Über
die kontaminierte Theologie
oder
: Bibel und Theologie
„Wer
verbreitet die Irrlehre von der Unsterblichkeit der Seele?““ kann
man im Internet lesen und wird dann auch fündig! Der Teufel sei der
erste Urheber der 1515 vom 5. Laterankonzil dogmatisierten Lehre.
Weniger polemisch: diese Lehre kenne die Bibel nicht, sie sei erst
später, im 3 Jahrhundert in die Kirche eingeflossen und habe dann
das theologische Denken kontaminiert. Schuld ist natürlich die
Philosophie:statt daß auf die Bibel gehört würde, hätte man der
Philosophie den Eintritt in die Kirche gewährt und die habe dann die
Theologie korrumpiert.Das kann man dann auch etwas feinsinniger
deuten als Einpassung der Theologie in ihre Zeit, daß sie dann auch
Aushilfen und Anleihen bei der Philosophie nahm, um auf der Höhe der
Zeit zu sein. Luther soll dann der große Reiniger der Theologie
gewesen sein, der sie aus der Überfremdung durch
philosophisch-scholastisches Denken befreite und zum schlichten
Bibelglauben zurückfand. So weit diese Klischees, die zwar wenig mit
der historischen Wirklichkeit zu tun haben, sich aber größter
Beliebtheit erfreuen, nicht nur im evangelischen Raum.
Seit
den 20er Jahren erhob sich dann im Protestantismus die Forderung der
Entplatonisierung des Christentumes, die nach der Exkommunizierung
der Lehre von der Unsterblichkit der Seele. Carl Stange, Althaus,
aber am bedeutesten Karl Barth und abschließend: Jüngel in seinem
zu dieser Frage zum Standartwerk avancierten Buch: Tod. Und da es
eine der Lieblingsbeschäftigungen katholischer Theologen geworden
ist, sich vom Protestantismus inspirieren zu lassen, fand diese
Parole dann auch in katholischen Kreisen Nachahmer.
Erstmal
scheint das alles sehr einfach: da gibt es die Bibel und dann die
Idee, Philosophisches dazuzunehmen- und das wäre eigentlich schon
die Ursünde der Theologie. Nicht nur die Zeugen Jehovas sehen das
so, auch so mancher Student der Theologie, sieht er sich mit der
Schwierigkeit philosophischen Denkens konfrontiert. Reicht es
nicht,zu glauben und zu handeln und das Denken den Pferden zu
überlassen!
Aber
die Kritik an der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele ist nun
nicht ein Privilegium bildungsfindlicher Biblizisten sondern selbst
ein philosophisches und theologisches Programm. Die Abkehr von der
Lehre von der Unsterblichkeit der Seele gründet sich nämlich selbst
in dem Wandel des philosophischen Denkens. Erst wurde diese
Vorstellung aus der zeitgenössischen Philosophie entfernt als nicht
mehr sachgemäß-man denke hier nur an Nietzsche und Marx-und daß
sie heuer nur noch randständig vertreten wird, seitdem Platon und
seine „Schüler““ fast nur noch ideengeschichtlich interessiert
studiert werden.Also nicht eine Entfernung der Philosophie wird
gefordert, wenn die Entplatonisierung eingefordert wird und damit
zuallererst immer auch der Verzicht auf die Vorstellung vom
Selbststand der Seele, sondern nur, daß sich die Theologie von ihrer
Synthese mit dem Platonismus befreien soll, um sich dann neu mit
anderen philosophischen Richtungen zu verehelichen, etwa R.Bultmann
und K.Rahnrer mit der Philosophie Heideggers, oder ganz zeitgemäß
mit dem Feminismus oder fast schon wieder aus der Mode gekommen mit
dem Marxismus, die Theologie der Befreiung. So ist ja auch die
Alternative zur Vorstellung des Sterbens als der Trennung von Leib
und Seele der Ganztod selbst eine Vorstellung, die auf einer
materialistischen Philosophie sich fundiert; daß die Materie das
Primäre und das, was wir Seele nennen, nur eine besondere
Selbstorganisationsgestalt der Materie sei. Geist und Seele seien so
Phänomene der Materie. Aber das theologische Argument ist nun doch
für sich zu würdigen. Es ist ein rein evangelisches und
antikatholisches! Das ewige Leben soll nur ein Gnadengeschenk Gottes
sein, und dem würde die Vorstellung, daß der Mensch sich im Tode
ganz auflöse und nichte, und von Gott ganz neu kreiert wird am
besten gerecht. Denn gäbe es eine unsterbliche Seele, dann verdankte
der sich der Mensch des ewigen Lebens-er wäre sozusagen von Natur
aus ewig lebend und weil die Unsterblichkeit eine natürliche sei,
wäre es keine göttliche Gnade, ewig zu leben. Um des „allein aus
Gnaden“willen, müsse so die Natur genichtet werden Diese Aufgabe
übernimmt der Tod dankenswerterweise, sodaß dann die göttliche
Gnade allein ihr Werk vollbringen könne, den Menschen ganz neu zu
schaffen zum ewigen Leben. Nicht nur K. Barth sieht so in der
platonischen Seelenlehre nicht einfach eine philosophische
Kontaminierung einer eigentlich rein biblisch denken sollenden
Theologie, sondern einen Fremdkörprer, der nicbt mit der
reformatorischen Rechtfertigungslehre kompatibel sei. Daß der Mensch
aber nur aus Gnade gerechtfertigt werden würde, sodaß die Natur des
Menschen daran nicht beteiligt wäre, ist nun selbst eine maßlose
Übertreibung der Reformatoren.
Aber
etwas anderes deutet sich damit an: wenn es zur Natur des Menschen
dazugehört, zu sterben und wenn dies Sterben der Ganztod des
Menschen ist, dann erscheint das ewige Leben des Menschen plötzlich
als etwas Unnatürliches, nicht zur Natur des Menschen Passendes. Die
Ganztodtheorie versöhnt sozusagen den Menschen mit seinem
Todesschicksal, indem es den Tod als das Natürliche imaginiert und
die Vorstellung von einem ewigen Leben als einen Zusatz auffaßt, als
ein Zusatzgeschenk Gottes an den Menschen, worauf der Mensch als
Mensch auch verzichten könnte, indem er sich mit seinem natürlichen
Leben zufrieden gibt.
(So
wurde mir in meiner Zeit als evangelischer Vikar von meinem
Ausbildungspfarrer sehr energisch empfohlen, auf Beerdigungen nicht
von der Auferstehung der Toten oder gar von einen ewigen Leben zu
predigen, da an so was Mythologisches sowieso Niemand mehr glaube und
es auch theologisch nicht in Ordnung sei, weil wir Menschen mit dem,
was Gott uns gebe, mit unserem endlichen Erdenleben uns zufrieden
geben sollten, statt noch ein ewiges Leben von ihm einfordern zu
wollen!)
Wenn
es die Natur des Menschen wäre, endlich zu leben, dann wäre ja ein
ewiges Leben wirklich etwas Widernatürliches und somit dem Menschen
Widersprechendes. Und somit wird aus dem Gnadengeschenk des ewigen
Lebens, das wir nicht unserer menschlichen Natur sondern allein der
göttlichen Gnade verdanken, etwas so der Natur des Menschen
Inkompatibles, daß wir es um der Natürlichkeit willen auch dankend
ablehnen-vulgär formuliert: es sei doch auch gut, daß das Leben mal
zu ende geht, so schön es auch ist.
Also,
es ist nicht einfach eine reine Purifikationsmaßnahme, wenn die
Exkommunizuierung der platonischen Seelenlehre gefordert wird, etwa
von Jüngel, sondern auch der Wille zur Einpassung in die jetzige
Philosophie. Es ist auch ein Versuch der Radicalisierung der
reformatorischen Vorstellung vom: allein aus Gnade“ auf die
Anthropologie: der Mensch dürfe nicht natürlich als unsterblich
gelten, damit sein ewiges Leben er allein der göttlichen Gnade
verdanke. Die eigentliche Pointe dieser Entplatonisierung liegt aber
wohl darin, so den Menschen mit seiner „natürlichen“ Endlichkeit
auszusöhnen, indem das „ewige Leben“ nun als etwas zur Natur des
Menschen Inkompatibles zu stehen kommt. Der Mensch soll sich
materialistisch denkend so sehr als Teil der Natur denken, daß ihm
sein Sterbenmüssen und sein Todsein als etwas Natürliches und somit
Gutes vorkommt.
Die
Lehre von der Unsterblichkeit der Seele wird dagegen das
Sterbenmüssen stets als etwas der Natur der Menschen Inkompatibles
begreifen und so gerade erst das ewige Leben als das dem Menschen
gemäße ansehen. Um der großen Parole Nietzsches, der des Aufrufes
zur Treue zur Erde gerecht zu werden, soll so der Mensch zu einem
natürlich sterblichen Wesen umgedeutet werden.
Jesu
Tempelreinigung, die Austreibung der profanen Händler aus dem
heiligen Tempel kann so nicht als das Urbild der Reinigung der
Theologie vom philosophischen Denken gedeutet werden.Denn es ist mehr
eine Parole der Einpassung an das jetzige philosophische Denken als
das eine Praxis einer Rückkehr zum rein biblischen Denken.
Aber
wie paßt denn nun das philosophische Denken zu dem biblischen? Wie
paßt das, was uns die hl. Schrift sagt zu dem, was wir unter der
Lehre von der unsterblichen Seele verstehen? Einfach wäre ja diese
Vorstellung, daß die Bibel uns ein in sich konsistentes Bild vom
Menschen entwirft, zu dem auch das gehört, was wir dann
philosophisch die Unsterblichkeit der Seele nennen und wir einräumen,
daß dieser Begriff so nicht in der Bibel vorkommt, aber der Sache
nach wäre das damit gemeinte enthalten. Ist also das damit Gemeinte
in der Bibel und nur der Begriff von ihm nicht vorhanden? Oder
sollten wir es anders sagen: wenn wir das in der Bibel über den
Menschen Ausgesagte begreifen wollen, dann können wir das nicht ohne
die Anwendung dieses Begriffes. Die Aufgabe des Begreifens des
Zeugnisses der Bibel würde uns sozusagen den Begriff der
unsterblichen Seele aufnötigen! Denn wir sollen ja die Bibeltexte
nicht nur lesen, sondern auch begreifen. Das philosophische Denken
wäre so nicht etwa nur eine Vorstufe für die biblischen Wahrheiten,
etwa im Schema von natürlicher philosophischer und übernatürlicher
biblischer Wahrheit, sondern selbst ein Medium, in dem das Biblische
erst recht begriffen werden kann.
Veranschaulichen
wir uns dies an einem allseits bekannten Problem: Jesus sagt, am
Kreuze, zum reumütigen Sünder: „ Amen, ich sage dir: Heute noch
wirst du mit mir im Paradies sein.“
Hier
soll sich nun auf diesen Teil der Verheißung kapriziert werden, daß
der reuige Sünder heute noch im Paradies sein wird. Der Zusatz, mit
mir soll hier unberücksichtigt bleiben. Das verlangte eine eigene
Untersuchung. Der reuige Sünder stirbt am Kreuze-einen grauenhaften
Tod- und dann wird er begraben. Wie kann von ihm zugleich ausgesagt
werden, daß er am Kreuze starb und dann wie auch immer beerdigt
wurde und daß er zugleich im Paradies,im ewigen Leben ist?
Die
Realität des Todes kann nicht geleugnet werden- es gibt keinen
Hinweis darauf, daß er, gestorben am Kreuze „entrückt“ worden
wäre, wie die Mutter Gottes und so leiblich in den Himmel
aufgenommen worden wäre. Er ist also begraben worden. Wie kann er
zugleich begraben sein und im ewigen Leben sein? Diese Frage kann man
nicht ohne die Annahme eines Dualismus von Leib und Seele
beantworten. Wollte man nun sagen, er wäre ganzheitlich gestorben
mit Leib und Seele, dann müßte auch hier das Grab-wie das von Jesu
-leer gewesen sein,weil er dann mit Leib und Seele ins Paradies
entrückt worden wäre. Aber in diesem Falle ist uns von einem leeren
Grab nichts bekannt. Also: der Leib ist tot im Grabe und die Seele
ist lebendig im Paradiese. Denn Jesus sagt ja nicht: Du wirst jetzt
am Kreuze sterben, aber am Ende der Zeiten werde ich dich von den
Toten auferwecken, sodaß du dann im ewigen Leben sein wirst. Jesus
spricht hier keine futurische Verheißung aus: so wird es nach dem
Ende aller Zeiten sein...sondern: heute!
Die
Seele des am Kreuze Verstorbenen ist im ewigen Leben, obgleich der
Leib im Grabe tot ist und der Verwesung unterworfen ist. Die
göttliche Gnade besteht nun darin,daß Jesus die Seele in den Himmel
aufnimmt. Wo wäre sie, wenn sie nicht im Paradies wäre? Auch darauf
gibt uns die Bibel eine klare Antwort, Sie wäre in der Scheol, dem
Totentreich. Auch hier unterscheidet die Bibel den Ort des
Begrabenseins von dem Ort Scheol-weitestgehend identisch mit der
griechischen Vorstellung vom Hades. Auch dies impliziert die
Vorstellung der Trennbarkeit von Leib und Seele. Der Leib ist im
Grabe, die Seele im Totenreich der Scheol. Das Totsein wird dann
tiefgündiger als es das bilologistisch-materialistische Denken
vermag, als ein wirkliches Sein im Tode begriffen: die Seele ist im
Hades und erleidet das Todsein als das radicale Getrenntsein von der
Welt des Lebens. Wäre das Todsein die völlige Nichtung des
Menschen, wäre ja kein Subjekt mehr, von dem prädiziert werden
kann, daß es tot ist-es gäbe so mein Todsein gar nicht. Die Scheol
bzw die griechische Vorstellung vom Hades sind so nicht primitive
Vorstellungen vom Todsein, die es aufzuklären gilt und damit zu
negieren. Sie sind der adäquate Ausdruck der Einsicht, daß mein
Tod, damit es ihn als den meinigen gibt, ein Subjekt voraussetzt, das
das Todsein als sein Todsein sich selbst zuschreiben kann. Das drückt
die Scheolvorstellung aus. Dies Subjekt ist gerade meine Seele, die
in der Scheol ihr Getrenntsein vom Leben als den meinigen Tod
erleidet.
Die
Seele als das von seinem Körper Getrennte ist das Subjekt, das den
Tod in der Scheol oder im Hades als den seinigen Tod sich zuschreibt
und so erst den Tod als meinen Tod ermöglicht und das ewige Leben im
Paradies als mein ewiges Leben ermöglicht. Damit das ewige Leben im
Paradies wie auch das im Hades wirklich meines ist und nicht das
eines anderen Iches, das an meine Stelle tritt, konstituiert das Ich,
das sich identisch bleibt, die Identität zwischen dem Ich des
prämortalen Lebens und des postmortalen als Sein in der Scheol oder
im Himmel. Diese sich durchhaltende Identität des Iches,
daß es mich vor und nach dem Sterben gibt,meint dann das, was der
Begriff der unsterblichen Seele besagt.
Ohne
diesen Begriff werden uns erst die biblischen Aussagen über das
postmortale Sein in der Scheol wie die über das Sein im Paradiese
gleich nach dem Tode zu unbegreiflichen Vorstellungen, die wir dann
umformen müssen, damit sie zu etwas Verstehbaren werden.Die
plumpeste Übersetzung ist dabei die in die vulgär-materialistische
Vorstellung des Ganztodes. Aber in dieser Vorstellung ist gerade der
Tod als mein Tod nicht mehr begreifbar zu machen.Wenn so übersetzt
wird, geht gerade der Gehalt des Zuübersetzenden verloren.
Der
Begriff der unsterblichen Seele ist so unverzichtbar, weil nur durch
ihn so Kernaussagen der hl. Schrift über uns Menschen begriffen
werden können. Ohne diesen Begriff können die dualistischen
Aussagen über den Menschen, daß er im Grabe ist und zugleich in der
Scheol oder im Paradiese ist, nicht begriffen werden, wenn auch die
Identität des Gestorbenen mit dem, was in der Scheol oder im
Paradies als meine postmortale Existenz ist, gedacht werden muß.
Wird
auf diesen Begriff verzichtet, triumphiert faktisch eine
materialistische Philosophie mit ihrer Vorstellung vom Menschen als
eines rein diesseitigen Wesens, für das es weder den Tod noch ein
Leben nach dem Sterben gibt. Aber es ist fraglich, ob eine solche
philosophische Sicht des Menschen auch nur seinem irdischen Leben
gerecht werden kann. Der Mensch kann autobiographisch reden. Aber was
sind die Ermöglichungsbedingungen dafür, daß er eine
Autobiographie schreiben kann, daß da ein Ich auftritt, das das
Subjekt aller Prädikate der Ichrede ist: ich tat das und das
...wobei das Ich ein immer sich gleich bleibendes ist? Kann dieses
Ich aus meinem Leben als entstanden gedacht werden? Daß da erst kein
Ich war und daß es erst durch Ereignisse wurde? Aber ein Ereignis
wird erst durch das Ich zu meinem Ereignis. Erst die Subjktivität
des Iches individualisiert mir Widerfahrenes zu einem Ereignis meines
Lebens. Ohne die Präsumption eines Iches, das vor allen Ereignissen
meines Lebens ist, damit es meine werden, könnte es mein Leben gar
nicht geben.Dies allem vorausgeetzte Ich ist ontologisch gedacht die
Seele, die das Leben erst zu dem meinigen Leben macht. Und genau dies
Ich erweist sich in der autobiographischen Rede von meinem Tod als
das Ich, das sich auch noch im Tode durchhält, um den Tod wie das
Leben zu meinem zu machen. Ohne diesen Begriff wird so unser
menschliches Leben sehr viel ärmer-wir verlieren uns in den
Ereignissen und Widerfahrnissen, weil wir uns als das Subjekt all
dessen nicht mehr adäquat begreifen können. Gerade weil uns die hl.
Schrift als ein zu Begreifendes gegeben ist, kann das theologische
Denken nicht auf philosophische Begriffe verzichten.
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