Der
Papst und sein Nein zur Todesstrafe
Papst
Franziskus lehnt Hinrichtungen als grausam und unmenschlich ab,
meldet das Deutschlandradio am Samstag, dem 21.März 2015:
„Heutzutage
ist die Todesstrafe nicht zulässig, egal wie schwer das Verbrechen",
schrieb Pabst Franziskus in einem Brief an die Internationale
Kommission gegen die Todesstrafe, deren Vertreter am Freitag bei ihm
zur Audienz waren. Franziskus legte mit seinem Schreiben die
offizielle Position der Katholischen Kirche zur Todesstrafe dar.
Exekutionen würden den Opfern keine Gerechtigkeit widerfahren
lassen, sondern lediglich eine Kultur der Rachsucht fördern, schrieb
der Papst. Franziskus sprach offenbar mit Blick auf die USA auch
darüber, dass in manchen Ländern über humanere Exekutionsmethoden
diskutiert wird. "Es gibt keine menschenwürdige Art, jemanden
anderen zu töten", schrieb er dazu. Auch lebenslange Haft hatte
der Papst bereits früher als nicht rechtfertigbare Bestrafung
verurteilt. "Sie nimmt den Häftlingen nicht nur ihre Freiheit,
sondern auch die Hoffnung."
Wir
stehen hier nun vor einem gewichtigen Problem: wie verbindlich ist
für den hl. Vater die Lehrtratition der Kirche und insbesondere der
jetzt gültige Katechismus der Katholischen Kirche? Und was läßt
uns dieser Umgang mit der Lehrtradition erwarten in Hinsicht auf die
traditionelle Lehre von der Ehe seitens dieses Papstes? Die Kirche
hat zu allen Zeiten stets gelehrt, daß die Todesstrafe eine legitime
Tat des Staates sei. Das lehrt so auch-wenn auch etwas klausuliert-
der jetzige gültige Katechismus: „ Aus diesem Grund hat die
überlieferte Lehre der Kirche die Rechtmäßigkeit des Rechtes und
der Pflicht der gesetzmäßigen öffentlichen Gewalt anerkannt, der
Schwere des Verbrechens angemessene Strafen zu verhängen, ohne in
schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschließen.“ (2266)
Die Todesstrafe wird so von der Kirche als Recht des Staates,
schwerwiegende Verbrechen zu bestrafen, bejaht! Wie kann nun der hl.
Vater urteilen, daß das nicht in Ordnung sei? Der Papst sagt, daß
die Todesstrafe nicht gerecht sei. Um diesen Einwand zu erörtern,
muß geklärt werden, was denn unter Gerechtigkeit im
strafrechtlichen Sinne zu verstehen ist.
Spontan
verstehen wir unter Gerechtigkeit das Bild der Ausgewogenheit-daß
die rechte und linke Schale der Waage sich im Gleichgewicht befinden!
Auf den Vorstellungskomplex von : Verbrechen und Strafe bezogen,
heißt dies, daß der Schwere des Verbrechens gemäß die Schwere der
Strafe auszufallen hat. Die Kirche urteilt also, daß es so schwere
Verbrechen gibt, daß der Schwere des Verbrechens gegenüber nur die
Todesstrafe die angemessene Strafe ist. Und da der Staat um der
Gerechtigkeit willen da ist, so entfaltet es Paulus in seiner
metaphysischen Staatslehre, Römer 13, ist auch die Todesstrafe um
der Gerechtigkeit willen.
Nun
könnte der Einwand erhoben werden, daß Gott allein der Herr über
Leben und Tod sei, sodaß es uns Menschen nicht zustände, Menschen
zu töten. Das ist theologisch wahr. Es wird dabei aber verkannt, daß
Gott sein ihm allein zukommendes Recht an andere delegieren kann,oder
besser gesagt: er kann, gerade weil er der Herr über Leben und Tod
ist, anderen das Recht verleihen, auch Herr über Leben und Tod zu
sein. Uns Katholiken ist dieses aus einem anderen Bereich sehr
vertraut: Gott allein kann Sünden vergeben, werfen Pharisäer Jesus
vor-und haben damit recht. Weil Jesus der Sohn Gottes ist, und nur
deshalb kann er Sünden vergeben. Nur, in der Weihe zum Priester
erhält der Zuweihende Anteil an dieser göttlichen Vollmacht: er
spricht kraft dieser Vollmacht in den Beichte von der Sünde frei.
Nicht bittet der Priester um die Vergebung der Sünden in der
Lossprechung von den Sünden, noch verkündigt er-nach Luther-das
Evangelium dem Beichtenden, daß Jesus für seine Sünden gestorben
sei, sodaß er frei von seiner Sünde wäre, wenn, aber auch nur wenn
er dem Evangelium glaubt.
Gott
gibt Menschen Anteil an seinen „Privilegien“,sodaß nun die
Priester der Kirche und nicht mehr nur allein Gott Sünden vergeben
können. Und so gibt Gott auch dem Staat die Vollmacht zur
Todesstrafe: er soll mit dem Schwerte für die Gerechtigkeit wirken
und das tut er gerade, indem er (mit dem Schwerte) straft und im
Extremfall durch das Verhängen der Todesstrafe.Ein Staat ohne
Todesstrafe gliche einem Priester, der aus „Demut“ vor Gott, Gott
allein könne doch nur Sünden vergeben, keine Lossprechung in der
Beichte mehr vollziehen würde, und stattdessen beten würde: „Gott
möge dir verzeihen!“Denn Gott gibt uns Menschen Anteil an dem, was
ihm eigentlich allein zukommt, Menschen gerecht zu töten und
Menschen die Sünden zu vergeben, damit die mit diesem Vorrechte
Ausgezeichneten dies Privileg auch im Sinne Gottes ausüben!
Wir
alle kennen die Geschichte vom reuigen Sünder, der mit Christus
zusammen gekreuzigt wurde. Vgl Lukas 23, 39-43. Der reuige Sünder
bekennt, daß er zu recht zu Tode verurteilt worden ist für seine
schweren Sünden. Er weiß, daß er wider Gott gesündigt hat und so
Gottes Gericht zu erwarten hat. Er erwartet für sich die Verdsmmnis
durch Gott. Halten wir hier kurz inne. Die Strafe, die er jetzt am
Kreuze erleidet, das ist für ihn die gerechte Strafe und zudem
erwartet er noch eine göttliche Strafe, die der Verdamnis. Nicht ist
also schon das Kreuz für ihn die göttliche Strafe, sondern das ist
erst das Endgericht Gottes über ihn-am Ende der Zeiten. Nur, die
Todesstrafe ist auch schon das Gericht der göttlichen Gerechtigkeit
über ihn! Das muß auf den ersten Blick befremden und es sollte so
nicht einfach überlesen werden!
Denn
wie reagiert Jesus auf dies reuige Schuldbekenntnis und der Bitte,
denke an mich, Jesus? Um dieses reuigen Schuldbekenntnisses willen
vergibt Jesus dem Sünder und verheißt ihm den Eingang ins ewige
Leben. Nun drängt sich uns aber eine schwerwiegende Frage auf. Die
Oberen der Juden hatten Christus verspottet: wenn er der Sohn Gottes
ist, warum hilft er sich denn jetzt nicht selbst? Jesus ist als Sohn
Gottes allmächtig; wenn er gewollt hätte, er hätte vom Kreuze
herabsteigen können und unversehrt zu seinen Schülern zurückkehren
können. Er hätte es so tun können-er tat es aber nicht, nur weil
es nicht Gottes Wille war. Aber da er dem reuigen Sünder seine Sünde
verziehen hatte, warum errettete er ihn nicht vom qualvollen
Kreuzestod. Ihm waren von Jesus die Sünden vergeben, denn sonst
hätte er ihm nicht den Eingang ins ewige Leben verhießen-warum
rettete er ihn nicht vom Kreuzestod. „Steige du vom Kreuz
herab-Niemand wird dich daran hindern, heimzugehen! Aber der reuige
Sünder erlitt den Kreuzestod. Der Sünder hatte die Rechtmäßigkeit
der Todesstrafe über ihn anerkannt und Jesus bestätigte das: ja,
das ist das gerechte Urteil über dich. Aber, weil du das reuig
anerkannt hast, vergibt dir Gott, sodaß du von Gott nicht mehr vom
ewigen Leben ausgeschlossen wirst sondern eingehst ins ewige Leben.
Jetzt
wird es sehr kompliziert-und das, obgleich uns diese Geschichte so
bekannt ist, daß wir die vielen Geheimnisse dieses Textes einfach zu
überlesen geneigt sind. Wie ist das nun mit dem Strafen? Versuchen
wir hier, ein wenig Klarheit zu schaffen.
Mein
Verstehensvorschlag: indem dieser Mensch gesündigt hat, hat er
einerseits gegen Menschen und andererseits gegen Gott gehandelt. So
hat in der Regel jede Sünde zwei Seiten, die des gegen die
Mitmenschen und die des gegen Gott. Weil sein Sündigen eines gegen
die Mitmenschen war, verlangt die Gerechtigkeit eine Bestrafung: das
ist die Todesstrafe, die der Staat rechtens verhängt. Dies tut der
Staat als von Gott dazu Beauftragter-Gott straft durch den Staat-das
meint, wenn Paulus sagt, daß alle Obrigkeit von Gott ist. Nun ist
sein Sündigen aber auch ein Tun wider Gott. Gott wird durch die
Sünde „verletzt“. Weil Gott ein liebender Gott ist, und nur
deshalb, läßt er sich durch die „Lieblosigkeit“ von uns
Menschen gegen ihn „berühren“, durch unser Sündigen. Gottes
Gerechtigkeit und Liebe verlangt so eine gerechte Strafe für dies
Tun wider Gott. Das ist die Strafe der Verdammnis als dem Ausschluß
vom ewigen Leben.
Jesus
vergibt dem reuigen Sünder und das heißt, daß Gott ihn nicht vom
ewigen Leben ausschließt. Aber weil er nicht nur gegen Gott sondern
auch gegen Menschen gesündigt hat, verlangt die Gerechtigkeit, daß
auch diese Seite seines Sündigens bestraft wird. Das geschieht in
der Todesstrafe. Man denke hier an die gut katholische Praxis des
Ablasses, des Erbetens um den Nachlaß der Strafen des Fegefeuers.
Warum erleiden denn die „Armen Seelen“ das Fegefeuer noch, wenn
Gott ihnen doch ihre Sünden schon vergeben hat? Das, was sonst das
Fegefeuer leistet, leistet bei diesem reuigen Sünder der Kreuztod.
Das Erleiden dieses Todes erspart ihm das Fegefeuer, denn Jesus
verheißt ihm ja, daß er sofort ins Reich Gottes eingehen wird und
also nicht erst durchs Fegefeuer muß. Die Strafe, die Gott erläßt,
ist die, die der Sünder um des Tuns wider Gott zu erleiden hat, die
Strafe aber, die der Sünder zu erleiden hat, weil er wider Menschen
zu erleiden hat, und die, weil der Geschädigte endliche Menschen
sind und nicht Gott, eine endliche Strafe ist, die erleidet er in der
Todesstrafe-oder im Fegefeuer. Jesus vergab dem reuigen Sünder so
die Strafe, aber so, daß er die Schuld wider die Menschen durch
seinen Kreuztod abzahlte. Jesus selbst sagt so: daß auch der reuige
Sünder noch zu bestrafen ist, auch wenn ihm vergeben ist. Deshalb
hat ihn Jesus nicht vor der Todesstrafe bewahrt, was er als
allmächtiger Sohn Gottes hätte tun können! Denn Jesus Christus
selbst bejaht hier die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe. Hätte er
sie nicht bejaht, er hätte den reuigen Sünder vom Unrecht der
Todesstrafe bewahrt. Also, man kann nicht das Sündenvergeben Gottes,
seine Barmherzigkeit gegen die Rechtmäßigkeit der Strafe
ausspielen-als schlösse Vergebung Strafe aus. Jesus vergab und gab
dem Staat recht,daß er diesen Sünder zu Tode strafte, obgleich
Jesus ihm vergeben hatte.
Wie
kann da man als Katholik noch die Todesstrafe grundsätzlich
ablehnen? Ich befürchte, in der selben Meinung, wie moderne Christen
auch die Vorstellung vom Fegefeuer ablehnen. Gott ist nur lieb und
straft so Niemanden, schon gar nicht Sündern, denen er schon die
Sünde vergeben hat und die angeblich trotzdem noch das Fegefeuer zu
erleiden hätten, wie es die kirchliche Tradition lehrt. Eigentlich
hätte auch Jesus dem reuigen Sünder das Kreuz ersparen müssen-aus
Liebe zu ihm-aber, er war wohl nicht „mächtig“genug, den reuigen
Sünder an seiner Seite zu retten vor der Todesstrafe.Man muß halt
doch die Göttlichkeit Jesu leugnen und aus ihm einen bloßen
Menschen machen!
Es
handelt sich hier nicht um eine Lapalie. Die Grundordnung der
moralischen Welt besteht darin, daß das Gute belohnt und das Böse
bestraft wird und zwar gerecht-der gerechte Lohn und die gerechte
Strafe. Darum muß es auch die Todesstrafe geben. Wer sie ablehnt,
bringt das moralische Leben aus dem Gleichgewicht, weil nun schwerste
Sünden nicht mehr gerecht bestraft werden. Und er löst das
Fundament auf, auf dem erst die Rede von Gottes Gnade sinnvoll und
verstehbar wird,daß Gott auf sein Strafen verzichtet, um der von
Jesu erlittenen Strafe willen und warum es dennoch das Fegefeuer gibt
für die, denen Gott ihr Sündigen vergab.
Aber
Papst Franziskus sieht in der Todesstrafe nur einen Racheakt, als
wenn es keine gerechte Strafe wäre. Aber wenn Paulus von der
Schwertgewalt des Staates spricht (Röm 13, 1-7) und die Kirche von
den zwei Schwertern, etwa in der Bulle: Unam Sanctam des Papstes
Bonifatius VIII., dann ist unter dem Schwert des Staates immer auch
die Todesstrafe verstanden worden. Und es muß hinzugefügt werden,
daß dieses Recht zur Todesstrafe der Staat „von oben“ (Joh
19,11), von Gott gegeben ist. Es ist bedenklich, wie wenig die
Lehrtradition der Kirche achtend hier der Papst dem humanistischen
Zeitgeist folgend, die Tradition der Kirche hintenanstellt!Es
gibt wohl kaum ein Thema, daß die Differenz zwischen der
christlichen Religion und dem Humanismus so deutlich macht, wie die
Gretchenfrage: „Wie stehst Du zur Todesstrafe?“. Für das
humanistische Denken ist der Straftäter primär jemand, der
gebessert werden muß. Er ist so das Vorzugsobjekt der Pädagogik,
insofern sein verbrecherische Tat die eines nicht angemessen
Gebildeten ist oder er ist das Vorzugsobjekt therapeutischer
Maßnahmen, sofern als Grundursache seiner verbrecherischen Tat eine
psychische Erkrankung oder Fehlentwicklung irgendeiner Art gesehen
wird. Bildung und Therapie sind so gefordert. Da, bevor die Therapie
und die Bildung Erfolge zeitigen können, eine Wiederholung der Untat
nicht auszuschließen ist, ist eine zeitlich befristete Absonderung
des Täters von der Gesellschaft vonnöten, um sie vor der
Gefährlichkeit des potentiellen Wiederholungstäters zu schützen,
bis die Therapie und die Bildung den Täter zum Guten hin gebessert
hat. Denn prinzipiell jetzt jeder Mensch besserbar, vorausgesetzt er
wird nur richtig therapiert und erzogen.
Das
humanistische Denken sieht dann noch seine Grenzen ein, wenn es die
gesellschaftliche Bedingtheit der Untat wahrnimmt und damit den
Zusammenhang zwischen einer „inhumanen“ Gesellschaft und der
Neigung von Menschen, die in dieser so gearteten Gesellschaft leben
und so eine gesellschaftlich bedingte Neigung zum „Verbrechen“
mit sich bringen. Vulgärsoziologisch: Arme Menschen neigen eher zum
Diebstahl als reiche, weil die Reichen alles sich kaufen können, was
dem Armen verwehrt ist, so daß sie dazu neigen, das zu stehlen, was
sie sich nicht erkaufen können. Also, jedes geschehene Verbrechen
ist so ein Appell an die Sozialingenieure, die Gesellschaft humaner
zu gestalten, denn dann würde das Verbrechen schon aufhören, kommt
das Böse doch allein aus einem erlittenen Mangel.
Der
Gedanke der „Strafe“ ist in das humanistische Denken nicht
integrierbar. Wie ein Fremdkörper soll er ausgeschieden werden und
durch den einer therapeutischen Bildungsarbeit ersetzt werden. Und
nur, um die Gesellschaft vor den noch nicht Therapierten zu schützen,
schließt man sie eine kleine Zeit lang ein, abgesondert in
„Gefängnisse“, um sie schnellst möglich gebessert und geheilt
wieder in die Gesellschaft zu reintegrieren!
Die
Todesstrafe ist so gesehen die Perversion staatlichen Handelns
schlechthin. Denn zum Schutze der Gesellschaft vor den Tätern reiche
deren Einsperrung in ein Gefängnis, bis sie therapiert wieder
freigelassen werden können. Viel gravierender ist aber, daß durch
den Vollzug der Todesstrafe der Versuch einer Therapie verunmöglicht
wird-Tote kann man nicht mehr therapieren-und darum verfehlt diese
„Strafe“ die Aufgabe des Staates an Verbrechern, sie wieder zu
guten Staatsbürgern und human lebenden Menschen zu erziehen oder zu
therapieren.
Grundsätzlicher:
der Humanismus glaubt an das Gute in jedem Menschen, das nur durch
widrige Umstände zurückgedrängt und gar verdunkelt werden könne,
aber das doch das Wesen jedes Menschen ausmache, daß jeder
liebenswürdig sei und so es schon ein Verstoß gegen das Menschsein,
seine Würde wäre , ihn zu strafen, statt ihn heilen zu wollen.
Ganz
anders der Katholische Glaube! Nicht in irgendeinem Nebenartikel
einer Katholischen Dogmatik, sondern als die „Grundwahrheiten
unseres Glaubens“ bekundet etwa das noch 1950 im Erzbistum München
und Freising gültige Gottesdienstbuch:
„Gott
belohnt das Gute und bestraft das Böse. Ewige Seligkeit oder ewige
Verdammnis wird das endgültige Geschick der unsterblichen Seele
sein.“1 Im
Gotteslob 1988 ist ein Gebet des hl. Thomas von Aquin enthalten, in
dem es heißt: „ Laß mich, o Herr, deine Strafen hienieden tragen
im Geist der Buße und deine Wohltaten recht gebrauchen durch deine
Gnade.“2 Es
gehört zu den Grundwahrheiten der christlichen Religion, daß der
Mensch für sein Tun und Lassen verantwortlich ist und daß Gott ihn
gemäß seinem Tun und Lassen belohnen und bestrafen wird, entweder
„hienieden“, also in unserem Erdenleben oder nach dem Tode,
entweder mit dem ewigen Leben oder mit der ewigen Verdammnis. In
diese Grundordnung ist nun der Staat als eine von Gott gewollte
Institution, die wichtigste neben der Institution der Ehe und der der
Kirche eingezeichnet. Der Apostelfürst Paulus schreibt es
unmißverständlich: „Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die
nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt.“ (Röm 13, 1)
„Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Sie steht im Dienst
Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der Böses tut.“ (Röm
13,4). Uns wird hier einiges zugemutet. Der Staat, gerade als
Gewaltstaat (nicht in erster Linie als Erbauer von Schulen und
Spitälern) steht im Dienste Gottes. Durch ihn richtet und straft
Gott „hienieden“, um es mit dem hl. Thomas zu sagen. Denn es
steht schon in den Weisheitssprüchen (Sprüche 8,15): „Durch mich
[Gott]regieren die Könige und entscheiden die Machthaber, wie es
Recht ist;“. Wenn wir den Staat theologisch bedenken, dürfen und
können wir von der Staatslehre der hl. Schrift nicht abstrahieren
und ersatzweise uns mit irgendwelchen soziologischen oder
populärwisenschaftlichen Meinungen über den Staat abgeben.
Theologisch
muß man dies also sagen: Gott regiert vermittels zweier Gewalten,
der der Kirche und der des Staates. Das Ringen um eine sachgemäße
Zuordnung dieser beiden Gewalten oder auch Schwerter, wie die Kirche
zu sagen pflegt, gehört so zu den zentralsten Aufgaben der
Theologie. Aber nicht bestritten werden darf, daß nicht nur die
Kirche, sondern auch der Staat im Dienste Gottes steht. Für diese
Dienstaufgabe gab Gott dem Staate das Schwert. Wozu genau? Wir
meinen, immer schon zu wissen, wozu der Staat ist, indem wir einfach
den empirische Staaten vor Augen habend, daraus „abstrahierend“
Erkenntnisse für das Wesen des Staates gewinnen. Wie nun aber, wenn
der Staat sich von seinem Wesen entfremden könnte, und so sein Wesen
sich unseren Augen verdunkelte. Oder wollte ein Christ ernsthaft
behaupten, daß es zum Wesen des Staates gehört, werdenden Mütter
die Tötung ihrer Kinder zu erlauben? Dieser Fall macht eines klar:
der Staat kann Dinge tuen (hier konkret die Abtreibung legalisieren),
die seinem Wesen widersprechen. Der Staat widerspricht dabei seinem
Wesen, so wie jeder Mensch seinem Wesen widerspricht, wenn er
sündigt. Denn das Wesen des Menschen, wie das des Menschen ist das,
wozu Gott es geschaffen hat. Das nennt die Tradition die ontologische
Wahrheit von einem Etwas, im Gegensatz zur empirischen Erscheinung,
in der sich das Erscheinende von seinem Wesen entfremden kann. Die
ontologische Wahrheit ist die, daß der Staat eine Ordnung Gottes
ist, mit und durch die er die Welt regieren will. Und das Ziel dieses
staatlichen Regierens ist die Gerechtigkeit.
Wir
müssen uns, um der Klarheit willen hier auf das Zentrum der
christlichen Religion kaprizieren: auf den Kreuzestod Christi und
jetzt unter der Frage: „Warum ist der Römische Staat in der
Gestalt des Pontius Pilatus an dem Kreuzestod beteiligt?“ Jesus
hätte ja auch, wie kurz darauf der hl. Stephanus von den Juden
allein hingerichtet werden ohne eine Mitbeteiligung des Römischen
Staates! Hätte Jesus nicht auch so-gesteinigt-für unsere Sünden
sterben können als Sühnopfer? Historisch Urteilende können nun
vielleicht Plausibiltäten aufweisen, daß es wohl wahrscheinlicher
war unter den gegebenden Umständen, daß Jesus von römischen
Soldaten gekreuzigt als von Juden gesteinigt zu werde.
Nur,
das ist keine theologische Aussage und Erkenntnis. Nein, wir müssen
da tiefer fragen und denken. Wenn Pontius Pilatus an der Kreuzigung
beteiligt gewesen war, dann war das auch Gottes Wille-denn im Kreuz
Christi geschah Gottes Wille! „Dein Wille geschehe!“ bat Jesus,
seinen Kreuzestod vor Augen. Heute soll diese Erörterung hier
abbreviaturhaft durchgeführt werden, um schneller und damit wohl
auch leserfreundlicher zum Kern des Problemes vorzustoßen. Ich setze
also Anselm von Canterburys Konzeption als bekannt voraus und
urteile, daß um der göttlichen Gerechtigkeit willen sein göttlicher
Sohn die notwendige Satisfaction Gott darbrachte. Anders gesagt: die
Sünden der Menschen verlangte nach einer adäquaten Strafe, wobei
unter Gerechtigkeit zu verstehen ist, daß das Maß des Leides, das
durch die Sünden, die Ungerechtigkeiten entstanden ist, durch das
Maß der Leiden, durch die Strafe hervorgerufen, ausgeglichen
werden.Da Gott der durch die Sünden „Geschädigte“ ist, er wird
durch unser Sünden beleidigt, richtet sich das Maß der Strafe nach
der göttlichen Würde. (Wenn dagegen etwa eingewandt würde, daß
Gott unberührbar sei als absoluter Gott, dann verkennt dies, daß
Gott,indem er zum Gott von Menschen und für Menschen wurde, er durch
diese Relation auf andere zu einem von Menschen berührbaren Gott
sich selbst bestimmte.) Um der göttlichen Gerechtigkeit willen
ereignete sich also der Tod Jesu. Daß er aber am Kreuze starb und
nicht gesteinigt wurde wie der erste Märtyrer Stephanus, das ist die
Folge davon, daß der Römische Staat diese Causa in die Hand nahm.
Pilatus kreuzigte Jesus. Der Römische Staat kreuzigte den Heiland
der Welt. Oberflächlich Urteilende sehen darin nur einen
Justizirrtum oder das erste Opfer von: „Mehr Demokratie
wagen!“-weil Pilatus ja das Leben Jesu einer basisdemokratischen
Entscheidung unterwarf: die vox populi bestimmte: Kreuzige ihn, den
Jesus Christus!
Aber
was war nun der Wille des göttlichen Vaters? Genau dies, daß der
Sohn um der göttlichen Gerechtigkeit willen den Tod erleiden sollte.
Und wozu hat Gott den Staat eingesetzt? Daß er durch sein Schwert
der göttlichen Gerechtigkeit dienen solle, indem er die Sünder um
der Gerechtigkeit willen straft. Nun wird es paradox. Der,der ohne
Sünde ist, nimmt die ganze Sünde der Welt auf sich, um am Kreuze,
auf das er die ganze Sünde der Welt trug, den Straftod für diese
Sünde zu erleiden. Dies ist eine der komplexesten Paradoxien der
christlichen Religion: daß Pilatus, indem er den einzig Schuldlosen
tötet, den tötet, der alle Schuld auf sich nahm und so die Strafe
erlitt, die alle Menschen sonst zu erleiden hätten. Indem Pilatus in
einem skandalösen Justizirrtum den Schuldlosen kreuzigt (weil er der
vox populi nachgab) ,kreuzigt er den Sünder Jesus, weil er alle
Schuld auf sich genommen hatte und so das tat, wozu der Staat
bestimmt ist von Gott, indem er der vox populi nachgab, die jetzt die
vox Dei war. Aber das ist nur für im Glauben Fortgeschrittene.
Der
Staat tötete also um der göttlichen Gerechtigkeit willen. Das ist
seine Aufgabe, das tut er, wenn er rechtmäßig die Todesstrafe
ausübt. Nebenbei: der staatliche Mißbrauch des Rechtes zur
´Todesstrafe diskreditiert nicht den rechtmäßigen Gebrauch dieser
Strafmöglichkeit durch den Staat. Daß die staatliche Todesstrafe im
Einklang mit dem Willen Gottes steht, das genau offenbart uns das
Kreuz Christi ob der Beteiligung des Römischen Staates an diesem
Heilswerk. Wir brauchen nur die einfache Gegenprobe zu machen. Was
wäre geschehen, wenn Pilatus Jesus Christus freigesprochen und ihn
vorsichtshalber in Schutzhaft genommen hätte? Jesus Christus wäre
nicht gekreuzigt worden- wir lebten immer noch unter dem Zorn Gottes
als Nichterlöste.
Wir
Christen sehen den Menschen als strafwürdigen Menschen an. Er ist
für sein Tun und Unterlassen verantwortlich. Darum gehört es zu den
Grundwahrheiten des Glaubens, daß Gott straft und belohnt. Und ein
Mittel der göttlichen Gerechtigkeit ist das Schwert des Staates, das
dazu da ist, daß schon auf Erden im Sinne der göttlichen
Gerechtigkeit gerecht gestraft wird. Diese Einsicht wird nun
verunklart dadurch, daß man die Idee der Gerechtigkeit, die die
Strafe des Bösen notwendig inkludiert, konfundiert mit den
humanistischen Vorstellungen vom von Natur aus guten Menschen,
Roussseau läßt grüßen, der nur als „Kranker“ Böses tue und
so statt zu bestrafen, zu therapieren sei. Dort, wo ein solcher
Humanismus die christliche Religion durchsäuert hat, dort versteht
man dann weder das Kreuz Christi noch die Todesstrafe durch den
Staat-dort wird dann alles modernisiert. Die christliche Religion
dagegen kennt den strafwürdigen Sünder, dem Gott aber auch seine
Sünde vergeben will, beichtet er und der ewige Strafe in endliche
wandelt und selbst von dieser nachläßt, erbittet die Kirche Ablässe
für die Armen Seelen im Fegefeuer. Der gerechte Gott straft, weil er
gerecht ist, er ist aber auch ein gnädiger Gott. Von all dem weiß
die humanistisch gewordene Religion nichts mehr, die sich durch den
Humanismus konfundieren lassen habende Religion und die kann dann im
Widerspruch zur Tradition der Kirche, verfangen im Geist des
Humanismus die Abschaffung der Todesstrafe fordern, um somit Gottes
Willen, der den Sühnetod seines Sohnes wollte, nachträglich als
Irrtum zu bezeichnen. Sie folgt damit dem Petrus, der schon bei der
ersten Leidensankündigung Jesu ausrief: Das sei ferne! Gott will das
Kreuz nicht-und Jesus Christus Petrus einen Verweis erteilen mußte:
Du denkst menschlich,nicht wie es Gott will. Gott will, daß die
Schwertgewalt des Staates der Gerechtigkeit dient.
1Gottesdienst,
Gebet-und Gesangbuch für das Erzbistum München und Freising, 1950,
S.15.
2
Gotteslob, Katholisches Gebet- und Gesangbuch, 1988, S.33.
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