Donnerstag, 29. September 2016

Eine Anmerkung zur christlichen Religion als Erlösungseligion

"Wer das Leben liebt, liest nicht. Und geht erst recht nicht ins Kino. Was immer auch darüber gesagt wird, der Zugang zum künstlerischen Universum ist mehr oder weniger für jene reserviert, die ein wenig die Schnauze vollhaben.",Gegen die Welt, gegen das Leben" schreibt Michel Houellebecq in seinem Essayband zu dem Schriftsteller Howard Philipps Lovecraft. (Houellebecq, Gegen die Welt, gegen das Leben, 2011, S.27.) Das gilt sicher für diesen so unamerikanischen amerikanischen Schriftsteller Lovecraft selbst: "Ich bin der Menschheit und der Welt so überdrüssig, dass mich nichts interessieren kann". (S.27). Gilt das aber für die ganze Kunst, oder nur für die Literatur und den Film? Und was hat es dann auf sich mit den "realistischen Romanen"?, die Lovecraft so verachtet? Ist es wahr: "Vielleicht muss man viel gelitten haben, um Lovecraft zu mögen..." (Jacques Bergier). 
Dieser anregende Einstieg in das Werk H.P. Lovecrafts, den uns Michel Houellebrcq hier liefert, er verführt geradezu dazu, wieder Lovecraft zu lesen- und wie könnte man sich der Faszination seiner Werke entziehen! Nur, ein seltsamer Verdacht drängt sich auf: Könnte : "Wer das Leben liebt" auch weitergeführt werden mit, "der hat keinen Sinn für Religion"? Absurd ist das, ist sicher die spontane Reaktion darauf, aber ist die erste Reaktion auch immer schon die angemessene? Aber die christliche Religion ist doch durch und durch lebensbejahend- das ist doch unverkennbar! Nur muß hier nachgefragt werden: Welches Leben? Jesus sagt zu einem der ihm nachfolgen will, aber zuvor noch seinen Vater begraben will (Mt 8,21f): "Laß die Toten ihre Toten begraben!" Tod und Leben sind uneindeutige Begriffe. Für Jesus gibt es Menschen, die tot sind, obzwar sie leben und es gibt Tote, die im ewigen Leben sind. Wir kennen den Ausruf: "Das ist doch kein Leben!" So wird ein Leben als Nichteben bewertet, obgleich es nicht tot ist. Dies Nichtleben kann Jesus auch als Totsein bezeichnen.
Wie wenn auch der Schriftsteller, wenn er vom Leben spricht, ein so geartetes Nichtleben meint, das was im Sinne Jesu als totes Leben zu qualifizieren wäre? Wer das Leben, so wie es jetzt ist, liebt, der liest nicht, wäre dann diese Aussage zu interpretieren. Auf das Gebiet der Religion appliziert hieße das: Wer das Leben, so wie es ist, liebt, der hat keinen Sinn für den Glauben an eine Erlösung. Der Glaube an die Erlösungsbedürftigkeit und Erlösungsmöglichkeit des Menschen ist dabei als die Substanz der Hochreligionen und isb der christlichen anzusehen! 
In der Kunst, in der Literatur wie im Film tritt der Leser bzw Zuschauer in eine Kunstwelt ein, die eben als künstliche antirealistisch ist und tröstet ihn so hinweg über das Realleben. Lovecrafts Kritik einer rein realistischen Literatur wäre dann also die, daß sie den Menschen eingefangen läßt in die falsche Realität des Lebens, des entfremdeten. Kunst und Religion wären dagegen dann das Produkt des Sehnens nach einem erlösten Leben. Und dies erlöste fände der Kunstgenießende eben nur in den fiktiven Welten der Kunst- so die Zentralaussage von Woody Allens Filmes "Purple Rose of Cairo" , während die Religion auf eine reale Erlösungswirklichkeit zielt. Aber da, wo das Leben, so wie es ist, bejaht und geliebt wird, kann da noch ein Raum sein für eine Liebe zu Kunstwelten und zu einem Hoffen auf Erlösung des Lebens , christlich oder als die Alternative die buddhistische Hoffnung als Erlösung vom Leben?  
Es klingt sehr provokant, aber doch auch wieder sehr bekannt, wenn es heißt: "Wenn jemand die Welt liebt, ist die Liebe des Vaters (und hier erwartet doch nun jeder der christlichen Theologie Kundige: in ihm!) aber es heißt tatsächlich im 1.Johannesbrief 2,15:nicht in ihm." "Liebet nicht die Welt", heißt es da! Könnte Lovecraft da dem Christlichen näher sein als die einfachen Weltbejaher, die dem Leben, so wie es ist, ihr Jawort geben? Anders gesagt: Könnte die Liebe zur Welt das Problem des heutigen Christentums sein, denn die christliche Religion verneint das Leben, so wie es jetzt ist als das gefallene, das sündige um des wahren Lebens willen, das noch nicht ist, sondern uns nur verheißen ist.      

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