Aberglaube
und Christentum-abergläubisches Christentum?
Spontan
geurteilt: das „und“
ist hier fehl am Platze, ja geradezu deplatziert, es müßte vielmehr
„oder“
heißen! Aber was ist denn das, was da in Antithese zum Christentum
als „Aberglaube erscheint? Meint es etwas mit der christlichen
Religion Unvereinbares? Oder etwas Vorchristliches/ Heidnisches oder
einfach nur etwas mit der Aufklärung Nichtkompatibles? Alle drei
Verständnisse von „Aberglauben“ werden heuer oft völlig
vermengelt benutzt-einfach zur Dysqualifikation von etwas. Aber auch
zu recht?
Machen
wir es uns heuer mal etwas komplizierter und wenden uns dem Begriff
des „abergläubischen Christentums“ zu! Eine Erzählung: Ein
Mann, in tiefster Sorge um sein Schicksal, wie geht es mit mir
weiter, besucht eine Frau, die im Rufe steht, Tote
herbeizubeschwören, um sie dann auch über Zukünftiges befragen zu
können, als wüßten Verstorbene mehr als die Lebenden. Das ist
offensichtlich schlimmster Aberglaube, schwarzer Spiritualismus und
wahrscheinlich auch eine kluge Geschäftsidee, schnell mal ne Mark
sich zu verdienen. Man braucht keine Sektenbeauftragten der Kirche
noch den Verbraucherschutz zu konsultieren, um sich den Rat zu geben:
hier wirst du nur um dein Geld betrogen werden. Abergläubisch ist
nämlich die Vorstellung, a)daß Tote wieder erscheinen könnten, b)
daß, wenn sie erschienen, sie uns Zukünftiges voraussagen könnten
und c) zuvörderst, daß Menschen die Fähigkeit hätten, Tote zu
beschwören!
Die
Fortsetzung der Geschichte müßte also enden mit einem
aufklärerischen Ende: ein gescheiterter Betrug-oder: wie
abergläubisch sind doch Menschen! Aber, was nun? Diese Geschichte
steht nicht unter Skurilitäten in der Tagesspresse oder im
Internet-sondern in der Bibel! Und es ist auch ein uns sehr
Bekannter, der da eine Totenbeschwörerin befragt: der König Saul
selbst! Nachzulesen: 1.Samuel 28, 3-25. Und das allerpeinlichste!
Die Totenbeschwörerin hat Erfolg: der verstorbene Prophet Samuel
erschien und er sagte dem König Saul, wie es um ihn vor Gott stehe
und der Totengeist sagte dem König auch die Zukunft voraus: seinen
Tod! Das dürfte eigentlich nicht in der Bibel stehen, aber es steht
da.
Von
dieser Frau sagt die Bibel: „eine Frau, die über einen Totengeist
Gewalt hat! (28,7) Ist das nun Aberglaube oder eine biblische
Wahrheit?
An
dieser einfachen Frage entscheidet sich unser Verhältnis zur hl.
Schrift! Sagen wir Ja, das ist reinster Aberglaube, erheben wir unser
Verständnis von dem, was „Aberglaube“ ist zum Zensurmaßstab
über die Wahrheit der Bibel: war sind nur die Aussagen der
biblischen Texte, die diesem Zensurmaßstab gerecht werden. Es kann
keine Frau geben, die einen Totengeist beschwören kann, der dann
auch wirklich erscheint und der dann dem König gar seine Zukunft
voraussagen kann! Nur, woher weiß das aufgeklärte Wissen, daß es
das nicht geben kann?
Was
machen wir da mit Shakespeares Hamlet, die dramatische Szene, in der
der ermordete Vater seinem Sohn erscheint und ihm offenbart, daß er
nicht eines natürlichen Todes gestorben ist sondern ermordet wurde?
Das wäre nur Literatur, eine rein fiktive Erzählung- und ist dann
die Bibelgeschichte auch nur eine rein fiktive Erzählung? Oder
machen wir es uns hier als Aufgeklärte nicht doch zu einfach?
Erstmal sollte es doch für uns Christen einen Unterschied geben
zwischen einem heiligen Text und einem säkular literarischen Text
und zudem beweist der literarische Charakter eines Textes ja auch
noch nichts gegen seine Wahrheit. Bloß weil das in einem
Theaterstück steht, muß es nicht heißen, daß es unwahr ist!
Wir
verurteilen etwas als unwahr, weil wir uns nicht vorstellen können,
daß dies etwas möglich sein kann. Voraussetzung dafür, daß etwas
als ein reales Ereignis gelten kann, ist, daß es zu der Menge der
möglichen Ereignisse zählt. Ein unmögliches Ereignis kann so nie
ein mögliches werden und eine Totenbefragung ist ein
-offenkundig-unmögliches Geschehen. Wie bestimmt sich aber, was für
Ereignisse unmöglich sind, sodaß ein Bericht davon, das hat sich
ereignet, als unwahr gelten muß! Jetzt könnten wir sagen: was eine
abergläubische Vorstellung ist! Eine der unhinterfragten
Präsumptionen ist, daß es keinen Gott, oder Engel, (sagen wir
einfach: daß es keine übernatürliche Kräfte gibt), die in das
Weltgeschehen eingreifen können und eingreifen. Demzugfolge gilt:
als mögliches Ereignis kann nur ein solches Ereignis gelten, daß
auf weltimmanente Ursachen zurückführbar ist. Einen Toten zu einer
Interrogation herbeirufen zu können und von dem so Erscheinenden
dann gar Informationen über Zukünftiges bekommen zu können, ist
keine auf natürliche Ursachen und Potenzen zurückführbare
Vorstellung! Und dem kann man wohl zustimmen! Aber wer sagt denn, daß
alle Ereignisse in Raum und Zeit, in der Geschichte der Menschen auf
rein weltimmanente Ursachen zu reduzieren seien? Wie erklärt sich
denn dann das Ereignis, daß sich in jeder Katholischen Meßfeier
ereignet? Daß der Priester die Konsekrationsworte über Brot und
Wein spricht und sich Brot und Wein in das Fleisch und Blut Christi
verwandeln? Die Lehre vom Sakrament der Priesterweihe gibt uns
darüber eine klare Auskunft: Gott verleiht durch dies Sakrament dem
Weihekandidaten die Vollmacht zur Transsubstantion! Nicht Gott
wandelt in der Messe Brot und Wein, sondern der Priester wandelt
kraft seiner ihm von Gott durch das Sakrament verliehenen Vollmacht.
In jeder hl.Messe ereignet sich also etwas, was nur erklärbar ist
durch die Annahme einer übernatürlichen Kraft, durch die der
Priester dieses Wandlung wirkt! Und damit die Wandlung sich ereignet,
müssen auch die Konsekrsationsworte des gesprochen werden-über Brot
und Wein. (Darum sprach der Priester sie auch in lateinischer Sprache
nicht hörbar für die Gemeine, denn der Priester verkündigt hier
nicht-dem Volke-sondern er konsekriert Brot und Wein, indem er sie
„anspricht“) Das hier ein Wunder sich ereignet, das ist der
Skandalon und daß es durch einen eigens dazu befähigten Menschen
gewschieht, das noch größere Wunder.
Ist
das nun purer Aberglaube? Wenn Gott Männer dazu befähigen kann,
Brot und Wein in das Fleisch und Blut Jesu Christi zu verwandeln,
warum soll Gott dann nicht auch Frauen dazu befähigen, Tote
beschwören zu können? (Eigentlich könnten sich hier doch
Feministin freuen, daß auch Frauen mit übernatürlichen Begabungen
von Gott her talentiert werden.) Oder sollte es im letzteren Falle
moralische Bedenken geben, daß Gott eine Befähigung zu einem Tun,
das in Gottes Augen eine Sünde ist, nicht Menschen geben könnte?
Aber Gott gab auch Adam und Eva mit dem freien Willen die Befähigung
zum Sündigen. Nur, jetzt könnte und müßte auch erwidert werden:
Gott gab den freien Willen, damit der Mensch gute Werke verdienstvoll
wirken könne und das verlangt, daß er auch dem freien Willen die
Befähigung zum Sündigen dazugab, denn nur, wenn der Mensch auch
sündigen kann, kann er auch gute Werke wirken. Also ist der freie
Wille um des guten Zweckes willen gegeben, aber damit er dem guten
Zwecke auch dienen kann, muß der freie Wille auch immer das Vermögen
zum Nichtguten sein. Nur, die Befähigung zur Totenbefragung wäre ja
per se immer etwas Böses und Unerlaubtes, sodaß Gott so eine
übernatürliche Talentierung gegeben hätte, die nur zum Bösen
dienen könne und das wäre moralisch nicht vorstellbar. Oder könnten
wir es auch anders sehen: Gott gab seinen Propheten den Auftrag und
auch die Befähigung dazu, Zukünftiges vorauszusagen und er wollte,
daß die Menschen auf sie hören-damit dieser Gehorsam ein wirklich
verdienstlicher ist, setzt Gott die negative Möglichkeit, daß
Menschen bei Totenbeschwörerin statt bei den Propheten nach der
Zukunft fragen. Und ihr Ungehorsam ist dann der, daß sie statt zu
den Propheten zu den Beschwörerin gehen und damit der Ungehorsam
möglich ist, gibt er auch Frauen die Möglichkeit zur Beschwörung
von Toten. Sauls Elend beginnt ja damit, daß er den Herrn
befragte, aber Gott ihm nicht mehr antwortete. „Da befragte Saul
den Herrn, aber der Herr gab ihm keine Antwort, weder durch Träume,
noch durch die Losorakel noch durch die Propheten“ (28, 6). Man
beachte hier-hier gilt es genau und aufmerksam zu lesen: durch
Tröume, Losorakel oder durch Propheten gibt Gott Auskunft! Das ist
hier nicht als eine abergläubische Praxis gemeint. Nur, weil Gott
durch sie nicht dem König antwortet, wendet er sich zur verbotenen
Befragungspraxis zu! Um es ganz grobschlächtig auszudrücken: ein
Ehemann kann des Nachts zu seiner Ehefrau oder in ein Bordell gehen
und bei beiden kann er eine sexuelle Befriedigung erleben, aber ihm
ist moralisch nur die im Ehebett erlaubt. Und so ist es auch mit den
Propheten und ihren erlaubten Mitteln (Los und Träume) und den
unerlaubten, den Totenbeschwörerin! Beides sind mögliche Wege, aber
der eine ist religiös erlaubt und der andere nicht.
Gehören
so Praktiken in die christliche Religion, die wir Modernen als
abergläubig abzuqwualifizieren, gewohnt sind? Im Prinzip muß das
bejaht werden. Das Wunder der Transsubstabtion ist kein weltimmanent
erklärbares Ereignis, genauso wenig wie das, daß eine
Totenbeschwörerin den Propheten Samuel herbeibeschwören konnte.
In
der Katholischen Religionspraxis gibt es nun weitere „Ereignisse“
die vom modernen Standpunkt aus als „abergläubisch“ erscheinen
müssen-und wenn man es genau nimmt, fallen darunter alle sieben
Sakramente, alle Sakramentalien und die Reliquienverehrung. Und ganz
liberale Modernisten urteilen gar, daß die Vorstellung, daß Gott
Gebete erhören könne, auch abergläubisch sei!
Wem
das zu abstruß vorkommt, der möge sich doch bitte folgende
Geschichte vorerzählen lassen: eine schwer erkrankte Frau, von
Ärzten als unheilbár diagnostiziert, erfährt, daß es einen
Menschen gäbe, der so viel Heilkraft in sich trüge, daß es
ausreiche, seine Kleider zu berühren, und sie würde geheilt. Wenn
das kein Aberglaube ist, was dann? Nur, diese Geschichte steht im
Neuen Testament und ist uns allen wohl bekannt als die Geschichte von
der Heilung der blutflüssigen Frau!
Der
christliche Glaube habe nichts Abergläubisches in sich, ist so eine
sehr gefährliche Aussage, wenn sie dazu führt, daß nun viele
Aussagen der Bibel und wesentliche Praktiken der christlichen
Religion, weil sie dem aufgeklärten Urteile nach abergläubisch
sind, aus der Religion entfernt werden. Aber genau das ist die
Tendenz der modernen Theologie. Um ja dem aufklärerischen Auge keine
Angriffsfläche zu bieten, will man all das „Abergläubische
eskamotieren! Man denke hier nur an den Versuch, die katholische
Lehre von der Trabssubstantion durch die der Transsignigfgikation zu
ersetzen, um so dem modernen Menschen keinen Anstoß mehr zu
erwecken. Die neue-von der Kirche als häretisch verurteilte Lehre
meinte, daß Brot und Wein Brot und Wein blieben, nur ihre Bedeutung
ändere sich-so wie ein buntes Tuch, durch einen Staatssakt zur
Nationalfahne solenn erklärt, weiter ein buntes Tuch bleibt, aber
jetzt als Nationalfahne eine völlig andere Bedeutung bekommt! Aber
dieser Bedeutungswechsel kann eben ganz weltimmanent-natürlich sich
ereignen-ohne ein übernatürliches Einwirken! Das Anstößige dabei
ist ja, daß Übernatürliches durch Natürliches gewirkt wird: das
Taufwasser wirkt und bewirkt etwas! Das Essen von konsekriertem Brot
und Wein bewirkt etwas-Übernatürliches- Sündenvergebung und ewiges
Leben. Es wäre nun ein Leichtes, dies spiritualistisch auszudünnen:
daß es eine Parallelaktion gäbe-etwas Natürliches wird getan, Brot
gegessen und Wein getrunken, aber Gott wirke dann parallel dazu, daß
der Brot und Wein Zusichnehmende innerlich durch den hl, Geist
genährt würde-die typisch reformierte Konzeption (auf Calvin
zurückgehend).Aber die Katholische Kirche besteht darauf-und wird
damit dem Wesen der Religion gerecht-daß Gott durch Natürliches
(Sakramente , Sakramentalien und Reliquien) Übernatürliches
wirkt-und das ist der Aufklärung eine rein abergläubische
Vorstellung. So will der große Aufklärer Kant ja all solche
Vorstellungen und Praktiken aus dem vernünftig umzuformenden
Christentum ausscheiden!
Gibt
es denn nun nicht auch mit dem Christentum unvereinbare
abergläubische Vorstellungen und Praktiken? Sicher gibt es die! Daß
Freitag der 13, ein Unglückstag sein soll usw...aber in der jetzigen
Kampfsituation, in der das Christentum in der Defensive sich
befindend permanent angegriffen wird, ist es eine wichtige Aufgabe,
gerade die Teile der Religion vor dem Angriff zu schützen, die unter
der Parole, das sei doch abergläubisch, angegriffen werden.
Und
dafür ist es unpraktikabel, unreflktiert Ja zum Nein zu jedem
Aberglauben zu sagen: man schösse damit Eigentore! Stattdessen
sollten wir es lieber mit Shakespeare halten, daß zwischen Himmel
und Erde mehr möglich ist, als unsere aufgeklärten Schulbücher
wissen!
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