Freitag, 6. März 2015

Christus und der freie Wille

Man könnte es sich einfach machen. Dann stellte man sich die Theologie bis zum Reformkonzil als eine abgeschlossene alle Fragen beantwortende Wissenschaft vor, die formvollendet das Ganze expliziert. Und dann (dieses "Und" ist dann aber sehr erklärungsbedürftig) ereignete sich der Abfall; Modernisten lösten das System der Katholischen Theologie auf, und begannen ein gewaltiges Zerstörungswerk. Unwahr ist das nicht! Aber eben nicht die ganze Wahrheit.Wenn eine Festung vom Feinde erobert werden konnte, dann lag das eben nicht nur an der Stärke des Agressors sondern auch an der Schwäche der Verteidiger der Festung. Wenn in und nach dem 1.Weltkrieg die drei großen christlichen Monarchien Europas, Rußland, Österreich und Deutschland fielen, dann stand der Stärke der Revolutionskräften eben auch eine in sich schon längst geschwächte Monarchie gegenüber. Daß mit der Demokratisierung Europas die Entchristlichung dann sich beschleunigte, das ist unverkennbar. Das Thron-und Altar- Bündnis hielt zuvor diesen Auflösungsprozeß zumindest auf. 
Aber gab es denn innere Schwächen der Katholischen Theologie, die dann auch ihre postkonziliare Implosion präfigurierten?  Das hieße ja auch, daß nicht einfach eine Repristination der vorkonziliaren Theologie möglich  und erstrebenswert wäre, sondern daß es gälte, den angefangenen Bau der Katholischen Bau zu prolongieren und dabei auch Schwächen und Irrwege zu korrigieren, damit es eine Weiterentwiuckelung der Erkenntnis der offenbarten Wahrheit gibt!
Es soll ein Zentralpunkt der Christologie, die Lehre vom Verdienst Christi hier diskutiert werden und zwar mit der Verdachtsthese, daß es der vorkonziliaren Theologie, exemplifiziert an der sehr gediegenen Dogmatik von Franz Diekamp ( sicher eine der besten der vorkonziliaren Theologie kurz vor ihrer Implosion, anhebend mit dem 2. Vaticanum) nicht gelang, die Lehre vom Verdienst Christi plausibel zu ergründen, sodaß heuer diese Lehre ganz von der Tagesordnung verschwunden ist. Damit wird aber auch das zentrale Erlösungswerk Christi, sein Kreuzesopfer undenkbar und ist so auch verschwunden. 
Wenden wir uns dem Kardinalproblem der Lehre vom Verdienste Christi zu und kaprizieren uns um der Veranschaulichung und der Konzentration auf des Pudels Kern auf die Erzählung von der Versuchung Jesu durch den Satan. Diekamp schreibt im 26 Paragraphen seiner Dogmatik: "Christus war von der Erbsünde und von jeder persönlichen Sünde frei."(Franz Diekamp, Katholische Dogmatik BdII. 11/12.Auflage, 1959, S.274) und erläuternd: "Christus war frei von der ungeordneten Begierlichkeit, die auch "Sünde" im weiteren Sinne und "Zunder der Sünder" (fomes peccati) genannt wird. (S.275), um dann aber all das in Frage zu stellen, durch die These: "Christus war der Sünde ganz und gar unfähig". (S.276). 
Zwei Aussagen mögen das Sachproblem veranschaulichen:
a)Dieser Politiker lügte nie in seinen Wahlkampfreden. b) Mein Computer lügt nie. Die erste Aussage ist eine in sich sinnvolle (die Prüfung des Wahrheitsgehaltes dieser Aussage ersparen wir uns hier aber: gibt es einen Politiker, der nie im Wahlkampf log?)  Diese Aussage ist sinnvoll, weil von dem Subjekt, "dieser Politiker" aussagbar ist, daß er in Wahlkampfreden lügt; ja die Aussage, daß er lügt, klingt in unseren Ohren, wenn wir uns auch nur ein wenig mit Politik und demokratischen Parteienwahlkämpfen beschäftigen, sehr wahrscheinlich, daß sie wahr ist. Um so unwahrscheinlicher ist es, daß es einen Politiker gibt, von dem ausgesagt wird, daß er nie in Wahlkämpfen log. Aber es ist eine mögliche Aussage. Die Aussage, daß er nie log, ist nur dann eine sinnvolle Aussage, wenn von dem Subjekt, von dem ausgesagt wird, daß es nie log, auch ausgesagt werden kann, daß es log. Deshalb ist die zweite Aussage eine sinnwidrige. Weil ein Computer gar nicht lügen kann, kann von ihm weder prädiziert werden, daß er die Wahrheit oder eine Lüge sagt. Man kann nur von ihm sagen, daß er in Folge von einer irgendwie gearteten Fehlfunktion eine falsche Auskunft gibt. Er funktioniert dann  eben nicht. 
Die Aussage, daß er der Sünde ganz und gar unfähig war, soll Jesus Christus moralisch qualifizieren. Aber nicht sündigen können, wenn damit eine physische Unmöglichhkeit gemeint ist, verunmöglicht es, sein Nichtsündigenkönnen noch als ein moralisch qualifizierbares Nichtkönnen zu beurteilen. Zur Veranschaulichung: Der blinde Mann ließ sich durch pornographische Bilder nicht zu Augensünden verführen, ist eine in sich sinnlose Aussage, weil ein Blinder durch pornographische Bilder gar nicht verführbar ist, weil er sie gar nicht sehen kann und so auch gar nicht durch solche Bilder verführbar ist. Wenn der Satan Jesus versuchte zu verführen, dann wäre es das Sichnichtverführenlassen Jesu Christi durch den Teufel nur ein verdienstliches Werk, wenn Christus versuchbar wäre und er der Möglichkeit des Versuchtwerdens widerstand. Adam und Eva wurden im Paradiese vom Satan verführt; sie hätten der Versuchung widerstehen können, sie mußten ihr nicht erliegen. Aber kraft ihres freien Willens konnten sie auch der satanischen Versuchung erliegen, wie sie ihr auch widerstanden gekonnt hätten. Nur weil sie gekonnt hätten, rechnet Gott ihnen ihr Nichtwiderstehen als Schuld an; hätten sie gar nicht das Vermögen gehabt, der Verduhung zu widerstehen, wie hätte dsas dann in Gottes Augen eine Sünde sein können. Nun stand Jesus als zweiter Adam in der Verduchung-und er widerstand. 
Was nun aber, wenn Jesus Christus unversuchbar gewesen wäre? Daß er der satanischen  Versuchung widerstand, wäre dann nicht sein Verdienst gewesen; er konnte ja gar nicht anders! Diekamp muß so auch einräumen:" Es könnte nun scheinen, daß die Unmöglichkeit zu sündigen die sittliche Freiheit Christi beeinträchtigt und seine Fähigkeit, durch sein Leiden und Sterben uns das Heil zu verdienen, aufgehoben habe." Das Problem wird hier aber schon in dieser Explikation verharmlost. Die Unmöglichkeit zu sündigen, ließe es gar nicht mehr zu, ein Nichtsündigen als sittliches Verhalten zu qualifizieren. Das wäre so, als würde ich das  korrekte Agieren einer Maschine -also ihr Funktionieren- als moralische Qualität dieser Maschine beurteilen. "Der Motor läuft gut" ist eben kein moralisches Urteil über ein Automobilmotor, sondern meint, daß der Motor gut funktioniert. Das Wort "gut" meint in Hinsicht auf einen Motor, daß er gut funktioniert, während die Aussage, daß dieser Mann ein guter Ehemann ist nicht meint, daß er gut als Ehemann funktioniert, sondern daß er sich gemäß dem Ideal des Ehemannes zu seiner Frau verhält und ist so ein moralisches Urteil. Wenn Jesus aber gar nicht die Freiheit gehabt hätte, sich dem Leiden und Sterben am Kreuze zu entziehen, dann wäre sein Leiden und Sterben am Kreuze kein verdienstliches. Er hätte es notwendig erlitten-aber nicht freiwillig, wie die Verdammten in der Hölle ja auch nicht ihr Strafleiden dort verdienstlich erleiden, weil sie es gegen ihren Willen erleiden! Damit das Kreuzesleiden Christi als ein moralisch-verdienstliches wqualifizuerbar ist,muß von ihm ausgesagt werden, daß er es freiwillig-gehorsam erlitt, und das ist nur aussagbar, wenn von ihm auch aussagbar ist, daß er ingehorsam das Kreuzesleiden hätte ablehnen können. Gehorchen kann nur der, der auch nichtgehorchen kann. Wer nicht gehorchen kann, kann auch nicht gehorchen, er kann nur funktionieren oder  in Folge eines Defektes nicht funktionieren! Ein Unvermögen zum Bösen nichtet so das Vermögen zum Guten, denn damit das Vermögen zum Guten wirklich eines zum Guten ist, muß es die willentliche, die freiwillige Negation des Wollens des Nichtguten sein.
Diekamp zitiert dann Joh 10,16, dies Mandat habe ich von meinem Vater empfangen, um dann hinzuzufügen: "Ein göttliches Gebot zu übertreten war ihm aber absolut unmöglich".(S.277).Es muß aber angefragt werden, ob überhaupt die Aussage, daß Gott seinem Sohn ein Mandat gab, eine sinnvolle Aussage ist, wenn dem, dem das Mandat übergeben wird, es unmöglich wäre, das Mandat nicht auszuführen! Die Folge Befehl, Mandat und Gehorsam ist doch nur eine sinnvolle Folge, wenn dem Befehl und dem Mandat ein Subjekt zugeordnet wird, von dem prädikatiert werden kann, daß es dem Befehl und dem Mandat gehorchen oder auch nicht gehorchen kann. Oder ist es sinnvoll, wenn ich die Kaffeemaschine anstelle, zu sagen, daß ich ihr den Befehl und das Mandat gab, zu starten?  Anders wäre es, verstünde ich das "unmöglich" als eine moralische Unmöglichkeit. Wenn eine Krankenschweter urteilt, ihr sei es unmöglich, sich an einer Tötung eines Kindes im Mutterleibe zu beteiligen, dann besagt das ja gerade, daß sie es physisch könnte, daß sie es aber aus moralischen Gründen auf keinen Fall will. Und dies auf keinen Fall Wollen beinhaltet, daß sie es könnte, aber daß sie es aus moralischen Gründen nicht will.
Jesis hätte dann kein göttliches Mandat ausgeführt, indem er das Kreuzesleiden auf sich nahm, sondern er hätte nur wie ein gut programierter Roboter gut funktioniert! Auf die Versuchung bezogen: Der Teufel konnte Jesus Christus gar nicht versuchen, weil er unversuchbar ist und  so war es auch nichts Tugendhaftes, wenn Jesus Christus sich nicht versuchen ließ.
Diekamp versucht nun, hier dem hl. Augustin  folgend, einen Geniestreich. Er urteilt, "daß der Wille um so freier bist, je mehr er über die Möglichkeit des Sündigens hinausgehoben, je reiner und stärker die Liebe ist. mit der die Gnade ihn erfüllt." (S.278)  Die Pointe ist nun die, daß die denknotwendige Voraussetzung dafür, daß ein Werk einen verdienstlichen Charakter habe, also moralisch qualifizierbar sei, daß das Gute freiwillig gewollt und getan wurde, wobei hier unter freiwillig zu verstehen ist, daß das, was getan wurde, auch nicht getan werden konnte. Es muß also gelten, daß zu der Aussage, ich wollte das Gute die konjunktivische Aussage hinzufügbar ist, daß ich das Gute auch nicht hätte wollen können. Wenn nun der freie Wille umdefiniert wird zu:je weniger der Wille sündigen kann, um so freier ist, dann würde diese so definierte freie Wille jeden Verdienst eines guten Werkes ausschließen. Der hl. Augustin benutzt nämlich bei seiner Definition des freien Willens das das Gute Wollen und das Nichtgute Nichtwollen "gut" und "nichtgut" im Sinne von gut oder nicht gut funktionieren. Je weniger störanfällig ein Automotor ist, desto besser ist er! Im Sinne von Gutfunktionieren  ergibt dann auch der Komparativ seinen Sinn. Unsinnig ist die Vorstellung, ein Wille könne freier sein, hier gilt wie bei einer Schwangerschaft, daß eine Frau nicht mehr oder weniger schwanger sein kann. Aber ein technisches Gerät kann mehr oder weniger gut funktionieren. Dann meinen wir damit seine Störanfälligkeit, die sein gutes Funtionieren beeinträchtigt. 
Es muß konstatiert werden, daß das Vermögen des Guten, des das Gute Wollens notwendig das Vermögen zum Nichtguten mitsichsetzt, denn nur wo das Vermögen zum Nichtguten dem Willen ist, kann sein das Gute Wollen ihm als moralisches Gutwollen zugeschrieben werden. 
So nichtet die Aussage, daß Jesus Christus notwendig gehorsam war, weil er gar nicht nicht gehorchen konnte, sein Vermögen, gehorchen zu können. Es wäre so kein Verdienst Christi, der Versuchung des Satans widerstanden zu haben, weil es ihm unmöglich war, sich versuchen zu lassen.
In Hinsicht auf die Vollkommemnheitslehre hieße das: Jesus Christus ist deshalb vollkommen, weil er um das Gute wollen zu können, um dem göttlichen Vater gehorchen zu können, auch nicht gehorchen müssen konnte. Gehorchen zu können, ist eine Tugend. Fehlte die dem göttlichen Sohn, wäre in ihm ein Mangel. Das Nichtgehorchenkönnen ist an sich keine Tugend, aber weil nur der gehorchen kann, der auch nicht gehorchen kann, muß der Vollkommene um der Tugend des Gehorsames willen das Vermögen zum Ungehorsam in sich tragen!  
Wenn dagegen faktisch der Sohn keine verdienstlichen Werke setzen konnte, weil er notwendig zum Guten determiniert ist durch seine göttliche Natur, dann stünde die Katholische Theologie vor der Aufgabe, Jesu Christi Erlösungswerk ohne den Begriff des  verdienstlichen Werkes zu konstruieren! Und so verfährt sie nachkonziliar mit dem Resultat, daß das Kreuz Christi für die objektive Lage des Menschen vor Gott nichts geändert hat und so bedeutungdlos ist- sondern uns Menschen nur ein neues Verständnis von Gott offenbart hat!  
Zudem versperrt die These von der Unmöglichkeit des das Nichtgute Wollens Jesu Christi einen bedeutsamen Zugang zur Frage der Theodizee, die Einsicht nämlich, daß das Nichtgute um des Guten ist und auch sein muß zumindest der Möglichkeit nach!      
     
      
       
     

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