Kardinal Marx präsentiert- kurz vor der Eröffnung der Familiensynode sein Buch zur Sache: "Kirche überlebt". Es ist ein Buch, daß die "heißen Eisen" dieser Synode ausspart. Nur en passant erwähnt er seine Teilhabe an dem Geheimtreffen progressiver Kräfte zur "Vorbereitung" dieser Synode. Nein, der Kardinal will etwas Grundsätzlicheres sagen. Sein Thema ist die Kirche in der Moderne. Und da verweist er auf die pessimistische Prognose, daß je moderner und aufgeklärter die Gesellschaft werde, desto unteligiöser werde sie, sodaß es in ihr keine Zukunft für Religion und Kirche gäbe. " Je moderner eine Gesellschaft ist, je weiter sie sich entwickelt, je fortschrittlicher sie wird, umso mehr wird das Thema Religion sich erledigen." (S.7). Warum repristiniert Marx diesen vulgärsoziologischen Ladenhüter, frägt sich da der aufmerksame Leser und findet dann auch die Antwort, wenn er sich die Mühe macht, dieses Werk ganz durchzulesen. Das Anliegen des Kardinales ist es, den Gläubigen und die Kirche als Ganzes mit der modernen Gesellschaft zu versöhnen. Wie könnte das aber gelingen, gliche die Lage der Religion und der Kirche in der Moderne der eines Süßwasserfisches in einem Salzwasseraquarium! Nein, die Moderne ist nicht nur an sich etwas Gutes, sie ermöglicht auch, daß Religion und Kirche weiterhin ein "Thema" sei. Hier zeigt sich Marx ganz als Kenner der Postmoderne, indem er frägt: ist Religion und Kirche noch ein Thema in den Medien, denn Leben heißt in der Postmoderne, in den Medien als Thema zu erscheinen. "Religion verschwindet aber nicht, auch die Kirche nicht", (S.8) triumphiert er, weil diese beiden Größen in den Medien präsent sind.
Geben wir seiner Medienweltsicht das Wort: " Hinzu kommt eine neue Dynamik und Beunruhigung im Bereich der Religionen, besonders durch die fundamentalistischen und fanatischen Ausprägungen des Islam."
Merke: das schlimmste ist, überhaupt keine Presse zu haben! Auch schlechte verlebendigt das Thema Religion! "Aber es gibt auch im christlichen Bereich neue und polarisierende Diskussionen." (S.8). Hier argumentiert der Kardinal politisch korrekt, daß man den fundamentalistischen Islam nur kritisieren darf, wenn man gleich dabei den christlichen kritisiert.Damit präfiguriert er seine Position, daß die Religion nicht polarisierend zu wirken habe.
Das Thema Religion ist aber auch sonst in der Moderne präsent und das zeige, daß sie in der Moderne nicht verlösche! Und wo ist die Religion heuer in den Medien präsent? Kardinal Marx benennt 3 Bereiche oder Themen: "Denken wir an die Diskussion über das Kopftuch, die sogenannte Homo-Ehe, die Kreuze in öffentlichen Einrichtungen". Daß bei uns Religion noch ein relevantes Thema ist, das erkennt Marx an der Präsens dieser drei Themen insbsondere in den Medien! Aber was haben denn diese drei Themen Gemeinsames? Ganz offensichtlich, daß es dabei um Aspekte der Zurückdrängung der christlichen Religion aus dem öffentlichen Leben handelt. Sollen und müssen die Kreuze -weil das Kreuz ein christliches Symbol ist- aus öffentlichen Räumen, isb Schulen entfernt werden ob der Trennung von Staat und Kirche-muß das staatliche Verständnis von der Ehe sich von der christlichen Vorstellung von der Ehe als einer geordneten Beziehung von einem Mann zu einer Frau emanzipieren und so Homoehen erlauben und gehört es zur Religionsfreiheit, daß nun im einst christlich geprägten Kulturraum islamische Frauen für ihre Religion im Schulunterricht Zeugnis ablegen dürfen durch das Kopftuchtragen? Wo also das genau hinsehende Auge eine Tendenz zur Zurückdrängung der christlichen Religion wahrnimmt, sieht Kardinal Marx Anzeichen der Lebendigkeit des Themas Religion! Ja, die Moderne ist eben ein guter Boden für die Religion!, ruft er- so gut fundiert- seinen Lesern zu! Und er weist dann auch allen Religionen und auch der christlichen ihre Aufgabe in der (post)modernen Gesellschaft zu: "Wie können sie ein Beitrag sein füt ein besseres Miteinander in einer globalisierten und sehr heterogenen Welt." Und das können die Religionen ja nur, daß sie eben nicht zu einem Problem für das Miteinander werden sondern ein Teil der Lösung, wenn sie ihren jeweiligen fundamentalistischen Rand abschaffen- wie es der Kardinal so treffend in seiner Bloggerkritik zum Ausdruck brachte: einfach ignorieren, die Conservativen und Traditionalisten. Pater Hagenkord (SJ) unterstütze da ja auf seinem Radio Vatican Blogg energisch den Kardinal, indem er vorschlug, diese Kräfte einfach lächerlich zu machen. Und damit ist schon die Hauptstoßrichtung dieses Kirchenbuches erfaßt. Dem Ja zum Leben der Kirche in der "offenen, pluralen, freien Gesellschaft" (S.13) korreliert sein Nein zu allen conservativen und traditionalistischen Kreise in der Katholischen Kirche, die eben nicht in dieser "offenen pluralen und freien Gesellschaft leben wollen, indem sie- reden wir hier mal Klartext- gegen die Gleichberechtigung von Homosexuellen sind,intolerant gegen den Islam und eine vormoderne Sexual-und Morallehre vertreten! Aber nur eine die Jetztzeit bejahende und sich ihr einpassende Kirche kann in ihr überleben, als kritischer Wegbegleiter dieser Gesellschaft, der die Moderne als Ort gelebter Freiheit prinzipiell bejaht. Ja, das Programm der Kirche, der christlichen Religion ist es- genau genommen- die Moderne an die Eigenansprüche der Moderne zu erinnern und für ihre Realisierung einzutreten. Sie hat "in den Auseinandersetzungen auf der Seite der Freiheit, der Menschenwürde, der Verteidigung der Rechte der Armen und Unterdrückten, der Religionsfreiheit, der Rechte der Frauen, der Trennung von Kirche und Staat und auch auf [der Seite]der Demokratie" zu stehen. (S.117). Das könnte die Bundeskanzlerin direkt als Wort zum Sonntag in ihre nächste Regierungserklärung zur Lage der Welt so übernehmen! Und darin besteht für diesen Kardinal die Aufgabe und Zukunft der Kirche! Aber der Kardinal sieht auch Probleme, denen sich die Kirche zu stellen hat: "Und die Herausforderungen sind enorm: die Globalisierung, die digitale Revolution. die neuen Spannungen zwischen den Kulturen, die Bedrohung durch einen wilden Kapitalismus, die wachsende Ungleichheit." (S.103) Und irgendwie hilft dann der persönliche christliche Glaube, daß Christen eben in solchen komplexen Problemlagen den kühlen Kopf bewahren, nicht zu popularistischen Lösungskonzepten sich verleiten lassen, sondern kritische Begleiter sind in dem Prozeß der Weiterführung der Modernisierung der Gesellschaft, durch die diese Probleme dann auch lösbar werden. Das klingt zwar wie eine Repristinierung der edlen Absichten des Kulturprotestantismus des 19 Jahrhundertes, aber Marx möchte uns das jetzt als das Aktuellste vom Aktuellen neu entdecken lassen für die Zukunftsfähigkeit der Kirche!
WUNDERBAR!!!
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