Das Zentrum der Liturgie: Jesus, der Pfarrer oder die Gemeinde?
„Ich
bin überzeugt, daß die Kirchenkrise, die wir heute erleben,
weitgehend auf dem Zerfall der Liturgie beruht, die mitunter sogar so
konzipiert wird, ` etsi Deus non daretur[`...],daß es in ihr gar
nicht mehr darauf ankommt, ob es Gott gibt und ob er uns anredet und
erhört.“ Stattdessen:„Dann feiert die Gemeinde nur sich selbst,
aber das lohnt nicht.“1Hier
soll nun der Versuch unternommen werden, dieser Analyse und Kritik
des einstigen Kardinales und Papstes Benedikt (emeritus) nachzugehen
in der Erwartung, hier nicht einfach eine schnoddrige en passaant
dahingeworfene Randnotiz für Liturgieliebhaber vor Augen zu haben,
sondern daß hier des Pudels Kern der heutigen Kirchenmisere erfaßt
worden ist.
Und eines
ist ja augenfällig: daß nach dem Konzil, dem Reformkonzil alles
irgendwie ganz anders geworden ist. Dies eher diffuse Gefühl
entzündet sich gerade an der nachkonziliaren Liturgie. „Ist das
noch katholisch?“ Der Ästhet,und nicht nur M. Mosebach frägt
sich: warum tauschte die Kirche ihre einstige so wunderschöne
Liturgie ein in so was Greuliches? Aus Barockkirchen wurden
betonierte Bunker mit überdimensionierten Frühstückstischen und
kahlen Wänden...Ach, was könnte und müßte man nicht angesichts
des barbarischen Bildersturmes der Nachkonzilszeit beklagen, was
für eine große Klagelitanei anstimmen! Nur, ein selbstkritischer
Einwand muß nun doch erhoben werden: ist denn die Gestaltung des
Gottedienstes wirklich von so großer Wichtigkeit? Ist das
Christentum denn nicht in erster Linie Nächsten- und Gottesliebe,
oder besser gesagt, gelebte Moral, sodaß der Kult gar nicht von so
großer Bedeutung sein könne. Das hat dann notwendig auch zur Folge,
daß das Wie der Gestaltung des Gottesdienstes keine so große
Bedeutung für das christliche Leben haben könne
So schreibt
der modernistische Jesuit Keller ja: .„Weil Menschen jedoch
offenbar nicht ohne Religion leben können, Christentum jedoch keine
bestimmte Religion seiner Anhänger voraussetzt, sondern jenen
Ausprägungen von Religion,die Freiheit oder Mitmenschlichkeit
hindern, sogar entgegentreten muss, übernahm es spätestens seit der
Konstantinischen Wende selbst typisch Religiöses, das es zuvor in
dieser Weise nicht kannte, wie einen eigenen Priesterstand, Kirchen
als Tempel mit Altar, heilige Geräte, Orte und Zeiten, oft aus dem
Heidentum, aber auch aus jüdischer Tradition entlehnt.“ Das wäre
legitim, „wenn auch gültig bleibt, dass diese Formen für das
Christentum nicht wesentlich sind,“.2
Was dann
auch immer die Ursachen für den Niedergang des Katholischen
Christentumes sein mögen: an so etwas Unwichtigem wie der
Gottesdienstgestaltung könne es nicht liegen. So sei das Votum des
Papstes Benedikt von vornherein ein Irrtum.
Unter
pastoraltheologisch Ge- und Ver-bildete ruft diese Diagnose zudem ad
hoc Widerspruch hervor. Haben sie doch auf der Universität
gelernt, daß es mehrere Grundvollzüge des kirchlichen Daseins gäbe,
als da wären: Diakonie, Martyrium,Liturgie und, wenn man will die
Koinonia und diese vier Komponenten bildeten eine perichoretische
Einheit, sodaß auf keinem Falle eine dieser vier Disziplinen anderen
gegenüber bevorzugt werden dürfte. Nur wissen wir aber schon,
spätestens seit der Französischen Revolution, daß dort, wo die
Gleichheit aller proklamiert wird, es immer die gibt, die gleicher
als die anderen sind. Diakonie als caritativer Dienst am Einzelnen
und an Gruppen und Gemeinschaften, Martyrium als Verkündigung und
Lehre haben als Gemeinsames , daß sie Dienste am Menschen zu seinem
natürlichem oder übernatürlichem Heile sind. Die Koinoia ist im
Unterschied zur asymetrischen Kommunikationsstruktur von diakonischen
und verkündigendem Handeln der Kirche eine symetrische
Kommunikationsstruktur der wechselseitigen Beziehung zur
Herausbildung einer humangemäßen Gemeinschaft. In Anlehnung an den
brillanten deutschen Soziologen Ferdinand Toennies3
könnte gesagt werden, Koinonia meine, daß aus Menschen, die im
bürgerlichen Leben in Gesellschaftsbeziehung zueinander stehen, das
meint, daß jeder zum Anderen zweckrationale Nutzbeziehungen eingeht,
die als gerecht qualifiziert werden, wenn sie zum gleichmäßigen
wechselseitigen Nutzen ausfallen, eine Gemeinschaft wird, das ist die
Vergesellschaftungsform, in der das Individuum im Gemeinwohl seine
persönliche Erfüllung findet und so der Andere aufhört, nur Mittel
zur Befriedigung eigener Privatinteressen zu sein. All diese drei
Grundvollzüge sind also in aller ihrer Differenziertheit doch eins
in ihrer prinzipiellen Ausrichtung auf den Menschen. Hier wird dem
Menschen gedient.
Der
kirchliche Dienst der Liturgie unterscheidet sich nun signifikant von
diesen drei Grundvollzügen, indem Liturgie
kultischer Gottesdienst ist. Selbstredend
kann der Begriff der Liturgie so ausgefaltet werden, daß man unter
ihm jede Art von Diensttuen versteht. Nur hat dies zur Folge, daß,
wenn Alles so zur Liturgie wird, nichts mehr Liturgie ist, denn etwas
ist nur etwas durch sein Negieren und Ausschließen von etwas
anderem. Merke: Das Urteil, alles sei heilig ist identisch mit dem
Urteile, daß Alles unheilig ist, wie auch der Pantheismus, Alles ist
Gott, und ein materialistischer Atheismus, nichts ist Gott
letztendlich in eins fallen. Damit Liturgie etwas ist und nicht
nichts, muß es so ein limitiertes Tun der Kirche sein. Das besondere
der Liturgie: hier dient der Mensch Gott4.
Und: Gott dient dem Menschen. Im weiteren Durchdenken muß sehr wohl
diese einfache basale Aussage durch eine komplexe Theorie der
Verhältnisbstimmung zwischen dem Tun Gottes und dem des Menschen
ausdifferenziert werden, aber diese Theoriebildung darf nicht diese
fundamentale Wahrheit des liturgischen Kultes aus den Augen
verlieren..
Ist bei den
drei Grundvollzügen der Kirche, die der Lehre, der Nächstenliebe
und Vergemeinschaftung der Adressat der Mensch, so im vierten
Grundvollzug der der Liturgie Gott. Daraus entspringt das Urteil, daß
diesem Praxisfeld der Vorrang gegenüber allen anderen Räumen des
kirchlichen Handelns einzuräumen ist ob der qualitativen
unterschiedenen Wertigkeiten des Adressaten des jeweiligen Tuns. Den
Gott zu dienen ist ja das höchste, was Menschen vermögen.
Meine These
lautet nun: nur unter der Prämisse, daß die kultische Liturgie
nicht eine Cura posterior sondern das Herzstück der Kirche ist, ist
die These, daß der Zerfall der Liturgie die Ursache der heutigen
Kirchentristesse ist, rechtfertigbar. Wäre die kultische Liturgie
nur ein gleichberechtigtes Praxisfeld neben den drei anderen, muß es
uneinsichtig bleiben, warum just die jetzige Liturgie die Ursache der
Krise ist und nicht etwa die Diakonie, die Verkündigung oder was
auch immer.Dann wird aber auch erst begreifbar, warum die Perversion
schlechthin der Kultliturgie die sich selbst feiernde Gemeinde ist.
Denn da wird Gott entgöttlicht und vergöttlicht sich die Gemeinde
selbst, indem sie den Gott ziemenden Dienst ihm entzieht und sich
selbst stattdessen dient mit dem Gott allein ziemenden Dienste. Das
ist die Apotheose der Kultgemeinde, die radikale moderne
Prolongierung des Tanzes um das Goldene Kalb der Eigenliebe! Nach dem
Urteile des hl. Augustin ist diese Vertauschung des Liebesobjektes,
daß der Mensch, statt Gott zu lieben, das Kreatürliche liebt, die
Ursünde schlechthin.
Im
Katechismus Pius X für die Kinder im zarten Alter heißt schon die
vierte Frage des Kapitels: „Von
den Grundwahrheiten unseres heiligen Glaubens“: „Wozu hat euch
Gott erschaffen?, worauf die Antwort lautet:„Gott hat mich
erschaffen, damit ich ihn erkenne, ihn liebe, ihm in diesem Leben
diene und mich dann im anderen Leben für immer seiner erfreue.“5
Der Gottesdienst ist so als der Ort gelebter Gottesliebe, die der
Mensch Gott entgegen zu bringen hat, von zentraler Bedeutung. Er ist
die praktische Konsequenz aus der adäquaten Gotteserkenntnis. Wo
Gott erkannt wird, (kognitiv), da entzündet sich die Liebe an dem
erkannten Gott (affektiv), und dies setzt aus sich heraus den
praktischen Willen zum Gottesdienst (voluntativ). Gerade diese Reihe
läßt uns sofort vermuten, daß die letzte Ursache der Krise des
heutigen Gottesdienstes selbst eine (um es erst mal vorsichtig
auszudrücken) defizitäre Gotteserkenntnis ist. Selbstredend ist der
hier im Katechismus so fundierte Gottesdienst nicht reduzierbar auf
den kultischen Gottesdienst, aber es muß konstatiert werden, daß er
der primäre Ort gelebter Gottesliebe ist.6
Es ist mehr
als bezeichnend, daß das große Heilsereignis in der Geschichte des
Volkes Israels, die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei (als die
Vorabbildung der Befreiung des Menschen aus der Knechtschaft der
Sünde) wie folgt begründet wird. Mose soll dem Pharao ausrichten,
daß es Gottes Wille ist: „dimitte populum meum, ut sacrificet mihi
in deserto.“ (Ex.5,1)damit es mir opfere in der Wüste7.
Der kultische Gottesdienst ist in seinem Zentrum die Feier des hl.
Opfers. Um das Wesen des kultischen Opfers zu verstehen ist es am
zweckmäßigten, ihn von seiner Zweckursache her zu begreifen, denn
alle Elemente des Opfers sind ja teleologisch auf den Endzweck des
Opfers ausgerichtet: Ludwig Ott in seiner dankenswerter Weise im
Verlag „nova & vetera 2005 neu verlegten Dogmatik erfaßt den
Opferzweck so: Der Opferzweck (finis sacrificii): „der primär in
der Anerkennung der absoluten Oberherrlichkeit Gottes durch Anbetung,
Dank und Bitte und sekundär in der Versöhnung Gottes durch die
Sühne besteht.“8
In der
Enzyklika des Papstes Leo XIII., „Caritatis studium“ wird das
Wesen des Opferkultes noch prinzipieller als das Herzstück der
Religion begriffen: „Das Wesen und die Natur der Religion enthüllt
die Notwendigkeit des Opfers....Und wenn man die Opfer entfernt, kann
eine Religion weder sein noch gedacht werden.“9
Papst Leo verwirft damit aufs entschiedenste die Vorstellung, daß
die Eucharistiefeier nur eine Gedächtnisfeier des Kreuzesopfers
Christi sei. Nein, im Meßopfer wird das Opfer Christi
„fortgesetzt“10.
In Lumen gentium heißt es demzufolge, daß der Priester „in der
Person Christi das eucharistische Opfer vollzieht und bringt es im
Namen des ganzen Volkes Gott dar;“11.
Die Theozentrik des christlichen Gottesdienstkultes ist so
hinreichend vergegenwärtigt.
Ratzingers
Kritik besagt nun, daß statt Gott der Mensch in das Zentrum des
Gottesdienstes getreten ist, der so besser als „Menschendienst“
zu betiteln wäre. Die Anthropozentrik habe die Theozentrik der Alten
Messe ersetzt und so den kirchlichen Kult entkernt, seines Wesens
beraubt.12
Das wäre der Kern der Krise und der Misere
der jetzigen Meßpraxis! Unter dem Begriff der Anthropozentrik soll
hier im Folgenden verstanden sein das Weltbild, in dem der Mensch
sich als Mittelpunkt auslegt und alles andere nur insoweit
betrachtet, als er es in Beziehung zu sich seiend, also relational
denkt. Es ist die Ersetzung der Substanzontologie, des Dinges an
sich, würde Kant sagen durch eine Relationsontologie,in der etwas
nur das ist, was es für den Menschen ist, so daß alles, seines
Selbststandes beraubt zum Mittel für den Menschen wird. Das Geschöpf
Gottes, der Mensch usurpiert das Zentrum und degradiert Gott zum
bloßen Mittel seiner Lebenssteigerung im religiösen
Anthropozentrismus oder verwirft den Glauben an Gott im
religionslosen Anthropozentrismus als den Menschen klein machende
Größe. Im reli-giösen Anthropozentrismus erhebt sich so der Mensch
selbst (mit seinen Bedürfnissen und Interessen)zum normativen Maß
Gottes: das, was Gott ist, hat sich am Menschen auszurichten, Gott
ist nur noch der Gott für uns13.
Zu
diskutieren ist nun, ob diese Tendenz zur anthropozentristisch
bestimmten Liturgie nur aus einem inadäquaten Zelebrieren der
Reformmesse kommt Dann wäre der Kern der Krise und der Misere die
jetzige Meßpraxis! Oder wohnt schon der Theorie der neuen Messe eine
Tendenz zum Anthropozentrismus inne?
Der
Verfasser möchte nun diese Diskussion eröffnen durch eine
Betrachtung einer Marginalie, die aber, das soll hier andemonstriert
werden, keine ist, sondern das Zentrum der Liturgie tangiert!
In der im
Jahre 1998 vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz
herausgegebenen Arbeitshilfe: „Die Meßfeier“ ist unter der
Nummer 276 mit der Betitelung: „Die Aufbewahrung der Eucharistie“
zu lesen:„Es wird sehr empfohlen, die Eucharistie in einer vom
Kirchenraum getrennten Kapelle aufzubewahren, die für das private
Gebet der Gläubigen und für die Verehrung geeignet ist.“14
Nur wenn dieses nicht möglich sei, dürfte auch anders verfahren
werden. Selbstredend meint hier der Begriff der Eucharistie das
konsekrierte Elemente des Brotes, also den Leib Christi, Jesus
Christus selbst als wahren Gott und wahren Menschen, der hier seine
Platzanweisung erhält außerhalb des Raumes
der Gottesdienstfeier in einer Nische für die Privatfrömmigkeit.
Der
Katechismus der Katholischen Kirche resümiert zum Tabernakel: „Die
`heilige Reserve` (Tabernakel) war zunächst dazu bestimmt, die
Eucharistie würdig aufzubewahren, damit sie den Kranken und
Abwesenden außerhalb der Messe gebracht werden könnte. Durch die
Vertiefung des Glaubens an die wirkliche Gegenwart Christi in seiner
Eucharistie wurde sich die Kirche bewußt, daß es sinnvoll ist,den
unter den eucharistischen Gestalten anwesenden Herrn anzubeten. Darum
muß sich der Tabernakel an einem besonders würdigen Ort in der
Kirche befinden...“15
Zu fragen ist: ist der angemessene Ort auch außerhalb des
Gottesdienstraumes in einer Nischenecke und ist das Tabernakel nur
Ort privater Frömmigkeit außerhalb des öffentlichen
Kultgottesdienstes?
Aber noch
stutziger macht den Lateinkenner die Übersetzung von Tabernakel als
heilige Reserve! Tabernakel,
lateinisch tabernaculum, das ist zuerst das Begegnungszelt, hier
verkehrte Gott mit Mose. Vgl etwa Exodus 40. Es meint das Präsentsein
Gottes unter seinem Volke in der besonderen Beziehung zu Moses. Kult
und Gegenwart Gottes gehören aufs engste zusammen. Nur dort, wo Gott
gegenwärtig ist,an durch seine Selbstpräsenz geheiligte Orte wird
im Alten Bund Gottesdienst gefeiert. Nicht wird ein Ort heilig, weil
sich dort Gläubige versammeln, sondern die Gläubigen versammeln
sich an dem Ort, der durch Gottes Gegenwart geheiligt ist.Kult und
Gegenwart Gottes gehören aufs engste zusammen. Nur dort, wo Gott
gegenwärtig ist,an durch seine Selbstpräsenz geheiligte Orte wird
im Alten Bund Gottesdienst gefeiert. Nicht schafft der Kult den
heiligen Ort, sondern das Präsentsein Gottes heiligt den Ort,
sondert ihn von der Profanität ab und qualifiziert ihn zum
kultfähigen Ort. So ist es selbstverständlich für die Liturgie des
Alten Bundes, daß Gott den Ort seiner Verehrung in Jerusalem
bestimmt und daß der dort erbaute Tempel der Wohnort Gottes, seines
Namens unter den Menschen ist.(1.Kön 8,29). Der allgegenwärtige
Gott ist der, der als anrufbarer im Tempel wohnt. Zwischen dem
ubiquitären Dasein Gottes und der Proexistenz Gottes, er ist da für
den Menschen, unterscheidet hier der biblische Text. Beten heißt,
im Tempel oder auf den Tempel hin ausgerichtet zu beten, den er ist
der Ort der Vermittlung zwischen Welt und Gott. Der Neue Bund in
Christo ist nun nicht einfach die reine Negation des Alten Bundes,
sondern eher hegelianisch verstanden seine Aufhebung. Die
Selbstpräsenz Gottes als: „seinen Namen wohnen lassen im Tempel“
findet so seine Prolongierung im christlichen Kultus im Tabernakel.
Anfänglich mag das Tabernakel wirklich nur der solenne Ort der
Aufbewahrung nicht konsumierter konsekrierter Elemente zwecks
späterem Verbrauches gewesen sein, aber in der organischen
Weiterentwickelung des Verstehens der Realpräsens Christi in den
gewandelten Elementen veränderte sich dieses. Die Liturgie des
Römischen Ritus weiß zu sagen, daß erst es im Barock gelang, „in
herrlichen Schöpfungen den Tabernakel mit dem Altar zu einer den
Aufbewahrungsort der Eucharistie als Zentrum des Altarhochbaues
betonenden künstlerischen Einheit zu verschmelzen. Der Tabernakel
muß jetzt regelmäßig sich auf dem Hauptaltar der Kirchen
befinden.“16
.
Zum Zentrum
des Kultes avanciert hier der barocke Hochaltar mit seinem Herzstück,
dem Tabernakel. Und es ist einsichtig, daß das die dem Neuen Bund
adäquate Umformung des hebräischen Tempelkultes ist, denn der
Opferkult verlangt gerade die Präsenz des Adressaten des Kultes im
Kultort selbst! Die architektonische Ausrichtung des
Gottesdienstraumes auf den Hochaltar mit seinem inneren Zentrum des
Tabernakels als Ort der Präsenz und der Begegnungsbarkeit Gottes ist
so die Umsetzung der gewachsenen Einsicht in die Bedeutung der
Realpräsenz Christi in der Eucharistie. Es ist hier nicht der Ort
einer liturgeschichtlich archälogischen Rekonstruktion der
Entwicklung der Tabernakelfrömmigkeit,17
sondern es soll sich limitiert werden auf
die systematische These, daß die Fokusierung auf den real präsenten
Gott Jesu Christi in dem Tabernakel den Kult entlastet hat von einer
einseitigen eschatologischen Fixierung auf den adventlich
wiederkommenden Christus und entlastet hat von einer einseitigen
Fixierung auf die Vergangenheit des einmal Geschehenseins. Die
Entwertung des Kultes ereignet sich dann, wenn nur noch betont wird,
daß an das „Abendmahl“ Christi und an Kreuz und Auferstehung
erinnert wird und gehofft wird auf sein Wiederkommen.Das Jetzt des
Kultes verblaßt dann zu einem bloßen Dazwischen als leerer Ort.
Für den
kultischen Gottesdienst ist nicht das Verheißungswort, „wo zwei
oder drei in meinem Namen versammelt sind, da ist der Herr unter
ihnen“ das Fundament sondern es gilt, daß die Kultusgemeinde sich
da versammelt, wo Gott seinen Namen wohnen läßt, nämlich im
Tabernakel des Neuen Bundes. So gesehen konstituiert erst der im
Tabernakel selbstpräsente Gott die Kirche zum heiligen Kultort und
bildet so das Zentrum des Kirchenraumes. Dem entspricht in
angemessenester Weise die Tradition des barocken Hochaltares mit
seinem Herzstück, dem Tabernakel. Es ist die christozentische
Ausrichtung des Kultes, die sich in dieser Bauaästhetik manifestiert
und in erhabenster solenner Weise entfaltet.
Aber in
dieser Christozentrik obwaltet nun auch ein Problem, nämlich das der
zweifachen Selbstpräsenz Christi, die im Tabernakel und die in der
aktuell konsekrierten Hostie im Vollzuge der Eucharistiefeier. Der
CIC löst dieses Problem einfach im Can 941 § 2: „Während der
Meßfeier darf im selben Raum der Kirche oder der Kapelle keine
Aussetzung des Allerheiligsten stattfinden.“18
Nicht übersehen werden kann aber, daß in Folge dieser
kirchenrechtlichen Lösung für den Kultus eine Überbetonung der
aktual sich ereignenden Selbstvergegenwärtigung Christi im Wunder
der Transsubstantion zuungunsten der permanennten Selbstpräsenz
Christi im Tabernakel evoziert wird und damit der konstitutive
Ermöglichungsgrund des Kultus, Gottes Dasein im Kult selbst
verdunkelt wird. Aber bei diesem ersten Schritte bleibt es nicht. Der
den Kult erst ermöglichende Christus in seiner sakramental-
eucharistischen Präsenz wird nun hinauskomplimentiert und in Nischen
des Kirchenraumes verbannt, damit er den modernen Gottesdienst nicht
mehr stört.
Ein Vakuum
entsteht und wird sofort von anderen usurpiert: die dreigliedrige
hierachisch gestufte Ordnung von dem im Zentrum stehenden Hochaltar
mit dem Herzstück des Tabernakels, des Ortes, wo Gott seinen Namen
wohnen läßt und dem Priester als dem Vermittler zwischen dem oben
präsenten Gott und dem unter Gott sich versammelnden Volke, wird nun
ersetzt durch die bipolare Struktur von Priester und Volk, die
miteinander oder unter Führung des Priesters oder unter Führung des
Volkes gemeinsam feiern. Der Priester vermittelt nicht mehr zwischen
Gott und dem Volke, indem er unter dem Hochaltar stehend von dem dort
präsenten Gott zum Volke hin vermittelt und als vor dem Volke
stehend zum Gott hin vermittelt. Die architektonische
Höhendifferenzierung, das Allerheligsten am höchsten Punkte, das
Volk als zu Gott hingewandt unter ihm und der Priester dazwischen
stehend, entsprach der Hierachie von Gott, Priester und Volk. Jetzt,
wo der Priester hinter dem Altar stehend zum sichtbaren optischen
Zentrum des Kultes avanciert, provoziert dies den Protest der
Gemeinde, die nicht mehr unter ihrem Pfarrer stehen will und so
entsteht die Forderung der Einebnung und Egalisierung: auf einer
Höhenstufe feiert nun die Gemeinde mit ihrem Pfarrer modern liberal
ausgerichtet oder konservativer insistiert der Pfarrer auf seinen
sichtbaren Vorsitz in der Feier. Beiden Positionen, der liberalen,
wie der konservativen ist das Eine gemeinsam, daß die Mitte des
Kultes, das Zentrum verloren gegangen ist und das war der barocke
Hochaltar mit seinem Herzstück des Tabernakels als dem Ort der
Gegenwart Gottes. So gesehen soll als Abschlußthese gelten, daß die
Verdrängung des Tabernakels aus dem Zentrum des christlichen Kultes
und die Positionierung des Pfarrers im Gegenüber zur Gemeinde hinter
dem Altar die Manifestation eines anthropozentristischen
Kultverständnisses ist, der die christliche Liturgie ihres Herzens
beraubt. Hier beginnt die Gemeinde, sich im religiösen Humanismus
einnistend, sich selbst zu feiern und das ist das Ende des
Gottesdienstkultes. Und so gesehen ist die Positionierung des
Tabernakels keine bloße Marginalie, sondern tangiert das Zentrum des
christlichen Kultverständnisses.
1
Kardinal Ratzinger, zitiert nach KU S. 1 ß/2006
2Keller,
A., S.J. Grundkurs des christlichen Glaubens.Alte Lehren neu
betrachtet, 2011.
3
Ferdinand Toennies, Gemeinschaft und Gesellschaft3 1920.
4
Vergleiche dazu die konträre Position von H. Emminghaus: „Die
Kirchenkonstitution des 2. Vatikanischen
Konziles (Lumen Gentium) stellt
deutlich heraus, daß sich das Wesen und Wirken der Kirche in
dreierlei Hinsicht erweist: In der glaubenserweckenden und
-belebenden Verkündigung, im Dienst an der Welt (der
sogenannten `Diakonie`oder Caritas) und in der Liturgie...Dabei ist
die `Liturgie` nur der andere Name für `Heilszuwendung durch die
Sakramente`. Diese drei Elemente: Verkündigung, Liebesdienst und
Liturgie bilden miteinander eine unauflösliche Einheit.“ In: Die
Messe, 19925 S.22. Hier wird die Liturgie und damit die
ganze Kirche reduziert zu einem bloßen Menschendienst. Diesem
Verluste der vertikalen Beziehung entspricht es, wenn etwa im
monastischen Stundenbuch 3.Bd, Hrsgb: Salzburger Äbtekonferenz 1981
der Antiphon zur Mittwochterz heißt: „Die Erfüllung des Gesetzes
ist die Liebe; wer den Nächsten liebt, hat das Gesetz erfüllt:“
Der Ausfall der Gottesliebe ist signifikant.
5
Hl. Pius X., Kompendium der christlichen Lehre 1981 S.1.
6
Karl Rahner sagte: „Der Christ der Zukunft wird Mystiker , oder er
wird gar nicht mehr sein.“zitiert nach Thomas Ruster, Die Einheit
der Unterscheidung und das unterscheidend Christliche, in: Karl
Rahner Kritische Annäherungen Hrsgb: David Berger 2004, S.43 und
verweist damit auf die grundsätzliche Alternative, die Religion als
unmittelbare Beziehung des Individuums als den Anfang zu setzen, und
die Kirche dann als sekundäre Vergemeinschaftungsform von
religiösen Individuen zu verstehen, so daß der Kult dann nur noch
Gestaltwerdung des Glaubens ist oder ob nicht der Gottesdienst
selbst der Ort primärer Gotteserfahrung ist. Dem korreliert, ob der
Kult primär der Ort der Präsenz Gottes ist, wo sich deshalb die
Gemeinde hinversammelt,oder ob das Versammeln der Gläubigen als der
Grund dafür angesehen wird, daß hier mit Gottes Gegenwart zu
rechnen ist.
7
Die Einheitsübersetzung, sich am hebräischen Text orientierend,
liest: „damit sie mir in der Wüste ein Fest feiern können.“,und
bringt so den kultischen Charakter der Feier zum Verschwinden. Aus
Dienst wird eine Feier; darin spiegelt sich der Sitz des
Gottesdienstes in der Moderne, der Freizeit wieder. In der
Osterliturgie wird die Befreiung Israels aus Ägypten als
Vorababildung der Befreiung aus der Sündenmacht durch Exodus 14,
15- 15,1, vergegenwärtigt als Befreiung von/ aus der Sklaverei,
nicht wird aber die Befreiung wozu, zum Gottesdienst
vergegenwärtigt. Vgl.: Schott,Meßbuch, Für die Sonn- und Festtage
des Lesejahres A 1983. S.215f
8
Ott, Ludwig, Grundriß der Dogmatik11 :S.272. Die
kirchliche Lehre von der Versöhnung Gottes durch das Kultopfer wird
heutzutage von modernistischen Theologen aufs entschiedenste
bekämpft. M. Kehl SJ in dem Themaheft: „Versöhnung“ 2006/2 der
Jesuiten, als Herausgeber fungiert die Deutsche Provinz de Jesuiten,
führt dies modern jesuitisch so vor: „Viele Christen empfinden
heute eine solche Vorstellung von Erlösung und Versöhnung, vor
allem auch das damit veknüpfte Gottesbild als schrecklich, ja als
sadistisch. Mit Recht!“ Dann demonstriert dieser Theologie, wie
Versöhnung ob der Liebe Gottes als bedingungslose
Versöhnungsbereitschaft verstanden, keines Opfers und keines
Opferkultes bedürfe. In typisch modernistischer Weise wird hier
Gottes Liebe verdeutet zur Vorstellung, daß Gott jeden Menschen,den
postlapsarischen (!) so annimmt, wie er ist und zu ihm: „Ja“
sagt. Gott bejaht den Sünder und läßt ihn Sünder bleiben. Vgl
dazu auch die Vorstellung, Gottes Liebe sei die unbedingte
Anerkennung des Anderen als des Anderen bei: Karl- Heinz Menke, Die
Einzigkeit Jesu Christi 1995.
9
DH 3339.
10
DH 3339. Vgl DH 1751: Es heißt, daß in der Messe Gott ein wahres
und eigentliches Opfer dargebrachtwird und nicht heißt es, daß in
der Messe nur die Erinnerung an das Kreuzesopopfer Christi begangen
wird und auch heißt es nicht, daß nur die Früchte des Kreuzopfers
in der Erinnerungsfeier aktuell appliziert werden.
11
DH 4126.
12
Romano Amerio veranschaulicht die Konsequenz der
anthropozentristischen Formung der Messe in dem radikalen Wandel des
Verständnisses des Altarsakramentes: „Die Eucharistie ist ja von
einer unmittelbar auf den Erlösergott verweisenden Opferhandlung
zu einer brüderlichen Agape feiernden Mahlzeremonie
heruntergekommen.“ In: R. Amerio,Jota Unum 2000 S.579.
13
Hilberath und Schneider demonstrieren die Auswirkung dieses Wandels
vom substanzontologischen zum relationsontologischen Denken in ihrer
Auswirkung in ihrem Votum für die Ersetzung der
Transub-stationslehre durch eine Transsignifikationslehre in ihrem
Artikel: Eucharistie in: Handbuch theologischerGrundbegriffe, Hrsgb:
Peter Eicher, Bd 1 1984, S. 305- 317. Diese Lehre ist in der
Enzyklika: Mysterium fidei 1965 reprobiert worden (DH 4411f)
14
Im CIC Can. 938 §2 heißt es dagegen noch: „Der Tabernakel, in
dem die heiligste Eucharistie aufbewahrt wird, muß sich an
irgendeinem hervorragenden Platz der Kirche oder Kapelle befinden,
der gut sichtbar, kunstvoll ausgestattet und zum Gebet geeignet
ist.“ Aus dem hervorgehobenen Platz innerhalb der Kirche wird in
der zitierten Arbeitshilfe die Aussonderung aus dem Gottesdienstraum
in eine Nische für die Privatfrömmigkeit.
15
Katechismus der Katholischen Kirche 1993 1379.
16
Lechner/ Eisenhofer, Liturgik der Römischen Ritus 1953 S.105.
17
Hans Bernhard Meyer im Handbuch der Liturgiewissenschaft,
Gottesdienst der Kirche Teil 4 1989 urteilt einfach: „Nach dem
Tridentinum wurde schließlich im Kontext der
gegenreformatorischen Verteidigung der bleibenden Gegenwart Christi
im Altarsakrament das Tabernakel auf dem Hauptaltare zum
ideelen,archtektonischen und ikonographischen Zentrum der meisten
Kirchenräume.“ um dann wohlwollend festzustellen, daß das 2.
Vatikanum „eine wirksame Neuorientierung im Sinne der
ursprünglichen Ordnung“ hervorgerufen habe. S.585 ohne zu prüfen,
ob diese Entwickelung nach Trient nicht eine organische
Weiterentwickelung und Vollendung des ursprünglichen Anliegens der
christlichen Feier des Altarsakramentes war in dem Sinne, daß auch
der christliche Kult Rechenschaft über seine
Konstitutionsbedingungen geben mußte, über die Frage der Präsens
Gottes im Kult als Ermöglichungsbedingung seines Vollzuges.
18
Erwägenswert ist es, ob es nicht eine bessere Lösung für die
zweifache Realpräsens Christi in der Meßliturgie geben könnte,
die die Spannung zwischen dem Ereignischarakter der Wandlung, der
dynamische Präsenz und der statisch auf Dauer gestellten
Realpräsenz im Tabernakel aufhebt, ohne eine dieser beiden Pole zu
verdrängen. Ludwig Ott führt zum Opfercharakter der Messe aus:
„Spekulativ läßt sich der Opfercharakter des Kreuzestodes
Christi daraus begründen, daß alle Erfordernisse erfüllt waren.
Christus war nach seiner menschlichen Natur zugleich Opferpriester
und Opfergabe. Nach der göttlichen Natur war er in Gemeinschaft mit
dem Vater und dem Hl. Geist auch Empfänger des Opfers.“ Ott,
Grundriß der Dogmatik11 S.273. Dann könnte diese
zweifache Weise der Realpräsenz wie folgt sinnvoll zugeordnet
werden: Christus als Empfänger des Opfers ist der im Tabernakel
präsente, der in den konsekrierten Elementen präsente ist dagegen
der Christus als der sich dem dreieinigen Gott Aufopfernde. Denn zur
hinreichenden Bestimmung des Opfers ist die Präsenz bzw.
Erreichbarkeit des Gottes, dem geopfert wird konstitutiv. Nur dort,
wo Gott selbst sich als gegenwärtiger Menschen erweist, können sie
ihm einen Kultort errichten, um dort zu opfern. So z.B. Gen 12, 7:
Der Herr erschien Abram und sprach: Deinen Nachkommen gebe ich
dieses Land. Dort baute er dem Herrn, der ihm erschienen war, einen
Altar.
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