Montag, 30. März 2015

Besiegt Luther nun doch noch die Kirche? Teil 2

Nicht soll jetzt diskutiert werden, was wohl das eigentliche Grundanliegen Luthers gewesen sein könnte, denn in diesem Punkte soll nun in loser Anlehnung an R. Barthes These vom Tode des Autoren geurteilt werden, daß seine literarischen Werke nun eine Eigendynamik entwickelten und rezipiert wurden, sodaß die Autorenintention hinter den Texten verschwand und nun nach der Wirkungsgeschichte gefragt wird, ob eine Spätwirkung dieser revolutionären Theologie die Implosion der Katholischen Kirche sein könnte.
Grundlegend ist für die lutherische Theologie der Generalverdacht gegen die Kirche, daß sie das Eigentliche der hl. Schrift verfälscht habe. Die Kirche ist nicht mehr der Ort des Offenbarseins der Wahrheit. Dieser Generalverdacht- heuer etwas anders verkleidet-ist zum Standartglauben innerhalb der Katholischen Kirche geworden. Die banale Tatsache, daß jede Lehre und Lehrentscheidung der Kirche in Zeit und Raum gefällt worden ist, wird aufgepäppelt zur These der kontextuellen Bedingtheit der kirchlichen Lehre, sodaß nun, weil wir in einer anderen Zeit lebten, das damals so Gesagte so nicht mehr für uns Heutigen verbindlich ist. Unter der Parole der Übersetzung in eine moderne, zeitgemäße Sprache kann dann fast alles Bisherige faktisch aufgelöst werden. Aber mit Luther gegen Luther wird nun auch die Bibel und besonders auch das Neue Testament einer Generalkritik unterzogen. Auch hier sei das Eigentliche der Verkündigung Jesu schon verändert worden. Nach Nietzsche war der Apostel Paulus der große Verfälscher Jesu, es kann aber auch abstrakter die nachösterlichen Gemeindebildungen sein-soll heißen, daß man von Jesus Wunder erdichtet hat,die er nie vollzogen habe oder daß man ihm Reden in den Mund gelegt habe, die er nie gehalten habe. 
Abstrakter formuliert-und damit wesentlicher: Die hl. Schrift und die Lehre der Kirche wird dem autonomen Leser zur Kritik unterworfen und er bestimmt dann nur noch, was für ihn wahr ist. Den Emergenzpunkt dafür lieferte Luther selbst, indem er den biblischen Kanon der Kirche verwarf und einen eigenen neuen Kanon schuf, der dann für die Lutheraner verbindlich wurden. Seitdem gibt es neben dem Bibelkanon der Katholischen Kirche den des Protestantismus, sich auf Luthers Autorität berufend. Diese von ihm anerkannten Schriften legte Luther nun nach seinem Geschmack aus, und diese Auslegung sollte nun die verbindliche sein, weil sie Luthers ist. Radicaler kann der Subjektivismus  sich  nicht in Szene setzen. Wer könnte übersehen, daß dies faktisch heute auch die Praxis in der Katholischen Kirche geworden ist!Daß Vieles in der Bibel, auch und gerade im Neuen Testament zeitbedingt sei und so uns nichts mehr angehe, ist dann die Standartformel. mit der fast alle Aussagen der Bibel und auch und gerade des Neuen Testamentes erledigt werden.
Luther hat sich mit seiner Lehre vom: allein aus Glauben, nicht durchgesetzt- nicht in der Lutherischen Kirche und auch sonst nicht. Positiv rezipiert wurde nur seine Kritik an der Heilsnotwendigkeit der guten Werke.Heuer hört man im Luthertum wie in der Katholischen Kirche fast nur noch, daß Gott uns bedingungslos  liebe, jeden Menschen, unabhängig davon, ob und was er glaube und wie er lebe. Diese Radicalisierung ist nun schon bei Luther präfiguriert. Denn wenn der Glaube mein Glaube ist, ich bin es, der glaubt, dann wird dieser mein Glaube zur Bedingung meines Heiles und weil er mein Glaube ist, würde ich nicht mehr allein aus Gnade gerechtfertigt, sondern nur, wenn ich durch den meinigen Glauben mein Heil mitbewirke. Luther konnte diese Infragestellung des :"Allein aus Gnaden" durch die Bedingung der Heilsnotwendigkeit des Vertrauensglaubens nur lösen, indem er aus: ich glaube, ein: Gott glaubt durch mich in mir, machte.   Der Glaube durfte nicht meiner sein, sondern mußte als Werk Gottes in mir zu stehen kommen. Der freie Wille als Subjekt des Glaubens liquidierte er durch die These, daß der Mensch keinen freien Willen habe, weil er entweder vom Teufel oder von Gott determiniert würde. Es mußte als mein Glaube als mein Glaube negiert werden, damit er nicht mehr als von mir getätigter eine Beeinträchtigung des: durch Gott allein sei. Aber die Evidenz des: Ich glaube setzte sich gegen die Vorstellung, daß Gott durch mich glaubt durch. Jetzt mußte der Glaube als Bedingung für das Heil gestrichen werden und das leistete für den modernen Protestantismus am überzeugendsten Karl Barth, der den Glauben zu einem Er-und Bekennen der Wahrheit machte, der aber nicht mehr ein Ergreifen der Wahrheit ist, sodaß gelten würde, daß nur weil ich glaube, ich von Gott ein Geliebter sei! Diese Vorstellung wurde dann nach 1945 für die Ökumene und Mission maßgebend, sodaß die Mission zur puren Diakonie umstrukturiert wurde. So befremdlich das auch klingen mag. aber gerade Luthers. allein aus Glaube und sein Insistieren auf das allein aus Gnade ließ den Glauben als die -alleinige- Heilsnotwendigkeit verschwinden, sodaß heuer der faktische ökomenische Konsensus darin besteht, daß jeder Mensch von Gott geliebt wird und der Glaube nur ein Anerkennen dieser Wahrheit ist. Einfach gesagt: jetzt kommen die Menschen ohne Glaube und ohne Werke in den Himmel. 
Die Ethik bekommt somit aber schon ganz im Sinne Luthers eine neue Bedeutung. Sie antwortet nicht mehr auf die Frage: wie muß ich leben, damit ich das ewige Leben gewinne, oder lutherischer, damit ich einen gnädigen Gott gewinne. Sie ist ohne soteriologische Bedeutung und wird so zu einem rein weltlichen Ding mit der Frage, wie lebe ich mit den Mitmenschen zusammen gut! Das gute Leben ist das Telos der modernen lutherischen Erthik und da kann dann um des guten Lebens willen die Ehe als scheidbar gelehrt werden und vieles andere auch an traditioneller Morallehre liquidiert werden, weil es, statt auf das gute Leben auf das Erreichen des ewigen Lebens ausgerichtet war.Zur Veranschaulichung: wenn heuer noch gefastet wird, dann nicht als ein Bußwerk um des ewigen Lebens willen, sondern nur, weil es dem Menschen gut tut, zu fasten!  
Eines radicale Verschiebung findet dabei statt. Einst war die Kirche die Vermittlerin zwischen Gott und dem Einzelmenschen; nur wer die Kirche zu seiner Mutter hatte,konnte Gott als seinen Vater haben. Hier setzt Luther jetzt eine Unmittelbarkeit: Der Gott, wie er sich mir in seinem Wort begegnet und das Ich, diese Zweipoligkeit macht das Wesen der christlichen Existenz aus. Die Gemeinde ist dann das Secundäre als Folge ded Bedürfnisses der Gläubigen nach einem geselligen religiösen Gemeinschaftsleben, das in der Kirche in der Organisationsform des Vereines seinen wahrhaftigen Ausdruck findet.  Befrüge man die heutigen Katholiken nicht nur nach ihrer Zu- oder Nichtzustimmung zur Morallehre der Kirche, sondern nach ihrem Kirchenverständnis, wer wäre überrascht, wenn dies modern lutherische auch das der heutigen Katholiken ist!  Das Pathos der Unmittelbarkeit nichtet so die Notwendigkeit der Kirche-und es ist wohl nicht ganz falsch, wenn Karl Rahners bekannte Votum, daß der moderne Christ Mystiker sei, genau das meinte, den sich von der Kirche emanzipiert Habenden in seiner mystischen  Unmittelbarkeit zu Gott. Kant und Bismark stehen als archetypische Protestanten für diese Unmittelbarkeit in ihrem Nein zur kirchlichen Vermittelung! Aber dies einst genuin Protestantische, durch Luthers: Allein die Schrift und der private Vertrauensglaube Präfigurierte, ist das nicht heuer auch zu der Grundhaltung katholischer Christen geworden. Sind für meine Beziehung zu Gott die Sakramente wichtig?, lautet dann die Überprüfungsfrage und die Antwort sehen wir in jeder Sonntsgsmesse und in den verwaisten Beichtstühlen! Auch und gerade hier triumphiert der lutherische Geist, war es doch gerade Luthers Anliegen, die sakramentale Beichte abzuschaffen und sie zu ersetzen durch die Evangeliumsverkündigung, daß mir die Sündern vergeben sind, wenn und wenn nur ich dieser Verheißung meinen Glauben schenke! Mir sind sie vergeben, weil ich darauf vertraue, daß sie mir vergeben sind-und deshalb brauche ich auch nicht zur Beichte zu gehen!  
Und noch eine Fernwirkung Luthers: Sein Nein zum Meßopfer speist sich aus zwei Momenten, dem negativen, daß die Kirche Gott kein wohlgefälliges Opfer darbringen  könne und einem positiven, daß, weil Jesus Christus das wahre Sühnopfer dargebracht habe, kein Meßopfer mehr notwendig ist. Der moderne Protestantismus rezipierte nun nur die negative Intention und verband das mit der These, daß Gott als vollkommene Liebe gedacht unvereinbar sei mit der Vorstellung, Gott wolle Sühnopfer! Weil Jesus Kreuz kein Opfer sei, deshalb könne auch die Eucharistie kein Opfer mehr sein, lehrt nun der liberale Protestantismus!Und wie viele moderne Katholiken bejahen das; man denke nur daran, daß heuer Anselm von Canterburys Kreuzestheologie, warum Gott Mensch wurde, zu den meist geschmähten Schriften avanciert ist! Wenn Jesus Christus nicht sich geopfert hat für unsere Sünden, dann kann natürlich das Meßopfer auch kein Sühnopfer mehr sein! Wie nahe man da plötzlich wieder Luther ist!  
Diese kleine Ergänzung zu, ob nun Luther endlich doch noch die Katholische Kirche besiegt, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber diese wenigen Punkte demonstrieren schon hinreichend, wie sehr Luther heuer vor den Toren Roms steht, um die Kirche von innen zu destruieren! Und das ist das Erschütternde unserer Zeiten, daß der Krieg gegen die Kirche aus ihrer Mitte heraus geführt wird!                                      

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