Annäherungen
an ein unbegriffenes Phänomen: die Postmoderne
Einst war die Vorstellung
des Fortschrittes einfach und naiv. Da soll es Zeiten geben haben, wo
die Erde eine Scheibe war und nicht nur jeder Seefahrer in Sorge war,
dem Rand zu nahe zu kommen und so in die Gefahr, abzustürzen, wohin
auch immer, sondern auch jede Mutter ihren Buben ermahnte, nicht zu
weit fort zu laufen, er könne sonst herunterfallen von der
Erdenscheibe. Dann wurden die Menschen aufgeklärter: die Erde ist
eine um die Sonne sich drehende Kugel und fort weggewischt war auch
die Angst vor dem Sturz ins Bodenlose. Erkenntnisprogreß und Abbau
von Angst schreiten hier Hand in Hand voran zu einer sich
humanisierenden Welt. Selbstredend wußte man auch von Opfern und
Rückschlägen im unaufhaltsamen Strom des Forschrittes: so, wenn die
Musikgruppe Pudddys etwa den Mythos von Ikarus, daß dem Menschen
Grenzen gesetzt sind, die er nicht überschreiten dürfe, sonst
stürze er ab, umdeutet, daß Ikarus, auch und gerade weil er im
Aufstieg der Sonne zu nahe gekommen, abstürzte, der Erste war, der
den Weg zur Luftfahrt eröffnete und sein Tod uns Mahnung ist, es
beim nächsten Male besser zu machen.
Postmodernes Denken ist
ein Haltung nach dem Ende dieses Fortschrittsglaubens.
Naturwissenschaftlich- technisches Progressieren geht nicht mehr Hand
in Hand mit einem Abbau von Lebensangst. Die selbe Technik, mit der
der Mensch sich die Unbilde der Natur vom Halse schaffen wollte, daß
der moderne Mensch selbst im strengsten Winter noch im wohlgewärmten
Wohnzimmer sitzen kann dank künstlichen Heizens, wird ihm zur Quelle
von neuen Ängsten. Der Durchschnittsmensch ist in seinem
Lebensalltag permanent umgeben von technischen Artefakten, die er
wohl noch zu bedienen weiß, von der Fernbedienung bis zum Computer,
deren Funktionsweise, wie geht das?, ihm aber nicht mehr begreifbar
ist. War dem Menschen einst unaufgeklärt, unwissend die Natur ein
unbegriffenes Gegenüber, so schuf er sich nun eine Technik zum
Begreifen und Gestalten der Natur, die ihm nun selbst zur zweiten
Natur geworden, zur unbegreiffenen Lebenswirklichkeit wurde. Adorno
und Horkkeimer zogen daraus weitgehende Konsequenzen in ihrer Kritik
der Aufklärung.Aber die Zeit ist auch über sie hinweggegangen.
Die großen Erzählungen,
die des Fortschrittes, die der Emanzipation der Menschheit verloren
ihre Glaubwürdgkeit, konstatiert Lyotard und nimmt damit auch
Abschied von dem Grundaxiom linker Weltsicht: daß es ein natürliches
Fortschreiten der Menschheit zu immer größeren Humanität gäbe und
daß Konservative Menschen seien, die einen einmal erreichten Stand
des Fortschrittes konservieren wollen, um nicht im Gefolge weiteren
Progressierens Privilegien zu verlieren, die sie just dem jetzt
erreichten Stand des gesellschaftlichen Fortschrittes verdanken:
Reaktionäre dagegen Menschen, die eine schon im Fortschrittsstrom
untergegangene Gesellschaftsformation zu repristinieren zu versuchen
und dazu gehört dann auch die gesamte Rechte, wie Faschisten und
Nazis, während nur die Linke reformerisch oder revolutionär den
Gang der Zeit folgend von der Dunkelheit des Unwissens hin zum Lichte
der aufgeklärten Gesellschaft. Und selbst unsere heutigen Apologeten
der Globaloisierung sind noch Kinder dieses Fortschrittsglaubens,
auch wenn ihre Utopie sich reduziert auf den, die Welt in ein
universalen Kaufladen zu verwandeln.
Aber wenn es keinen
unumkehrbaren Progreß der Humanisierung der Welt gibt, in dem
technische Fortschritte, marxistisch ausgedrückt: die Entwicklung
der Produktivkräfte, und die Humanisierung der Welt Hand in Hand
gehen, was ist dann Geschichte? Voreilig begeistert wurde uns schon
das Ende der Geschichte proklamiert, weil die Utopie eines ewigen
Progessierens sich aufgelöst hatte und damit auch der Glaube an das
eine Subjekt, der Menschheit, die sich in der Geschichte zu dem nur
entwickeke, was sie immer schon gewesen sei: die Einheit aller
Menschen. Die Ausdifferenzierung in Familien, Stämme, Völker und
Nationen ist diesem Humanitätsblick immer nur eine
Entwicklungszwischenstufe zum Zurück zu der einen Einheit am Ende
der Geschichte.
Oswald Spenglers
geschichtsphilosophische Konzeption der aufblühenden und wieder
untergehenden Kulturen ist so gesehen neben Nietzsches Vorstellung
einer ewigen Wiederkehr des Gleichen eine Alternative zum modernen
Geschichtsverständnisses eines linearen Fortschrittsglaubens, der
sich auch durch gelegentliche Rückfälle in die Barbarei nicht
irritieren läßt. Die Auflösung des Glaubens an die
Menschheitsgeschichte mit ihrem Endziel einer einzigen vollkommen
humanisierten Menschheitswelt, schafft wider Platz für die
Geschichte der Völker, daß Völker und Nationen eben nicht einfach
nur wieder aufzulösende Durchgangsstadien der Selbstentwicklung der
Menschheit zur Einheit sind.
Aber wir erleben nun eine
andere Abkehr vom Menschheitseinheitsglaubens: den radicalen
Egozentrismus. Nur ich bin, und nur ich zähle und alles Andere ist
mir nur ein Mittel zur Steigerung meines Lebensgenusses. Leicht ist
es, diesen Egoismus moralisch zu verurteilen, aber dadurch
verschwindet er nicht aus dem Alltagsleben. Denn er hat eine
materielle Basis im Leben der Zeitgenossen. Der Liberalismus ist die
geistige Haltung des Bürgers, der sich anschickt, die Welt als
Absatzmarkt zu gestalten, schrieb E. Niekisch 1935.1
Zu ergänzen wäre: die Haltung des Konsumenten, dem die Welt zu
einem einzigen Handelsmarkt geworden ist, auf dem er per Weltnetz
überall alles kaufen kann. Der Primat der Ökonomie, daß der Mensch
primär nur noch als Warenproduzent und Warenkonsument fungiert,
setzt den Menschen als freies vereinzeltes Individuum. Lissons Werk:
„Homo absolutus“ reflektiert gerade diesen Zerfallsprozeß aller
sozialen Bande. Aber dieser Zerfallsprozeß ist auch in sich
ambivalent: die Zeiten, in der selbstverständlich die Ideale des
freien Westens die Ideale aller Völker zu sein hätten, am freien
Westen hat die Welt zu genesen, sind damit auch vorbei: alle
universalistisch sich gebenden Werte stehen nun unter dem
Generalverdacht, nicht gedeckte universalistische Machtansprüche zu
sein. Die Auflösung der Idee der Menschheit kann so einen Freiraum
setzen für die Selbstbestimmung der Völker, denn das setzt voraus,
daß es keine für alle Völker verbindlichen Weisen der Gestaltung
ihres Volkslebens gibt. Sie kann aber auch die Schleusen öffnen für
einen primitiven Egozentrismus der Individuen.
Aber ein solches
liberalistische Menschenbild widerspricht der Natur des Menschen, der
von Natur aus auf Sozialität ausgelegt ist. Die natürlichen
Lebensordnungen von Familie und Volk entsprechen so gesehen der Natur
des Menschen- nur, daß der Mensch wider seine Natur leben kann. Der
Liberalismus wie der Feminismus sind so Aufstandsbewegungen wider die
Natur des Menschen, indem der Mensch sich in Kunstwelten ganz seiner
Natur entledigen will. In der Naturordnung ist der Mensch immer Teil
eines Ganzen, von dem er, ausgehend von seinen Eltern sein Leben
empfängt, wo er, eingebunden in eine soziale Umwelt von ihr empfängt
und beerbt wird der Kultur seines Volkes. Und er lebt auch wieder
für dieses Ganze, indem sein Leben Frucht bringt für das Ganze.
Was aber tun, wenn das
Ganze unseren Augen entschwunden ist, wenn wir nur noch egozentrische
Individuen sehen ohne Bezug auf ein Ganzes? Genau das ist aber die
Perspektive des postmodernistischen Denkens. Indem es alles Soziale
auflöst als gesellschaftlich bedingte Konstruktionen, dekonstruiert
es damit auch die Grundlagen des menschlichen Lebens. Daß Frausein
keine natürliche Bestimmung ist, sondern nur eine soziale
Konstruktion des Patriachates oder der bürgerlichen Gesellschaft,
ist wohl der folgenreichste Angriff auf die Natur des Menschen und
führt zur Selbtvernichtung des Menschen. Die demographische
Fehlentwicklung zeigt es.
Die Postmoderne ist die
Zeit nach dem Zerfall der Moderne- sie zeigt nur das Daß des Danach
an, daß eine Epoche zu Ende gegangen ist, ohne schon anzeigen zu
können, welche Tendenzen sich in ihr durchsetzen werden: eine
Renaissance nationaler Kulturen oder ein Zurück zu einem
atomisierten Individualismus aufbauend auf den Trümmern der in sich
zerfallenen Moderne. Eines ist aber gewiß: es gibt in der Geschichte
keine objektive unabhängig vom Wollen und Tun der Menschen
unabhängige Entwicklung der Geschichte. Was die Postmoderne sein
wird, hängt auch davon ab, wozu sie bestimmt wird! Die Auflösung
des Subjektes Menschheit kann den Individualismus der Völker oder
den der Einzelmenschen aus sich heraussetzen. Aber was wollen wir
dann unter Individualismus verstehen, wenn wir damit nicht nur eine
feierliche Umschreibung für die Plattitüde: nur, was mir Spaß
macht, will ich!,meinen? Der tiefste Gedanke abendländischen
Individualismus ist der, daß Völker wie auch der Einzelmensch zu
etwas bestimmt sind, daß sie eine Berufung und so einen Beruf haben
und daß dieser erst Völker und Menschen individuiert. Daß das
deutsche Volk eine Berufung hat und daß es deshalb ein individuelles
Volk ist, daß gilt es neu zu entdecken wider die Lebensfeindlichkeit
universalistischer Lebenskonzepte der Gleichmacherei. Unter der
Vorgabe der Postmoderne hieße das, daß gerade nicht jeder Mensch
und jedes Volk zum Selben bestimmt ist.
Für die christliche
Religion könnte dies auch bedeuten, daß die Individualität der
Christentumsverständnisse wieder betont wird gegenüber der Tendenz
der Moderne zur Vereinheitlichung, daß es nur noch auf der einen
Seite die christliche Religion als Abstraktum und auf der anderen
Seite den individuellen Christen als das Konkretum geben soll. Man
denke an die Blütezeiten der ökomenischen Bewegung, als man
selbstverständlich nur noch Christ sein wollte und alles
Konfessionelle als unchristlich ablehnte.
1Vgl:
Niekisch, E., Die dritte imperiale Figur, 18.Kapitel, Die liberale
Versuchung.
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