Vorläufige Erwägungen zu einer
Erkenntnistheorie,
ein logozentristischer Versuch
- Eine logozentrische Grundlegung
Wenn es erlaubt ist, ich
präsumiere die Analogia entis Lehre, dann ist es erlaubt zu sagen,
daß Gott sich als Kreator zur Kreatur ähnlich verhält wie der
menschliche Künstler zur Kunst. Die Differenz ist die der creatio ex
nihilo, der Künstler kreiert aus Vorhandenem.
Wenn so
verstanden,kreieren heißt, etwas Ideeles in Wirklichkeit zu
überführen, ist a) in Hinsicht auf die Ideen in Gott, nach denen er
Etwasse realisiert, zu diskutieren, ob in Gott Ideen von den
Einzeletwassen ist, so daß jedes Singuläre in Gott als präexistente
Idee wäre oder ob in Gott Begriffe sind, die als Urbilder für die
Realisierung von vielen Einzelexistenzen dieses Urbildes fungieren,
ist b) in Hinsicht auf das Realisierte zu fragen, wie dann das
Verhältnis von Realisiertem und der präexistenten Idee zu bestimmen
ist. Wenn traditionell zwischen dem Sein von Etwas und seiner
Erscheinung unterschieden wird, unterschieden wird zwischen Essenz
und Existenz, Sein und Erscheinung, dann ist das Wahre als das
Normative verstanden gesetzt in die präexistente Idee: sie sagt, wie
ein Etwas oder eine Serie von Etwassen in Relation zum Urmodell sein
sollen.
Wenn die Essenz des
Menschen seiner Existenz vorausgeht und wenn unter Essenz so
verstanden wird: wie der Mensch sein soll= wahrer Mensch, dann
distinguiert sich seine Existenz von der Essenz, daß das Individuum
Mensch sich frei/kontingent zu seiner Essenz verhaltend selbst
bestimmen kann. Die Essenz determiniert den zur Selbstbestimmung
bestimmten Menschen nicht.Gibt es im Kreatürlichen Bereich
kontingente Ereignisse, im humanen den freien Willen, so kann die
Existenz eines kreatürlichen Etwasses von seiner Essenz abweichen.
Die Existenz ist so, weil
sie immer eine Einheit von Realisation und Nichtrealisation ist,
weniger als die Möglichkeiten der Essenz und mehr, weil es
realisiertes und nicht nur ideeles Sein ist.Aber man kann sagen, daß
jedes Etwas eine bestimmte Realisation eines Begriffes ist in der
Gestalt der Individuation. Deshalb würde ich nicht den Begriff, der
sich individuiert als einen Aspekt nur des Etwasses bezeichnen,
sondern als die Substanz des Etwasses.
Sehe ich verschiedenste
Gewächse, kann ich leicht unter ihnen Bäume von Nichtbäumen
unterscheiden. Die spannende Frage ist nun die: wie geht das, daß
ich so mannigfaltigst verschiedene Einzeletwasse unter einen Begriff
subsumieren kann, oder anders gefragt: worauf bezieht sich der
Begriff des Baumes, wenn er adäquat so verschiedene Etwasse
begreift. M. E.ergibt sich daraus, daß der Begriff von Etwas den
Anspruch erhebt, das Wesen des Baumes zu begreifen. Zu diskutieren
ist, ob der Begriff hält, was er verspricht. Das Begreifen des
Wesens des Baumes (eines Etwasses) setzt immer voraus, daß wir
zwischen der Substanz und dem Akzidentiellen unterscheiden. Könnten
wir das nicht, könnten wir nicht so Verschiedenes, wie die Summe
aller denkbaren Bäume unter den einen Begriff des Baumes
subsumieren.
- Heißt erkennen, etwas unter seinen Begriff zu subsumieren?
Ich ringe um die
Legitimität des Subsumierens und frage ob dem Begriffe des Baumes
etwas, eine Realität entspricht, das in den Einzelbäumen ist. Als
platonosierender Begriffsrealist stelle ich die These auf, daß dem
Begriffe die Substanz des Einzeletwasses entspricht, denn das
Einzelne ist ja nichts anderes als eine individuierte Realisation der
präexistenten Idee. Als Gegenargument wäre der Einwand denkbar, daß
zwischen der präexistenten Idee in Gott (wobei ich prae- existent
wörtlich meine als Idee vor der Existenz, als Essenz vor der
Existenz etc.) und dem sprachlichen Begriff keine Gemeinsamkeit ist.
Dagegen setze ich die philosophisch- katholische Lehre der Analogia
entis und sage, daß der Begriff des göttlichen Logos, und des
menschlichen Logos nichtäquivok gebraucht sind: menschliche Vernunft
partizipiert an den göttlichen. Es sei an die menschliche
Gottebenbildlichkeit erinnert.
Der Begriff des Baumes und der
unendliche Reichtum des Einzeletwases.
Man schreibe auf die eine
Seite das Wort: Baum und auf die andere Seite beginne man, wahre
Aussagesätze über einen bestimmten Einzelbaum aufzuschreiben, der
Baum ist groß, hat die Eigenschaft a, b, c... der Baum kann
verarbeitet werden zu: a,b,c.... Die Teile des Baumes...Unendlich
viele wahre Aussagen können über einen einzigen Einzelbaum getätigt
werden.
Die Spannung zwischen dem
einen Begriff und der unendlichen Serie von möglichen wahren
Aussagen über das Einzeletwas evoziert den Eindruck, daß der
Begriff das Wesen des Einzeletwasses nicht begreifen kann. Der Irrtum
dieser Meinung beruht darin, nicht zu distinguieren
zwischen dem, was den
Baum als Baum konstituiert, d.i. sein Wesen von den mannigfaltigsten
Eigenschaften, die ein bestimmter Baum aufweist, die aber nicht das
Wesen des Baumes konstituieren. So kann ein Baum grüne Blätter
tragen, aber er wäre auch ein Baum, hätte er Nadeln statt der
Blätter! Ein Vogel kann ein Nest in der Krone des Baumes errichtet
haben, aber auch das gehört nicht zum Wesen des Baumes. Das Wesen
ist das, was allen möglichen Bäumen innewohnt als das, was sie zu
Bäumen macht.
Zudem ist genau zu
unterscheiden, ob ich nach dem Wesen eines Einzeletwasses frage, was
macht das Baumsein des Baumes aus oder ob ich ontologisch nach dem
Sein alles Seienden frage! Ich diskutiere hier erstmal nur die
Verhältnisbestimmung von Begriff und Einzelrealität unter
Berücksichtigung der unwiderlegbaren Einsicht Hegels, daß, wenn wir
meinen, etwas Einzelnes in seiner sinnlichen Singularität zu
benennen: Da ist ein Baum! die Sprache unser Meinen widerlegt,denn
das Wort: Baum bezeichnet nicht etwas Einzelnes sondern ist ein
Sprachbegriff, der beziehbar ist auf unendlich viele Einzelbäume,
weil er sich auf das Wesen des Baumes, das, was jeden möglichen Baum
zum Baume macht, bezieht! Die so vorgenommene Subsumption ist nur
wahr,wenn der Begriff das Wesen des Einzeletwasses begreift. Kardinal
Scheffczyk verdanke ich diese kluge Anmerkung: „Schon Platon dachte
in dieser Hinsicht „supranaturalistisch“, wenn er einen
göttlichen Ursprung der Sprache vertrat. Für ihn mußte die Sprache
göttlichen Ursprunges sein,weil nur ein Gott garantieren könne, daß
die Namen der Dinge richtig seien, d.h.der Wirklichkeit entsprächen.“
1
Im Lichte der christlichen Gotteserkenntnis kann diese platonische
Einsicht vertieft werden (ist das Christentum nicht vertiefter
Platonismus nach Augustin, nach Nietzsche: verflachterPlatonismus?),
wenn auf den göttlichen Logos reflektiert wird (vgl:
Johannesprolog), aus dem alle Wirklichkeit ist und die menschliche
Ratio, die logoshaftig die aus dem Logos seiende Realität begreifen
kann, weil: Alles Seiende ist aus dem Logos und somit logoshaft (auch
logisch) und der menschliche Logos ist bestimmt dazu, diese
logoshafte geschaffene Welt zu begreifen. Es sei an den Zusammenhang
von Logos und Sprache erinnert. Die Schöpfung ist ein Schaffen als
sprachlicher Akt: Gott sprach und es war.
Ob dieser Erwägungen
halte ich einen Skeptizismus, der meint, daß unsere Wirklichkeit,
das Ding an sich, ganz anders wäre als die Welt, so wie wir sie im
sprachlich-vernünftigen Denken begreifen
für nicht begründet,
zumal die These der radicalen Differenz von Wirklichkeit und Denken
ja nie einsichtig machen kann, woher sie denn weiß, daß die
Wirklichkeit an sich so radical verschieden ist von der im
vernünftigen Denken begriffenen Wirklichkeit. Zudem wird hierbei das
Verhältnis von Vernunft und Wirklichkeit einseitig verkürzt: die
Vernunft ist nicht reduzierbar auf ein die Wirklichkeit begreifen.
Das ist nur die Aufgabe der theoretischen Vernunft.
3.Gibt es drei selbstständige
Vernünfte?
Die praktische Vernunft
frägt: Was soll sein? Und betrachtet die Welt der möglichen
menschlichen Handlungen daraufhin, welche Möglichkeit zu realisieren
ist und welche nicht, bzw. sie erörtert vergangene Taten, ob sie
hätten sein sollen oder ob nicht. Hier ist die praktische Vernunft
die Richterin über die Wirklichkeit,
in der theoretischen (z.B. in der
Geschichtswissenschaft) ist das, wie es wirklich wahr, die Norm der
Wissenschaft. (Leopold
von Ranke). Die ästhetische Vernunft dagegen frägt, ob das Ideal
des Schönen in etwas realisiert ist oder wie es in etwas zu
realisieren ist und gleicht so der praktischen Vernunft. Ob es
jenseits dieser drei Vernünfte (nach Kant) noch die eine gibt, ist
im nachkantischen Idealismus aufs tiefsinnigste untersucht worden,
aber ich hege den Verdacht, daß alle Einheitskonzepte gescheitert
sind und daß wir mit Lyotard für die Selbstständigkeit dieser drei
Vernünfte votieren müssen!
Wichtig ist die Prüfung,
ob die praktische Vernunft und die theoretische und die ästhetische
nicht aufeinander reduzierbare Aussagensysteme sind. Allgemein
anerkannt ist, daß aus indikativischen Aussagen nicht
imperativische/ethische derivierbar sind (der naturalistische
Fehlschluß). Können aus imperatischen indikativische deriviert
werden?
Einschub: Luther und Kant zu Gesetz
und Freiheit
Hier muß eine nicht
geführte Debatte eingeleitet werden: nach Luthers Kritik des
Gesetztes (der Kern der reformatorischen Einsicht Luthers) besagt das
göttliche Gesetz nicht, daß das Gesollte der Mensch auch kann. Weil
das Gesetz fordert, darf nicht gefolgert werden, daß dem Menschen
ein freier Wille ist, so daß er kann, was er soll. Nach Luther kann
nicht aus dem: Du sollst! Geschlossen werden: Du kannst kraft deines
freien Willens. Nach Kant ist das Gesetz nur dann sinnvoll, wenn das
Gesollte auch gekonnt wird, das heißt: aus dem Imperativ kann der
Indikativ des freien Willens
abgeleitet werden.
Freiheit ist ein Postulat der praktischen Vernunft, weil der
Imperativ verlangt, daß ein freier Wille gedacht werden muß, weil
sonst der Imperativ sinnlos wird. Ist also aus der praktischen
Vernunft die theoretische als Ermöglichungsbedingung der Ethik
derivierbar? Das könnte der Kerngedanke Fichtischer Philosophie
sein. Trotzdem soll die These gewagt werden, daß dies ein
idealistischer Fehlschluß ist: aus dem Sollen ist nicht einfach das
Können ableitbar; die tägliche Lebenspraxis verifiziert die
Differenz von Sollen und Können. Das Postulat der praktischen
Vernunft bleibt eines im Raume der praktischen Vernunft.
- Ist eine der Vernünfte aus einer anderen ableitbar?
Kann nun etwa die
ästhetische Vernunft aus der theoretischen oder praktischen
deriviert werden? Wenn das Wahre und das Gute die Zen-tralbegriffe
der theoretischen und der praktischen Vernunft sind, dann müßte das
Schöne ein Derivat des Guten oder des Wahren sein. Wenn auch Gott
traditioinell als die Einheit des Wahren, des Guten und des Schönen
begriffen wird, so impliziert dies aber, daß in Gott das eine
Einheit ist, was außerhalb von ihm als Selbstständiges erscheint.
Wahr ist die Aussage, daß Goethe den Faust verfaßt hat, aber was
hat das mit dem Begriff des Schönen zu tun. Wahr kann aber auch
besagen, daß dieser dein wahrer Feind ist, hier meint wahr, daß
eine empirische Realität mit ihrem Begriffe identisch ist, aber auch
hier fehlt jede Verbindung zum Schönen. Daß das Gute mit dem
Ästhe-tischen nicht in einem harmonischen Verhältnis zu einander
steht, erinnert uns das Unbehagen, daß die Vorstellung einer
moralischen Kunst evoziert. Wo Kunst primär dem Zwecke der
Moralbe-lehrung dient, wird sie unästhetisch. (Es wäre
diskussionswürdig, ob das nicht die Schwäche brechtscher Dramen
ist, ja die Schwäche aller engagierter Kunst! Es sei en passant an
Barthes Kritik des Schreibers als Problematik für die Ästhetik: die
Kunst ist hier nur ein Darstellungsmittel für die Kunst fremde
Anliegen, sie wird so heteronom bestimmt.2
Anders verhielte es sich, wenn im Sinne Hegels das Objekt der Kunst
als das Absolute/Gott begriffen wird,3
denn das ist auch das Schöne, so daß hier in der religiösen Kunst
nicht von einer Heteronomie gesprochen werden kann sondern: die Kunst
findet erst in der Religion und durch sie zu ihrer wahren Bestimmung:
dem Dienst am Schönen.
Deshalb soll
vorbehaltlich besserer Einsicht von der Selbstständigkeit der drei
Vernünfte ausgegangen werden, wobei das ihnen gemeinsam
Konstituierende das rein Logische ist. (Logisch- Logoshaft) Thomas
Hobbes demonstriert an, daß wenn die praktische Vernunft als das
Unterscheiden von Gut und Böse aus Tatsachenerkenntnissen abgeleitet
wird, aus indikativischen Aussagen abgeleitet wird, ihres normativen
Anspruches beraubt wird. „Aber was auch immer das Objekt des
Triebes oder Verlangens eines Menschen ist: Dieses Objekt nennt er
für seinen Teil gut, das Objekt seines Hasses und seiner Abneigung
böse und das seiner Verachtung verächtlich und belanglos. Denn die
Wörter gut, böse und verächtlich werden immer in Beziehung zu der
Person gebraucht, die sie benützt, denn es gibt nichts, das
schlechthin und an sich so ist.“
4
Nur selbstständig, als nicht abgeleitet aus etwas anderem kann die
praktische Vernunft ihren normativen Aussagecharakter ergründen.
Als Antithese zur
Pluralität der Vernünfte müßte es entweder eine Vernunft geben,
die diesen drei vorausliegt, oder die als das bestimmt wird, was
allen drei innewohnend sie zur Vernünftigkeit qualifiziert. Da aber
keine den drei Vernünften vorausliegende bekannt ist, bleibt nur die
These, daß das alle drei Selbstständige als vernünftig
Qualifizierende die Logik ist. Und hier sei wieder auf die
logozentridtische Ausgangs-these erinnert: alles ist aus dem Logos
und so ist das Ontische wie das Noetisch logosgemäß, d.i.
in sich logisch strukturiert.
- Das Andere der Vernunft?
Einer der geistvollsten
Kritiker des Vertrauens in die Kraft der Vernunft, das Ganze zu
verstehen,ist sicher Lovecraft.5
„Die größte Gnade auf dieser Welt ist, so scheint es mir, das
Nichtvermögen des menschlichen Geistes, all ihre inneren
Geschehnisse miteinander in Verbindung zu bringen. Wir leben auf
einem friedlichen Eiland des Unwissens inmitten schwarzer Meere der
Unendlichkeit, und es ist uns nicht bestimmt, diese weit zu
bereisen.“ Cthulhus Ruf, 1.Kapitel: Das Basisrelief).6Sein
Genre, das des Horrors lebt ja gerade von der Thematisierung des
Jenseitswelt der Vernunft,die in diese einbricht als das ganz Andere
der natürlichen wie auch der übernatürlichen Vernunft
(Offenbarung).
Aber dieser Vernunftkritiker und
Skeptiker verweist dann auf das Andere der Vernunft: den Mythos
und er bezeichnet den
Uranfang als das, was sich der Vernunft entzieht. Theologisch und
auch philosophisch kann darauf verwiesen werden, daß gerade das rein
vernünftige Denken seine Grenzen erfaßt, indem es sich ausrichtet
auf das Übervernünftige, das erst die Vernunfterkenntnis vollendet.
So rekurriert Platon regelmäßig auf den Mythos als besondere Form
des Wissens und so rekurriert auch die christliche Theologie auf das,
was ihr nur als Offenbarungswissen gegeben ist.Nur ist die
platonisch- christliche Antwort auf Lovecraft die, daß dem
Vernünftigen nicht das Irrationale entgegensteht (Cthulhus Ruf)
sondern das Übernatürliche. Oder könnte das Irrationale nicht auch
noch als etwas begriffen werden, das in seinem Gegensatz zur Vernunft
zur Vernunft gehört, als das, was durch seine Opposition erst die
Vernunft als Vernunft konstituiert. Wenn Gott als reine
Unbestimmtheit zu denken ist (als potentia absoluta), der sich dazu
bestimmt,
Gott zu sein, dann
inkludiert dies Selbstbestimmen den Ausschluß von und das so
Ausgeschlossene ist das, was als Nichtseinsollendes ist als
Möglichkeit aller kreatürlichen Freiheit, sich gegen das von Gott
Gewollte selbst zu bestimmen. (Vgl: K.Barth Lehre vom Nichtigen).
Gott als reine Unbestimmtheit zu denken, soll den hegelanisch
inspirierten Einwand F. Wagners Rechnung tragen, daß das religiöse
Bewußtsein Gott als das Absolute depedent von endlichen Bestimmungen
denkt und nicht als Subjekt der Hervorbringung seiner Bestimmung und
seiner Erkenntnis im religiösen Bewußtsein.7
Sich bestimmen inkludiert denknotwendig den Ausschluß von etwas,
denn jedes Bestimmen ist auch ein Negieren. Da es unabhängig von
Gott weder das Gute, das Wahre und das Schöne gibt und da das Wahre,
Gute und Schöne auch nicht einfach als die Natur Gottes dem
Selbstbestimmungsakt Gottes vorausliegend präsumiert werden darf,
denn dann verhielte sich bei Gott Essenz zur Existenz wie in jedem
kreatürlichen Wesen sich die Essenz zur Existenz, muß Gottes
Selbstbestimmung zur Einheit des Wahren, Guten und Schönen (vgl:
Ockham, Gott als potentia absoluta) als reine Dezision begriffen
werden, durch die erst die Ordnung gesetzt wird, die als die
vernünftige das Unvernünftige, was nicht sein soll, ausschließt
und so es ermöglicht, daß endliche Freiheit im Akt der
Selbstbestimmung wider ihre Natur, ihre Bestimmung von Gott her, sich
bestimmt zu dem, was nicht sein soll.
Kunze faßt Ockhams
Anliegen, Gott als Selbstbestimmung zu denken so zusammen: „Gottes
Wesen sei sein allmächtiger Wille. Dieser sei die letzte Ursache der
normativen Schöpfungsordnung. Alles Gut und Böse sei ein beliebiges
Produkt göttlicher Willkür. Damit wandte Ockham sich ab von Platon
und Thomas: Dieser hatte Gott für die unwandelbare Idee des Guten
selbst erklärt und damit seine Allmacht verkürzt: Gottes Willen
steckte damit im Käfig einer idealen Vernunftidee, über die selbst
Gott sich nicht hinwegsetzen konnte.“8
Damit wird die Differenz von Gott als potentia absoluta und den Ideen
Gottes als bestimmte reflektiert, indem Gott als reine
Selbstbestimmung nicht selbst als bestimmt durch Ideen gedacht wird.
Das Geschaffene ist in
sich vernünftig, aber es ist fundiert in einem reinen Dezisionsakt,
der erst das Unvernünftige gesetzt hat als das, was nicht sein soll,
und dieses Nichtgesollte ist sozusagen der Schatten des Geschaffenem
im Lichte Gottes.
(Erwägenswert ist, ob
nicht die buddistische Erlösungslehre wie auch viele
Meditationspraktiken auf dies Nichts, -das was nicht sein soll als
das Nichtrealisierte im Akt der Selbstbestimmung Gottes – oder auf
Gott als das rein Unbestimmte sich kaprizieren.)
- Das Wesen von Etwas
Wenn zudem die
Gesamtwirklichkeit als Realisierungsprozeß von präexistenten Ideen
zu begreifen ist, dann heißt begreifen, die den Wirklichkeiten, den
Einzeletwassen zu Grunde liegenden Ideen zu begreifen.
Irgendwo sagt Herder,
daß die Völker Ideen Gottes sind. Herder geht es darum, die
Legitimität der jeweiligen Volkstümer zu begründen wider die
Utopie einer Vereinerleiung zu einer Menschheit. Volkstum meint nun,
daß jedes Volk je seine eigene Berufung hat und daß das Volkstum
die in geschichtlich- kontingenten Umständen Gestalt gewordene
Berufung eines Volkes ist. Auch hier ist die Realisierungsgestalt
immer auch eine durch die Ursünde und die menschlichen
Unzulänglichkeiten, aber auch durch kontingente Zufälle
verzeichnete Gestalt der Berufung und doch ist sie eine Manifestation
göttlicher Berufung. (Ich vermute, daß das der Kerngedanke der
bekannten und perhorreszierten Rektoratsrede M. Heideggers war.)
Wir haben also drei
selbstständige Diskursordnungen, die der theoretischen, die der
praktischen und die der ästhetischen Vernunft, denen es gemeinsam
ist, eine objektiv gültige metaphysische Ord-nung zu explizieren. K.
Kunze beschreibt das Seinsverständnis des sich in einer
metaphysischen Ordnung wähnenden Menschen so: Der Mensch wähnt
„sich selbst einer objektiven, aus sich selbst heraus geltenden
Seinsordnung unterworfen.“9
Metaphysische Ordnung meint: „Die Dinge hinter den Dingen: das
wahre, ewige Sein an sich.“10
Dem stellt er den Typus des Dezionisten entgegen:„Den Dezionisten
beeindruckt eine Metaphysik nicht, die ihre Gewißheiten immer nur
aus dem Hut zaubern kann wie einen deus ex machina. Für ihn sind
Seinsordnungen bloße Gehirngespinste.“11
Gegen die Gültigkeit der
metaphysischen Ordnung spräche die Vielfalt dieser behaupteten
Ordnun-gen, die sich wechselseitig in ihren Wahrheitsansprüchen
ausschlössen, die Frage der Verifizier- bzw. Falsifizierbarkeit
ihres Wahrheitsanspruches und das prinzipielle Problem, daß selbst
wenn es eine so objektive metaphysische Ordnung gäbe, ob sie dann
vom Menschen überhaupt erkennbar sei. Als Alternative formuliert
Kunze den radicalen Dezionismus, der realistisch präsumiert, daß
die Welt ein einziges Chaos ist, das der Mensch durch willkürlich
durch ihn allein produzierte und als gültig gesetzte Ordnungen zu
domestizieren versucht. Rein voluntaristisch werden so diese
menschlich- allzumenschlichen Ordnungen gesetzt. Dann wären diese
drei metaphysischen Ordnungen nicht von Gott gesetzte und somit
objektiv gültige Ordnungen des Wahren, Guten und Schönen, sondern
reine Kunstprodukte menschlichen Entscheidens. Wir können das
Problem so auf eines reduzieren: Gibt es von Gott gesetzte
metaphysische Ordnungen oder nur jederzeit vom Menschen revozierbare
willkürlich gesetzte Ordnungen, die irrigerweise objektive
Gültigkeit für sich beanspruchen, indem sie ihren Willkürcharakter
vergessen machen.
Der Mensch ist so entweder ein in
metaphysischen Ordnungen Geborgener Mensch oder einer, der permanent
Ordnungen setzen und stabilisieren muß, um das ihn umgebende und
bedrohende Chaos
abzuwehren.
- Sprache und Wirklichkeit
Diese Problemanzeige
verweist wieder auf das Problem von Sprache und Wirklichkeit
zurück:schafft die menschliche Sprache mit ihren Gedankengebäuden
erst Lebenswirklichkeiten, in denen der Mensch künstlich geschützt
vor dem nihilistischen Chaos lebt, wobei diese Ordnungen aber ob
ihres rein künstlichen Charakters sehr instabil sind oder begreift
die menschliche Sprache mit ihren Gedankengebäuden das, was objektiv
als metaphysische Ordnung ist, so daß er sich adäquat im Denken
begreift? Um diese Frage zu diskutieren, muß nun, statt vom
göttlichen Logos ausgehend,
das menschliche Denken
als wahrheitsfähiges zu begreifen, gefragt werden, ob vom
menschlichen Denken ausgehend dieses Denken als ermöglicht durch
einen göttlichen Logos begriffen werden kann. Es kann aber geurteilt
werden, daß das menschliche Denken nur als wahrheitsfähiges
begriffen werden kann, wenn es als Analogon zum göttlichen Logos
begriffen wird.( Descartes demonstriert ja schon an, wie der
Gottesbegriff notwendig ist, um das menschliche Wissen als wahres,
auf etwas Objektives Ausgerichtetes und es Begreifendes zu
verstehen.)
- Problemanzeigen
Aber es stellt sich nun
noch ein trivialeres Problem. P. Sloterdijk macht darauf
aufmerksam.Er spricht von der „Prämisse, daß Religionen wie
Theorien und Kunstwerke im Laufe des 20. Jahrhundertes Handelsgüter
und Dienstleistungen geworden sind und sich als solche auf allgemeine
Marktbedingungen einlassen müssen.“12
Das heißt, daß die metaphysischen Ordnungen des Wahren, Guten und
Schönen als Kriterien der Hervorbringung und der Beurteilung vom
Denken ersetzt werden durch die Regeln des Marktes. Zur wichtigsten
Frage avanciert dann die der Unterscheidung von Monopolanbietern und
in Konkurrenz zueinander stehenden Anbietern. Der Tauschwert auf dem
Markt ist dann das Qualitätskriterium der Prüfung von allen
denkbaren Theorien und Kunbstprodukten. Offenkundig bilden
Agnostizismus und die alleinige Bewertung von etwas nach seinem
Marktwert, seiner Verkaufbarkeit zwei Seiten der einen Medaille und
es ist nicht zu sagen, ob der Agnostizismus die Verabsolutierung des
Marktwertes oder die Verabsolutierung des Marktwertes den
Agnostizismus hervorgerufen hat. Wenn aber erst der freie Markt als
das einzig legitime Ordnungsprinzip anerkannt ist, dann löst dies
Prinzip alle anderen auf. Die ihrer obersten Werte (das Gute, das
Wahre und das Schöne) beraubte Leben setzt mit dem Ideal des freien
Marktes
die neue Wertordnung der
idealisierten Markttugenden: zu produzieren und zu verkaufen gemäß
dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage. Sind so gesehen alle
metaphysischen Ordnungen entwertet, weil es nur noch das
Ordnungsmodell des Marktes mit seinen Wertgesetzen gibt?
Muß, um es zu
veranschaulichen wissenschaftliche Bücher neben obskurantistischen
Geheimlehrenbücher, Kunst neben Kitsch und Moralhandbücher neben
pornographischen Schriften in friedlicher Koexistenz auf einem
freien Buchmarkt nebeneinander exponiert werden, damit der König
Kunde frei sich das ihm Wohlgefällige auswählt unbekümmert ganz
nach seiner reinen Willkür? Ist das der Kern der Postmoderne, in
der wir jetzt leben, weben und sind?
Daß die Frage, was ist
denn wahr, gut und schön? auf so wenig Interesse stößt, ist wohl
ein Indiz dafür, daß die Frage nach dem Marktwert diese Frage als
zu spekulativ fürs praktische (Geschäfts) Leben und als unnütz
erachtet wird. Und so geht die exakte Wissenschaft des Geldzählens
und Preiseabschätzens Hand in Hand mit der Bejahung eines
Agnostizismus: Nichts Genaues weiß man! Dem Krämergeist ist die
Frage der ästhetischen Qualität eines Kunstwerkes ein
überflüssigeSpekulation, kennt er nur den erwartbaren
Verkaufspreis. Syberberg sagt das so: „Und die Wirtschaft wurde als
Maßstab aller Werte mit dem Kapital als Bibel des Materialismus zum
Gegenwert erhoben, ehemals höherer Interessen eines Einheitsdenkens
und in der Ganzheits-philosophie alter Provenienz.“13
Kann es in der
Postmoderne noch diese drei metaphysischen Ordnungen als gültig
anerkannte geben, wenn schon alles determiniert ist durch das eine
Ordnungsprinzip des freien Marktes?In der Logik des Marktes können
diese metaphysischen Ordnungen nur noch individuell als Hilfen bei
der Selektion auf dem unbegrenzten Markt der Möglichkeiten
fungieren, als Kontingenzbe-wältigungskonzepte: ich kaufe nur
Schönes.14
Es sei en passant noch in Hinsicht auf die metaphysische Ordnung des
Schönen und seiner Krise auf eine Einsicht von Hans Jürgen
Syberberg verwiesen: „Das eine war jenes Wort von der
Ästhetisierung der Politik, die Hitler betrieben habe, quasi indem
er die Massen selbst als Kunstwerk seiner Politik- am treffendsten
letztlich durch die Verfilmung in den Filmen von Leni Riefenstahl-
zum Gegenstand seiner Kunst gemacht habe, und zwar mit den modernen
Mitteln der Technik. Ästhetisch meinte hier schön und implizit
magisch, im Sinne von Verzauberung, Mythos.“15
Die Entnazifizierung führte dann dazu, daß das Schöne als Lüge
des Bösen einem Schönheitsverbot zum Opfer fiel. Seit dem gilt für
Nachkriegsästgetik:
„Das Häßlichkeitsgebot
beherrscht Leben wie Kunst, und die Ratte wird zum Symbol des
Interessanten...“.16
Der Ästhetisierung der Politik folgt so eine Entästhetisierung
der Kunst in der Perhorreszierung des Ideales der Schönheit ob
seines Mißbrauches. Scharf pointiert: solange in Deutschland das
Schaffenswerk von Leni Riefenstahl als ästhetisches Meisterwerk
nicht gewürdigt werden darf ob der politischen Korrektheit, wird es
bei uns kein ungetrübtes Verhältnis zum rein Schönen geben.
Im Fontane Roman: Der
Stechlin findet sich folgender Kurzdialog: Wie hält es der Herr Rex
den so mit der Religion. Nimmt er sie ernst, oder macht er bloß so
mit? Geantwortet wird: „Ich denke mir, er steht so wie die meisten
stehn; das heißt, er weiß es nicht.“ „Und weil er es nicht
recht weiß, hat er sozusagen die Auswahl und wählt das, was gerade
gilt und nach oben empfiehlt.“17
Es gibt hier einen dezidierten Zusammenhang zwischen dem
agnostizistischen Standpunkt und dem Bedürfnis
jeweils das
situationsbedingt Opportune und Karrierefördernde als seine
Überzeugung in Religions-angelegenheiten als den eigenem Standpunkt
zu bekennen. Tiefgründiger ist hier die Spannung zwischen Wahrheit
und dem Auswählenwollen eingezeichnet. Gäbe es eine erkennbare
Wahrheit. Wäre selbstverständlich die auch zu wählen. Wenn aber es
nicht möglich ist, Wahrheit, das Gute, das Wahre und das Schöne zu
erkennen, dann kann frei zwischen Beliebigem ausgewählt werdenund
dann erst können ungestört Opportunitätserwägungen die Auswahl
bestimmen.
Wie kann die Frage nach
dem Wahren, Guten und Schönen wieder Relevanz gewinnen, wenn
Relevanz auf die objektive Gültigkeit rekurrieren und nicht einfach
den allgegenwärtigen Hedonismus nur noch forcieren soll, nach dem
Motto, daß das Wahre, Gute und Schöne die Lebensqualität, die
Freud am Leben intensivieren würde?
Festzuhalten gilt: es gibt nicht nur
cognitive Erkenntnisprobleme in Hinsicht auf die Erkennbarkeit des
Wahren, Guten und Schönen, es gibt auch viele Gründe, gar nicht das
Wahre, Gute und Schöne erkennen zu wollen und es deshalb für
unerkennbar zu bestimmen. Man kann diesen Problemkreis
bestimmen als das
problematische Verhältnis von Wahrheit- Freiheit und Pluralität.Wenn
unter Freiheit ganz im Geiste Ockhams die Willkür verstanden wird,
denken und wollen zu dürfen, was man will, dann wäre eine
erkennbare Wahrheit (jetzt verstanden als Erkenntnis des Wahren,
Guten und Schönen), eine Beeinträchtigung dieser Freiheit: wie
könnte die Wahl des Unwahren legitimiert werden, wäre das Gewählte
eindeutig als das Unwahre erkennbar. Wie sollte es noch eine legitime
Pluralität geben, wenn eindeutig die eine Wahrheit von den vielen
Unwahrheiten zu unterscheiden wäre. K. Kunze in seinem Plädoyer für
einen selbstkritischen Dezionismus verweist auf die gefahren einer
erkennbaren Wahrheit und dem Besitz der Wahrheit als Quelle
inqusitorischer Intoleranz.18
- Der Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnistheorie
Was ist der Gegenstand
einer wissenschaftlichen Erkenntnistheorie? In Anlehnung an einen
Ausspruch von Lyotard:unbestreitbar gibt es den Satz und wer das
bezweifelt, tut dies selbst wiederum mit einem Satz,19
möchte ich vorschlagen, Sätze als die Materie der Erkenntnistheorie
zu bestimmen, die untersucht werden auf ihren jeweiligen spezifischen
Wahrheitsanspruch. Die kleinste Einheit der Erkenntnistheorie ist so
ein Satz. Es gibt verschiedene Klassen von Sätzen und diese
erheischen verschiedene Methoden der Verifizierung bzw.
Falsifizierung. Die Vorstellung, Gegenstände seien der Gegenstand
der Erkenntnistheorie, wie es etwa W. Hoeres in seiner brillanten
Konzeption: „ Wesenseinsicht und Transzendentalphilosophie“
vorschlägt,20
erachte ich für eine Verkürzung der Erkenntnistheorie auf
indikativische Aussagen des Präsens: Da ist das. Aber damit werden
ganze wahrheitsbeanspruchende Satzklassen ausgeklammert: alle
normativen Aussagen, alle Werturteile: Das ist ein wahrer Freund,
denn dies Urteil besagt ja, das ein Mensch der Idee des Freundes
entspricht.21
Was heißt es aber, von einem Etwas zu sagen, es sei wahr? Das meint,
daß hier der Begriff des Etwasses und sein Sein in eins fallen. Und
so impliziert auch die Erkenntnis eines Gegenstandes den Begriff von
ihm und seine empirische Realität. Der Gegenstand ist nicht der
Gegenstand der Erkenntnistheorie sondern die Aussage über den
Gegenstand, wobei die Realität des Gegenstandes bei bestimmten
Aussagen die Norm der Verifizierung der Aussage über den Gegenstand
bildet. Man vergleiche die Aussage: Das da ist ein Stein! mit der:
Diesen Stein darfst du nicht wegnehmen! in Hinsicht auf ihre
verschiedenen Weisen der Verifizierung. Man beachte dabei den
Zusammenhang von Imperativ und Norm: „Formal kann sich ein Befehl
nämlich an ein individuelles Gegenüber richten oder an alle: Man
bedient sich entweder bloß des Einzelbefehles an einen Mitmenschen
oder des abstrakt-generellen Befehls an alle Mitmenschen.
Solche verallgmeinerten Befehle sind
Normen.“22
Die Aussage, Goethe
verfaßte den „Faust“ und die Aussage, Goethes „Faust“ ist
ein Meisterwerk!verlangen ganz verschiedene Weisen der Verifikation
bzw. Falsifikation. Deshalb muß eine Erkenntnistheorie
berücksichtigen, daß verschiedene Wahrheitsansprüche gelten
machende Sätzeverschiedene Methoden der Bewahrheitung verlangen.
Kann dann von einer einheitlichen Erkenntnistheorie gesprochen
werden? Auch ist das Verhältnis von Sätzen zur Wirklichkeit sehr
verschieden; es sei an die Differenz von deskriptiven und
präskriptiven Aussagen erinnert.So kann eine normative Aussage nicht
bewahrheitet werden, indem auf die Wirklichkeit referriert wird und
konjunktivische Aussagen können auch nicht durch den Verweis auf das
Wirkliche verifiziert werden. Der Satz: Ich wäre gestern daheim
geblieben, hätte die Sonne nicht geschienen, ist nicht verifizierbar
und nicht falsifizierbar durch die Wirklichkeit des gestrigen Tages.
Sätze beanspruchen in verschiedener Weise Wahrheit für sich.
Kann die Ästhetik
verstanden werden als das System der Ermöglichung von wahren Sätzen
über das Schöne? Dabei soll gelten: wie bei der Sprache zu
unterscheiden ist zwischen dem System der Sprache und dem einzelnen
gesprochenen Satz (der Parole), wie beim Schach das Regelsystem
Schach und die einzeln gespielte Partie, so soll zwischen dem System
der Ästhetik und einzelnen
ästhetischen Aussagen
unterschieden werden. So kann ich nur Schach spielen, insofern es das
Regelsystem Schach gibt, aber der einzelne Spielzug ist nicht
determiniert durch das System, sondern dieses ermöglicht erst die
Kontingenz einzelner Züge. Ist das Regelsystem Schach etwas , das
sich auf nichts bezieht: es ist nur ein System zum Spielen, so frägt
sich: bezieht sich das System der Ästhetik auf etwas unabhängig von
der Ästhetik Seiendes, das Schöne oder gibt es das Schöne nur so
in der Ästhetik wie es Schach Matt nur im Schachspiel gibt? Spontan
wird man wohl respondieren, daß es real Schönes gibt. Aber ist dies
Schöne nicht selbst wiederum ein Ausfluß einer Ästhetik?
Der Anfang der
Ästhetik: Ich schaue auf mein Renoirbild und sage: ein schönes
Bild. Es ist wahr, daß ich das gesagt habe. Aber die Ästhetik
frägt:Ist die Aussage: Dies Bild von Renoir ist schön! wahr?
Dies Urteil wird spontan
gefällt. Wichtig ist die Differenz von unmittelbar und spontan.
Unmittelbar ist mir nichts erkennbar! Denn ein Etwas ist immer nur in
Differenz zu einem Anderen Etwas als etwas erkennbar. Ich erkenne
etwas als in Differenz zu mir Verschiedenes (Nicht-Ich) und als
Bestimmtes von Anderem Verschiedenes. Spontan erfassse ich so etwas
aber immer vermittelt durch die Differenz von Ich zu Etwas und der
Differenz dieses Etwas zu anderen Etwassen. So kann ich urteilen, das
ist ein Tier, dann erfasse ich Gesehene in Differenz zu Nichttieren
als Tier, ich kann aber auch urteilen, das ist eine Kuh und erfasse
so das Gesehene in Differenz zu Tieren, die nicht Kühe sind und jede
Gegenstandswahrnehmung setzt die Vermittlung durch die Differenz von
Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmumg voraus. Das spontane Urteil
impliziert, daß ich weiß, was schön ist und daß ich das Bild als
dem Wert : Schön gemäß erachte. Das Befremdliche nun ist, daß ich
im Akt des Urteilens weiß, was schön ist, und nach dem gefällten
Urteil ratlos vor meinem Urteile stehe und die sprachliche Aussage
selbst nicht zu ergründen weiß. Vorläufiger Schluß mit der
Bitte um Ratschläge für ein Happy End für diesen Problemkomplex.
1Scheffczyk,
Von der Heilsmacht des Wortes 1966, S.70.
2Vgl:
Barthes, R., Schriftsteller und Schreiber, in. Barthes, Literatur
oder Geschichte 3.Auflage 1981 S.44-53.
3Vgl:
Hegel, Ästhetik
4Zitiert
nach: Kunze, Mut zur Freiheit S.51.
5Selbstredend
hätte hier auch Edgar Allen Poe und viele andere zitiert werden
können. Lovecraft wird hier bevorzugt,
weil gerade: Cthulhus Ruf die
Vernunftkritik expliziert und das Andere der Vernunft als Mythos
bestimmt. Es ist kein Zufall, daß R. Bultmanns Programm der
Entmythologisierung des Neuen Testaments und A. Rosenbergs: Mythos
des 20. Jahrhundetes als Entmythologisierungs- und als
Remythologisierungsprogramm sich gegenüberstehen.
6Lovecraft,
H.P., Cthuulhus Ruf, in: Hüter der Pforten. H.P. Lovecraft und
andere 2.Auflage 2003 S.19.
7Vgl:
Wagner, Falk; Was ist Religion?
8Kunze,
K. ,Mut zur Freiheit- Ruf zur Ordnung. Politische Philosophie auf
dem schmalen Grat zwischen Fundamentalismus und Nihilismus 1995
S.13.
9Kunze,
K., Mut zur Freiheit- Ruf zur Ordnung. Politische Philosophie auf
dem schmalen Grat zwischen Fundamentalismus und Nihilismus 1995 S.
7.
10Kunze,
K., Mut zur Freiheit S.8.
11Kunze,
K., Mut zur Freiheit S.9.
12Sloterdijk,
P., Heinrichs, H.-H., Die Sonne und der Tod 1. Auflage 2001 S.33.
13Syberberg,
H.J., Vom Unglück und Glück der Kunst in Deutschland nach dem
letzten Kriege 1990 S.40.
14Vgl:
Luhmann, N., Funktion der Religion 1982.
15Syberberg,
H.J., Vom Unglück und Glück der Kunst in Deutschland nach dem
letzten Kriege 1990 S.34.
16Syberberg,
Vom Unglück S.38.
17Fontane,
Th., Stechlin Gesammelte Werke 1.Serie Bd 10 23/24. Auflage 1912
S.25.
18Vgl:
Kunz, Mut zur Freiheit.
19Vgl:
Lyotard, Der Widerspruch.
20Hoeres,
W. Wesenseinsicht und Transzendentalphilosophie 2001 S.172-176.
21Vgl:
Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I § 24
Zusatz 2.
22Vgl:
Kunz, Mut zur Freiheit S.55.
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