Sonntag, 3. Januar 2016

Ein irritierender Gedanke zum Verhältnis von Christentum und Nihilismus

Selbstverständlich ist jedem Christen die Vorstellung, daß die christliche Religion die Anithese zum Nihilismus ist und daß dieser nur entstehen und zur Machtkommen kann, wenn die Lebenskraft der christlichen Religion versiegt. Dann muß ein christlicher Leser von Nietzsches Werk : "Der Wille zur Macht" irritiert feststellen, daß in dem Buchkapitel: "Nihilismus als Konsequenz der bisherigen Wert-Interpretation des Daseins" die christliche Wertinterpretation gemeint ist! "Sofern wir an die Moral glauben, verurteilen wir das Leben", proklamiert Nietzsche in Nr 6 seines Werkes. Die Entwertung des Lebens wäre dann der Nihilismus, hervorgerufen durch die christliche Moral. Versimplifiziert formuliert: Um des moralischen Ideales des Lebens willen wird das wirkliche Leben entwertet, als nichtig verurteilt. Wem das völlig unverständlich ist, der möge sich eine junge Frau vorstellen, romantische Liebesromane lesend und vielleicht auch mal einen Rosamunde Pilcherfilm anschauend, die dann auf ihr reale Liebeserfahrungen schaut und maßlos enttäuscht ob dieses Vergleiches ihre wirklichen Liebesbziehungen zu verachten beginnt, weil sie bei weitem nicht so schön sind wie die in den Liebesromanen und Liebesfilmen. Das Ideal entwertet das Reale, so schon beim Philosophen Platon, dem die wirkliche Welt nur das armselige Abbild des Wahren ist, der ewigen Ideen, dem eigentlichen Leben. 
Nur, diesen uns zu recht irritiernden Gedankengang Nietzsches wollen wir hier nun in eine ganz andere Richtung ausziehen.Es gehört zum Glaubensgut der Kirche die Lehre von der "Creatio ex nihilo". Gott schuf alles aus dem Nichts- nicht war Gott ein Urstoff vorgegeben, den er dann zu seiner Schöpfung umformte und umwandelte- nur Gott war und alles andere schuf Gott in seiner Allmacht aus dem Nichts.

"Ein kleiner franziskanischer Trick der Mönche Duns und Ockham hatte bis heute nicht zu überschätzende Auswirkungen:Gottes Wesen sei sein allmächtiger Wille. Dieser sei die letzte Ursache der normativen Schöpfungsordnung. Alles Gute und Böse sei ein beliebiges Produkt göttlicher Willkür! Damit wandte Ockham sich ab von Platon und Thomas [der hl. Thomas von Aquin ist gemeint]: Dieser hatte Gott für die unwandelbare Idee des Guten selbst erklärt und damit seine Allmacht verkürzt: Gottes Wille steckte damit im Käfig einer idealen Vernunftidee, über die selbst Gott sich nicht hinwegsetzen konnte. Gottes innerstes Wesen  sei die berechenbare Vernunft. Nein,widersprach ihm Duns: Sein Wesen sei die Liebe: Sie beruht auf einem nicht rational ableitbaren, also freien Willensakt. Schließlich befreite Ockham Gottes Willen endgültig und setzte ihn über alles Gut und Böse: es gebe kein Gut und Böse aus der Natur der Sache selbst und keine vorwillkürliche, vernünftigem Kalkühl zugängliche Bewertung in Gut und Böse. Gott selbst sei es, der Gut und Böse willkürlich aus dem normativen Nichts erzeuge." Kunze, Klaus, Mut zur Freiheit- Ruf zur Ordnung. Politische Philosophie auf dem schmalen Grat zwischen Fundamentalismus und Nihilismus, 1995 S.12f.

Auf einmal gerät uns hier der christliche Schöpfungsglaube in eine beunruhigende Nähe zum Nihilismus! Der große Theologe Ockham hat nämlich konsequent die Schöpfung aus dem Nichts zu Ende gedacht und somit auch die gesamte Werteordnung der christlichen Religion als eine freie Setzung Gottes ausgedeutet. Man kann dies auch als ein Produkt göttlicher Willkür deuten. Das hat Konsequenzen: Alles was ist, hat, um es bildlich auszudrücken Gott zum Vater und als Mutter das Nichts und das gilt auch für die christliche Werteordnung: auch sie hat Gott zum Vater und das Nichts zur Mutter. Ohne Bild geredet: Dem Seienden wie dem, was sein soll, den normativen Ideen, hängt ihr Geschöpftsein aus dem Nichts an. Gemeint ist damit:(zur Veranschaulichung)Wenn ein Goldschmied Gold als Rohstoff seines Arbeitens erwählt, so wohnt jedem seiner künstlerischen Erzeugnisse der Wert des Grundstoffes des Goldes inne. Die Herkunft, der Ursprung bestimmt das Seiende und das Seiende ist nicht nur das wert, was aus ihm gemacht wird. Die Herkunft von Allem ist nun höchst ambivalent, da alles einerseits aus Gott ist und andererseits aus dem Nichts ist. Die Synthese beider Aussagen über die Herkunft von Allem, sowohl von allem Seienden und von allen normativen Ideen ist der Begriff der Willkür. Gott schuf alles willkürlich, weil jede Ordnung, gemäß der Gott etwas schaffen kann, selbst wiederum nur ein Produkt einer freien willkürlichen Setzung Gottes ist. Dies Sein aus dem Nichts läßt alles Seiende in das Dunkel eines Abgrundes eintauchen, dem Nichts, dem Grund allen Nihilismus.
Man könnte also urteilen,daß die christliche Schöpfunglehre alles von Gott Geschaffene in den Abgrund des Nichts einzeichnet, der der Grund des Unglaubens an den Wert alles Geschaffenen ist, weil es aus Nichts kreiert ist. Allein Gott, der Schöpfer bewahrt dann all das von ihm Geschaffene vor der Nichtung durch ihren Ursprung, dem Nichts, dem alles aber immer ausgesetzt bleibt, auch wenn Gott alles erhält. Dies aus dem Nichtssein wäre dann der Grund für jeden möglichen Nihilismus, der sich so dem ontologischen Status alles Seienden verdankt. Der Kosmos Platons war da "stabiler", weil ihm das Gute nicht ein Produkt einer göttlichen Willkürsetzung ist, sondern das Gute ist eins mit dem göttlichen Sein. Dies Ineinssein von Gott und dem Guten stärkt den Wert des Guten gegen die Möglichkeit einer nihilistischen Entwertung, entwertet aber Gott, der nun nicht mehr als göttliches Subjekt sondern nur noch als vollkommene "Substanz", auch oder gerade wenn sie nur ganz ideel geistig gedacht wird, vorgesellt wird. Bei Platon ist Gott das vollkommene Gutsein aber er ist noch nicht als Subjekt seines Seins gedacht und begriffen.                             

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