Als kleine Ergänzung zu meiner eigenen Studie zur Theodizee: Uwe Christian Lay, Die Übel und der gute Gott. Theodizee 2011: große Menschen gibt es nur, weil es auch kleine gibt, denn wäre jeder ausgewachsener Mensch gleich groß an Körpergröße, es könnte weder große noch kleine geben. Die Tugend setzt notwendigerweise nicht nur die Möglichkeit sondern auch gelebte Untugend voraus, damit die Wahl des Tugendhaften auch wirklich als eine freie zum Guten angesichts der realen Möglichkeit des Untugendhaften eine moralisch relevante Entscheidung ist. Könnte der Mensch nur tugendhaft leben (weil seine innere Natur ein untugendhaftes Leben gar nicht zuließe), könnte er auch nicht tugendhaft leben. Abstrakter formuliert: das Negative (das was eigentlich nicht sein dürfte, wenn ein guter und allmächtiger Gott die Welt schuf und regiert), muß doch sein, damit so nur auch das Positive ist. Frägt die Theodizee, warum Gott das Negative zulasse, obwohl er es als allmächtiger ja auch verhindern könnte, oder er hätte ja auch eine Welt schaffen können, in der es gar keine Möglichkeit für das Negative gegeben hätte, so kann auch respondiert werden: damit das Gute ist. Wenn Adam nicht die Möglichkeit zum Sündigen gehabt hätte im Pardiese, wie hätte er sich als -im moralischen Sinne- guter Mensch erweisen können, wenn es für ihn keine Möglichkeit zum Nichtguten gegeben hätte. Auch für das Schöne gilt: es gibt nur Schönes als Opposition zum Nichtschönen! Jeder Filmheld setzt einen oder mehrere Bösewichter voraus, sodaß unser Filmheld sich erst in der Auseinandersetzung mit ihnen als Held erweist.
So wäre eine vollkommene Welt ohne das Negative streng genommen keine vollkommene Welt. Als Theologe stehen wir ja mit der Vorstellung des Satans vor einem beachtlichen Problem: warum ließ es Gott zu, daß einer seiner Engel, nämlich Luzifer zum Teufel werden konnte und warum läßt er ihn auf Erden weiterhin wirken? Er ist das rein Negative und es heißt ausdrücklich von ihm und seinem Anhang, daß es für sie keine Möglichkeit einer Rettung gibt. Jesus Christus starb für die Sünden der Menschen, aber nicht für die Luzifers und seines Anhanges. Und doch muß diesem rein Negativen auch etwas Positives innewohnen, sonst ließe Gott die Entstehung und ihr Wirken nicht zu. Einfach, zu einfach machen es sich da die Modernisten mit ihrer Entmythologisierei-sie urteilen einfach, daß es den Satan nicht geben könne- sie gleichen Lämmern, die erklären, daß es in einer von Gott geschaffenen und regierten Welt keine Raubtiere geben könne, und schon gar keine, denen Lämmer ihre Lieblingsspeise ist! Es gibt ihn, den Satan- aber warum gibt es ihn in der von Gott geschaffenen und regierten Welt? Könnte darauf nicht doch respondiert werden, daß es das Gute nur gibt, weil es das Nichtgute, das Schöne, weil es nur das Unschöne und das Wahre nur gibt, weil es das Unwahre gibt? So gründet sich die praktische Vernunft ja durch die Unterscheidung von gut und böse und es muß Beides geben, damit es die praktische Vernunft gibt und das gilt dann so auch für die theoretische Vernunft (wahr-unwahr) und die ästhetische Vernunft (schön-unschön)!
Man kann es sich auch so veranschaulichen: hätte die Kirche in ihrem theologischen Denken zu der Klarheit des Trienter Konziles gefunden ohne die Negation der Lehre der Kirche durch Luther und die Reformation? Zwang nicht erst Marcion der Kirche die Frage auf, was zum Kanon dazugehören soll und was nicht, indem er seinen Kanon für die Kirche schuf, den dann die Kirche verwarf? Wird nicht erst die Lehre von der Ehe zu ihrer Vollgestalt sich ausreifen, wenn sie von anderen angefriffen und gar verneint wird? Ist das Negative um des Positiven willen? Ist es gar notwendig? Wir kennen das große Wort, daß der Krieg der Vater aller Dinge ist. Wenn man den Begriff des Krieges nun nicht eng mißversteht, als ginge es da um militärische Auseinandersetuzungen, könnte dieser Ausspruch besagen, daß alles nur ist durch seinen Widerstreit mit seiner Negation- das Gute im Kampf wider das Böse. das Schöne im Kampf wider das Unschöne und das Wahre nur durch das Unwahre.
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