Mittwoch, 7. Oktober 2015

Notiz zur Lage der Kirche

"Die Reduzierung des Menschen auf den Konsumenten, in dem eine geldgierige Großindustrie mittels Reklame Konsumentenwünsche erzeugt, um sie schnell zu befriedigen, die ganze Lebensphilosophie des: "Ich will Genuß-sofort"! verwandelt ihn zum "zur Masse degradierten, naturfremden, nur an kommerzielle  Werte glaubenden, gefühlsarmen, verhaustierten" politisch indoktrienierbaren und durch die Großindustrie manipulierbaren Einheitsverbraucher." (Kunze. Mut zur Freiheit-Ruf zur Ordnung, 1995, S.129. ) Diese Lesefrucht könnte uns zu denken geben, daß nämlich auch der Durchschnittschrist sich zur Kirche wie ein Konsument verhält. Die Dogmatik sagt uns, wie der Christ sich zur Kirche verhielte, wenn er ein Gläubiger wäre, und dann gibt es noch das Optativdenken, das Wunschdenken: wenn doch nur jeder Christ...Aber warum verhält sich der real existierende Christ so ganz anders als der, den uns die Dogmatik lehrt und unser Optativdenken uns vormalt: o möge der Christ doch...
Wir könnten nun einfach antworten: das ist eben die Sünde des Christen, oder etwas feiner, sein Mangel an Glauben. Das ist auch irgendwie richtig, weil es prinzipiell immer richtig ist. Aber gerade so trifft es nicht das Besondere unserer Lage. Das Besondere ist wohl dies. daß die postmoderne Gesellschaft für die meisten eine Gesellschaft des Überangebotes an zu konsumierbaren Waren ist und daß alles für den Zahlungskräftigen da ist, sodaß sich alle Probleme reduzieren lassen auf das der Verteilungsgerechtigkeit, daß der Überfluß allen irgendwie zu gute kommt. Die große Illusion der Konsumgesellschaft ist es eben, daß alles Erstrebenswerte etwas Kaufbares ist- und wer nun sofort da die Widerrede erhöbe, aber das wichtigste ist nicht käuflich, Freundschaft und Liebe, der bedenke doch, wie viel wahrscheinlicher ein im Berufsleben erfolgreicher Mann von einer Frau geliebt wird als ein von der Sozialhilfe lebender! Und wenn Männer attraktive Frauen bevorzugen, dann ist eben frauliche Attraktivität  auch eine Frage der Fülle des Geldbeutels. In Märchen mögen Prinzen Aschenputtel ehelichen, im realen Leben aber sieht das etwas anders aus. Einen gewissen pragmatischen Realismus kann man der Lebensmaxime, daß im Prinzip alles kaufbar ist, nicht absprechen. Und so erleben wir in der Postmoderne den Menschen
, der sich in den Konsumenten verwandelt als sein eigentliches Sein. Und als solcher tritt er auch der  Kirche gegenüber. Er will keine ihn regierende und belehrende Kirche, sondern ein Serviceunternehmen Kirche- und die Reformkräfte der Kirche sagen dazu ihr Ja! Dann kann ruhig gesagt werden, daß die Lehre der Kirche auf der Familiensynode unangetastet bleiben soll- wenn unsere Pragmatiker nur dafür die Änderung der Praxis erreichen könnten. Es geht also darum, wer die letzte normative Instanz ist für die Kirche.
Die Marktwirtschaftsideologie sagt: der Konsument und der Ideologiekritiker: die Medien, die den Konsumenten erst bilden, was er zu konsumieren wünscht.  Wer heute ein Rathaus betritt, wird, wenn er eineslange nicht mehr aufgesucht hat, oder wenn er eine Internetseite des Rathauses anklickt, feststellen, daß selbst der Staat in seiner Gestalt als Rathaus dem Bürger als eine Serviceagentur entgegentritt. Und das Arbeitsamt ist auch kein Amt mehr....Es ist, als wenn alle Institutionen sich umwandelten in Agenturen des Bürgerservice für Konsumbedürfnisse. Vielleicht erleben wir eine allgemeine Krise aller Institutionen und somit auch die der Kirche als den Prozeß der Umwandlung und Umstellung auf den Menschen als Konsumenten. 
Denn eines muß doch auffallen: daß keine der Reformforderungen der Kirche etwa mit theologischen Gründen gerechtfertigt wird- es heißt nur noch: die Christen, die Basis und die veröffentlichte Meinung will das so und darum muß die Kirche dem nachgehen- als säße ich in einem Weinlokal und Unmemgen von Gästen orderten Bier statt Wein, sodaß die Kellner zum Inhaber sagen, daß wir endlich die Konsumwünsche der Gäste akzeptieren müssen, sonst gehen wir mit unserem Weinlokal pleite. 
Ist die Reduzierung des Menschen auf ihn als Konsumenten vielleicht auch der Grund, warum ihn die christliche Verkündigung nicht mehr erreicht? Für die christliche Verkündigung ist der Mensch eine große Erzählung, die seines Seins im Paradiese, die seines selbstverschuldeten Falles aus dem Ursprung, die Geschichte seiner Exilierung und die seiner Erlösung und Heimkehr  zu Gott.Und in diese anthropologische Erzählung schreibt sich dann Gott, Jesus, der Heiland, die Kirche und die Sakramente, der Tod ein. Aber, wie, wenn dem Menschen diese Metaerzählung völlig fremd geworden ist- wenn er nur noch sich sieht im Meer der Konsumangebote und er dann, wenn überhaupt noch, nur frägt lohnt sich das kirchliche Konsumangebot für mich?      

Corolarium 1
Man sollte Nietzsches Bild vom letzten Menschen erweitern oder umschreiben zu dem vom letzten kleingezüchteten Menschen, dem Konsumenten, dem "verhausschweinten Konsumenten" (Kunze)

Corollarium 2
Wer einen schönen Beleg für die "Konsumentenorientierung" der Kirche lesen möchte, der lese Bischof Kochs Rede auf der Familiensynode- unsere Lehre und Argumente, warum Geschieden-Wiederverheiratete nicht zur Kommunion zulaßbar sind, kommen nicht an bei den Kirchenkonsumenten und darum muß es geändert werden! Die Nachfrage hat unsere "Produkte" zu bestimmen, ist sein implizites Argument.  

1 Kommentar:

  1. Der Paradigmenwechsel hin zur Konsumentenkirche spiegelt sich meines Erachtens in dem immer wieder gern hochgehaltenen neuartigen Ideal der „Glaubwürdigkeit“ wider. Mir ist dieses Ideal suspekt.

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