Dienstag, 9. Dezember 2014

Papst Benedikts (emeritus) neue Aufgabe

Was ist der Mensch? Der Kampf um die Erbsündenlehre

Kardinal Ratzinger/Papst Benedikt XVI. schrieb: „Sollte mich eines Tages die Vorsehung von diesen meinen Verpflichtungen befreien, möchte ich mich gerade dem Thema der Erbsünde beziehungsweise der Notwendigkeit einer Wiederentdeckung ihrer eigentlichen Wirklichkeit widmen.In der Tat, wenn man nicht mehr versteht, daß sich der Mensch in einem Zustand der (nicht nur ökonomischen und sozialen und folglich in einer mit seinen eigenen Anstrengungen allein nicht lösbaren) Entfremdung befindet, versteht man nicht mehr die Notwendigkeit des Erlösers Christus. Die ganze Struktur des Glaubens ist somit bedroht. Die Unfähigkeit, die Erbsünde zu verstehen und verständlich zu machen, ist wirklich eines der schwerwiegendsten Probleme der gegenwärtigen Theologie und Pastoral.“1
Ganz anders urteilt der Rahnerschüler H. Vorgrimmler, berühmt geworden durch sein Engagement für den Dialog mit dem Freimaurertum. Als Beleg dafür, daß der „Glaubenssinn“ der Gläubigen sich gegen die Lehre der Kirche durchsetzen könne, benennt er im Sinne Rahners die Ablehnung der Erbsündenlehre durch das Kirchenvolk. Sie habe diese Lehre erfolgreich außer Kraft gesetzt, triumphiert dieser Theologe. „Die zweite Stufe ist eine Verweigerung, der ein eigener neuer Vorschlag folgt. Ein Beispiel ist die Säuglingstaufe. In weiten Kreisen unserer Kirche wird das Behaupten einer Erbsünde abgelehnt, aus Ehrfurcht vor dem Gottesbild und als Respekt vor dem menschlichen Gewissen. Darum wird die Redeweise von dem erbsündigen Säugling, der ohne Taufe für immer und ewig verloren und dem Teufel ausgeliefert sei, aufgegeben, der Ritus wird als Aufnahme in die Kirche verstanden.2
Also, die Erbsündenlehre verstoße gegen das Gewissen und gegen das Gottesbild. Deshalb wird bestritten, daß der Mensch der Taufe zur Befreiung von der Erbsünde bedürfe. Das erforderte dann eine Neufassung des Verständnisses des Taufsakramentes. Die kirchliche Praxis der Taufe, sie so früh wie möglich nach der Geburt zu vollziehen, gründet sich ja in der Erbsündenlehre, daß jeder Mensch von Anfang an der Erbsünde unterworfen ist und um des Heiles willen von ihr befreit werden muß, damit er ins ewige Leben eingehen kann. Dies verwirft nun das Kirchenvolk und natürlich die moderne Theologie. Deshalb ist nun der Taufe auch ein neuer Sinn zu geben: sie ist nur noch ein Aufnahmeritual in die Kirche. Warum nun Kleinstkinder schon in die Kirche aufgenommen werden sollen und man nicht wartet, bis sie selbst dem Verein Kirche angehören wollen, bleibt dann aber rätzelhaft.
Aber wenden wir uns dem Kern des Problemes zu. Die Erbsündenlehre verstieße gegen das Gottesbild und wäre für das menschliche Gewissen unzumutbar. Und darum müsse diese Lehre zu den Akten gelegt werden. Wo diese Lehre abgelehnt wird, fällt das Sakrament der Taufe aus. Kardinal Ratzinger sieht den engen Zusammenhang zwischen der Bestimmung des Menschen als eines Erlösungsbedürftigen und daß der Mensch sich nicht selbst erlösen kann, sondern durch die Gnade Gottes erlöst wird. Das ereignet sich durch das gespendete Sakrament der Taufe. Wo der Mensch nicht mehr als erlölsungsbedürftig angesehen wird, oder wenn doch, dann unter der Prämisse, daß er sich selbst aus seiner Entfremdung emanzipieren kann, da bedarf es keines Sakramentes der Taufe mehr. Deshalb wird die Taufe entsakramentalisiert und zu einem bloßen Aufnahmeritual umgedeutet. Im tiefsten Kern ist das Nein zur Erbsündenlehre ein hybrisches Nein zum Glauben der Kirche, daß der Mensch sich nicht selbst erlösen kann sondern dafür auf Gottes Gnade angewiesen ist.
Und darum war der erste große Lehrstreit um die Bedeutung der Gnade, der zwischen Augustin und Pelagius auch und gerade ein Kampf um die rechte Tauflehre. Denn mit dem Sieg des hl. Augustin wider Pelagius wurde die heutige Taufpraxis, die Neugeborenen so früh wie möglich zu taufen, zu der regulären Praxis der Kirche, weil ungetauft Verstorbenen der Ausschluß vom ewigen Heil droht.

Was ist der Mensch? Die Zentralfrage lautet: ist er ein erlösungsbedürftiges Wesen, das sich nicht selbst erlösen kann und das darum nur durch Gottes Gnade erlöst werden kann, das meint Ratzinger, wenn er von der Notwendigkeit Jesu Christi spricht, oder ist er zwar ein von sich entfremdetes Wesen, das sich aber selbst aus seinem Elend emanzipieren kann? Jeder Humanismus wird immer darauf insistieren, daß der Mensch jetzt zwar nicht so ist, wie er sein sollte, daß er aber in sich die Potenz besitzt, sich aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit zu emanzipieren. Die Menschwerdung des Menschen ist so das Bildungsziel des humanistischen Strebens. Einer der ersten und bedeutesten Humanisten Erasmus von Rotterdam war dann auch im 16 Jahrhundert ein Vorkämpfer gegen die Erbsündenlehre. Und man kann ihn auch als einen Neopeliganer bezeichnen, denn gerade diese humanistische Sicht verbindet diese beiden,Soviel sie dann auch noch von der göttlichen Gnade zu reden wissen, es bleibt immer nur ein Zusätzliches, das uns Menschen hilft, das zu erreichen, was wir eigentlich auch ohne die göttliche Gnade, allein durch unsere Potenz erreichen könnten. Jesus Christus kann dann eigentlich uns nur ein Vorbild sein, das uns erlöst, wenn wir seinem beispielhaften Leben nachfolgen. Dem korreliert, daß uns auch Adam nur ein negatives Vorbild ist. Leben wir wie er, dann verfehlen wir unser Leben und werden nicht eingehen in das ewige Leben. Der Mensch ist sozusagen eine tabula rasa, ein Wesen jenseits von Gut und Böse. So kommt er zur Welt und dann entscheidet es sich, was aus ihm wird, in der Frage: nimmt er sich Adam oder Jesus zum Vorbilde? Er kann beide sich zum Vorbild nehmen, weil er selbst in sich reine Unbestimmtheit ist. Er wird erst durch die Wahl, was er ist. Seiner Existenz geht kein Wesen, keine Natur voraus, sondern er erwählt sie sich, indem er sich gemäß dem Vorbild Jesu oder dem des Adam entwirft. So kann man in dem Humanismus eines Erasmus von Rotterdam und subkutan schon bei Pelagius den modernen atheistischen Existentialismus heraushören. Sartre läßt grüßen.
Und dieses Menschenbild soll nun auch das sein, was unserem Gewissen allein zumutbar sei, daß der Mensch, jeder allein durch seinen Lebensentwurf sich zum Guten oder Bösen bestimmt, weil nur so er im Guten wie im Schlechten für sein Leben voll verantwortlich ist. Nur wenn ich alles, was ich bin, allein durch mich bin, dann bin ich wirklich der Herr meines Lebens und für es ganz und gar auch verantwortlich. Gott kann hier nur noch die Funktion innehaben, für uns Menschen Lebensideale in die Welt zu setzen, denen wir dann nachfolgen oder sie auch ablehnen können. Dem korrespondiert ein Gottesbild, der den Menschen einfach als Freiheit in die Welt setzte und nun ihn gewähren läßt, wie es ihm gefällt. Das ist die Tendenz dieses modernistischen Gottesbildes zum Deismus, daß Gott, nachdem er die Welt geschaffen hat, sie sich selbst überläßt, sodaß wir in ihr leben müßten, als gäbe es keinen Gott (Bonhoeffer). (Daß diese Vorstellung mit der „Religiösität“ der Freimaurer kompatibel ist, ist offenkundig.)

Exegetisch entzündet sich die Kontroverse als die um die rechte Übersetzung von Röm 5,12! Erasmus von Rotterdamm war es, der so wirkkräftig die traditionelle Übersetzung der Kirche bekämpfte, erfüllt vom humanistischen antiaugustinischen Geist bekämpfte, Die Kirche übersetzte Röm 5,12 so: „Deshalb gleichwie durch einen Menschen die Sünd in die Welt gekommen ist, und durch die Sünde der Tod, und so auf alle Menschen der Tod übergegangen ist, weil alle in ihm [Adam]gesündigt haben.“3 Erasmus übersetzte nun wie jetzt auch die „ökomenische Einheitsübersetzung“; „weil sie alle gesündigt haben.“ Der Unterschied besteht in der unterschiedlichen Übersetzung des lateinischen: „in quo“, das die Tradition mit: in welchem übersetzte und damit in Adam ´meinte und den humanistischen Modernisten, die das mit: „weil“ übersetzen. Die Differenz ist klar: die modernistische Übersetzung reduziert das Verhältnis von Adam zu uns zu einem bloßen Nachahmungsverhältnis: nur weil wir wie Adam sündigen, sind wir Sünder. Würden wir seine Sünde nicht nachahmen, wären wir keine. So ist Adam nur der erste von vielen Sündern, weil die vielen selbstständig auch sündigen.Bevor ein Mensch sündigt, ist er dann auch noch kein Sünder. Das bedeutet natürlich, daß Menschen, solange sie noch nicht verantwortlich für ihr Tun und Lassen sind, keine Sünder sein können.Nur der mündige Mensch kann Sünder sein. Und nur der, der mündig gesündigt hat, bedürfte dann der Gnade. Folgeprobleme schließen sich dem an: könnte es nicht Menschen geben, die nicht sündigen, wenn sie mündig werden, sodaß auch diese nicht der Gnade Gottes bedürften? Oder man müßte meinen, daß auch der natürliche Mensch, wenn er nicht gesündigt hat, der göttlichen Gnade bedürfe. Aber wir sehen: die ganze Gnadenlehre fängt zu wackeln an: es erscheint vor unserem Auge der gesund und unschuldig geboren wordende Mensch, der es in seinen Händen hätte, auch ohne zu sündigen, durchs Leben zu gehen und der sich so rechtens frägt: Wozu bräuchte ich denn einen Erlöser? Ratzinger bringt es auf den Punkt: man versteht nicht mehr die Notwendigkeit des Erlösers! Er kann ruhig kommen, der Erlöser zu Weihnachten, in der hl. Eucharistie und in seiner Gegenwart im Tabernakel, aber brauchen tut ihn der Mensch als Erlöser nicht!
Der Mensch ist so sehr Herr seines eigenen Lebens, im Guten wie im Bösen, daß er eigentlich sich selbst humanisieren kann. Dem korreliert heute weitestgehend die kirchliche Praxis: statt zu evangelisieren, mit allen Menschen guten Willens an der Humanisierung der Welt zu arbeiten. Und Humanisierung meint immer auch, daß der Mensch sich aus seiner selbstverschuldeten Entfremdung emanzipiert. Nicht mehr das Taufsakrament erlöst uns sondern humanistische Weltbeglückungsprogramme. Und für solche Programme ist natürlich die Lehre von der Erbsünde völlig indiskutabel, weil man doch an die Selbsterlösbarkeit des Menschen glauben will.
Auch was denn das Gute ist, auch dazu braucht der Mensch eigentlich den Erlöser nicht. Was ökonomisch, sozial nicht in Ordnung ist, und wie man diese Probleme lösen kann, wozu bedarf es da der besonderen Lehren Christi: er ist der Lehrer des ewigen Lebens-die Probleme des modernen Menschen dagegen sind weltimmanente, die er auch weltimmanent lösen kann und will: die Humaniät als menschliche Möglichkeit.

Nur, Vorgrimmler und mit ihm viele andere führen den Kampf gegen die Erbsündenlehre noch prinzipieller.
Auc die Rede von der Hölle wird revidiert. Unser Gott unterhält keine jenseitigen Konzentration+lager, hat ein renommierter Theologe gesagt; kluge Menscen weisen darauf hin, daß die Hölle im Die+seit+ existiert, die Hölle von Auscwitz und von Stalingrad, die Hölle einer Ehe, in der sic Menscen quälen. Die Beispiele könnten vermehrt werden. Die Lehrautorität der Glaubenden gibt e+.“ 
Diese Aussage tätigt Vorgrimmler gleich nach seiner Polemik gegen die Erbsündenlehre. Was hat nun die Erbsündenlehre mit Gottes jenseitigen Konzentrationslagern zu tun? Diese Radaupolemik bezieht sich auf etwas sehr Gravierendes: daß der Mensch im göttlichen Endgericht zur ewigen Verdammnis verurteilt werden kann, ja, daß mit dieser Möglichkeit wirklich zu rechnen ist. Und nun gibt es einen engen Zusammenhang zwischen dem menschlichen Leben, das durch seine Erbsündlichkeit bestimmt ist und der ewigen Verdammnis. Weil Gott die Sünde des Menschen ernst nimmt, ihn als strafwürdig und nicht als Strafunmündigen ansieht, steht der so sündige Mensch in der Gefahr des Verurteiltwerdens. Wenn die Taufe als die Erlösung von der Erbsünde von der Kirche gelehrt wird, dann beinhaltet diese gerade die Aussage, daß die Taufe den Menschen vor der göttlichen Verurteilung retten kann, und es fraglich ist, ob und wie ein Mensch ungetauft, bestimmt durch die Erbsünde in das ewige Leben eingehen kann. Die Taufe ist sozusagen die göttliche Medizin gegen die Erbsündenkrankheit, denn diese hat gefährlichste Folgen für den Menschen. Vorgrimmler geht es so mit seiner polemischen Vergleichung der Hölle mit einem Konzentrationslager darum, auch die Folgen der Erbsünde zum Verschwinden zu bringen. Es gibt kein göttliches Endgericht, in dem Gott Menschen zur ewigen Verdammnis verurteilen wird, weil sie von der Erbsünde Bestimmte sind. Vorgrimmlers Gottesbild läßt die theologische Aussage, daß Christus wiederkommen wird zu richten die Lebenden und die Toten, die einen zum ewigen Leben, die anderen zum ewigen Tod, nicht zu und darum wird auch diese kirchliche Lehre eskamotiert! Damit ist die Erbsündenlehre endgültig genichtet: es gibt keine Erbsünde und es gibt kein göttliches Strafgericht über den erbsündlichen Menschen. Was es nur gibt, das sind Menschen, die sich die Hölle auf Erden bereiten und unsere Aufgabe der Humanisierung der Welt, daß die allein menschlichen Höllen zum Verschwinden gebracht werden. Auch hier fällt auf, daß der Gott, von dem wir glauben, daß er die Welt regiert und darum auch in irgendeinem Zusammenhang mit diesen rein menschlichen Höllen stehen muß, im Denken dieses Theologen nicht vorkommt. Der Mensch bedarf so auch keines Gottes, der ihn erlöst, sondern er steht allein vor von Menschen fabrizierten Höllen, die er auch durch seine eigene moralische Schaffenskraft aus der Welt schaffen kann. Für Jesus bleibt dann da nur noch eine Vorbildfunktion praktizierten Humanismuses: leben wir ihm nach.
Wir begreifen erst die Bedeutung der Beseitigung der Erbsündenlehre, wenn wir diesen Verlust in seiner Beziehung zu der Nichtung der Vorstellung von der ewigen Verdammnis, der Hölle sehen. Pointiert gesagt: es gibt nichts mehr, von dem uns ein Christus erlösen müßte und darum wird er für uns überflüssig. Denn ein Christus braucht uns weder von der tödlichen Erbsündenkrankheit zu erlösen noch uns vor dem gerechten Zornesgericht Gottes über den Sünder zu retten, weil all das die humanistische Theologie beseitigt hat. Wir stehen somit nur noch vor rein menschlichen Aufgaben, wie Ehen die zur Hölle wurden -vielleicht durch die Erlaubnis zur Ehescheidung zu erlösen, ein zweites Auschwitz zu verhindern durch den „Kampf gegen Rechts“ und ein zweites Stalingrad zu verhindern durch durch Pazifismus-und für all solche Aufgaben ist ein Christus als Erlöser unnötig. Politische Korrektheit statt den Erlöser Jesus Christus! Und damit erst haben wir die eigentliche Pointe des Kampfes gegen die Erbsündenlehre erfaßt. Schon Luther warf-rechtens-.dem Humanisten Erasmus vor, daß er in seiner Theologie ganz auf den Erlöser Jesus Christus verzichten könne, im Vertrauen auf das Vermögen des Menschen zum Guten in Folge der Ablehnung der Erbsündenlehre. Und dies Urteil gilt auch für alle anderen Epigonen des Pelagius, als Verleugner der Erbsündenlehre. Kardinal Ratzinger bringt es auf den Punkt, wenn er urteilt, daß ohne die Erbsündenlehre „die Notwendigkeit des Erlösers Chrustus“ nicht mehr begriffen werden kann.4
Aber eines muß auch gesehen werden mit Kardinal Ratzinger: die Kirche verfügt noch nicht über eine material durchgeführte Lehre von der Erbsünde.Wir wissen, welche Aufgaben und Bedingungen diese Lehre zu erfüllen hat, um eine wahre Lehre zu sein, aber wir haben sie noch nicht! Kardinal Ratzinger wünschte sich eine Auszeit, in der er dieser großen Aufgabe sich stellen möchte. Er bezeugt damit, daß es noch sehr viel Denkarbeit bedarf, um diese Lehre zu entwickeln. Hoffen wir, daß Gott ihm die dafür nötige Zeit jetzt nach seiner Resignation vom Amt des Papstes gewährt!
1Kardinal Ratzinger, Joseph, Zur Lage des Glaubens. Ein Gespräch mit Vittorio Messori, 1.Auflage 1985, S.79f.
2Vortrag Vorgrimmler, H., Die Lehrautorität der Gläubigen-so im Internet auffindbar.
3Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testamentes. Mit dem Urtext der Vulgata. 10Auflage von Augustin Arndt S.J., 1903.

4Vgl. Kardinal Ratzinger, a.a.O., S.80.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen