Mittwoch, 15. April 2015

Der Papst und die Todesstrafe-eine Ergänzung

Der Papst und sein Nein zur Todesstrafe



Papst Franziskus lehnt Hinrichtungen als grausam und unmenschlich ab, meldet das Deutschlandradio am Samstag, dem 21.März 2015:

Heutzutage ist die Todesstrafe nicht zulässig, egal wie schwer das Verbrechen", schrieb Pabst Franziskus in einem Brief an die Internationale Kommission gegen die Todesstrafe, deren Vertreter am Freitag bei ihm zur Audienz waren. Franziskus legte mit seinem Schreiben die offizielle Position der Katholischen Kirche zur Todesstrafe dar. Exekutionen würden den Opfern keine Gerechtigkeit widerfahren lassen, sondern lediglich eine Kultur der Rachsucht fördern, schrieb der Papst. Franziskus sprach offenbar mit Blick auf die USA auch darüber, dass in manchen Ländern über humanere Exekutionsmethoden diskutiert wird. "Es gibt keine menschenwürdige Art, jemanden anderen zu töten", schrieb er dazu. Auch lebenslange Haft hatte der Papst bereits früher als nicht rechtfertigbare Bestrafung verurteilt. "Sie nimmt den Häftlingen nicht nur ihre Freiheit, sondern auch die Hoffnung."

Wir stehen hier nun vor einem gewichtigen Problem: wie verbindlich ist für den hl. Vater die Lehrtratition der Kirche und insbesondere der jetzt gültige Katechismus der Katholischen Kirche? Und was läßt uns dieser Umgang mit der Lehrtradition erwarten in Hinsicht auf die traditionelle Lehre von der Ehe seitens dieses Papstes? Die Kirche hat zu allen Zeiten stets gelehrt, daß die Todesstrafe eine legitime Tat des Staates sei. Das lehrt so auch-wenn auch etwas klausuliert- der jetzige gültige Katechismus: „ Aus diesem Grund hat die überlieferte Lehre der Kirche die Rechtmäßigkeit des Rechtes und der Pflicht der gesetzmäßigen öffentlichen Gewalt anerkannt, der Schwere des Verbrechens angemessene Strafen zu verhängen, ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschließen.“ (2266) Die Todesstrafe wird so von der Kirche als Recht des Staates, schwerwiegende Verbrechen zu bestrafen, bejaht! Wie kann nun der hl. Vater urteilen, daß das nicht in Ordnung sei? Der Papst sagt, daß die Todesstrafe nicht gerecht sei. Um diesen Einwand zu erörtern, muß geklärt werden, was denn unter Gerechtigkeit im strafrechtlichen Sinne zu verstehen ist.

Spontan verstehen wir unter Gerechtigkeit das Bild der Ausgewogenheit-daß die rechte und linke Schale der Waage sich im Gleichgewicht befinden! Auf den Vorstellungskomplex von : Verbrechen und Strafe bezogen, heißt dies, daß der Schwere des Verbrechens gemäß die Schwere der Strafe auszufallen hat. Die Kirche urteilt also, daß es so schwere Verbrechen gibt, daß der Schwere des Verbrechens gegenüber nur die Todesstrafe die angemessene Strafe ist. Und da der Staat um der Gerechtigkeit willen da ist, so entfaltet es Paulus in seiner metaphysischen Staatslehre, Römer 13, ist auch die Todesstrafe um der Gerechtigkeit willen.
Nun könnte der Einwand erhoben werden, daß Gott allein der Herr über Leben und Tod sei, sodaß es uns Menschen nicht zustände, Menschen zu töten. Das ist theologisch wahr. Es wird dabei aber verkannt, daß Gott sein ihm allein zukommendes Recht an andere delegieren kann,oder besser gesagt: er kann, gerade weil er der Herr über Leben und Tod ist, anderen das Recht verleihen, auch Herr über Leben und Tod zu sein. Uns Katholiken ist dieses aus einem anderen Bereich sehr vertraut: Gott allein kann Sünden vergeben, werfen Pharisäer Jesus vor-und haben damit recht. Weil Jesus der Sohn Gottes ist, und nur deshalb kann er Sünden vergeben. Nur, in der Weihe zum Priester erhält der Zuweihende Anteil an dieser göttlichen Vollmacht: er spricht kraft dieser Vollmacht in den Beichte von der Sünde frei. Nicht bittet der Priester um die Vergebung der Sünden in der Lossprechung von den Sünden, noch verkündigt er-nach Luther-das Evangelium dem Beichtenden, daß Jesus für seine Sünden gestorben sei, sodaß er frei von seiner Sünde wäre, wenn, aber auch nur wenn er dem Evangelium glaubt.
Gott gibt Menschen Anteil an seinen „Privilegien“,sodaß nun die Priester der Kirche und nicht mehr nur allein Gott Sünden vergeben können. Und so gibt Gott auch dem Staat die Vollmacht zur Todesstrafe: er soll mit dem Schwerte für die Gerechtigkeit wirken und das tut er gerade, indem er (mit dem Schwerte) straft und im Extremfall durch das Verhängen der Todesstrafe.Ein Staat ohne Todesstrafe gliche einem Priester, der aus „Demut“ vor Gott, Gott allein könne doch nur Sünden vergeben, keine Lossprechung in der Beichte mehr vollziehen würde, und stattdessen beten würde: „Gott möge dir verzeihen!“Denn Gott gibt uns Menschen Anteil an dem, was ihm eigentlich allein zukommt, Menschen gerecht zu töten und Menschen die Sünden zu vergeben, damit die mit diesem Vorrechte Ausgezeichneten dies Privileg auch im Sinne Gottes ausüben!

Wir alle kennen die Geschichte vom reuigen Sünder, der mit Christus zusammen gekreuzigt wurde. Vgl Lukas 23, 39-43. Der reuige Sünder bekennt, daß er zu recht zu Tode verurteilt worden ist für seine schweren Sünden. Er weiß, daß er wider Gott gesündigt hat und so Gottes Gericht zu erwarten hat. Er erwartet für sich die Verdsmmnis durch Gott. Halten wir hier kurz inne. Die Strafe, die er jetzt am Kreuze erleidet, das ist für ihn die gerechte Strafe und zudem erwartet er noch eine göttliche Strafe, die der Verdamnis. Nicht ist also schon das Kreuz für ihn die göttliche Strafe, sondern das ist erst das Endgericht Gottes über ihn-am Ende der Zeiten. Nur, die Todesstrafe ist auch schon das Gericht der göttlichen Gerechtigkeit über ihn! Das muß auf den ersten Blick befremden und es sollte so nicht einfach überlesen werden!
Denn wie reagiert Jesus auf dies reuige Schuldbekenntnis und der Bitte, denke an mich, Jesus? Um dieses reuigen Schuldbekenntnisses willen vergibt Jesus dem Sünder und verheißt ihm den Eingang ins ewige Leben. Nun drängt sich uns aber eine schwerwiegende Frage auf. Die Oberen der Juden hatten Christus verspottet: wenn er der Sohn Gottes ist, warum hilft er sich denn jetzt nicht selbst? Jesus ist als Sohn Gottes allmächtig; wenn er gewollt hätte, er hätte vom Kreuze herabsteigen können und unversehrt zu seinen Schülern zurückkehren können. Er hätte es so tun können-er tat es aber nicht, nur weil es nicht Gottes Wille war. Aber da er dem reuigen Sünder seine Sünde verziehen hatte, warum errettete er ihn nicht vom qualvollen Kreuzestod. Ihm waren von Jesus die Sünden vergeben, denn sonst hätte er ihm nicht den Eingang ins ewige Leben verhießen-warum rettete er ihn nicht vom Kreuzestod. „Steige du vom Kreuz herab-Niemand wird dich daran hindern, heimzugehen! Aber der reuige Sünder erlitt den Kreuzestod. Der Sünder hatte die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe über ihn anerkannt und Jesus bestätigte das: ja, das ist das gerechte Urteil über dich. Aber, weil du das reuig anerkannt hast, vergibt dir Gott, sodaß du von Gott nicht mehr vom ewigen Leben ausgeschlossen wirst sondern eingehst ins ewige Leben.
Jetzt wird es sehr kompliziert-und das, obgleich uns diese Geschichte so bekannt ist, daß wir die vielen Geheimnisse dieses Textes einfach zu überlesen geneigt sind. Wie ist das nun mit dem Strafen? Versuchen wir hier, ein wenig Klarheit zu schaffen.

Mein Verstehensvorschlag: indem dieser Mensch gesündigt hat, hat er einerseits gegen Menschen und andererseits gegen Gott gehandelt. So hat in der Regel jede Sünde zwei Seiten, die des gegen die Mitmenschen und die des gegen Gott. Weil sein Sündigen eines gegen die Mitmenschen war, verlangt die Gerechtigkeit eine Bestrafung: das ist die Todesstrafe, die der Staat rechtens verhängt. Dies tut der Staat als von Gott dazu Beauftragter-Gott straft durch den Staat-das meint, wenn Paulus sagt, daß alle Obrigkeit von Gott ist. Nun ist sein Sündigen aber auch ein Tun wider Gott. Gott wird durch die Sünde „verletzt“. Weil Gott ein liebender Gott ist, und nur deshalb, läßt er sich durch die „Lieblosigkeit“ von uns Menschen gegen ihn „berühren“, durch unser Sündigen. Gottes Gerechtigkeit und Liebe verlangt so eine gerechte Strafe für dies Tun wider Gott. Das ist die Strafe der Verdammnis als dem Ausschluß vom ewigen Leben.

Jesus vergibt dem reuigen Sünder und das heißt, daß Gott ihn nicht vom ewigen Leben ausschließt. Aber weil er nicht nur gegen Gott sondern auch gegen Menschen gesündigt hat, verlangt die Gerechtigkeit, daß auch diese Seite seines Sündigens bestraft wird. Das geschieht in der Todesstrafe. Man denke hier an die gut katholische Praxis des Ablasses, des Erbetens um den Nachlaß der Strafen des Fegefeuers. Warum erleiden denn die „Armen Seelen“ das Fegefeuer noch, wenn Gott ihnen doch ihre Sünden schon vergeben hat? Das, was sonst das Fegefeuer leistet, leistet bei diesem reuigen Sünder der Kreuztod. Das Erleiden dieses Todes erspart ihm das Fegefeuer, denn Jesus verheißt ihm ja, daß er sofort ins Reich Gottes eingehen wird und also nicht erst durchs Fegefeuer muß. Die Strafe, die Gott erläßt, ist die, die der Sünder um des Tuns wider Gott zu erleiden hat, die Strafe aber, die der Sünder zu erleiden hat, weil er wider Menschen zu erleiden hat, und die, weil der Geschädigte endliche Menschen sind und nicht Gott, eine endliche Strafe ist, die erleidet er in der Todesstrafe-oder im Fegefeuer. Jesus vergab dem reuigen Sünder so die Strafe, aber so, daß er die Schuld wider die Menschen durch seinen Kreuztod abzahlte. Jesus selbst sagt so: daß auch der reuige Sünder noch zu bestrafen ist, auch wenn ihm vergeben ist. Deshalb hat ihn Jesus nicht vor der Todesstrafe bewahrt, was er als allmächtiger Sohn Gottes hätte tun können! Denn Jesus Christus selbst bejaht hier die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe. Hätte er sie nicht bejaht, er hätte den reuigen Sünder vom Unrecht der Todesstrafe bewahrt. Also, man kann nicht das Sündenvergeben Gottes, seine Barmherzigkeit gegen die Rechtmäßigkeit der Strafe ausspielen-als schlösse Vergebung Strafe aus. Jesus vergab und gab dem Staat recht,daß er diesen Sünder zu Tode strafte, obgleich Jesus ihm vergeben hatte.
Wie kann da man als Katholik noch die Todesstrafe grundsätzlich ablehnen? Ich befürchte, in der selben Meinung, wie moderne Christen auch die Vorstellung vom Fegefeuer ablehnen. Gott ist nur lieb und straft so Niemanden, schon gar nicht Sündern, denen er schon die Sünde vergeben hat und die angeblich trotzdem noch das Fegefeuer zu erleiden hätten, wie es die kirchliche Tradition lehrt. Eigentlich hätte auch Jesus dem reuigen Sünder das Kreuz ersparen müssen-aus Liebe zu ihm-aber, er war wohl nicht „mächtig“genug, den reuigen Sünder an seiner Seite zu retten vor der Todesstrafe.Man muß halt doch die Göttlichkeit Jesu leugnen und aus ihm einen bloßen Menschen machen! Es handelt sich hier nicht um eine Lapalie. Die Grundordnung der moralischen Welt besteht darin, daß das Gute belohnt und das Böse bestraft wird und zwar gerecht-der gerechte Lohn und die gerechte Strafe. Darum muß es auch die Todesstrafe geben. Wer sie ablehnt, bringt das moralische Leben aus dem Gleichgewicht, weil nun schwerste Sünden nicht mehr gerecht bestraft werden. Und er löst das Fundament auf, auf dem erst die Rede von Gottes Gnade sinnvoll und verstehbar wird,daß Gott auf sein Strafen verzichtet, um der von Jesu erlittenen Strafe willen und warum es dennoch das Fegefeuer gibt für die, denen Gott ihr Sündigen vergab.
Aber Papst Franziskus sieht in der Todesstrafe nur einen Racheakt, als wenn es keine gerechte Strafe wäre. Aber wenn Paulus von der Schwertgewalt des Staates spricht (Röm 13, 1-7) und die Kirche von den zwei Schwertern, etwa in der Bulle: Unam Sanctam des Papstes Bonifatius VIII., dann ist unter dem Schwert des Staates immer auch die Todesstrafe verstanden worden. Und es muß hinzugefügt werden, daß dieses Recht zur Todesstrafe der Staat „von oben“ (Joh 19,11), von Gott gegeben ist. Es ist bedenklich, wie wenig die Lehrtradition der Kirche achtend hier der Papst dem humanistischen Zeitgeist folgend, die Tradition der Kirche hintenanstellt!Es gibt wohl kaum ein Thema, daß die Differenz zwischen der christlichen Religion und dem Humanismus so deutlich macht, wie die Gretchenfrage: „Wie stehst Du zur Todesstrafe?“. Für das humanistische Denken ist der Straftäter primär jemand, der gebessert werden muß. Er ist so das Vorzugsobjekt der Pädagogik, insofern sein verbrecherische Tat die eines nicht angemessen Gebildeten ist oder er ist das Vorzugsobjekt therapeutischer Maßnahmen, sofern als Grundursache seiner verbrecherischen Tat eine psychische Erkrankung oder Fehlentwicklung irgendeiner Art gesehen wird. Bildung und Therapie sind so gefordert. Da, bevor die Therapie und die Bildung Erfolge zeitigen können, eine Wiederholung der Untat nicht auszuschließen ist, ist eine zeitlich befristete Absonderung des Täters von der Gesellschaft vonnöten, um sie vor der Gefährlichkeit des potentiellen Wiederholungstäters zu schützen, bis die Therapie und die Bildung den Täter zum Guten hin gebessert hat. Denn prinzipiell jetzt jeder Mensch besserbar, vorausgesetzt er wird nur richtig therapiert und erzogen.
Das humanistische Denken sieht dann noch seine Grenzen ein, wenn es die gesellschaftliche Bedingtheit der Untat wahrnimmt und damit den Zusammenhang zwischen einer „inhumanen“ Gesellschaft und der Neigung von Menschen, die in dieser so gearteten Gesellschaft leben und so eine gesellschaftlich bedingte Neigung zum „Verbrechen“ mit sich bringen. Vulgärsoziologisch: Arme Menschen neigen eher zum Diebstahl als reiche, weil die Reichen alles sich kaufen können, was dem Armen verwehrt ist, so daß sie dazu neigen, das zu stehlen, was sie sich nicht erkaufen können. Also, jedes geschehene Verbrechen ist so ein Appell an die Sozialingenieure, die Gesellschaft humaner zu gestalten, denn dann würde das Verbrechen schon aufhören, kommt das Böse doch allein aus einem erlittenen Mangel.
Der Gedanke der „Strafe“ ist in das humanistische Denken nicht integrierbar. Wie ein Fremdkörper soll er ausgeschieden werden und durch den einer therapeutischen Bildungsarbeit ersetzt werden. Und nur, um die Gesellschaft vor den noch nicht Therapierten zu schützen, schließt man sie eine kleine Zeit lang ein, abgesondert in „Gefängnisse“, um sie schnellst möglich gebessert und geheilt wieder in die Gesellschaft zu reintegrieren!
Die Todesstrafe ist so gesehen die Perversion staatlichen Handelns schlechthin. Denn zum Schutze der Gesellschaft vor den Tätern reiche deren Einsperrung in ein Gefängnis, bis sie therapiert wieder freigelassen werden können. Viel gravierender ist aber, daß durch den Vollzug der Todesstrafe der Versuch einer Therapie verunmöglicht wird-Tote kann man nicht mehr therapieren-und darum verfehlt diese „Strafe“ die Aufgabe des Staates an Verbrechern, sie wieder zu guten Staatsbürgern und human lebenden Menschen zu erziehen oder zu therapieren.
Grundsätzlicher: der Humanismus glaubt an das Gute in jedem Menschen, das nur durch widrige Umstände zurückgedrängt und gar verdunkelt werden könne, aber das doch das Wesen jedes Menschen ausmache, daß jeder liebenswürdig sei und so es schon ein Verstoß gegen das Menschsein, seine Würde wäre , ihn zu strafen, statt ihn heilen zu wollen.

Ganz anders der Katholische Glaube! Nicht in irgendeinem Nebenartikel einer Katholischen Dogmatik, sondern als die „Grundwahrheiten unseres Glaubens“ bekundet etwa das noch 1950 im Erzbistum München und Freising gültige Gottesdienstbuch:
Gott belohnt das Gute und bestraft das Böse. Ewige Seligkeit oder ewige Verdammnis wird das endgültige Geschick der unsterblichen Seele sein.“1 Im Gotteslob 1988 ist ein Gebet des hl. Thomas von Aquin enthalten, in dem es heißt: „ Laß mich, o Herr, deine Strafen hienieden tragen im Geist der Buße und deine Wohltaten recht gebrauchen durch deine Gnade.“2 Es gehört zu den Grundwahrheiten der christlichen Religion, daß der Mensch für sein Tun und Lassen verantwortlich ist und daß Gott ihn gemäß seinem Tun und Lassen belohnen und bestrafen wird, entweder „hienieden“, also in unserem Erdenleben oder nach dem Tode, entweder mit dem ewigen Leben oder mit der ewigen Verdammnis. In diese Grundordnung ist nun der Staat als eine von Gott gewollte Institution, die wichtigste neben der Institution der Ehe und der der Kirche eingezeichnet. Der Apostelfürst Paulus schreibt es unmißverständlich: „Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt.“ (Röm 13, 1) „Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Sie steht im Dienst Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der Böses tut.“ (Röm 13,4). Uns wird hier einiges zugemutet. Der Staat, gerade als Gewaltstaat (nicht in erster Linie als Erbauer von Schulen und Spitälern) steht im Dienste Gottes. Durch ihn richtet und straft Gott „hienieden“, um es mit dem hl. Thomas zu sagen. Denn es steht schon in den Weisheitssprüchen (Sprüche 8,15): „Durch mich [Gott]regieren die Könige und entscheiden die Machthaber, wie es Recht ist;“. Wenn wir den Staat theologisch bedenken, dürfen und können wir von der Staatslehre der hl. Schrift nicht abstrahieren und ersatzweise uns mit irgendwelchen soziologischen oder populärwisenschaftlichen Meinungen über den Staat abgeben.
Theologisch muß man dies also sagen: Gott regiert vermittels zweier Gewalten, der der Kirche und der des Staates. Das Ringen um eine sachgemäße Zuordnung dieser beiden Gewalten oder auch Schwerter, wie die Kirche zu sagen pflegt, gehört so zu den zentralsten Aufgaben der Theologie. Aber nicht bestritten werden darf, daß nicht nur die Kirche, sondern auch der Staat im Dienste Gottes steht. Für diese Dienstaufgabe gab Gott dem Staate das Schwert. Wozu genau? Wir meinen, immer schon zu wissen, wozu der Staat ist, indem wir einfach den empirische Staaten vor Augen habend, daraus „abstrahierend“ Erkenntnisse für das Wesen des Staates gewinnen. Wie nun aber, wenn der Staat sich von seinem Wesen entfremden könnte, und so sein Wesen sich unseren Augen verdunkelte. Oder wollte ein Christ ernsthaft behaupten, daß es zum Wesen des Staates gehört, werdenden Mütter die Tötung ihrer Kinder zu erlauben? Dieser Fall macht eines klar: der Staat kann Dinge tuen (hier konkret die Abtreibung legalisieren), die seinem Wesen widersprechen. Der Staat widerspricht dabei seinem Wesen, so wie jeder Mensch seinem Wesen widerspricht, wenn er sündigt. Denn das Wesen des Menschen, wie das des Menschen ist das, wozu Gott es geschaffen hat. Das nennt die Tradition die ontologische Wahrheit von einem Etwas, im Gegensatz zur empirischen Erscheinung, in der sich das Erscheinende von seinem Wesen entfremden kann. Die ontologische Wahrheit ist die, daß der Staat eine Ordnung Gottes ist, mit und durch die er die Welt regieren will. Und das Ziel dieses staatlichen Regierens ist die Gerechtigkeit.
Wir müssen uns, um der Klarheit willen hier auf das Zentrum der christlichen Religion kaprizieren: auf den Kreuzestod Christi und jetzt unter der Frage: „Warum ist der Römische Staat in der Gestalt des Pontius Pilatus an dem Kreuzestod beteiligt?“ Jesus hätte ja auch, wie kurz darauf der hl. Stephanus von den Juden allein hingerichtet werden ohne eine Mitbeteiligung des Römischen Staates! Hätte Jesus nicht auch so-gesteinigt-für unsere Sünden sterben können als Sühnopfer? Historisch Urteilende können nun vielleicht Plausibiltäten aufweisen, daß es wohl wahrscheinlicher war unter den gegebenden Umständen, daß Jesus von römischen Soldaten gekreuzigt als von Juden gesteinigt zu werde.
Nur, das ist keine theologische Aussage und Erkenntnis. Nein, wir müssen da tiefer fragen und denken. Wenn Pontius Pilatus an der Kreuzigung beteiligt gewesen war, dann war das auch Gottes Wille-denn im Kreuz Christi geschah Gottes Wille! „Dein Wille geschehe!“ bat Jesus, seinen Kreuzestod vor Augen. Heute soll diese Erörterung hier abbreviaturhaft durchgeführt werden, um schneller und damit wohl auch leserfreundlicher zum Kern des Problemes vorzustoßen. Ich setze also Anselm von Canterburys Konzeption als bekannt voraus und urteile, daß um der göttlichen Gerechtigkeit willen sein göttlicher Sohn die notwendige Satisfaction Gott darbrachte. Anders gesagt: die Sünden der Menschen verlangte nach einer adäquaten Strafe, wobei unter Gerechtigkeit zu verstehen ist, daß das Maß des Leides, das durch die Sünden, die Ungerechtigkeiten entstanden ist, durch das Maß der Leiden, durch die Strafe hervorgerufen, ausgeglichen werden.Da Gott der durch die Sünden „Geschädigte“ ist, er wird durch unser Sünden beleidigt, richtet sich das Maß der Strafe nach der göttlichen Würde. (Wenn dagegen etwa eingewandt würde, daß Gott unberührbar sei als absoluter Gott, dann verkennt dies, daß Gott,indem er zum Gott von Menschen und für Menschen wurde, er durch diese Relation auf andere zu einem von Menschen berührbaren Gott sich selbst bestimmte.) Um der göttlichen Gerechtigkeit willen ereignete sich also der Tod Jesu. Daß er aber am Kreuze starb und nicht gesteinigt wurde wie der erste Märtyrer Stephanus, das ist die Folge davon, daß der Römische Staat diese Causa in die Hand nahm. Pilatus kreuzigte Jesus. Der Römische Staat kreuzigte den Heiland der Welt. Oberflächlich Urteilende sehen darin nur einen Justizirrtum oder das erste Opfer von: „Mehr Demokratie wagen!“-weil Pilatus ja das Leben Jesu einer basisdemokratischen Entscheidung unterwarf: die vox populi bestimmte: Kreuzige ihn, den Jesus Christus!
Aber was war nun der Wille des göttlichen Vaters? Genau dies, daß der Sohn um der göttlichen Gerechtigkeit willen den Tod erleiden sollte. Und wozu hat Gott den Staat eingesetzt? Daß er durch sein Schwert der göttlichen Gerechtigkeit dienen solle, indem er die Sünder um der Gerechtigkeit willen straft. Nun wird es paradox. Der,der ohne Sünde ist, nimmt die ganze Sünde der Welt auf sich, um am Kreuze, auf das er die ganze Sünde der Welt trug, den Straftod für diese Sünde zu erleiden. Dies ist eine der komplexesten Paradoxien der christlichen Religion: daß Pilatus, indem er den einzig Schuldlosen tötet, den tötet, der alle Schuld auf sich nahm und so die Strafe erlitt, die alle Menschen sonst zu erleiden hätten. Indem Pilatus in einem skandalösen Justizirrtum den Schuldlosen kreuzigt (weil er der vox populi nachgab) ,kreuzigt er den Sünder Jesus, weil er alle Schuld auf sich genommen hatte und so das tat, wozu der Staat bestimmt ist von Gott, indem er der vox populi nachgab, die jetzt die vox Dei war. Aber das ist nur für im Glauben Fortgeschrittene.
Der Staat tötete also um der göttlichen Gerechtigkeit willen. Das ist seine Aufgabe, das tut er, wenn er rechtmäßig die Todesstrafe ausübt. Nebenbei: der staatliche Mißbrauch des Rechtes zur ´Todesstrafe diskreditiert nicht den rechtmäßigen Gebrauch dieser Strafmöglichkeit durch den Staat. Daß die staatliche Todesstrafe im Einklang mit dem Willen Gottes steht, das genau offenbart uns das Kreuz Christi ob der Beteiligung des Römischen Staates an diesem Heilswerk. Wir brauchen nur die einfache Gegenprobe zu machen. Was wäre geschehen, wenn Pilatus Jesus Christus freigesprochen und ihn vorsichtshalber in Schutzhaft genommen hätte? Jesus Christus wäre nicht gekreuzigt worden- wir lebten immer noch unter dem Zorn Gottes als Nichterlöste.

Wir Christen sehen den Menschen als strafwürdigen Menschen an. Er ist für sein Tun und Unterlassen verantwortlich. Darum gehört es zu den Grundwahrheiten des Glaubens, daß Gott straft und belohnt. Und ein Mittel der göttlichen Gerechtigkeit ist das Schwert des Staates, das dazu da ist, daß schon auf Erden im Sinne der göttlichen Gerechtigkeit gerecht gestraft wird. Diese Einsicht wird nun verunklart dadurch, daß man die Idee der Gerechtigkeit, die die Strafe des Bösen notwendig inkludiert, konfundiert mit den humanistischen Vorstellungen vom von Natur aus guten Menschen, Roussseau läßt grüßen, der nur als „Kranker“ Böses tue und so statt zu bestrafen, zu therapieren sei. Dort, wo ein solcher Humanismus die christliche Religion durchsäuert hat, dort versteht man dann weder das Kreuz Christi noch die Todesstrafe durch den Staat-dort wird dann alles modernisiert. Die christliche Religion dagegen kennt den strafwürdigen Sünder, dem Gott aber auch seine Sünde vergeben will, beichtet er und der ewige Strafe in endliche wandelt und selbst von dieser nachläßt, erbittet die Kirche Ablässe für die Armen Seelen im Fegefeuer. Der gerechte Gott straft, weil er gerecht ist, er ist aber auch ein gnädiger Gott. Von all dem weiß die humanistisch gewordene Religion nichts mehr, die sich durch den Humanismus konfundieren lassen habende Religion und die kann dann im Widerspruch zur Tradition der Kirche, verfangen im Geist des Humanismus die Abschaffung der Todesstrafe fordern, um somit Gottes Willen, der den Sühnetod seines Sohnes wollte, nachträglich als Irrtum zu bezeichnen. Sie folgt damit dem Petrus, der schon bei der ersten Leidensankündigung Jesu ausrief: Das sei ferne! Gott will das Kreuz nicht-und Jesus Christus Petrus einen Verweis erteilen mußte: Du denkst menschlich,nicht wie es Gott will. Gott will, daß die Schwertgewalt des Staates der Gerechtigkeit dient. 



1Gottesdienst, Gebet-und Gesangbuch für das Erzbistum München und Freising, 1950, S.15.



2 Gotteslob, Katholisches Gebet- und Gesangbuch, 1988, S.33.   


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