltungsmusiker wie die Rollenden Steine!
Uwe Christian Lay
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